VORWORT zur Broschüre
„Mit den Beneš-Dekreten in die EU?“
Bei der Vorbereitung meines Vorworts zu dieser Sammlung von Beiträgen zum Verhältnis von Sudetendeutschen und Tschechen überraschte mich am 17. April 2000 die Meldung in der FAZ über einen Beitrag des Politikwissenschaftlers Bohumil Dolezal beim Symposion der Ackermanngemeinde und der Bolzano-Stiftung in Iglau und am 19. April 2000 der Abdruck dieses Vortrags in der gleichen Zeitung. Endlich eine laute Stimme von tschechischer Seite, nicht still bei der Begegnung zwischen Deutschen und Tschechen, nicht theologisch verklausiert oder fromm in einer Predigt formuliert, sondern offen und ehrlich, durch die Publikation in einer der besten Zeitungen Deutschlands weltweit verbreitet. Dolezal findet harte Worte: Er nennt die Art und Weise, wie vor drei Jahren die deutsch-tschechische Erklärung zustande kam, unwürdig. Er spricht von Heuchelei, von einem unsittlichen Konsens, dessen Opfer nicht nur Sudetendeutsche, sondern auch – und für ihn in erster Reihe – die Tschechen sind. „Es ist also nicht gelungen, das größte Problem der deutsch-tschechischen Beziehungen zu lösen.“ Als Grund gibt er „die Furcht [an], mit dem eigenen Versagen konfrontiert zu werden“ und nennt drei Thesen für die ideologische Rechtfertigung der Tschechen:

1
Man müsse eine unangemessene Selbstquälung ablehnen.

2
Der „Abschub“ sei in seiner Zeit die einzig mögliche und auch die einzig richtige Lösung gewesen.

3
Die Geschichtswissenschaft sei dazu berufen, der tschechischen Politik Argumente zu liefern für den Schutz der nationalen Interessen.

Wie er diese Thesen widerlegt und was er als Bürgerinitiative seinen Landsleuten vorschlägt, verdient Beachtung.

Als Kroate, als Parlamentarier und Vorsitzender des Kroatischen Weltkongresses habe ich die publizistische, aber auch humanitäre Arbeit von Rudolf Grulich und Adolf Hampel fast ein Jahrzehnt verfolgt. Sie hatten sich bereits im Sommer 1991 für das angegriffene Slowenien engagiert, und dann noch mehr, als Kroatien in seinem Überlebenskampf stand. Weil sie beide 1946 das Schicksal ethnischer Säuberung im Sudetenland erfahren hatten, waren sie zutiefst betroffen, ja empört, daß Europa am Ende des Jahrhunderts Vertreiber jahrelang in Kroatien und Bosnien, aber auch im Kosovo und Sandschak agieren ließ. Ihr Buch „Maastricht starb in Sarajevo. Gegen die Totengräber Europas“ ist Zeuge dieses Engagements. Grulich und Hampel nannten auch im Kosovo-Konflikt das Unrecht, aber auch die Heuchelei beim Namen, wenn ein neuer Nato-Partner wie die Tschechische Republik den unsinnigen Krieg der Nato mittrug, der für das Heimatrecht einer Volksgruppe, der Kosovaren, geführt wurde, aber sich weiterhin weigert, die Beneš-Dekrete aufzuheben, die der Volksgruppe der Sudetendeutschen ihr Heimatrecht nahmen. Ein Skandal war es auch 1999, daß tschechische Behörden die Mörder und Schuldigen des Massakers von Totzau nicht vor Gericht stellten, weil es sich damals um „gerechte Vergeltung“ gehandelt habe, während sich alle Welt über Einzelfälle von Rache im Kosovo empörte. Die EU wird im Falle Tschechiens und seiner Aufnahme in diese Gemeinschaft Flagge zeigen müssen.

Dr. Stanislav Janovic

Quelle: ISBN 3-87336-015-2
„Mit den Beneš-Dekreten in die EU?“
Texte zum Ost-West-Dialog Nr. 15