Stimmen zum Tschechisch-Deutschen Zwist im April 2002
(Fortsetzung)
===========Radio Prag 2002-04-02==============
Havel kritisiert Diskussion um Bene-Dekrete/ Abgeordnetenhaus debattiert
voraussichtlich noch im April über Dekrete
Präsident Vaclav Havel hat den Streit um die so genannten Bene-Dekrete als
hysterisierte Diskussion kritisiert. Wegen der aufgeheizten Atmosphäre werde
er sich vorerst nicht zu den tschechoslowakischen Nachkriegsnormen äußern, sagte Havel
am Montag gegenüber dem Tschechischen Rundfunk. Weiter verlautete aus der Kanzlei des
Staatsoberhaupts, daß die von einigen Abgeordneten vorgeschlagene posthume Verleihung des
höchsten Staatsordens an den früheren Präsidenten Edvard Bene unnötig sei, da
Bene den Orden bereits 1936 erhalten habe. Es sei daher nicht damit zu rechnen, daß
Havel den umstrittenen Politiker erneut auszeichnen werde, hieß es. Nach Informationen
des tschechischen Rundfunks wird das Abgeordnetenhaus vermutlich noch im April erstmals
über die Bene-Dekrete debattieren.
Parlamentspräsident Vaclav Klaus habe die Vorsitzenden der im Abgeordnetenhaus
vertretenen Parteien zu einem vorbereitenden Treffen am 11. April eingeladen, hieß es.
============Radio Prag 2002-04-03==============
Tschechische Republik übergibt Europäischem Parlament juristische Expertise der
Bene-Dekrete
Die tschechische Vertretung bei der Europäischen Union hat am Mittwoch in
Brüssel dem Europäischen Parlament eine juristische Expertise der sog.
Bene-Dekrete übergeben. Der tschechische EU-Botschafter Libor Secka äußerte nach
den Verhandlungen mit Europa-Abgeordneten die Überzeugung, daß das Europäische
Parlament im Zusammenhang mit den Dekreten kein Interesse daran habe, die
Nachkriegsentwicklung in Frage zu stellen oder zu Kompensationen und Restitutionen zu
schreiten. In Gesprächen mit dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des
Europäischen Parlamentes, Elmar Brok (CDU) sowie weiteren Abgeordneten sei man sich
darüber einig gewesen, daß eine Diskussion, die die Vergangenheit neu öffnet, nicht
anzustreben sei, sagte Secka der Nachrichtenagentur CTK. Brok wollte die tschechische
Rechtsexpertise der Bene-Dekrete am Mittwoch gegenüber CTK nicht kommentieren. Der
Expertise zufolge sind die umstrittenen Bene-Dekrete nicht mehr anwendbar und
widersprechen daher nicht geltendem EU-Recht.
Da die Dekrete aber Teil der tschechischen Rechtsordnung seien, könnten sie nicht
gestrichen werden, heißt es dem Tschechischen Rundfunk zufolge in der Analyse.
Im Zusammenhang mit dem Streit um die Dekrete hat der frühere tschechische Außenminister
Josef Zieleniec scharfe Vorwürfe gegen Ministerpräsident Milo Zeman und
Parlamentspräsident Vaclav Klaus erhoben. Beide hätten mit ihrer unnachgiebigen
Verteidigung der Dekrete den gesamten EU-Integrationsprozeß Tschechiens
gefährdet, schrieb Zieleniec in einem Beitrag für die Mittwochsausgabe der Zeitung
Mlada fronta Dnes. Die von Zeman und Klaus geplante Parlamentsdebatte über
die Dekrete werde Prag weitere internationale Kritik einbringen.
===========Radio Prag 2002-04-04===========================
Tschechische Kommunisten sind für breites Forum zu den Bene-Dekreten
Die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM) sprach sich für ein
möglichst weitreichendes Forum aus, bei dem sich die tschechische politische Szene zu den
sogenannten Bene-Dekreten äußern sollte. Die Kommunisten sehen es als den
günstigsten Fall an, wenn die Gültigkeit der Dekrete eindeutig von beiden Kammern des
tschechischen Parlaments bestätigt würde, sagte deren Parteivizevorsitzender Václav
Exner auf einer heutigen Pressekonferenz in Prag. Die Kommunisten begrüßten hierbei eine
entsprechende Einladung von Abgeordnetenchef Václav Klaus zu einer Sitzung der Partei-
und Fraktionsvorsitzenden aller parlamentarischen Parteien am 11. April in Prag.
===========Radio Prag 2002-04-05===========================
ODS: Treffen zu Bene-Dekreten am 9. April
Die oppositionellen Bürgerdemokraten ODS haben Außenminister Jan Kavan den 9.
April als möglichen Termin für ein geplantes Treffen der Vorsitzenden der
Parlamentsparteien zum Thema der Bene-Dekrete vorgeschlagen. Ziel des Treffens soll
es sein, eine von allen Parteien getragene Parlamentsresolution zu den Bene-Dekreten
vorzubereiten.
============Radio Prag 2002-04-06==========================
Kavan stimmt Treffen zu Bene-Dekreten am 9. April zu
Der tschechische Außenminister Jan Kavan stimmt dem 9. April als Termin für das
Treffen der Vorsitzenden der Parlamentsparteien zum Thema der Bene-Dekrete zu. Die
Bürgerdemokraten ODS hatten diesen Termin am Freitag vorgeschlagen.
Ziel des Treffens ist es, eine von allen Parteien getragene Parlamentsresolution zu den
Bene-Dekreten vorzubereiten.
============Radio Prag 2002-04-08==========================
Blair sieht keine Hindernisse für den EU-Beitritt der Tschechischen Republik
Die Bene-Dekrete stellen dem britischen Premier Tony Blair zufolge keine
Hindernisse auf dem Weg Tschechiens in die Europäischen Union dar. Beim Treffen mit
seinem tschechischen Amtskollegen Milo Zeman am Montag in Prag bekräftigte Blair
seine zuvor in den Gesprächen mit den Vorsitzenden von Abgeordnetenhaus und Senat,
Václav Klaus und Petr Pithart, gemachten gleichlautenden Aussagen. Zudem bekannte sich
Blair zu der 1996 von der britischen Regierung geäußerten Haltung, nach der die nach dem
Zweiten Weltkrieg verfassten Nachkriegsverordnungen unantastbar und die Ergebnisse der
Potsdamer Konferenz unstrittig seien. Zeman dankte seinem Amtskollegen für diesen
Standpunkt. Blair wiederum dankte der Tschechischen Republik für die Beteiligung
tschechischer Ärzte an der internationalen Schutztruppe in Afghanistan. Gegenüber
Senatschef Pithart äußerte Blair zudem, daß Europa auf eigenen Füßen stehen
müsse, auch was seine militärische Bewaffnung und Ausrüstung anbelangt. In diesem
Zusammenhang unterstützte Blair den vom Zeman-Kabinett ins Auge gefassten Kauf von
Überschalljagdflugzeugen des Typs Gripen vom britisch-schwedischen Konsortium BAe Systems
Saab.
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Deutsche Bundesregierung will Bene-Dekrete nicht auf EU-Ebene bringen
Die deutsche Bundesregierung will die umstrittenen Bene-Dekrete nicht zum
Gegenstand der EU-Beitrittsverhandlungen mit Tschechien machen. Das sagte der
Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Günter Pleuger, am Montag nach Gesprächen in Prag.
Bei den deutsch-tschechischen Gesprächen betonten beide Seiten, die gemeinsame
Aussöhnungserklärung von 1997 bleibe Basis für die bilateralen Beziehungen. Darin
hätten beide Länder vereinbart, ihr Verhältnis nicht mit Fragen der Vergangenheit zu
belasten und die Rechtsauffassung der Gegenseite zu respektieren, sagte Pleuger.
==============Radio Prag 2002-04-09==========================
Verheugen: BeneDekrete ohne Einfluß auf EU-Erweiterung
Die sogenannten Bene-Dekrete würden auch in Zukunft keine Rolle bei der
EU-Erweiterung spielen. Diese Überzeugung hat EU-Kommissar Günter Verheugen in einem
Interview für die Dienstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung zum Ausdruck gebracht. Im
Hinblick auf seinen für Donnerstag vorgesehenen Besuch in der Tschechischen Republik
erklärte Verheugen gegenüber der Nachrichtenagentur CTK, tschechische Befürchtungen vor
einer etwaigen Restitution seien unbegründet. Die Dekrete bezeichnete der EU-Kommissar
als eine Sache der Vergangenheit. Er werde sich in seinen Gesprächen mit den
tschechischen Politikern bemühen, die wegen der Debatte aufgeheizte Stimmung zu
beruhigen, fügte Verheugen hinzu.
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Kavan verhandelt mit Chefs der Parlamentsparteien über die Bene-Dekrete
Zu einer Sitzung über die Problematik der Bene-Dekrete hat der
tschechische Außenminister Jan Kavan für Dienstagnachmittag die Vorsitzenden der im
tschechischen Parlament vertretenen Parteien in sein Ministerium eingeladen. Mit den
Parteichefs will Kavan die tschechische Haltung zu den Dekreten erörtern und
koordinieren.
===============Radio Prag 2002-04-11================
Verheugen: Prag muß nicht Bene-Dekrete vor EU-Beitritt aufheben
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat am Donnerstag den tschechischen
Politikern in Prag versichert, daß die EU-Kommission die umstrittenen Bene-Dekrete
auch weiterhin nicht zum Gegenstand der Beitrittsverhandlungen mit Tschechien machen will.
Demgegenüber will das tschechische Abgeordnetenhaus vermutlich noch im April eine Debatte
zu den Dekreten führen. Die Nachkriegsverordnungen über die Enteignung der
Sudetendeutschen und den Entzug ihrer tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit könnten
keine juristische Wirkung mehr entfalten, erklärten Verheugen und der tschechische
Ministerpräsident Milo Zeman nach ihrem Prager Treffen am Donnerstag. Die
Dekrete gehören der Vergangenheit an, unterstrich Verheugen. Nach Ansicht der
tschechischen Regierung sind die Dekrete erloschen. Ihre Aufhebung sei aber
unmöglich, da sie Teil der Rechtsordnung seien, sagte Zeman.
Eine ähnliche Meinung vertrat auch ODS- und Abgeordnetenchef Václav Klaus in seinen
Gesprächen mit Verheugen. Bei der geplanten Parlamentsdebatte über die
Nachkriegsverordnungen habe man die Absicht, eine Resolution über die
Unveränderbarkeit der Weltkriegsfolgen zu verabschieden, sagte Klaus.
Demgegenüber rückte Klaus von seinem heftig kritisierten Vorschlag ab, im
EU-Beitrittsvertrag eine Garantie für die Bene-Dekrete zu verankern.
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Historiker: Bene-Dekrete im internationalen Kontext überprüfen
Auf ihrer turnusmäßigen Tagung befaßte sich die tschechisch-slowakische
Historikerkommission am Donnerstag in Kosice/Kaschau u.a. auch mit Fragen zu den
sogenannten Bene-Dekreten. Laut Aussage von Stefan Sutaj von der
Gesellschaftswissenschaftlichen Institut der Slowakischen Akademie nehmen die Historiker
diese Frage wahr als ein Problem, das man ihrer Meinung nach aus dem internationalen
Kontext heraus untersuchen sollte. Sowohl in der Slowakei als in Tschechien, aber auch in
Österreich und weiteren europäischen Ländern wisse man nämlich oft gar nicht genau,
was die Dekrete des ehemaligen Präsidenten der Tschechoslowakei eigentlich seien, betonte
Sutaj. (grammatisch/syntaktisch richtiggestellt: ML 2002-04-11)
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Pravo: Prager Parlamentsdebatte über Dekrete ist problematisch
Zur Diskussion über die umstrittenen Bene-Dekrete schreibt die
linksliberale tschechische Tageszeitung Pravo in ihrer Donnerstag-Ausgabe
u.a.: Die geplante Debatte über die Bene-Dekrete im tschechischen Parlament
ist problematisch am meisten, weil sich zwei Monate vor der Wahl in Prag die
Parteien oft gegenseitig überbieten beim Nennen einfacher Lösungen. Falls man aber nach
dem Urnengang über das 50 Jahre lang vernachlässigte Problem diskutieren will, könnte
das Abgeordnetenhaus natürlich eine solche Debatte auf die Tagesordnung setzen auch
wenn sich mit den Dekreten im Ausland weder Parlament noch Regierung befaßt.
================Radio Prag 2002-04-12=================================
Verheugen beendet Tschechien-Besuch mit Übernahme der Ehrendoktorwürde der
ökonomischen Hochschule Prag
Mit der Übernahme der Ehrendoktorwürde der Hochschule für Ökonomie in Prag
hat EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen am Freitag seinen Besuch in der
Tschechischen Republik beendet. In seiner Rede anläßlich der Verleihung des
Ehrendoktortitels lobte Verheugen das Wirtschaftswachstum in der Tschechischen Republik
und betonte, daß dies positive Bedingungen für die Lösung sensibler Themen wie
beispielsweise der Reform der öffentlichen Verwaltung schaffen würde, die nicht weiter
aufgeschoben werden dürften. Weiter warnte Verheugen, daß hohe Haushaltsdefizite die
Tschechische Republik am Beitritt zur Europäischen Währungsunion hindern könnten. Bei
seinen Hauptverhandlungen in Prag am Donnerstag hatte Verheugen den tschechischen
Politikern in Prag versichert, daß die EU-Kommission die umstrittenen Bene-Dekrete
auch weiterhin nicht zum Gegenstand der Beitrittsverhandlungen mit Tschechien machen will.
Während einer Diskussion mit Politikern und Bürgern im Kreis Südböhmen hob Verheugen
am Freitag die Bedeutung europäischer Regionalpolitik hervor und rief die
Beitrittskandidaten dazu auf, sich gut auf die Verwaltung der Mittel vorzubereiten, die
sie bereits jetzt aus den europäischen Fonds erhalten. Es sei wichtig, daß die
Beitrittskandidaten aus den Kohäsions- und Strukturfonds nur Maßnahmen finanzierten, die
sie auch bereit seien, selber mitzufinanzieren, so Verheugen. Eine Einladung in das
umstrittene südböhmische Kernkraftwerk Temelin lehnte der EU-Erweiterungskommissar ab.
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ODS fordert von Regierung klare Erklärung zur Deklaration Verheugens und Zemans
Die Bürgerdemokratische Partei ODS hat am Freitag von der sozialdemokratischen
Regierung eine klare Erklärung zum letzten Satz der gemeinsamen Deklaration gefordert,
die Premier Milo Zeman und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen am Donnerstag
unterzeichnet hatten. Dort heißt es, die tschechischen Behörden würden eine
Revision der Restitutions-Legislative von 1948 durchführen, um diese mit dem
EU-Recht in Einklang zu bringen. ODS-Chef Vaclav Klaus bezeichnete diese Formulierung am
Freitag vor Journalisten als schlichtweg inakzeptabel. Das tschechische Abgeordnetenhaus
will vermutlich noch im April eine Debatte zu den Dekreten führen. Dabei habe man die
Absicht, eine Resolution über die Unveränderbarkeit der Folgen des Zweiten
Weltkrieges zu verabschieden, sagte Klaus. Von seinem heftig kritisierten Vorschlag,
im EU-Beitrittsvertrag eine Garantie für die Bene-Dekrete zu verankern, rückte
Klaus hingegen ab.
================Radio Prag 2002-04-13===========================
Parteivorsitzende noch nicht einig über gemeinsame Erklärung zu
Bene-Dekreten/ Weiteres Treffen mit Außenminister Kavan am kommenden Freitag
Ein weiteres Treffen zwischen Außenminister Jan Kavan und den Vorsitzenden der
im Parlament vertretenen Parteien zu den sogennannten Bene-Dekreten ist für den
kommenden Freitag geplant. Darüber informierte die Vorsitzende der
Freiheitsunion-Demokratischen Union, Hana Marvanova, am Samstag die Nachrichtenagentur
CTK. Sie sprach sich dafür aus, daß die Parteien in der von ihnen geplanten gemeinsamen
Erklärung zur Problematik der Dekrete die Bürger versichern sollten, daß sie keine
Infragestellung der Nachkriegsordnung zulassen und daß die Mitgliedschaft in EU und NATO
dafür die besten Garantien seien. Bislang haben die Parteien noch nicht endgültig
beschlossen, wie ihre gemeinsame Erklärung aussehen soll. Laut Kavan bestehe aber
Einigkeit über die inhaltliche Seite des Textes. Auch das tschechische Abgeordnetenhaus
wird voraussichtlich noch im April über die Bene-Dekrete debattieren.
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Pithart besucht als erster Politiker nach Zerwürfnis wegen Bene-Dekreten
Ungarn
Der Vorsitzende des tschechischen Senats, Petr Pithart, trifft sich in der
kommenden Woche in Budapest mit dem ungarischen Staatspräsidenten Ferenc Madl. Darüber
informierte Pitharts Berater Jaroslav Veis am Samstag die Nachrichtenagentur CTK. Pithart
wird damit der erste gesetzmäßige Vertreter sein, der Ungarn besucht, nachdem es in den
bilateralen Beziehungen durch die Äußerungen des ungarischen Premiers Viktor Orban über
die Bene-Dekrete zu einem Zerwürfnis gekommen war. Orban hatte sich auf die Seite
einiger deutscher und österreichischer Politiker gestellt, die die Aufhebung der Dekrete
fordern. Aufgrund von Orbans Äußerungen hatten die Regierungschefs Tschechiens, der
Slowakei und Polens ihre Teilnahme an dem für März angesetzten Gipfeltreffen der
Premiers der vier Visegrad-Staaten abgesagt. Pitharts Reise nach Budapest ist nicht
dienstlich. Er wird auf der dortigen Buchmesse sein Essay mit dem Titel Nach 1989:
wer sind wir vorstellen, das jetzt auf Ungarisch erscheint.
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Prager Historiker Kren für Entschädigung bestimmter Vertriebener
Der renommierte tschechische Historiker Jan Kren hat eine Entschädigung
bestimmter deutscher Vertriebener als moralische und politische Pflicht der
tschechischen Regierung bezeichnet. Zum Beispiel seien deutsche Antifaschisten bei der
Übersiedelung aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg gesetzeswidrig
enteignet worden, sagte Kren in der Samstagsausgabe der Zeitung Pravo. Eine
Aufhebung der Bene-Dekrete käme nach Ansicht des Historikers jedoch nur dann in
Frage, wenn Tschechien im Gegenzug internationale Garantien für eine Unveränderbarkeit
der Eigentumsverhältnisse bekomme. Kren war wegen seiner Verdienste im bilateralen
Verhältnis 1996 mit der Goethe-Medaille und im Jahr 2000 mit dem Bundesverdienstkreuz
ausgezeichnet worden. Eine mögliche humanitäre Geste an einen Teil der Vertriebenen wird
in Tschechien derzeit innenpolitisch kontrovers diskutiert.
==============Die Welt 2002-04-14====================================
Die Vertreibung war lange geplant
Die Bene-Dekrete stellen den EU-Beitritt Tschechiens infrage. Doch bis heute
wird das Unrecht an den Sudetendeutschen verharmlost
Von Heimo Schwilk
Trotz Ermahnungen aus Straßburg, den Streit über die Bene-Dekrete nicht eskalieren
zu lassen, um den Beitritt Tschechiens in die EU nicht zu gefährden, überbieten sich
tschechische Spitzenpolitiker fast täglich in der Verteidigung der tschechischen
Interessen. Wer die zwischen 1945 und 1947 erlassenen Vertreibungsdekrete zur
Disposition stelle, so Vaclav Klaus von der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), wolle ganz
offenbar die europäische Nachkriegsordnung umstürzen. Der Vorsitzende der regierenden
sozialdemokratischen Partei (CSSD), Vladimir Spidla, bekräftigte sogar, daß die
Vertreibung und Enteignung von knapp drei Millionen Sudetendeutschen notwendig
gewesen sei. Die deutschen Minderheiten in Mitteleuropa hätten selbst die Instabilität
erzeugt, die dann zum Zweiten Weltkrieg geführt habe.
Die Polemik der wahlkämpfenden Parteien beruht auf einer Grundüberzeugung, die in
Tschechien als unumstößlich gilt. Demnach sei die Vertreibung der Deutschen das Ergebnis
verbrecherischer NS-Politik, denn Hitler hatte am 15. März 1939 die Tschechei durch
deutsche Truppen besetzen lassen. An die eigentlichen Ursachen des deutsch-tschechischen
Konflikts, der viel weiter zurückreicht, möchte man im heutigen Tschechien (und in
gewisser Weise auch in Deutschland) nicht gerne erinnert werden. Als die Tschechoslowakei
1918 aus Teilen des besiegten österreichisch-ungarischen Kaiserreichs gebildet wurde,
behandelte man die Sudetendeutschen sogleich als Kolonisten und
Immigranten, obwohl sie rund 800 Jahre lang mit den Tschechen in den Ländern
der böhmischen Krone zusammengelebt hatten. Zuvor hatte der Diktatfrieden von Versailles
die Angliederung der deutschen Randgebiete von Böhmen und Mähren an die neue
österreichische Republik untersagt und die Sudetendeutschen zusammen mit Polen, Slowaken,
Karpato-Ukrainern und Ungarn in einen künstlichen Mehrvölkerstaat eingegliedert.
In der als Schweiz des Ostens gerühmten Tschechoslowakei wurden die
Sudetendeutschen von Anfang an diskriminiert. So durften sie an der Nationalversammlung
1918 als einzige Volksgruppe nicht teilnehmen und waren dadurch von der Mitgestaltung der
Verfassung ausdrücklich ausgeschlossen. Die eigentliche Unterdrückung setzte jedoch
1935, nach der Ablösung des Staatsgründers Masaryk durch Präsident Edvard Bene,
ein. Das deutsche Schulwesen wurde um ein Viertel reduziert, Deutsche aus Staatsstellen
herausgedrängt; bei Entlassungen wurden zuerst Deutsche arbeitslos, dann Ungarn, Polen,
Slowaken und erst am Ende Tschechen. Obwohl das Sudetenland mehr als die Hälfte des
Bruttoinlandsprodukts der Tschechoslowakei erwirtschaftete, waren von mehr als 800.000
Arbeitslosen in der Tschechoslowakei 1938 eine halbe Million Deutsche. Alle staatlichen
Förderungen fielen an die tschechischen Schwerindustriegebiete, das Sudetenland ging leer
aus.
Die Vertreibung der Sudetendeutschen war von Bene lange vor 1945 ins Kalkül gezogen
worden. Der als Deutschenhasser bekannte Nationalist sagte mehrfach, man hätte die
Deutschen bereits 1918 vertreiben müssen, leider sei das damals nicht möglich gewesen.
Bereits 1942 stimmte das britische Kriegskabinett auf Drängen von Bene, der sich
der tschechischen Exilregierung angeschlossen hatte, der Vertreibung
(Transfer) zu. Am 16. Dezember 1943 beschlossen Bene und Stalin in
Moskau, die Tschechoslowakei ethnisch zu säubern, sie deutschenfrei und
ungarnfrei zu machen. 1944 erklärte Bene, möglichst viele Deutsche
sollten in der kommenden Revolution niedergemetzelt werden.
Vor dem Kriegseintritt hatte England die tschechische Unterdrückungspolitik noch kritisch
gesehen und sogar eine Revision des Versailler Vertrags in Erwägung gezogen. Der
britische Staatsmann Walter Runciman bereiste im Sommer 1938 zwei Monate lang mit einer
Kommission die Tschechoslowakei, um dort die Minderheitenpolitik zu überprüfen. In einem
Bericht für Premierminister Neville Chamberlain schlug er vor, daß die deutschsprachigen
Grenzgebiete unverzüglich an Deutschland übertragen werden sollten. Kurz
darauf anerkannte Chamberlain das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen. Bereits im
April 1938 hatte die Sudetendeutsche Partei in ihrem Karlsbader Programm die
volle Autonomie gefordert, war aber von Prag abgewiesen worden. Im September 1938
empfahlen London und Paris der tschechischen Regierung, die sudetendeutschen Gebiete
sofort und ohne Volksabstimmung an das Reich abzutreten. Diese Forderung bildete die
Grundlage des Münchner Abkommens. Weil die Vereinbarung mit den Westmächten
durch massive Kriegsdrohungen Hitlers herbeigeführt wurde, ist der legitime Kern der
schon von den demokratischen Regierungen der Weimarer Republik verfolgten
Volksgruppenpolitik immer wieder verdrängt worden.
Das Münchner Abkommen vom 29./30. September 1938 ist zu seiner Zeit als gerechte Lösung
eines seit 1918 bestehenden Unrechts empfunden worden. Doch nicht nur Deutschland setzte
sich für seine Minderheit ein. Auch Polen und Ungarn besetzten nach München
tschechische Territorien, um die Rechte ihrer Volksangehörigen durchzusetzen. Auf die
Frage eines Journalisten, ob das Münchner Abkommen denn von Anfang an (ex
tunc) ungültig gewesen sei, antwortete der Sprecher des Foreign Office in London:
Die Regierung Ihrer Majestät unterschreibt niemals Abkommen, die von Anfang an
ungültig sind!
Es mag zynisch klingen, entspricht aber der historischen Wahrheit: In dem von den
Nationalsozialisten seit März 1939 okkupierten Protektorat Böhmen und
Mähren konnten die Tschechen unter viel besseren Bedingungen leben als im
Reichsgebiet. Sie wurden nicht zur Wehrmacht eingezogen, das Protektoratsgebiet wurde kaum
bombardiert, Reichsprotektor von Neurath gewährte den tschechischen Arbeitern zahlreiche
Vergünstigungen vor allem auch, um die Waffenfabriken am Laufen zu halten. Daß
jedoch, wie der Vorsitzende der sudetendeutschen Landsmannschaft Bernd Posselt unlängst
einräumte, sich auch Sudetendeutsche an dem nationalsozialistischen Regime beteiligt
hatten, mußte die Wut auf die deutsche Minderheit naturgemäß besonders anstacheln. Für
deutsche Verbrechen an der tschechischen Bevölkerung steht die Auslöschung des Dorfes
Lidice als Vergeltung für das Attentat auf Reinhard Heydrich.
Die Rache der Tschechen nach der Niederlage Deutschlands war fürchterlich, der bekannte
österreichische Völkerrechtler Felix Ermacora bezeichnete die im Mai 1945 einsetzende
Vertreibung der Sudetendeutschen als Genozid, und auch der an der Universität
Bremen lehrende Genozid-Forscher Gunnar Heinsohn spricht von Völkermord. Bei
den so genannten wilden Vertreibungen am 5. Mai in Prag wurden 17.000 Deutsche
ermordet, 25.000 Brünner Flüchtlinge starben auf dem Todesmarsch nach
Österreich. Sowjetische Offiziere waren geschockt vom Sadismus der tschechischen
Bevölkerung. Wochen vor dem Potsdamer Abkommen der Siegermächte am 2. August
1945, das die Transfers der Sudetendeutschen billigte, sind bereits 750.000
Deutsche aus dem Land gejagt. 60.000 wurden innerhalb des tschechoslowakischen
Staatsgebiets umgesiedelt. Alles land- und forstwirtschaftliche Vermögen wurde enteignet,
sämtliches Barvermögen eingezogen, die Deutschen rückwirkend zum 10. Oktober 1938
ausgebürgert oder einer Arbeitspflicht unterworfen. Allein in den böhmischen Ländern
wurden 2,4 Millionen Hektar Land enteignet, 3900 Industriebetriebe und 34.000
Gewerbebetriebe entschädigungslos konfisziert. Der Alliierte Kontrollrat billigte am 20.
November 1945 den Transfer.
Die diskriminierenden Bene-Dekrete sind bis heute gültig und vom tschechischen
Verfassungsgericht immer wieder bestätigt worden. Der von tschechischer Seite geäußerte
Verdacht, mit der Aufhebung der Dekrete sollte nur die Rückgabe des Eigentums an die
Sudetendeutschen ermöglicht werden, ist von Europapolitikern mehrfach entkräftet worden.
Es gehe allein darum, vor dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union die
tschechische Rechtsordnung und Rechtspraxis auf ihre Vereinbarkeit mit dem
Gleichheitsgrundsatz zu überprüfen. Der deutsche EU-Erweiterungskommissar Günter
Verheugen stellte sogar fest, der EU-Vertrag sei kein rechtliches Instrument für
Wiedergutmachung oder Entschädigung. Die aktuelle tschechische Gesetzgebung solle
allenfalls auf diskriminierende Elemente gegenüber EU-Bürgern überprüft
werden. Inzwischen hat das Europaparlament ein rechtliches Gutachten über die Bedeutung
der Bene-Dekrete für die heutige tschechische Rechtsordnung in Auftrag gegeben.
Doch die tschechische Regierung will sich von Straßburg nicht maßregeln lassen. Um
gegenüber Europa zu signalisieren, daß die Politik in Tschechien geschlossen steht, wenn
es um die Verteidigung nationaler Interessen geht, soll das Abgeordnetenhaus des
Tschechischen Nationalrats auf Initiative von Parlamentspräsident Klaus und
Ministerpräsident Milo Zeman jetzt eine Resolution zur Bekräftigung der
Bene-Dekrete beschließen. Das Vorhaben hat jedoch erstmals einen ernstzunehmenden
öffentlichen Widerstand gegen die Vertuschung des Unrechts an den Sudetendeutschen
provoziert. In einer Erklärung rufen 250 tschechische Bürger, darunter zahlreiche
Intellektuelle, Publizisten und Kirchenvertreter, dazu auf, eine öffentliche Debatte
über die Dekrete und die Zwangsaussiedlung zu führen, die noch immer ein
schmerzliches Problem darstellten. Stattdessen, heißt es weiter,
sind wir Zeugen eines Versuches, die entfesselten nationalen Emotionen zur
Demonstration einer falschen nationalen Einheit auszunutzen, die den Antragstellern Punkte
in der Wahlkampagne einbringen soll.
Die Unterzeichner befürchten eine Einschränkung der politischen Freiheit, die
Verschlechterung der Beziehungen zu den Nachbarn und die Erschwerung des EU-Beitritts.
http://www.welt.de/daten/2002/04/14/0414pg326196.htx
==============Radio Prag 2002-04-14=====================
Zaoralek: Tschechien hat sich nicht zur Revision, sondern zur Analyse der
Restitutionslegislative verpflichtet
Durch die gemeinsame Erklärung von Premier Milo Zeman und
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen vom vergangenen Donnerstag habe sich die
Tschechische Republik nicht zu einer Revision der Restitutionsgesetzgebung von 1948
verpflichtet, sagte am Sonntag im privaten Fernsehsender TV Nova der Sozialdemokrat
Lubomir Zaoralek, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses des Abgeordnetenhauses.
Stattdessen sei im englischen Originaltext der Erklärung von einer Analyse dieser
Rechtsnormen die Rede.
Die Verpflichtung, Rechtsnormen zu überprüfen, sei ein allgemeines Prinzip und werde
auch von den übrigen Beitrittskandidaten übernommen, so Zaoralek. Er reagierte mit
diesen Äußerungen auf die heftige Kritik der Bürgerdemokratischen Partei (ODS) an dem
Schlußsatz der gemeinsamen Erklärung Verheugens und Zemans. Dort heißt es in der
inoffiziellen tschechischen Übersetzung, die tschechischen Behörden würden eine
Revision der Restitutionslegislative vornehmen.
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Hauptmann Südböhmens betrachtet Botschaft Verheugens als äußerst wichtig für
seinen Landkreis
Als sehr wichtig für seine Region bezeichnete am Sonntag der Hauptmann des
Kreises Südböhmen, Jan Zahradnik, die Versicherung von EU-Erweiterungskommissar Günter
Verheugen, daß die sogenannten Bene-Dekrete keinen Einfluß auf den tschechischen
Beitritt zur Europäischen Union haben. Diese Zusicherung Verheugens sei zur
richtigen Zeit und am richtigen Ort erfolgt und für seinen Landkreis von
außerordentlicher Wichtigkeit, sagte Zahradnik als Reaktion auf Verheugens Besuch in
Südböhmen am vergangenen Freitag. In diesem Zusammenhang erinnerte der Hauptmann daran,
daß sein Kreis als einziger in der Tschechischen Republik an drei Bundesländer von
EU-Mitgliedstaaten angrenze.
===============Walter Mogk lieferte im Ostpreußen-Forum:==============
Anhaltende Diskussion um die
Bene-Dekrete
Besuch von EU-Kommissar Verheugen in Tschechien
Der Kommissar der EU für deren Erweiterung, Verheugen, hat auf einem Besuch in Prag mit
tschechischen Politikern die Auswirkungen der sogenannten Bene-Dekrete auf den
Prozeß des Beitritts zur EU erörtert. Die Diskussion um die Dekrete scheint auf eine
Unsicherheit im Umgang mit der Geschichte in Tschechien hinzudeuten.
ruh. Prag, 11. April 2002
Der Kommissar der Europäischen Union für Erweiterungsfragen, Günter Verheugen, hat
am Donnerstag mit tschechischen Spitzenpolitikern die Frage erörtert, inwieweit die
sogenannten Bene-Dekrete als Teil der tschechischen Rechtsordnung den Beitritt Prags
zur EU komplizieren könnten. Namentlich Österreich und Ungarn sowie deutsche
Vertriebenenverbände fordern seit einiger Zeit, daß diese Dekrete, die nach dem Zweiten
Weltkrieg zur Enteignung und Entrechtung von Sudetendeutschen, Österreichern und Ungarn
in der damaligen Tschechoslowakei gedient hatten, von Tschechien noch vor dessen
EU-Beitritt für ungültig zu erklären seien. Prag hält dem entgegen, die
verfassungsmäßig korrekt zustande gekommenen Dekrete seien zwar immer noch Teil der
Rechtsordnung, doch handle es sich um «erloschenes Recht», das nicht mehr anwendbar sei.
Im Hinblick auf den Beitritt Tschechiens zur EU und
allfällige Komplikationen durch die Bene-Dekrete lautet die entscheidende Frage, ob
es auf Grundlage dieser Dekrete auch heute noch zu Diskriminierungen von Bürgern der EU
kommen könnte. Verheugen und der tschechische Ministerpräsident Zeman hielten am
Donnerstag in einem gemeinsamen Communiqué fest, die Anwärter auf einen Beitritt zur EU
würden von Brüssel ausschließlich nach dem gegenwärtigen Zustand ihres Rechtssystems
und nicht nach ihrem Verhalten in der Vergangenheit beurteilt. Die Bene-Dekrete
würden unter diesem Gesichtspunkt geprüft. Bis jetzt laute das Resultat, daß die
tschechoslowakischen Präsidialdekrete zu Enteignungen und Aberkennungen der
Staatsbürgerschaft keine rechtliche Wirkung mehr entfalteten. Deshalb nehme man die
Position ein, daß sie nicht Teil der Beitrittsgespräche seien und keinen Einfluß auf
diese haben sollten.
Der Rechtsstandpunkt Prags, daß die Dekrete heute keine Wirkung mehr entfalten könnten,
ist allerdings umstritten. Als Beispiel dient etwa der Restitutionsfall Des Fours
Walderode. Der damalige tschechoslowakische Staatsbürger Karel Des Fours Walderode war
nach dem Krieg enteignet worden, obwohl ihm 1947 ein Gericht seine antifaschistische
Haltung bestätigt und die Staatsbürgerschaft deshalb gelassen hatte. Walderode
emigrierte 1949, nach der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei, und
wurde ausgebürgert. Nach der Wende von 1989 erhielt er die Staatsbürgerschaft zurück
und konnte nach geltendem Recht einen Antrag auf Rückerstattung seines Eigentums stellen,
dem auch stattgegeben wurde. Auf Grund einer Novellierung des Gesetzes, das für
Restitutionen eine ununterbrochene Staatsangehörigkeit verlangte, wurde dieser Entscheid
jedoch wieder aufgehoben. Dies brachte der Tschechischen Republik 1997 eine Rüge des
Menschenrechtsausschusses der Uno und die Forderung nach unverzüglicher Rückerstattung
im Fall Des Fours Walderode ein. Dessen Fall ist allerdings immer noch anhängig; nach
einem tschechischen Verfassungsgerichtsentscheid vom März dieses Jahres wird sich einmal
mehr die erste Instanz damit zu befassen haben.
Die Angst vor einem Präzedenzfall der Rückerstattung sudetendeutschen Eigentums
auch wenn es, wenn überhaupt, nur wenige weitere analoge Fälle geben dürfte ist
in Tschechien offenbar überaus groß. Die Vehemenz, mit der gegenwärtig von Politikern
die Wahrung der «nationalen Interessen» beschworen wird, deutet laut einem hiesigen
Kommentator auf eine innere Unsicherheit und ein schlechtes Gewissen wegen der
unbewältigten Geschichte hin.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung vom 12. April 2002
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Verschärfte Position Wiens zu den Bene-Dekreten
«Hindernis für Tschechiens EU-Beitritt»
cer. Wien, 12. April
Der österreichische Bundeskanzler Schüssel hat am Freitag deutlich gemacht, daß er
die sogenannten Bene-Dekrete mehr denn je als Problem im Zusammenhang mit dem
geplanten EU-Beitritt Tschechiens sieht. An einer Pressekonferenz sprach der Kanzler vom
«erhärteten Verdacht», daß die umstrittenen Dekrete, in denen unter dem
tschechoslowakischen Nachkriegs-Präsidenten Bene die Enteignung und Vertreibung von
Sudetendeutschen, Altösterreichern und Teilen der ungarischen Minderheit verfügt wurde,
nach wie vor Geltung hätten. Bisher hatte Schüssel von «totem Recht» und dann von
«totem Unrecht» gesprochen.
Jetzt macht der Kanzler geltend, daß jene Dekrete via «Überleitungsgesetze» nach wie
vor Geltung hätten. Dies habe eine diskriminierende Wirkung, was wiederum «mit
Sicherheit nicht mit EU-Recht vereinbar» sei. Schüssel unterstrich, daß dies die
gemeinsame Überzeugung von Regierung und Nationalrat in Wien sei.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung vom 13. April 2002
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Prager Historiker Kren für Entschädigung bestimmter Vertriebener
Prag (dpa) Der renommierte tschechische Historiker Jan Kren
hat eine Entschädigung bestimmter deutscher Vertriebener als moralische und
politische Pflicht der Regierung in Prag bezeichnet. Zum Beispiel seien deutsche
Antifaschisten bei der Übersiedelung aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg
gesetzeswidrig enteignet worden, sagte der 72-Jährige der Prager Zeitung
Pravo (Samstagsausgabe). In Tschechien wird eine humanitäre Geste an einen
Teil der Vertriebenen derzeit innenpolitisch kontrovers diskutiert.
Kren, der im Jahr 2000 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden war,
erinnerte auch an eine Benachteiligung der etwa 38 000 Mitglieder starken deutschen
Minderheit in Tschechien. Viele hätten nach 1945 Zwangsarbeit leisten müssen, ohne daß
ihnen diese Zeit für die Rente angerechnet werde, kritisierte Kren. Es wäre aber
eine gerechte Geste gegenüber Mitbürgern, sagte der Historiker
derPravo. Wegen seiner Verdienste im bilateralen Verhältnis war Kren 1996 von
der Bundesregierung mit der Goethe-Medaille geehrt worden.
Eine Aufhebung der Bene-Dekrete käme nach Ansicht von Kren nur in
Frage, wenn Tschechien im Gegenzug internationale Garantien für eine Unveränderbarkeit
der Eigentumsverhältnisse bekomme. Die Vertreibung der Sudetendeutschen bezeichnete der
Historiker als Ergebnis des Weltkrieges. Es habe aber schon 1938
Gedankenspiele des damaligen Präsidenten Edvard Bene gegeben, betonte
Kren. Es läßt sich also nicht sagen: Das haben die Großmächte entschieden
nein, es geschah im Einvernehmen, sagte er der Pravo.
Einem Großteil der Sudetendeutschen müsse man aber vorwerfen, daß sie aus
freien Stücken das Nazi-Regime unterstützt hätten, betonte Kren. Etwa 90 Prozent der
Sudetendeutschen hätten 1938 die Partei von Konrad Henlein gewählt und damit zur
Zerschlagung der demokratischen Tschechoslowakei beigetragen. Man dürfe aber nicht den
Bruchteil der loyalen Sudetendeutschen vergessen, erinnerte Kren: Damit, daß sie
gegen den Strom schwammen, waren sie heldenhafter als wir Tschechen.
Quelle: dpa-Meldung vom 13.04.2002
================Radio Prag 2002-04-15=======================
Verheugen nennt Streit um Bene-Dekrete einen Sturm im Wasserglas
EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat den Streit um die
Bene-Dekrete als Sturm im Wasserglas bezeichnet. Da die
Nachkriegsverordnungen keine neue Wirkung mehr entfalten könnten, seien sie für
Tschechien keine Hürde bei dem für 2004 geplanten EU-Beitritt, sagte Verheugen am
Sonntagabend im Tschechischen Fernsehen. Einige Dekrete würden sicher eine
Kollektivschuldthese vertreten, jedoch sei für die EU-Erweiterung nicht entscheidend,
welche Rechtslage 1945 in einem Land geherrscht habe, so der EU-Kommissar. Eine andere
Frage sei die politisch-moralische Frage, die sich aus den Dekreten ergeben würde. Hier
sollte Tschechien mit seinen Nachbarn eine einvernehmliche Lösung finden, riet Verheugen.
Ein Grund für die momentane hitzige Atmosphäre sei zum Beispiel, daß es
zwischen Sudetendeutschen und Tschechen nie einen ernsthaften Dialog gegeben habe, sagte
der EU-Politiker im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen.
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Klaus lehnt österreichische Forderung zu symbolischer Entschädigung
ab
Der Vorsitzende des tschechischen Abgeordnetenhauses, ODS-Chef Václav Klaus, hat
sich entschieden gegen den Vorschlag der österreichischen Außenministerin Benita
Ferrero-Waldner ausgesprochen, nach dem die Tschechische Republik den nach dem Zweiten
Weltkrieg aus der Tschechoslowakei vertriebenen Sudetendeutschen eine symbolische
Entschädigung gewähren sollte. Klaus teilte der Nachrichtenagentur CTK am Montag
über seinen Berater Ladislav Jakl mit, d hinter solch einer Aufforderung die Bestrebungen
stünden, neue Ansprüche an die Tschechische Republik zu stellen sowie die
Nachkriegsverordnungen zu verändern. Außenministerin Ferrero-Waldner hatte am Sonntag
ausgeführt, das tschechische Abgeordnetenhaus sollte eine Erklärung dahingehend abgeben,
daß einige der Bene-Dekrete Unrecht nach sich gezogen hätten und daß deren
Gültigkeit mit Blick auf die Zukunft aufgehoben werden sollte.
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2002-04-16 *Frontal
im ZDF: ein erstaunlicher Beitrag über die Bene-Dekrete
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Pressemitteilung des Bundes der Vertriebenen Nr. 12
Bonn, den 9. April 2002
Premierminister Blair setzt falsches Signal für Europa
Zum Besuch des britischen Premierministers Blair am Montag in Prag erklärt
BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB:
Sofern das Gewissen der Menschheit jemals wieder empfindlich werden sollte,
werden diese Vertreibungen als die unsterbliche Schande aller derer im Gedächtnis
bleiben, die sie veranlaßt oder sich damit abgefunden haben ... Die Deutschen
wurden vertrieben, aber nicht einfach mit einem Mangel an übertriebener Rücksichtnahme,
sondern mit dem denkbar höchsten Maß an Brutalität. Diese Worte des britischen
Verlegers und Humanisten Victor Gollancz, die er in seinem denkwürdigen Buch Our
Treatened Values 1946 veröffentlichte, beanspruchen noch immer Geltung.
Der britische Premierminister Blair hat in Prag Verständnis für die von verschiedenen
Seiten geäußerten tiefen Gefühle im Streit über die Bene-Dekrete
gezeigt.
Dies ist gut, aber nicht genug.
Wenn gleichzeitig nichts unternommen wird, die verletzten Gefühle der noch lebenden Opfer
von Massenvertreibungen zu heilen, zeigt dies eine Mitleidlosigkeit ihnen gegenüber. Das
Europa des 21. Jahrhunderts muß sich konsequent von Menschenrechtsverletzungen, Massakern
und Rechtsnormen des 20. Jahrhunderts trennen, die die Würde von Menschen mit Füßen
getreten haben. Dazu behören die Bene-Dekrete. Die Anmerkungen des tschechischen
Ministerpräsidenten Zeman in diesem Zusammenhang sind an Niveaulosikeit kaum noch zu
überbieten und des tschechischen Volkes unwürdig.
Das Rad der Geschichte kann nicht zurückgedreht werden, aber es ist erforderlich,
Gegenwart und Zukunft so zu gestalten, daß die Würde der Opfer wiederhergestellt wird.
Wenn die Tschechische Regierung die Worte des britischen Premierministers als Freibrief
dafür nimmt, Rechtsvorschriften wie die diskriminierenden Bene-Dekrete in die
Europäische Union einzubringen, waren diese Worte des britischen Premierministers Blair
ein falsches Signal.
Überraschend allerdings waren sie dennoch nicht. Haben doch Briten und Amerikaner mit dem
Potsdamer Protokoll bereits den Genozid an mehr als 15 Millionen Menschen hingenommen.
Quelle: www.bund-der-vertriebenen.de
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Pressemitteilung des Bundes der Vertriebenen Nr. 13
Bonn, den 11. April 2002
EU verstößt gegen eigene Kriterien
Bene-Dekrete bleiben ein europäisches Problem
Zu den Aussagen Günter Verheugens in Prag, daß die Bene-Dekrete für die EU
kein Hindernis für die Aufnahme Tschechiens in die EU seien, erklärt BdV-Präsidentin
Erika Steinbach MdB:
Die Auffassung des EU-Kommissars Verheugen, daß die tschechische Rechtsordnung
mit den Bene-Dekreten dem EU-Standard entspricht, ist erschreckend. Europas Weichen
werden damit falsch gestellt, mit unabsehbaren Auswirkungen für die Zukunft. Die
Erklärung des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman, daß die Dekrete angeblich
erloschen seien und als Teil der Rechtsordnung seines Staates nicht aufgehoben werden
können, ist bezeichnend für den Umgang mit Unrechtsnormen. Entweder ist ein Gesetz ist
erloschen oder es ist Teil der Rechtsordnung. Beides zugleich ist nicht möglich.
Verheugen irrt, wenn er meint, die Bene-Dekrete seien eine Angelegenheit der
Vergangenheit. Sie sind, was eine Reihe von Urteilen in der Tagespraxis beweist, im
Gegenteil noch höchst lebendige Gegenwart, entfalten sehr wohl noch Rechtswirkungen und
verstoßen damit gegen den EU-Standard. Auch wenn die EU dies anders sieht, bleiben die
Dekrete mit ihrem menschenrechtsverletzenden Charakter ein Problem, das man nicht so
einfach übergehen kann. Die EU-Kommission sollte die Entscheidung des
Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen vom 30. Oktober 2001 nicht ignorieren, in
der festgestellt wird, daß die Bene-Dekrete nach wie vor die Grundlage
fortbestehender Diskriminierungen bilden und mit der europäischen und internationalen
Rechts- und Werteordnung nicht vereinbar sind.
Die EU verstößt gegen ihre eigenen in Kopenhagen aufgestellten Kriterien und ihren
Wertekanon, wenn sie Tschechien mit seinen menschenrechtswidrigen Gesetzen den Beitritt
ermöglicht. Menschenrechtswidrige Normen können und dürfen nicht Bestandteil der
europäischen Rechtsordnung werden.
Quelle: www.bund-der-vertriebenen.de
=============== Mitteilungen von Walter Mogk (Forum Ostpreußen)=======================
Russen stellen sich im Streit um Bene-Dekrete hinter Prag -
- MOSKAU Der russische Präsident Wladimir Putin hat Tschechien im
Streit um die Bene-Dekrete den Rücken gestärkt: Die Versuche bestimmter
Kräfte, die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs zu revidieren und Gesetze in Frage zu
stellen, sind fern von jeder Realität, sagte Putins außenpolitischer Berater
Sergej Prichodko am Mittwoch nach einem Treffen des Präsidenten mit Tschechiens
Ministerpräsident Milo Zeman im Kreml.
Putin sei sich darin mit der tschechischen Führung einig.
Zeman hatte vor dem Treffen mit Putin gesagt, die Frage der Bene-Dekrete werde eines
der Hauptthemen seines Besuches in Moskau sein. Es gibt einige rechtsgerichtete
politische Kräfte innerhalb Europas wie Herrn (Jörg) Haider, (Edmund) Stoiber, (Viktor)
Orban und andere, die, wie einige ehemalige Bündnispartner von Deutschland während des
Zweiten Weltkrieges, die Ergebnisse dieses Krieges zu ändern versuchen, so
Zeman.
Quelle: Neues Volksblatt (Österreich) vom 18. 4. 2002
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Potsdamer Abgrund
Eines muß man Milo Zeman lassen: Die Ausfälligkeiten, mit
denen er den Streit um die Bene-Dekrete erst richtig angeheizt hatte, gleicht er nun
durch geschickte Schachzüge aus. Sowohl Premier Blair als auch Präsident Putin sind dem
tschechischen Regierungschef auf den Leim gegangen: Zeman hat es verstanden, den Ruf nach
Aufhebung der Bene-Dekrete in London und Moskau als Versuch einer Änderung der
Nachkriegsordnung darzustellen. Dabei denkt niemand auch nur im Traum an eine Revidierung
der Nachkriegsordnung. Es geht bloß um die Frage, ob Nachkriegsverbrechen ungesühnt
bleiben sollen. Zeman ist es offenbar gelungen, Briten und Russen (bei den
Amerikanern wird er das noch versuchen) mit dem Hinweis auf das Potsdamer Abkommen in
Geiselhaft zu nehmen: Darin hatten die Siegermächte 1945 der Aussiedlung der Deutschen
aus Osteuropa zugestimmt. Zemans Botschaft: Wer von Prag Vergangenheitsbewältigung
fordert, legt sich auch mit den Siegermächten an. Weil die nicht gern über ihre
Mitschuld reden, bekommt Zeman die Unbedenklichkeitserklärung für etwas, das heute
eigentlich als ethnische Säuberung verdammt wird. Umso mehr ist nun
die EU gefordert: Springt sie mit in den Potsdamer Abgrund oder geht doch Recht vor
Siegerwillkür?
Quelle: Neues Volksblatt (Österreich) vom 18. 4. 2002
================Radio Prag 2002-04-19=======================================
Erklärung tschechischer Politiker zu den Bene-Dekreten
Die Vorsitzenden der fünf tschechischen Parlamentsparteien haben sich am Freitag
bei einem Treffen mit Außenminister Jan Kavan auf den Wortlaut einer Entschließung zu
den Bene-Dekreten verständigt. Die Arbeitsversion des Dokuments wird dem Parlament
vermutlich schon in der kommenden Woche vorgelegt werden. Bis dahin soll es nicht
veröffentlicht werden. Das Dokument ist für jene tschechischen Bürger bestimmt, die
durch die deutschen und österreichischen Forderungen nach der Rückgabe des nach dem
Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten sudetendeutschen Eigentums beunruhigt sind. Die
Erklärung soll zudem den ausländischen Partnern der Tschechischen Republik zeigen, daß
die Dekrete zwar Bestandteil des tschechischen Rechtssystems sind, jedoch der
Vergangenheit angehören und heute nicht mehr angewandt werden.
=============== Leserbrief an die Westfälischen Nachrichten
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Emil Focke, Altemarktstr. 36, D-48565 Steinfurt
Westfälische Nachrichten
Redaktion Leserpost
Soester Str. 13
48155 Münster
Leserzuschrift an die Westfälischen Nachrichten zum Artikel vom 20. April 2002: Die EU-Erweiterung: Tschechien
Sehr geehrte Damen und Herren!
Musterschüler auf dem Weg zur Marktwirtschaft von Claudia
Kramer-Santel
Wer solch einen Kandidaten als Musterschüler bezeichnet, dokumentiert damit, daß
sie/er ihn durch eine verschwommene Brille wahrnimmt. Es war zu lesen: Dem Land mit
seinen Teilen Böhmen, Mähren und Schlesien eilt der Ruf eines Standortes europäischer
Kultur voraus, der Werte der Demokratie verteidigt. Diese Aussage ist, bezogen auf
die heutige CR, schlicht falsch, denn das ist Historie und bezieht sich auf jene Zeit, als
die genannten Länder noch zu Österreich-Ungarn gehörten. Nach 1918 hat sich in diesem
Lande viel verändert. Um die Geschichte der Tschechoslowakei nach ihrer Staatsgründung
von 1918 besser verstehen zu können, muß man unbedingt die Schrift: Unser Staat
und der Weltfrieden von Hanus Kuffner gelesen haben, denn hier wird die Grundlage,
auf der es zu den berüchtigten Bene-Dekreten gekommen ist, beschrieben. Ein
Originalzitat: Heute sind die Deutschen und die Magyaren geschlagen. Man muß das
Werk der Befreiung rücksichtslos vollenden und an die Zukunft denken. Für immer
ausrotten die Idee der Herrschaften und Ritter. Auch nach dem Kriege werden wir
Deutschland an der Gurgel bleiben. Unsere Interessen sind mit den deutschen Interessen
unvereinbar. Wenn Prag wie es sein Recht und seine Lebensinteressen fordern
mächtig ist, sind Berlin und Wien unmöglich.
Grenzenloser Deutschenhaß bestimmte die Politik der Exilregierung in London, bis hin zu
den Exzessen, die durch die Bene-Dekrete entfesselt wurden. Diese Dekrete sind noch
nicht aufgehoben und gelten zum Teil noch heute gegenüber den verbliebenen Deutschen im
Lande. Somit sucht dieser Staat abermals seinen Vorteil, zu Lasten der Deutschen, mit
seinem EU-Beitrittsbegehren.
Im Kommentar Schlechte Noten für die Politik unter dem Stichwort Wirtschaft heißt es in der Prager Zeitung vom 10. April 2002: Ganz schlecht kommen die Bereiche weg, die von der Politik zu verantworten sind: Steuersystem, öffentliche Verwaltung, Wirtschaftspolitik, da reicht es gerade für eine vier, bei Rechtssicherheit und Korruption ist mit einer vier bis fünf gar die Versetzung gefährdet. Ist das ein Musterschüler für die EU? Somit schreiben Sie zu Recht: Gleichwohl zeigt die Debatte, daß die Vergangenheit noch mit Hypotheken belastet ist, die mit Bekenntnissen zum Beitritt nicht automatisch beglichen sind.
Mit dem von mir aufgezeigten Hintergrund sind unsere Politiker aufgefordert, dieses Beitrittsbegehren nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen: Emil Focke
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Sudetendeutscher Pressedienst (SdP)
Redaktion, Herausgeber, Medieninhaber:
Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich (SLÖ)
Bundespressereferat: A-1030 Wien, Steingasse 25
Telefon: 01/ 718 59 19, Fax: 01/ 718 59 23
E-Mail: sudetenpress@chello.at
Wien, 22. April 2002/GE
Wenzel Jaksch zum Vertreibungsplan 1945
Der Vertreibungsplan steht im krassen Widerspruch sowohl zum internationalen als auch zum tschechoslowakischen Recht.
Die darin beantragten Maßnahmen werden vor der freien Welt weder vom
Standpunkt einer politischen Vergeltung aus noch unter irgendwelchen Rechtsvorwänden zu
verteidigen sein. Früher oder später wird zugegeben werden müssen, daß der
Aussiedlungsplan auf nackter Willkür, Vermögensraub und nationaler Rachelust beruht. Wer
immer daran beteiligt war, wird sich nie mehr als zivilisierter Europäer ausgeben
können.
================Mitteilung von Walter Mogk im Ostpreußen-Forum:======================
Wien, 25. April 2002/GE
Tschechisches Parlament verlangt Beibehaltung der Völkermord-Dekrete
Utl.: So nicht in die EU!
Im Prager Parlament wurde am 24. April in einer Erklärung die Beibehaltung der Bene-Dekrete in der Rechtsordnung der CR einstimmig beschlossen.Die Rechtsgültigkeit der Genozid-Dekrete des Präsidenten Bene wurde zum Beschluß erhoben, obwohl die Regierung schon mehrmals zu deren Aufhebung durch Europarat, Europa-Parlament und auch durch das US Repräsentantenhaus aufgefordert wurde.
Damit wird deutlich, daß die tschechischen Politiker entweder nichts vom Völkerrecht verstehen und daher auch nichts vom EU-Recht halten, sondern auf dem Faustrecht bestehen.
Die Bemühungen höchstrangiger tschechischer Politiker, sich in den letzten Tagen von den von den Teilnahmestaaten der Potsdamer Konferenz von 1945 quasi ein Placet für die Vertreibung zu holen, sind daher als gezielte Vorbereitung für diesen europafeindlichen Beschluß zu werten.
Die stereotype Ausrede unter Bezug auf das Potsdamer Protokoll, das ja nur die Alliierte Kontrollkommission als Überleitung bestätigte, muß ins Leere gehen, weil es sich um keinen völkerrechtlichen Vertrag handelt, der zu Lasten Dritter von vornherein ungültig wäre und vom amerikanischen Repräsentantenhaus im übrigen nicht ratifiziert wurde.
Die Absicht ist klar: Der Land- und Vermögensraub darf nicht nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts und des Rechts der internationalen Organisationen wieder gutgemacht werden. Jeder vierte Tscheche war Nutznießer der Vertreibung und ebenso der Staat selbst, mit seinem Fonds für nationale Erneuerung, dem Bodenfonds und den verstaatlichten Betrieben.
Von 240.000 sudetendeutschen Besitzern, wurden 2,4 Millionen ha, 28.000 Mietshäuser, 180.000 Einfamilienhäuser, 13.000 Industriebetriebe und 84.000 Gewerbebetriebe, 1 to Gold, 34 to Silber, 7.200 Safes, Versicherungen, Sparbücher, Wertpapiere als Kollektivstrafe konfisziert. Das Gesamtvermögen der Deutschen und Magyaren belief sich auf rund 300 Milliarden Kronen.
Nach EU-Recht genießen die persönlichen Rechte und das Menschenrecht, wie auch der Schutz des persönlichen Eigentums höchste Priorität. Beides wurde durch die Völkermord-Dekrete brutal verletzt. Angesichts dieser Tatsachen bezeugt die Berufung auf eine Nachkriegsordnung den national-bolschewistischen Standpunkt der tschechischen Politiker und die mangelnde Demokratiereife der tschechischen Gesellschaft, die unter diesen Umständen in einer europäischen Völkergemeinschaft nichts verloren hat. Völlig unverständlich sind die Eiertänze, welche angesichts der
klaren Sachlage, ein offenbar völlig überforderter Erweiterungskommissar Verheugen aufführt.=============Radio Prag 2002-04-25======================
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Kavan: Haltungen europäischer Parlamentarier zu den Bene-Dekreten haben
sich beruhigt
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Rechts orientierte deutsche und österreichische Abgeordnete des
Europaparlaments haben eine neutrale bis positive Haltung zur Erklärung
des tschechischen Unterhauses zu den Bene-Dekreten bezogen. Sie haben vor,
einen Hinweis auf die Erklärung im positiven Sinne auch in ihre eigene
Resolution über die Tschechische Republik einzuarbeiten. Dies erklärte der
tschechische Außenminister Jan Kavan am Donnerstag Brüssel nach dem Treffen
mit dem Chef des auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments, Elmar Brok.
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Europäische Liberale: Tschechien darf kein Geisel der Geschichte sein
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Die Bene-Dekrete dürfen nach Meinung der europäischen Liberalen kein Mittel
für politische Kampagnen in Tschechien und dessen Nachbarländern werden. Die
Tschechische Republik darf zu keinem Geisel der Geschichte werden, hieß es
in der Erklärung, die von einer Gruppe der Europäischen liberalen und
Reformparteien im Europa-Parlament und von der Demokratischen Bürgerallianz
in Brüssel und in Prag gemeinsam veröffentlicht wurde. Der ODA-Chef Michael
Zantovsky stellte die Deklaration am Donnerstag der Nachrichtenagentur CTK
zur Verfügung.
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Zeman: Palästinenser müssen auf Terrorangriffe verzichten
Premier Milo Zeman hat am Donnerstag im Abgeordnetenhaus erklärt,
solange
die Palästinenser mit den Terrorangriffen gegen Israel nicht aufhören, haben
sie kein Recht auf einen unabhängigen Staat genauso wie die Sudetendeutschen
1938 kein Recht auf Anschluß an Deutschland hatten. Dies erklärte der
Premier in seiner Antwort auf die Interpellation des Vizechefs der
Kommunisten, Vaclav Exner. Zeman stellte fest, das gegenwärtige Schicksal
Israels sei dem Schicksal der Tschechoslowakei im Jahre 1938 ähnlich. Er
betonte, niemand wolle den Palästinensern das Recht auf einen unabhängigen
Staat nehmen, sie hätten den Staat aber schon längst gehabt, wenn sie den
Plan des CIA-Chefs Tenet zum Waffenstillstand genutzt hätten und wenn Jasir
Arafat vor zwei Jahren die umfangreichen Zugeständnisse des damaligen
israelischen Premiers Ehud Barak nicht abgelehnt hätte. Zeman verurteilte
die antiisraelische Kampagne in einem Teil der tschechischen Presse, die er
als einen Ausdruck des Antisemitismus bezeichnete.
Herrn Zeman ins Gebetbuch geschrieben: Seine unerhörten Ausfälle sind ja kaum mehr zu überbieten.
Freilich hätten die Sudetendeutschen 1938 keinen Anschluß an
Deutschland gebraucht, wenn sie nicht derart in ihrem Volkstum, in ihrer wirtschaftlichen
Entfaltung und in ihrem kulturellen Bestand geknebelt worden wären. Die von ihm so hoch
gelobte Wiege der Demokratie Erste Tschecho-Slowakische Republik hätte ja der
zweitstärksten Volksgruppe nur eine gewisse Autonomie zugestehen zu brauchen, um den
Eklat von 1938 zu vermeiden.
ML 2002-04-28
==============Hans Schädel aus Kanada 2002-04-25==============================================
Schröder erließ Putin und somit den Russen 7,1 Milliarden Euro. In der
Tschechei hat sich Putin fuer die Beibehaltung der Bene-dekrete ausgesprochen.
Was für gute Freunde sucht der Schröder sich und das im Namen Deutschlands!
==============Walter Mogk (Ostpreußen-Forum)=====================
Unrecht bleibt
Prag verteidigt Bene-Dekrete
Von Stefan Idel
Kein Demokrat in Deutschland stellt die europäische Nachkriegsordnung in Frage
auch nicht die Funktionäre der Vertriebenenverbände. Aber es ist mehr als legitim,
Vertreibung und Enteignung als Unrecht zu benennen.
Das Parlament in Prag setzt mit seinem Bekenntnis zu den verwerflichen Bene-Dekreten
das deutsch-tschechische Verhältnis erneut einer schweren Belastungsprobe aus. Denn der
gestrige Beschluß atmet kaum den Geist der Aussöhnungserklärung von 1997. Die
Entschließung ist auch nicht mit dem Wahlkampf in Tschechien zu rechtfertigen, wie dies
einige deutsche Diplomaten tun.
Hinterfragt werden muß aber auch die Rolle von EU-Kommissar Verheugen. Er hatte
Tschechien mehrfach versichert, daß die Dekrete keine Beitrittshürde seien. Mit dieser
Linie stellt die EU ihre Funktion als Wertegemeinschaft in Frage.
Quelle: Nordwest-Zeitung vom 25.04.2002
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Gebrandmarkt und vertrieben
Bene-Dekrete ebnen Weg zu einer Kollektivbestrafung
der Sudetendeutschen
Von Ulrich Schönborn
Prag. Mehr als drei Millionen Sudetendeutsche wurden nach dem Zweiten Weltkrieg
ohne Feststellung einer individuellen Schuld am Nazi-Terror enteignet, verfolgt oder aus
der damaligen Tschechoslowakei vertrieben. Grundlage bildeten die so genannten
Bene-Dekrete, um die angesichts des geplanten EU-Beitritts der Tschechischen
Republik ein neuer Streit entbrannt ist.
Für das tschechische Abgeordnetenhaus sind die Bene-Dekrete laut gestern
verabschiedeter Resolution Folge des Krieges und der Niederlage des
Nationalsozialismus, an der heute nicht mehr zu rütteln sei. Vor allem die
Sudetendeutsche Landsmannschaft und andere Vertriebenenverbände fordern dagegen eine
Aufhebung der bis heute geltenden Gesetze, da sie rassistisch geprägt seien und von
vornherein gegen das Völker- und Menschenrecht verstoßen hätten.
Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei in Folge des Münchner Abkommens und der
Errichtung des Reichsprotektorats Böhmen und Mähren durch Hitler im März
1939 formierte sich in London eine tschechoslowakische Exilregierung. Exil-Präsident
Edvard Bene erließ zwischen 1940 und 1945 insgesamt 143 Dekrete, von denen mehrere
die Entrechtung und Enteignung der deutschen und der ungarischen Minderheit in der
Tschechoslowakei zum Gegenstand hatten. Diese Dekrete wurden im März 1946 von der
tschechoslowakischen Provisorischen Nationalversammlung rückwirkend zu Gesetzen erhoben.
Prag rechtfertigt heute die Vertreibung mit Beschlüssen der Potsdamer Konferenz der
Alliierten, die im Sommer 1945 Bevölkerungstransfers als Beitrag zur
nationalen Entflechtung und damit zum Frieden im Nachkriegs-Europa gebilligt
hatten. Die Tschechen hatten allerdings schon vor der Potsdamer Konferenz mit der
wilden Vertreibung der Deutschen begonnen. Ein Symbol für diese Willkür ist
der Todesmarsch von Brünn: Am 30. Mai 1945 trieben bewaffnete Tschechen in
der mährischen Stadt Brünn etwa 20 000 deutsche Bewohner zusammen. Sie hatten nur zehn
Minuten Zeit, ihre Habseligkeiten zu packen, bevor sie auf einen Fußmarsch zur
österreichischen Grenze geschickt wurden. Nachdem sie von den österreichischen
Grenzposten abgewiesen worden waren, vegetierten sie wochenlang unter freiem Himmel im
Niemandsland. Hunderte starben auf Grund katastrophaler hygienischer Zustände und
mangelnder Versorgung.
Bene schürte mit seinen Dekreten die antideutsche Stimmung der Tschechen. Sollte
nach einem am 5. April 1945 in Kaschau verabschiedeten Regierungsprogramm zunächst bei
der Entrechtung und Enteignung noch zwischen Nazi-Kollaborateuren und loyalen Deutschen
unterschieden werden, ebnete er mit späteren Dekreten den Weg für eine
Kollektivbestrafung der gesamten deutschen Bevölkerung. Deutsche wurden mit einem großen
N (Nemec = Deutscher) gebrandmarkt, in Lagern interniert oder vertrieben,
Familien wurden getrennt, immer wieder kam es zu brutalen Übergriffen. Weit gefaßte
Regelungen zur Staatsangehörigkeit führten dazu, daß sogar Bürger der Schweiz oder
Liechtensteins enteignet wurden.
Auch nach der Potsdamer Konferenz war die dort geforderte ordnungsgemäße und
humane Durchführung der Überführung nicht gewährleistet. Mit den in
Viehwaggons zusammengepferchten Vertriebenen kamen auch die Berichte von Willkür und
Gewalt in den westlichen Besatzungszonen an.
Die Nachwirkungen der Bene-Dekrete sind bis heute zu spüren. Die rund 40 000
Sudetendeutschen, die in Tschechien geblieben sind, werden immer noch als Menschen zweiter
Klasse behandelt, sagt die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika
Steinbach. Auf den Integrationsprozeß Tschechiens in die EU werfe das starre Festhalten
der Tschechen an den Bene-Dekreten einen langen Schatten.
Vertriebenenverbände im Internet: www.bund-der-vertriebenen.de
Quelle: Nordwest-Zeitung vom 25.04.2002
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BRIEFE AUS ST. GALLEN: Bene war kein de Gaulle
Nach seinem Wechsel zur Universität in St. Gallen ist Prof. Dr. Peter Glotz noch
immer mit Thüringen verbunden. Mit ungetrübtem Blick greift er in aktuelle Debatten in
Deutschland ein.
Tschechiens Präsident Vaclav Havel hat sich in einem hochsymbolischen Artikel in
den neuen deutsch-tschechischen Historikerstreit eingeschaltet, der gerade um die
Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei entsteht. Präsident Havel würdigt den
früheren Präsidenten der Tschechoslowakei, Edvard Bene. Er bleibt zwar bei einer
eher kritischen Meinung über diesen umstrittenen Politiker. Trotzdem benutzt
er sein hohes und wohlverdientes internationales Prestige, um den Nationalisten Bene
zu schützen. Der zentrale Satz seines Artikels lautet: Dieser Mann... ist im
Londoner Exil zum Symbol des tschechischen Kampfes gegen den Nationalsozialismus und
unserer demokratischen Tradition geworden; zu dem, was de Gaulle für die Franzosen und
Königin Willhelmine für die Niederlande oder Churchill für die Briten war.
Daß Bene zum Symbol des tschechischen Kampfes gegen den
Nationalsozialismus wurde, ist wohl wahr. Der Vergleich mit de Gaulle und Churchill
ist gleichwohl abwegig. Aber es geht nicht nur um historische Wertungen. Havel greift in
seiner Verteidigung von Edvard Bene in die aktuelle Debatte um die
Bene-Dekrete und die Aufnahme der Tschechischen Republik in der Europäischen Union
ein, und zwar nicht mit einem dringend nötigen Widerspruch gegen die nationalistischen
Wahlkampfspielereien des tschechischen Ministerpräsidenten Milo Zeman und des
tschechischen Parlamentspräsidenten Vaclav Klaus, sondern mit einem historischen
Plädoyer, daß diese beiden bejubeln werden. Denn Havel sagt über Bene nur die
halbe Wahrheit. Er mag zwar in den dreißiger Jahren die besten Traditionen unseres
Kontinents verkörpert haben. Ab Anfang der 40er-Jahre aber plante er kaltblütig
und von langer Hand die ethnische Säuberung Böhmens und der Slowakei. Seine Hetzreden in
den Jahren 1944 und 1945 haben in der Zeit der wilden Vertreibungen vor der
Potsdamer Konferenz vielen Angehörigen der nationalen Minderheiten in der
Tschechoslowakei das Leben gekostet. Bene brachte mit chauvenistischen Tiraden die
verständlicherweise angeheizte Atmosphäre der Nachkriegsmonate zum Sieden.
Zusammen mit anderen Slawen werden wir vor allem unsere Heimat von jenen Elementen
säubern, die zu uns nicht gehören und niemals mehr gehören werden, sagte er im
April 1945. Es wäre die erste Aufgabe, den Staat von Deutschen und Ungarn zu
säubern. Und dann fügte er hinzu: Es ist notwendig, dies gnadenlos zu tun
und mit allen sich daraus ergebenden Folgen. So geschah es. Davon steht bei Vaclav
Havel kein Wort.
Dessen Wahlspruch war In der Wahrheit leben. Er hat diesem Wahlspruch viele
Jahre Ehre gemacht. Zum Beispiel hat er sich 1990 für die Vertreibung der
Sudentendeuschen entschuldigt. Das muß man ihm hoch anrechnen. Schon bei der Debatte um
die deutsch-tschechische Freundschaftserklärung aber ruderte er zurück und machte faule
Kompromisse. Natürlich, es ist nicht leicht, gleichzeitig ein hohes Staatsamt zu haben
und in der Wahrheit zu leben. Schade, daß man das sagen muß: Mit seinem
Artikel über Edvard Bene ist das Symbol Havel zu einem ganz normalen Politiker
geworden.
Quelle: Thüringer Allgemeine (Erfurt) vom 25.04.2002
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Tschechien hält an den Bene-Dekreten fest
Das Prager Parlament erklärte einstimmig in einer Resolution, die
Bene-Dekrete seien unantastbar.
Von unserem Korrespondenten HANS-JÖRG SCHMIDT
PRAG. Keine 60 Minuten dauerte das Prozedere im tschechischen Unterhaus. Dann
hoben alle anwesenden 169 Abgeordneten in bisher ungekannter Einmütigkeit die Hand für
eine Resolution. Mit ihr zeigten sie allen vermeintlichen Versuchen des Auslands die rote
Karte, die umstrittenen Bene-Dekrete anzutasten. Die Rechts- und
Eigentumsverhältnisse, die nach dem Krieg auf der Grundlage der Dekrete entstanden sind,
seien unanzweifelbar, unantastbar und unveränderbar, erklärten die
Abgeordneten.
Der stellvertretende Chef der Kommunisten, Milolav Ransdorf, sprach euphorisch von
einem bedeutenden Augenblick im Leben des tschechischen Parlaments. Die
Abgeordneten hätten deutlich gemacht, daß die Herren Haider, Stoiber und (der noch
amtierende ungarische Premier) Orbán in Tschechien keine Partner für ihr Ansinnen
finden, die Frage der Nachkriegsordnung neu aufzurollen.
Ähnlich zufrieden äußerten sich Politiker anderer Parteien. Ivan Pilip von der
liberalen Freiheitsunion (US) sah die Resolution zwar als eigentlich
überflüssig an; als weniger gute Verteidiger der nationalen tschechischen
Interessen wollten die US-Abgeordneten jedoch auch nicht dastehen und votierten wie
alle anderen mit Ja. Eine Rolle dabei mag auch gespielt haben, daß sich auch Präsident
Václav Havel zur Resolution bekannt hatte ungeachtet früherer Äußerungen, die
Vertreibung sei Unrecht und Rache gewesen.
Parlamentspräsident Václav Klaus von der Bürgerpartei beteuerte zum Abschluß der
Debatte, die Erklärung der Abgeordneten sei kein Ausdruck von Nationalismus.
Sie sei vielmehr als eine spontane Reaktion auf Bemühungen des Auslands zu
werten, die tragischen Probleme der Geschichte neuerlich zu öffnen, damit die
internationalen Beziehungen zu komplizieren und die tschechische Öffentlichkeit zu
beunruhigen.
Klaus vergaß dabei, daß es gerade Premier Milo Zeman und er selbst gewesen waren,
die die aktuelle Debatte über die Dekrete mit zweifelhaften Vorwürfen an die Adresse der
Sudetendeutschen erst heraufbeschworen hatten. Zeman hatte die Sudetendeutschen als
fünfte Kolonne Hitlers bezeichnet, die eigentlich mit dem Tode bestraft
gehört hätten und mit der Vertreibung noch milde davongekommen seien. Klaus
wiederum hatte eine Festschreibung der Bene-Dekrete im EU-Beitrittsvertrag
Tschechiens verlangt.
Davon ist er zwar mittlerweile abgerückt; jüngst drohte er jedoch ein Nein der
ODS-Anhänger im Referendum über den EU-Beitritt, sollte Brüssel keine Garantie geben,
daß die Bene-Dekrete gesichert bleiben.
Eine solche Garantie scheint zumindest seitens des Europaparlaments ausgeschlossen. Am
Dienstagabend war wegen des Streits um die Bene-Dekrete fast eine Tagung des
gemeinsamen Parlamentsausschusses EU-Tschechien gescheitert. Man einigte sich schließlich
lediglich auf die vage Formulierung, wonach die Dekrete kein Hindernis für den
tschechischen EU-Beitritt sein sollten.
FPÖ: Kein EU-Beitritt
WIEN (lui). Für FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler ist die Haltung des
tschechischen Parlaments die Zementierung der Anti-EU-Haltung. Denn eines sei
klar: Mit den derzeitigen Bene-Dekreten kann Tschechien nicht der EU
beitreten. Auch Generalsekretär Karl Schweitzer bekräftigte den FPÖ-Standpunkt:
Wir können und werden einen EU-Beitritt Tschechiens mit diesen Unrechtsdekreten
nicht akzeptieren.
Quelle: Die Presse (Wien) vom 25.04.2002
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Kommentar
Wieder 100 Prozent Ja-Stimmen
Frank Herold
Ein historischer Tag für das Parlament in Prag. Zum ersten Mal seit der
Wiedererlangung der Demokratie wurde eine Entscheidung einstimmig getroffen. Wenn es um
die Bene-Dekrete geht, stehen die Abgeordneten von den Kommunisten bis zu den
Konservativen wie ein Mann. Selbst Präsident Vaclav Havel, der in der Vergangenheit so
manchen Strauß mit den Parteipolitikern ausgefochten hat, nickt zustimmend: Diese mehr
als 50 Jahre alten Rechtsakte sind aus Prager Sicht unantastbar.
Die Erklärung ist ambivalent: Sie nimmt was dringend notwendig ist vielen
Tschechen Unsicherheiten über die Folgen eines EU-Beitritts. Gleichzeitig aber ist das
Dokument eine neue Rechtfertigung für die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg, denn
eine Entschuldigung über begangenes Unrecht enthält sie nicht. Positiv wiederum ist ein
Nebeneffekt. Durch den alle Parteien übergreifenden Konsens hat sich das Thema
Bene-Dekrete für den nationalpopulistischen Hausgebrauch erledigt. Auf
diesem Feld kann nun im Wahlkampf keiner mehr den anderen ausstechen.
Darüber hinaus ist die Resolution schon bald völlig irrelevant. Tschechien will der EU
beitreten. Es mußten bereits viele tschechische Gesetze geändert werden, um sie an das
Gemeinschaftsrecht anzupassen. Wenn die Bene-Dekrete noch immer zur tschechischen
Rechtsordnung gehören, dann müssen auch sie geprüft werden. Das haben jedoch nicht
Politiker auf offener Bühne zu tun, sondern Juristen im detaillierten Vergleich der
Paragrafen.
Quelle: Berliner Zeitung vom 25.04.2002
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Sudetendeutsche Klage liegt schon längst in Straßburg
LINZ/WIEN Während ein Völkerrechtsprofessor
und Politiker noch darüber diskutieren, ob eine Befassung des Europäischen
Menschenrechtsgerichtshofes sinnvoll wäre, liegt längst eine sudetendeutsche Klage in
Straßburg. -
- Der Linzer Völkerrechtsprofessor Manfred Rotter bleibt dabei: Österreich solle die
Frage der Bene-Dekrete vor das Straßburger Gericht bringen. Auch die
Grün-Abgeordnete Ulrike Lunacek ist dafür. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hatte
dies bereits vorige Woche abgelehnt, da der Meschenrechtsgerichtshof nicht
Rechtsvorschriften untersuchen könne, die vor In-Kraft-Treten der Europäischen
Menschenrechtskonvention gesetzt worden seien. Tatsächlich liegt die sudetendeutsche
Frage in Straßburg längst auf dem Tisch. Vor einem Jahr hat der Wiener Anwalt Johannes
Eltz den Fall seines sudetendeutschen Mandanten, dessen Restitutionsklage in Tschechien
abgewiesen worden war, vor den Menschenrechtsgerichtshof gebracht. Rotters Vorschlag hält
er dennoch für nicht ernst zu nehmen. Sinnvoll seien nur
Individualbeschwerden, so Eltz zum VOLKSBLATT. Es gehe um individuelle Rechtsverletzungen.
Seine Klage betreffe einen solchen Fall. Ein Urteil des Straßburger Gerichtes liegt noch
nicht vor.
Quelle: Neues Volksblatt, 25.04.2002
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Rieß-Passer attackiert Zeman
München (SZ) Österreichs Vizekanzlerin Susanne
Rieß-Passer besteht auf der Aufhebung der Bene-Dekrete als Voraussetzung für den
EU-Beitritt Tschechiens. Vor der Gesellschaft für Auslandskunde in München sagte sie,
die Bene-Dekrete widersprächen den Menschenrechten und könnten daher nicht zum
Rechtsbestand der EU gehören. Die Frage der Bene-Dekrete müsse vor dem Beitritt
Tschechiens zur EU geklärt sein, sagte die Vizekanzlerin. Die Dekrete bildeten 1945 die
Grundlage für die Ausweisung und Enteignung der Sudetendeutschen. Rieß-Passer warf
Tschechiens Regierungschef Milo Zeman vor, er falle mit seinen Äußerungen über
die Sudetendeutschen in Bene Diktion zurück. Gegenbeispiele seien die
Slowakei und Slowenien, die bereit seien, über die Dekrete zu sprechen. Zum Streit um das
tschechische Atomkraftwerk Temelin sagte Rieß- Passer, es werde nicht gebraucht, es sei
sehr störanfällig und werde nur wegen der hohen Investitionen behalten.
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 25.04.2002
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Prager Parlament für Erhalt der Bene-Dekrete
Von Heiko Krebs
Prag Das tschechische Abgeordnetenhaus in Prag hat sich einstimmig gegen
die Aufhebung der umstrittenen Bene-Dekrete ausgesprochen. Die Rechts- und
Eigentumsverhältnisse, die sich aus den Dekreten des damaligen tschechoslowakischen
Präsidenten Eduard Bene nach dem Zweiten Weltkrieg ergeben haben, seien nicht
anzuzweifeln, unantastbar und unveränderlich, heißt es in einer Erklärung, die
die 169 anwesenden Abgeordneten ohne Gegenstimmen oder Enthaltungen verabschiedeten. Die
Dekrete seien in den ersten Nachkriegsjahren umgesetzt worden und könnten heute nicht
mehr angewendet werden, wird in der Resolution betont. Mit langem Applaus bekräftigten
die Abgeordneten ihre Entscheidung, eine Revision der Nachkriegsordnung
keinesfalls zuzulassen.
Auf den Wortlaut der Resolution hatten sich die Vorsitzenden der fünf im Parlament
vertretenen Parteien, die Kommunisten erstmals eingeschlossen, verständigt. Lediglich die
Parteichefs durften im Plenum noch einmal ihren Standpunkt darlegen. Eine Aussprache zu
der Erklärung gab es nicht. Parlamentspräsident und ODS-Chef Vaclav Klaus hatte die
Abgeordneten zuvor beschworen: Überlegen Sie sich gut, ob Ihr Redebeitrag dem
gefundenen Konsens dienlich sein wird. Nach der Abstimmung dankte Klaus den
Parlamentariern dafür, daß auch im Abgeordnetenhaus staatsmännisches Abwägen
über parteipolitische Grabenkämpfe siegen kann.
Zuvor hatte Klaus die Fronten aufgezeigt: Das Parlament sei beunruhigt über Versuche,
vor allem im Ausland, erneut tragische Probleme der Vergangenheit
aufzugreifen, damit die internationalen Beziehungen zu belasten und die tschechische
Öffentlichkeit zu verunsichern. Ähnlich äußerte sich der Chef der
Sozialdemokraten,Vladimir Spidla: Den Politikern in Europa, die die Debatte führten, gehe
es nicht darum, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Ziel sei es vielmehr, die Grundlagen der
Friedensordnung nach dem Zweiten Weltkrieg zu revidieren. Lediglich der Fraktionschef der
oppositionellen liberalen Freiheitsunion, Karel Kühnl, wies darauf hin, daß die
Tschechen den Verlust ihres Eigentums oder der Souveränität ihres Landes gar nicht
befürchten müßten. Die EU, der Tschechien 2004 beitreten will, garantiere die
Unantastbarkeit der Grenzen und die Einhaltung der Menschenrechte.
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 25.04.2002
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Wagenburg-Mentalität
Vor der Wahl im Juni sind in einem Land, dessen Bevölkerung sich
wegen der Bene-Dekrete zunehmend unter Druck gesetzt fühlt, keine versöhnlichen
Zeichen zu erwarten
Von Ulrich Glauber
Der als arrogant empfundenen Einflussnahme von außen folgt der Schulterschluß
in der Wagenburg. Wie Österreich nach den Sanktionen der anderen EU-Länder hat das nun
auch Beitrittskandidat Tschechien mit der einhelligen Bekräftigung der Bene-Dekrete
vollzogen. Jahrelang blieb die Bewältigung der verhängnisvollen Abfolge von
Nazi-Okkupation und Vertreibung der Sudetendeutschen und Ungarn aus der Tschechoslowakei
Bonn und Prag überlassen. Als Deutsche und Tschechen eine Lösung gefunden hatten,
stänkerte Österreichs Rechtspopulist Jörg Haider, dann kleckerte der konservative
Kanzler Wolfgang Schüssel nach. Selbst der ungarische Premier Viktor Orban
instrumentalisierte das Thema im Wahlkampf. Vertriebenen-Patron Edmund Stoiber kann da
nicht beiseite stehen.
Niemand bestreitet, daß kollektive Vertreibung Unrecht ist, auch wenn die
Sudetendeutschen mehrheitlich die Zerschlagung der demokratischen Tschechoslowakei durch
das NS-Regime unterstützt hatten. Eine Aufhebung der Dekrete brächte nach einem halben
Jahrhundert jedoch ein rechtliches Chaos mit sich. Als Ausweg bleiben Gesten. Vaclav Havel
hat das moralische Unrecht an den Sudetendeutschen bedauert. Im tschechischen
Parlament war vom Plan die Rede, ebenfalls ein versöhnliches Zeichen auszusenden.
Vor der Wahl im Juni ist in einem Land, dessen Bevölkerung sich wegen der
Bene-Dekrete zunehmend unter Druck gesetzt fühlt, nichts dergleichen zu erwarten.
Aber Politikern wie Haider geht es ohnehin nur darum, alte Vorurteile gegen die slawischen
Nachbarn und EU-Skepsis zu schüren. Dem muß europaweit ein Riegel vorgeschoben werden.
Quelle: Frankfurter Rundschau vom 25.04.2002
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Eine nationale Front
Von Berthold Kohler
Wer heute im Gespräch mit tschechischen Politikern die Vertreibung der Deutschen
aus der Tschechoslowakei in den Jahren 1945 und 1946 ein Unrecht nennt, stößt in der
Mehrzahl der Fälle auf Ablehnung. Das sei ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte,
heißt es oft; daran lasse sich nicht rütteln.
So begann schon einmal, vor acht Jahren, ein Leitartikel dieser Zeitung. Viel hat sich
seither im Verhältnis von Deutschen und Tschechen verändert, vieles hat sich verbessert.
Bald will man sich auch in der Europäischen Union näherkommen und mehr gemein haben als
jemals zuvor. Doch ist man sich tatsächlich schon so nahe, wie es scheint? Teilt man
schon die wichtigsten Werte und Vorstellungen?
Die eingangs zitierte Feststellung trifft noch immer zu. Eine Kluft trennt Deutsche und
Tschechen, wenn sie ihren Blick in die Vergangenheit richten, die immer noch mehr Macht
über Gegenwart und Zukunft hat, als Politiker und Diplomaten zugeben wollen. Noch immer
sind die meisten Tschechen und so gut wie die gesamte politische Elite der Ansicht, daß
die Entrechtung und Austreibung von Millionen von Sudetendeutschen und Ungarn nach dem
Zweiten Weltkrieg notwendig, legitim und gerecht gewesen sei. Deswegen sucht man in der
Deklaration von 1997 auch vergeblich nach dem Satz, der die Vertreibung Unrecht nennt.
Nach anderthalb Jahre dauernden Verhandlungen stimmte Prag der Formulierung zu, daß durch
die Vertreibung unschuldigen Menschen viel Leid und Unrecht zugefügt wurde;
ein feiner, für die tschechische Seite aber wesentlicher Unterschied, auf den selbst
Präsident Havel hinwies.
Weil es an der Moldau herrschende Meinung war und ist, daß es richtig gewesen sei, die
Deutschen aus dem Land zu jagen, und weil die tschechischen Parteien darin wetteifern, das
Volk in diesem Glauben zu bestärken, konnte auch Regierungschef Zeman zum fünften
Jahrestag der Erklärung innenpolitisch ungestraft Thesen über die Sudetendeutschen
verbreiten, die weit hinter die mühsamen Formelkompromisse der Deklaration zurückfielen
und die im westlichen Europa als unannehmbar gelten; nur auf den Besuch Bundeskanzler
Schröders mußte Zeman daraufhin verzichten.
In Prag aber rückten, nachdem vor allem in Deutschland und in Österreich, dann auch in
Ungarn Kritik an der Zemaniade laut geworden war, die Rechten und die Linken
zur Verteidigung der nationalen Interessen so eng zusammen, daß man an die Auferstehung
der Nationalen Front aus der Zeit der Kommunisten glauben konnte; letztere
wurden, um dem Ausland vollkommene Geschlossenheit demonstrieren zu können, sogar aus der
mehr als ein Jahrzehnt dauernden politischen Isolationshaft entlassen. Seither verteidigt
eine tschechische Allparteienkoalition, verstärkt durch ein Freikorps von Juristen und
Historikern, die Republik gegen einen angeblichen Angriff auf die tschechische
Staatlichkeit, auf die europäische Nachkriegsordnung gar. Nicht weniger als
solch revisionistische Motive wollen die Hüter der tschechischen Nationalinteressen
hinter der Forderung ausgemacht haben, Prag solle sich als künftiges Vollmitglied der
Wertegemeinschaft EU politisch von der Vertreibung distanzieren. Im Westen mag
man den Popanz, den die tschechischen Politiker aufbauen, als absurd belächeln; an der
Moldau wird er, das zeigt auch die jetzt verabschiedete Parlamentsresolution, für bare
Münze genommen.
Dabei ist das Gerede von der angeblichen Bedrohung, mit der sich die tschechische Urangst
vor einer Wiedereröffnung der deutschen Frage trefflich schüren läßt,
blanker Unsinn. Es geht nicht um die Änderung der Geschichte, die Verschiebung von
Grenzen, die Enteignung der tschechischen Bevölkerung im früheren Sudetenland oder um
die Rückgängigmachung anderer Fakten, die vor sechs Jahrzehnten nach einem von Hitler
begonnenen Krieg geschaffen wurden. Der Streit um die Bene-Dekrete dreht sich nicht
um Materielles, sondern um eine Frage der Moral und des Rechts: Kann es Umstände geben,
unter denen ein Kollektivschuld-Vorwurf und die ihm folgende Entrechtung und Vertreibung
ganzer Volksgruppen nicht Unrecht sein könnten? Spätestens seit den Bildern von
Miloevics Vertreibungskriegen, die manchem erst die Augen für die Bedeutung des
Begriffs öffneten, gibt es eine einmütige europäische Antwort: Vertreibung läßt
sich niemals rechtfertigen. Vertreibung (. . .) ist stets ein Unrecht (Gerhard
Schröder).
Viel mehr als die Zustimmung zu dieser europäischen Grundüberzeugung kann man im
sechsten Jahrzehnt nach Kriegsende vernünftigerweise auch von den Tschechen nicht
verlangen; man kann dieser Kulturnation, die sonst nur an den höchsten Maßstäben
gemessen werden will, diese Forderung aber auch nicht ersparen. Es wäre nicht unmöglich,
sie zu erfüllen: Das Prager Parlament könnte die Bene-Dekrete ex nunc,
also von jetzt an, aufheben, ohne daß dies Folgen für die bisher durch sie geschaffenen
Tatsachen hätte. Statt dessen erklärte die tschechische Volksvertretung, daß die
Dekrete verbraucht seien und keine neuen Rechtsbeziehungen mehr
begründen könnten daß also Deutsche und Ungarn nicht mehr befürchten müßten,
enteignet und vertrieben zu werden, sobald sie tschechischen Boden betreten. In Brüssel
und anderswo mag man das als Durchbruch werten. In Wahrheit steht die Parlamentsresolution
von Prag aber für das Unvermögen und den von nationalistischem Gedankengut gespeisten
Unwillen, sich von den Symbolen des dunkelsten Kapitels der tschechischen Geschichte zu
lösen. Die tschechische Politik hat am Mittwoch die Chance vertan, die Begriffe und
Denkmuster der unmittelbaren Nachkriegszeit hinter sich zu lassen. Auch mit ihnen kann man
offenbar Mitglied der EU werden. Dem Geist, der das vereinte Europa beseelen soll, kommt
man mit solchem Gepäck aber nicht näher.
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.04.2002
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ANALYSE der Prager Erklärung zu den
BENE-DEKRETEN -
- Prag schreibt Rechtsunordung fest: Steilauflage für
Sudetendeutsche?
- Die Festschreibung der nach der Vertreibung der Sudetendeutschen entstandenen
Rechtsverhältnisse sollte Vertriebenen eigentlich Recht sein. Denn das Prager Parlament
unterstützt mit der gestern verabschiedeten Erklärung ungewollt die Argumentationslinie
jener Anwälte, die den Sudetendeutschen wieder zu ihrem Eigentum verhelfen wollen.
- Von MANFRED MAURER
Politische Proteste helfen den Sudetendeutschen aber wenig. Lohnender wäre es,
Prag beim Wort zu nehmen und eine tatsächliche Festschreibung bestehender
Rechtsverhältnisse einzufordern.
Eine von der politischen Oberfläche in die juristische Tiefe gehende Analyse würde
nämlich zeigen, daß die Enteignung formal in den meisten Fällen nicht stattgefunden und
sich daher an den Eigentumsverhältnissen aufgrund der Bene-Dekrete vielfach gar
nichts geändert hat. Im Klartext: Den Enteigneten wurde seinerzeit kein
Konfiskationsbescheid zugestellt, in vielen Grundbüchern sind noch heute sudetendeutsche
Eigentümer auf Grundstücken eingetragen, die sich lediglich im Besitz tschechischer
Gemeinden befinden. Das bestätigte etwa kürzlich der Bürgermeister der Gemeinde
Brodek in der Proßnitzer Zeitung Prostejovsky Vecernik: Sofern heute
jemand solche (früher Sudetendeutschen gehörende, Anm.) Grundstücke kaufen wollte,
können wir sie gar nicht verkaufen, weil sie zwar in unserem Besitz sind, aber im
Grundbuch noch die ursprünglichen deutschen Eigentümer eingetragen sind und wir keinen
Rechtstitel nachweisen können, so daß die Grundstücke praktisch unverkäuflich
sind. Genau an diesem Punkt hakt der Wiener Anwalt Johannes Eltz ein, der mit
einigen Kollegen mehrere Sudetendeutsche in Restitutionsangelegenheiten vertritt: Formal
sei es überhaupt nicht zur Enteignung gekommen, weil auch im tschechischen
Verwaltungsrecht jeder Rechtsakt erst durch Zustellung eines rechtskräftigen Bescheides
an den Betroffenen gültig werde. Solche Bescheide hat es aber in der Regel nicht gegeben
und konnte es in Bezug auf die schon vor Erlaß der Bene-Dekrete vollzogene
wilde Vertreibung auch gar nicht geben. Eltz ist es daher ziemlich egal, ob
die Bene-Dekrete aufgehoben werden oder nicht, denn: Die Tschechen wissen ganz
genau, daß sie in den Jahren 1945 bis 1948 Nicht-Akte produziert haben. Wer heute
auf Herausgabe seines Eigentums in Tschechien klagt, bekommt den Enteigungsbescheid quasi
nachgereicht, indem das zuständige Bodenamt unter Hinweis auf die Bene-Dekrete die
Restitution ablehnt. Eltz nennt das gegenüber dem VOLKSBLATT ethnische
Nachsäuberung. Und diese steht im Widerspruch zur gestern im Prag verabschiedeten
Erklärung. Darin heißt es nämlich, daß die Bene-Dekrete nach ihrer Erlassung
umgesetzt worden seien und heute auf deren Grundlage keine neuen Rechtsverhältnisse
entstehen können. Tatsächlich wurden die Dekrete aber seinerzeit nicht
rechtsgültig umgesetzt. Wird aber eine Restitutionsklage heute per Bescheid abgewiesen,
werden jene neuen Rechtsverhältnisse geschaffen, die nach dem Prager
Parlamentsbeschluß gar nicht zulässig sind. Eltz ist daher gar nicht unglücklich über
die Resolution: Ich fühle mich in meiner Linie voll bestätigt. Den
Prager Abgeordneten scheint nicht bewußt gewesen zu sein, welche Rechtsverhältnisse sie
da gestern festgeschrieben haben: nämlich nicht den Zustand nach, sondern jenen vor der
Vertreibung der Sudetendeutschen.
Quelle: Neues Volksblatt vom 25. 4. 2002
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Die Resolution hat mich nicht erschreckt
Außenministerin Ferrero-Waldner hofft auf Versöhnungsakt in Prag nach der
Wahl.
CARINA KERSCHBAUMER
Prag hat die Bene-Dekrete mit den Enteignungsgesetzen gestern als
unantastbar bezeichnet. Für die FPÖ ist nun glasklar, daß Tschechien nicht
EU-Mitglied werden kann. Wie klar bzw. unklar ist für Sie jetzt die weitere
Vorgangsweise?
FERRERO-WALDNER : Ich habe sofort eine Analyse in Auftrag gegeben. Das Thema ist so
heikel, daß man nicht mit einem Schnellschuß antworten kann. Die Bene-Dekrete sind
ein Konflikt zwischen Vergangenheit und Zukunft. Und ich denke, wir müßten die Zukunft
unvergiftet angehen können.
Der Inhalt der gestrigen Resolution ist aber recht giftig.
FERRERO-WALDNER: Prag ist im Wahlkampf. Man muß jetzt die Ruhe bewahren. Ich stelle
mir vor, daß es einmal eine Erklärung gibt, daß die Bene-Dekrete Unrecht waren
und daß hier ein Akt der Entschuldigung gesetzt wird. Weiters dürfen die in Frage
gestellten Dekrete keine Rechtswirkung mehr haben. Daß man jetzt aber schwer mit
Tschechien verhandeln kann, ist klar.
Prag ist aber nach dieser Resolution weiter denn je davon entfernt, die
Vertreibungsdekrete der Geschichte zu überantworten.
FERRERO-WALDNER : Wir haben eine Historikergruppe eingesetzt und wir werden uns nach den
Wahlen wieder zusammensetzen. Vorläufig werden wir aber nichts Initiatives tun.
Spricht hier die Vorsicht der Diplomatin?
FERRERO-WALDNER: Ich muß hier jedes Wort auf die Waagschale legen.
Die SPÖ hat Ihnen vorgeworfen, Sie würden hilflos dem Chaos in der Außenpolitik
gegenüberstehen. Wie werden Sie die Kluft zwischen FP und VP in der Frage der
Bene-Dekrete und des EU-Beitritts Tschechiens schließen?
FERRERO-WALDNER : Zunächst: Es gibt kein Chaos. Im Regierungsübereinkommen steht,
daß eine Lösung für die Bene-Dekrete gefunden werden muß. Seien Sie sicher, daß
wir noch vor dem EU-Beitritt eine Lösung finden werden.
Die Resolution kann Sie also nicht erschrecken?
FERRERO-WALDNER: Nein, sicher nicht.
Quelle: Kleine Zeitung, 25.04.2002
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Chance noch nicht vertan
Die Prager Erklärung zu den Bene-Dekreten ist vor allem
innenpolitisch motiviert
Josef Kirchengast
Der tschechische Parlamentspräsident Václav Klaus, einer der Favoriten für das
Amt des Regierungschefs nach den Parlamentswahlen im Juni, spricht von
staatsmännischen Erwägungen, die über die Parteipolitik gestellt worden
seien.
Das trifft insofern zu, als mit der gestrigen Erklärung des Prager Unterhauses zu den so
genannten Bene-Dekreten das Thema aller Voraussicht nach aus dem Wahlkampf
herausgehalten wird. Und das muß auch im Interesse jener liegen, welche die Enteignungs-
und Vertreibungsdekrete für unvereinbar mit den Menschenrechten halten, weil sie auf dem
Prinzip der Kollektivschuld beruhen.
Das hat jetzt übrigens auch der Chef der ungarischen Sozialisten und mögliche neue
Außenminister László Kovács in einem Interview mit einer slowakischen Zeitung
bekräftigt. Die Entscheidung, ob die Bene-Dekrete ein Hindernis für den
EU-Beitritt Tschechiens darstellen, will Kovács Brüssel überlassen. Der scheidende
ungarische Premier Viktor Orbán hält dagegen, wie auch die österreichische Regierung
und der bayerische Ministerpräsident und Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, die
Dekrete für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft in der Union.
Tatsächlich prüft die Europäische Kommission derzeit noch einige der damaligen
tschechoslowakischen Rechtsakte, welche die Enteignung und Vertreibung der deutschen und
der ungarischen Bevölkerungsgruppe bei und nach Kriegsende betreffen.
Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat gegenüber profil speziell das Amnestiegesetz
aus dem Jahr 1946 genannt.
Dieses von der Einstweiligen Nationalversammlung in Prag verabschiedete Gesetz stellt alle
im Zeitraum von 30. September 1938 bis 28. Oktober 1945 als gerechte Vergeltung für
die Taten der Okkupanten oder ihrer Helfershelfer begangenen Verbrechen straffrei.
Angesprochen waren damit vor allem Gewaltexzesse bei der so genannten wilden
Vertreibung, die Tausende Tote forderte.
Laut Prager Deklaration sind die Enteignungs- und Vertreibungsdekrete nach Kriegsende
umgesetzt, sozusagen konsumiert worden und können damit heute keine
neuen Rechtsverhältnisse mehr begründen. Diese Formulierung versucht die Quadratur
des Kreises: daß die Dekrete gelten (was die durch sie geschaffenen Rechts- und
Eigentumsverhältnisse betrifft) und zugleich nicht mehr gelten. Juristisch ist diese
Position schwer haltbar, politisch zumindest verständlich: Eine rückwirkende
Annullierung der Dekrete hätte unabsehbare Auswirkungen auf die Rechtsordnung Tschechiens
(und der Slowakei).
Für das Amnestiegesetz aber kann diese Argumentation nicht gelten: Seine Aufhebung würde
die tschechische (und slowakische) Rechts-und Staatsordnung keineswegs erschüttern. Sie
wäre, im Gegenteil, ein gewichtiger symbolischer Akt der Absage an die
Kollektivschuldthese. Denn mit dem Amnestiegesetz wurden ja de facto alle Angehörigen der
deutschen Volksgruppe im Nachhinein für vogelfrei erklärt. Auch tschechische Kritiker
der Bene-Dekrete sehen hier den Angelpunkt einer nachhaltigen Entschärfung des
Themas.
Bezeichnenderweise bleibt das Amnestiegesetz aus der Erklärung des tschechischen
Abgeordnetenhauses völlig ausgeklammert. Offenbar waren und sind sich alle Beteiligten
der besonderen Brisanz dieses Gesetzes bewußt, von dem ja niemand ernsthaft behaupten
kann, seine Wirksamkeit sei erloschen. Prinzipielle Straffreiheit für Gewaltverbrechen
unter welchen Umständen und aus welchen Motiven sie auch begangen wurden
kann nicht Bestandteil einer europäischen Rechtsordnung sein.
Bei aller begründeten Skepsis und Kritik sollte die Deklaration des Prager Parlaments
aber zunächst nach ihrem vorrangigen Zweck beurteilt werden: das Thema innenpolitisch zu
entschärfen. Ein echter Schlußstrich kann sie jedenfalls nicht sein. Nach den Wahlen
wird man weitersehen.
Quelle: Der Standard (Wien) vom 25.04.2002
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Empörung über Prager Erklärung
Westenthaler: Eine Provokation
Wien/Brüssel Der einstimmige Beschluß des tschechischen
Abgeordnetenhauses, daß die Bene-Dekrete unantastbar seien, sei ein
Anti-EU-Beschluß Tschechiens, erklärte FP-Klubobmann Peter Westenthaler am
Mittwoch. Denn mit den Dekreten gebe es nämlich keinen Beitritt Tschechiens zur
EU. Das sei für die FPÖ glasklar. Für Westenthaler ist das Vorgehen
Tschechiens sehr befremdlich und eine Provokation Österreichs.
Schweigsam gab sich Außenministerin Benita Ferrero-Waldner. Bevor sie eine Stellungnahme
abgibt, wolle sie erst die Analyse ihrer Mitarbeiter abwarten, hieß es.
Nationalratspräsident Heinz Fischer hat als Reaktion auf die Resolution der tschechischen
Abgeordnetenkammer zu einer Stärkung der Gemeinsamkeiten zwischen Prag und Wien
aufgerufen. Die Probleme rund um die Bene-Dekrete würden durch die Prager
Erklärung nicht einfacher, dies gelte auch für manche Festlegungen in
Österreich.
EU-Garantie völlig undenkbar
Ursula Stenzel, ÖVP-Delegationsleiterin im Europäischen Parlament, nahm es
gelassen: Das sei kein Durchbruch, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Geprüft
werden müßten auf alle Fälle die Bestimmungen über die Straffreiheit. Damit
bleibt offen, daß die Dekrete sehr wohl Auswirkungen auf den Beitrittsprozeß haben
könne, diese aber kein Beitrittshindernis sind, sagte Stenzel.
Die freiheitliche Delegationsleiterin im EU-Parlament, Daniela Raschhofer, ging auf die
Forderung des tschechischen Unterhauschefs Vaclav Klaus ein, der eine EU-Garantie für die
Unantastbarkeit der Bene-Dekrete verlangt. Dies sei völlig undenkbar,
sagte Raschhofer.
Der Linzer Völkerrechtler Manfred Rotter nutzte die Gelegenheit und wiederholte seinen
Vorschlag, Österreich solle die Frage der Bene-Dekrete vor den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte bringen. Den Einwand von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel,
daß dies rechtlich nicht möglich sei, hält Rotter für unzutreffend. Laut
Schüssel könne der Straßburger Gerichtshof nach geltender Judikatur nicht
Rechtsvorschriften untersuchen, die vor dem In-Kraft-Treten der Europäischen
Menschenrechtskonvention gesetzt worden seien.
Der Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenamt, Hans Winkler, hält den Gang vor den
Menschenrechts-Gericht für nicht sinnvoll. Die Dinge, die sie feststellen könnten,
wissen wir sowieso. Und die Dinge, wo eine Weiterwirkung besteht, sind eindeutig die
Fälle, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entzogen sind sagte
er. Außerdem stelle sich die Frage, welchen Sinn der Beginn eines zumindest zwei oder
drei Jahre dauernden Verfahrens mache.
(APA, ina, mue, pm)
Quelle: Der Standard (Wien), 25.04.2002
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IM WORTLAUT
Nach Erlaß verbraucht
Der Wortlaut des Beschlusses des tschechischen Abgeordnetenhauses zu den
Bene-Dekreten (Übersetzung APA):
Das Abgeordnetenhaus des Parlaments der Tschechischen Republik ablehnend die
Bemühungen um eine Öffnung der Fragen, die mit dem Ende und den Ergebnissen des Zweiten
Weltkrieges zusammenhängen, hervorhebend die positive Bedeutung der
tschechisch-deutschen Deklaration (die so genannte Schlußstrich-Erklärung
vom Jänner 1997, Anm.) und den darin ausgedrückten Willen, die Zukunft mit den
politischen und rechtlichen aus der Vergangenheit stammenden Fragen nicht zu belasten,
bestätigend, daß die guten Nachbarschaftsbeziehungen und die vollberechtigte
Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der Europäischen Union zu den
außenpolitischen Prioritäten der Tschechischen Republik gehört, davon ausgehend,
daß das Ausmaß und die Bedingungen der Restitutions-Gesetzgebung völlig und
ausschließlich in Kompetenz der tschechischen Verfassungsorgane sind, erklärt, daß:
1) die tschechoslowakische Gesetzgebung aus den Jahren 1940-1945, einschließlich der
Dekrete des Präsidenten der Republik, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern, in
Folge des Krieges und der Niederlage des Nationalsozialismus entstanden ist,
2) die Nachkriegsgesetze und Dekrete des Präsidenten der Republik sich realisiert haben,
im Zeitraum nach deren Erlaß verbraucht wurden und heute auf ihrer Grundlage keine neuen
Rechtsverhältnisse mehr entstehen können,
3) die Rechts- und Eigentumsverhältnisse, die aus ihnen hervorgegangen sind, nicht
infragestellbar, unantastbar und unveränderlich sind. (red)
Quelle: Der Standard (Wien) vom 25.04.2002
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Analyse von Friedrich Gruber
Prag legt sich Stolperstein auf den Weg in die EU
Das Tschechische Abgeordnetenhaus hat gestern noch rasch vor der
Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen europäischer Experten einen Beschluß gefaßt,
wonach die Bene-Dekrete zur Vertreibung der Deutschböhmen unantastbar
sind.
Es ist das eine politische Entscheidung der Prager Volksvertretung, die dabei in einer
gewissen Tradition steht bei der zu klären wäre, ob sie ins Denken und in den
Rahmen der EU paßt.
Denn Faktum ist, die Bene-Vertreibungsgesetze und die Sanktionierung von Verbrechen
in diesem Zusammenhang gründen auf ethnischer Säuberung und auf Pauschalverurteilung.
Europa genau auf den Punkt trifft freilich der eigentliche Hammer der gestrigen Prager
Ereignisse: Parlamentspräsident Vaclav Klaus präzisierte: Wir fordern Garantien
der Unantastbarkeit der Nachkriegs-Legislative nach dem EU-Beitritt. Falls wir solche
Garantien nicht bekommen, wird die ODS den Wählern nicht empfehlen, bei der
Volksabstimmung für den EU-Beitritt (2003) zu stimmen. Klaus ist der Vorsitzende
der Demokratischen Bürgerpartei ODS, die für die Parlamentswahlen im Frühsommer hofft,
wieder stärkste Partei zu werden.
Mit dem gestrigen Beharrungsbeschluß legen sich die Tschechen allerdings selber einen
gewaltigen Stolperstein in den Weg in die EU. Denn auch wenn es in Brüssel im
Gegensatz zum EU-Parlament Leute gibt, die durchaus Verständnis hätten für
tschechische Geschichtsverdrängung, von Aufnahmekandidaten erpressen lassen darf sich die
EU nicht. Umsomehr als damit die ganze EU-Erweiterung auf eine schiefe Ebene von
wechselweise politischem Opportunismus und blanker Nötigung kommt.
Was der bürgerliche Vaclav Klaus der EU zumutet, ist übrigens mindestens so
erschreckend und untragbar wie die Empfehlung des sozialdemokratischen tschechischen
Ministerpräsidenten Milo Zeman in Jerusalem: Israel möge es mit den
Palästinensern jetzt genau so machen, wie es die Tschechoslowakei nach 1945 mit den
Deutschstämmigen machte.
In der gestern vom Prager Parlament beschlossenen Deklaration beruft man sich auch auf den
europäischen Rahmen: Die tschechoslowakische Gesetzgebung aus den Jahren 1940-1945,
einschließlich der Dekrete des Präsidenten der Republik, sind ähnlich wie in
anderen europäischen Ländern infolge des Krieges und der Niederlage des
Nationalsozialismus entstanden.
Dieses war teilweise so. Was die Frage der Aufarbeitung dieser Vergeltungsmaßnahmen durch
Pauschalverurteilung und ethnische Säuberung anlangt, steht die Tschechische Republik
freilich bald alleine ignorant da.
Slowenien etwa hat in seinem Restitutionsgesetz festgelegt, daß bürgerliche
Ehrenerklärung und Restitution allen jenen gebührt, die nicht Funktionäre, Helfer oder
Kollaborateure des nationalsozialistischen Besatzungsregimes waren. Im Detail mühsam,
aber europareif.
Auch Kroatien und Serbien, wo die so genannten AVNOJ-Vergeltungsbeschlüsse nach 1945
ebenso schlagend waren, gehen inzwischen den slowenischen Weg.
In Rumänien ist man inzwischen noch großzügiger: Hier gilt für einen
Restitutionsanspruch, den übrigens auch Erben und Nichtrumänern stellen können,
ausschließlich ein nachzuweisender früherer Eigentumstitel. Ob jemand ein NS-Mitglied
war, wird in Rumänien nicht mehr gefragt.
In Ungarn ist dieses Thema praktisch vom Tisch, das damit ein breites Band von Investoren
und neuen Freunden ins Land zog. Polen hat noch gewisse Probleme, ist aber nie und nimmer
so verbissen wie Tschechien, das nicht zu begreifen scheint, daß es sich in Europa mit
nationalistischer Ideologie auch wirtschaftlich schadet. Die Handels- und
Wirtschaftsbeziehungen Tschechiens mit seinen Nachbarn stagnieren auf allen Ebenen. Skoda
in deutscher Hand ist eine Ausnahme.
Es tut auch vielen Österreichern an der Grenze weh, daß das Verhältnis zu unseren
tschechischen Nachbarn eine neue Eintrübung erfahren hat aufgrund neuer
Geschichtsverbissenheit, die nicht erst 1945 oder 1939 begann. Freilich auch durch die von
uns selber aufgerichteten Anti-Temelin-Blockaden (Wer diese ablehnt, muß übrigens nicht
für Temelin sein!).
Man muß den Tschechen schon nachempfinden, daß sie nie mehr hinter einem eisernen
Vorhang leben wollen. Und man muß sie schon verstehen, daß sie allergisch reagieren auf
Fremdbestimmung seinerzeit aus Wien. Zuletzt aus Moskau. Und das soll in Zukunft nicht aus
Brüssel geschehen, sagt Vaclav Klaus, der nicht erst gestern zum EU-Skeptiker geworden
ist, als er sich ins Knie schoß.
( von Friedrich Gruber )
Quelle: Oberösterreichische Nachrichten vom 25.04.2002
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Stellungnahme Weiß: blankes Unrecht
red. Der Rüsselsheimer CDU-Bundestagsabgeordnete
Gerald Weiß hat die Bestätigung der Bene-Dekrete durch das Tschechische Parlament
als eine Schande und völlig inakzeptabel bezeichnet. Daß dies auch noch
einstimmig und im Schulterschluß mit den schwer schuldbeladenen Kommunisten
geschehen sei, mache die Sache noch schlimmer. Die Dekrete des damaligen
tschechoslowakischen Präsidenten Eduard Bene (1884-1948) seien die Grundlage für
die Vertreibung der Sudetendeutschen und der ungarischen Minderheit nach dem Zweiten
Weltkrieg gewesen und hätten diese beiden Volksgruppen völlig rechtlos gestellt und
Verbrechen an Deutschen und Ungarn legalisiert. Sie seien blankes Unrecht
gewesen und ein klarer Bruch der Menschenrechte und des Völkerrechts. Tschechien müsse
dieses Unrecht widerrufen. Er könne sich nicht vorstellen, so Weiß, daß der
Aufnahmeantrag in die EU positiv beschieden werden könne, bevor die Unrechts-Dekrete
nicht ausdrücklich zurückgenommen worden seien.
Quelle: Main-Spitze vom 26.04.2002
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Bene-Dekrete im Bericht des EU-Parlaments zu
Erweiterung
Der Bericht des deutschen EU-Abg. Elmar Brok (EVP) über
die Erweiterung, der im Juni im EU-Parlament in Straßburg abgestimmt wird, befaßt sich
laut FPÖ-EU-Abg. Daniela Raschhofer im Abschnitt über Tschechien auch mit den
Bene-Dekreten. Für Raschhofer stellt das tschechische Amnestiegesetz von 1946
eine unüberwindbare Hürde für einen EU-Beitritt des Landes dar. Das Gesetz,
welches Vergeltungsakte für die Taten von Okkupanten und ihren Helfern für rechtens
erkläre, widerspreche dem Artikel 6 und den dort verankerten Kopenhagener Kriterien.
Indes will Ungarn jede Entscheidung der EU zur Bene-Frage respektieren. Es obliege
der Union zu entscheiden, ob die umstrittenen Bestimmungen ein Hindernis für den Beitritt
Tschechiens oder der Slowakei darstellen, sagte Laszlo Kovacs, Chef der Sozialistischen
Partei (MSZP) und möglicher neuer Außenminister. Die Slowakei respektiert die
tschechische Resolution zu den Bene-Dekreten. Man wolle die Aufregung jedenfalls
nicht steigern, sagte Außenminister Eduard Kukan.
Quelle: Wiener Zeitung vom 26.04.2002
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INTERVIEW:
VP-Klubobmann Andreas Khol erwartet trotz
Bene-Diskussion im kommenden Jahr keinen EU-feindlichen Wahlkampf
LINZ. In der politischen Diskussion liebt es der Tiroler
hart und direkt. VP-Klubchef Andreas Khol gilt nicht umsonst als der kantige
Kettenhund des Kanzlers. Im OÖN-Interview nahm er Stellung zu den
Bene-Dekreten, zur FP und zur politischen Kultur im Land. ...
OÖN: Antieuropäische Aussagen kamen auch wieder vom freiheitlichen Peter Westenthaler?
In Verbindung mit den Bene-Dekreten droht er Tschechien mit einem Beitritts-Veto.
Khol: Eine Verknüpfung Bene mit Veto ist nicht unsere Politik. Aber es ist klar,
daß die Frage der Bene-Dekrete vor der Ratifikation des tschechischen EU-Beitritts
geklärt werden muß. Wir haben schon eine Lösung vorgeschlagen: Tschechien soll die
Bene-Dekrete zu totem Unrecht erklären und eine Geste in Richtung eines
Restitutionsfonds setzen.
OÖN: Der Beschluß des tschechischen Parlaments, wonach die Bene-Dekrete
unantastbar und unveränderlich seien, erleichtert die Situation nicht gerade.
Khol: Den Beschluß des tschechischen Parlaments sollte man noch genau analysieren, denn
auch die Tschechen sind Meister der feinen Klinge, was die Formulierkunst betrifft. Fakt
ist: Von den 147 Bene-Dekreten stören uns jene zwei, die Vertreibung und Enteignung
betreffen. Wir wollen, daß diese heute keine Rechtswirksamkeit mehr entfalten. Ich gebe
für die innenpolitische Debatte zu bedenken, daß Tschechien vor Wahlen steht. Und vor
der Wahl redet man in Tschechien anders, als hoffentlich nach der Wahl. ...
(von Wolfgang Braun und Heinz Steinbock)
Quelle: Oberösterreichische Nachrichten vom 26.04.2002
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Tschechien: »Das ist unser Land, unsere
Datsche«
Einmütigkeit zu Bene-Dekreten im Parlament
Von Jaroslav Polivka, Prag
Unter tschechischen Politikern herrschte am Donnerstag spürbare Zufriedenheit.
Die einmütige Verabschiedung einer Parlamentsresolution zu den Bene-Dekreten am
Vortag beeindruckte besonders die Volksvertreter selbst.
Parteiübergreifend lobten sie, daß sie sich in einer für die Nation wichtigen Frage
geschlossen präsentiert hatten. Die Medien sahen es erwartungsgemäß kritischer. Zwar
sei es besser gewesen, sich zu dem heiklen Thema abzusprechen, als eine hitzige
öffentliche Debatte zu führen, meinte etwa die konservative »Lidove noviny«. Doch
zeige man solche außergewöhnliche Einigkeit nur gegen einen gemeinsamen Feind, der das
Land bedrohe. Den gebe es aber nicht mehr. »Mlada fronta DNES« sah den einzigen Vorteil
der Resolution darin, daß sie »die Ängstlichen beruhigt und wahrscheinlich niemandem
schadet«. In Europa habe, »außer ein paar Extremisten«, niemand die Absicht, die
Nachkriegsordnung zu verändern. So gesehen habe man sie auch nicht verteidigen müssen.
Die Resolution machte sogar den Bruch eines innenpolitischen Tabus möglich. Zum ersten
Mal seit dem Herbst 1989 wurde die Kommunistische Partei KPCM ausdrücklich in einen
parlamentarischen Konsens einbezogen. Und wie um zu zeigen, daß es in besonderen Fällen
besonderer Einsichten bedarf, schloß sich selbst Vaclav Havel der Resolution an. Er habe
»nicht die geringsten Vorbehalte gegen den Text«, ließ der Präsident wissen, der sich
1990 scharfe Kritik eingehandelt hatte, als er sich bei den Sudetendeutschen
entschuldigte. Die Initiatoren dieser denkwürdigen Zusammenkunft des tschechischen
Parlaments verweisen darauf, daß es ihnen insbesondere darum ging, den Bürgern ihres
Landes ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit zu verschaffen. Abgeordnete der
regierenden Sozialdemokraten und der bürgerlichen ODS hatten das demonstriert, indem sie
zur Abstimmung ein T-Shirt mit der Aufschrift »Das ist unser Land das ist unsere
Datsche« trugen.
Tatsächlich geht es der Mehrheit nicht darum, die Bene-Dekrete auf deren
Grundlage die deutsche und die ungarische Minderheit nach Kriegsende Eigentum und
Staatsbürgerschaft verloren bis auf den heutigen Tag zu verteidigen. Das damals zu
Grunde liegende Prinzip der Kollektivschuld ist längst nicht mehr Teil des tschechischen
Rechts. Weshalb die Resolution auch erklärt, daß die Dekrete zwar »unbestreitbar,
unantastbar und unveränderbar« seien, doch auf »ihrer
Grundlage keine neuen Rechtsbeziehungen entstehen« können. Das heißt, niemand wird
heute wegen seiner nationalen Zugehörigkeit enteignet oder vertrieben. Andererseits
sollen Tschechen nicht fürchten müssen, aus ihren Häusern und von ihren Grundstücken
verdrängt zu werden. Diese Furcht ist noch immer verbreitet, denn bislang haben die
Sudetendeutschen Landsmannschaften nicht ausdrücklich auf das einstige Eigentum
verzichtet. Die Resolution zu den Bene-Dekreten, hieß es gestern in Prag, sei somit
vor allem ein klares Signal an all jene, die immer noch von Rückgabe träumten.
Quelle: Neues Deutschland vom 26.04.2002
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Geröll auf dem Weg in die EU
Nach der Bekräftigung im Prager Parlament sind viele Fragen offen.
WIEN/PRAG. Der Donner ist gewaltig, aber er ist kalkuliert. Wenn das tschechische
Parlament sich über alle Fraktionen hinweg einig zeigt, an der Nachkriegsordnung
einschließlich des mit Recht umstrittenen Teils der sogenannten Bene-Dekrete
festzuhalten, dann ist dies in westlichen Augen ganz einfach ein unseliger Beschluß. Mit
diesen Dekreten, die nach dem Willen des damaligen Präsidenten Eduard Bene die
Vertreibung, Enteignung und Tötung von Deutschen, Österreichern und Ungarn
sanktionieren, ist eine Aufnahme in die Rechtsordnung der EU nicht möglich
jedenfalls nach Auffassung des Straßburger Parlaments.
Der Graben scheint unüberwindbar
Wenn eine Kulturnation wie die tschechische an einem Unrecht festhält, das zwar
erloschen, aber nicht von Anfang an ungültig ist, dann scheint der Graben
unüberwindbar. Noch schlimmer: Erstmals hat sich der Präsident, ein Mann von der
moralischen Instanz eines Vaclav Havel, ohne den kleinsten Einwand mit der
Parlamentsmeinung einverstanden erklärt.
Mehr historisches Geröll hätte man im Vorfeld der Beitrittsverhandlungen nicht abkippen
können. Das sehen die Tschechen, so weit sie überhaupt für ein geeintes Europa
eintreten und so weit sie über das historische Unrecht von 1938 hinauszuschauen
vermögen, diesmal anders. Die Gruppe der Unrechtsexperten, die sich inzwischen
zusammengefunden hat, prüft den Text und den Stil und stellt erleichtert fest, daß er
erstens kurz und zweitens einigermaßen sachlich ist. In der Tat, wer sich an den starken
Tobak erinnert, den der Premierminister Milo Zeman zum Abschied aus dem Amt zu
rauchen pflegte, muß die Mäßigung im Ton anerkennen. Zudem sorgt die Einstimmigkeit bei
nationalistischen Übertreibungen wenigstens für gleiche Wettbewerbschancen.
Wie nötig dies ist, zeigt sich an dem bürgerlichen Parteivorsitzenden Vaclav Klaus, der
noch selbigen Tages von der EU verlangt, sie solle die Gültigkeit der Bene-Dekrete
am Ende sogar garantieren. Man sollte es nicht für möglich halten, daß derselbe Mann
vor fünf Jahren zusammen mit Helmut Kohl die Unterschrift unter den deutsch-tschechischen
Vertrag gesetzt hat. Damals muß auch er die Einschätzung geteilt haben, daß mit
gegenseitiger Einsicht und mit der Verwaltung eines Kulturfonds die bösen Geister der
Vergangenheit auf Distanz zu halten sind.
Bei der Mehrzahl der tschechischen Parlamentarier hat die gemeinsame Resolution wohl den
Zweck, das unselige Thema bis zum Wahltag vom Feuer zu nehmen. Die Gefahr ist groß, daß
die Scheintoten des Populismus aus den erloschenen Bestimmungen auferstehen.
Wer die Achse Berlin-Wien-Budapest erfinden konnte, der wird auch das Gespenst
des Revanchismus jederzeit erwecken können. So leicht, wie es sich der zuständige
EU-Kommissar Günter Verheugen vorstellt, der die Bene-Dekrete einfach vom
Verhandlungstisch fernhalten will, wird es nicht gehen.
Es muß möglich sein, eine Rechtskonstruktion zu finden, die Eigentums- und
Persönlichkeitsrechte als Ausdruck europäischer Kultur wahrt, ohne neue Verweigerung auf
alte Brutalität zu setzen. Dann muß sich erweisen, ob der innenpolitische Kunstgriff der
Tschechen offen für vertragspolitische Phantasie ist. (NRZ)
25.04.2002 HANS-JOACHIM DECKERT
Quelle: Neue Ruhr-Zeitung vom 26.04.2002
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Chance für Vertriebene
Schoß Prag ein juristisches Eigentor?
WIEN/PRAG (NZ). So paradox es klingt: Die jüngste Resolution des
tschechischen Abgeordnetenhauses, in der die nach der Vertreibung der Sudetendeutschen
entstandenen Rechtsverhältnisse für unabänderlich erklärt werden, bietet den
Vertriebenen juristisch gesehen eine Chance, die von Prag freilich nicht beabsichtigt ist.
Tatsächlich könnte es für die Sudetendeutschen lohnend sein, Prag beim Wort zu nehmen
und eine tatsächliche Festschreibung bestehender Rechtsverhältnisse einzufordern. Eine
juristische Analyse zeigt nämlich, daß die Enteignung formal in den meisten Fällen gar
nicht stattgefunden hat. Den Enteigneten wurde seinerzeit nämlich meist kein
Konfiskationsbescheid zugestellt, in vielen Grundbüchern sind noch heute sudetendeutsche
Eigentümer auf Grundstücken eingetragen, die sich lediglich im Besitz tschechischer
Gemeinden befinden. Das bestätigte etwa kürzlich der Bürgermeister der Gemeinde Brodek:
Wenn heute jemand früher Sudetendeutschen gehörende, Grundstücke kaufen will,
können wir sie gar nicht verkaufen, weil sie zwar in unserem Besitz sind, aber im
Grundbuch noch die ursprünglichen deutschen Eigentümer eingetragen sind.
Genau an diesem Punkt hakt nun der Wiener Anwalt Johannes Eltz ein, der Sudetendeutsche in
Restitutionsangelegenheiten vertritt: Formal sei es überhaupt nicht zur Enteignung
gekommen, weil auch im tschechischen Verwaltungsrecht jeder Rechtsakt erst durch
Zustellung eines rechtskräftigen Bescheides gültig werde.
Wer heute auf Herausgabe seines Eigentums in Tschechien klagt, bekommt den
Enteignungsbescheid quasi nachgereicht. Das steht aber im Widerspruch zur jetzt in Prag
verabschiedeten Erklärung, weil dadurch jene neuen Rechtsverhältnisse
geschaffen werden, die nach dem Beschluß unzulässig sind.
Den Prager Abgeordneten scheint nicht bewußt gewesen zu sein, welche Rechtsverhältnisse
sie da gestern festgeschrieben haben: nämlich nicht den Zustand nach, sondern jenen vor
der Vertreibung der Sudetendeutschen. Deren Eigentum ist lediglich an neue Besitzer
übergegangen. Zum Besitzer wird allerdings auch jeder Dieb ohne daß jemand auf
die Idee kommen würde, ihn als Eigentümer der Beute zu betrachten.
Manfred Maurer
Quelle: Nürnberger Zeitung vom 26.04.2002
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Bene-Dekrete
Mythen und Realität
Prag, 26.4.2002, RADIO PRAG, deutsch / Markéta Maurová
Der Begriff Bene-Dekrete eroberte sich in der letzten Zeit eine
sozusagen Symbolbedeutung. Doch die Vorstellungen vieler, die darüber diskutieren, was er
genau bedeutet, sind manchmal vage.
Die Bene-Dekrete sind Rechtsnormen, die von der international anerkannten
Exilregierung und nach dem Kriegsende von der ersten tschechoslowakischen Regierung
vorbereitet, behandelt und verabschiedet und nach dem Krieg von Präsident Bene, dem
Regierungsvorsitzenden und den Ministern unterzeichnet wurden, die sie umsetzten. So
erklärt uns Doz. Jan Kuklík vom Institut für Rechtsgeschichte der Juristischen
Fakultät der Karlsuniversität in Prag diese Problematik. Er verweist auch auf
verschiedene Mythen, die in diesem Zusammenhang vorkommen: die Anzweifelung der
Legitimität der tschechoslowakischen Regierung, die Dämonisierung der Dekrete sowie des
Präsidenten Edvard Bene selbst, Worte über Unrecht und Genozide, Beurteilung der
Kriegs- und Nachkriegsereignisse nach den heutigen juristischen, aber auch politischen
oder moralischen Kriterien.
Andererseits soll eingeräumt werden, daß es neben diesen Mythen, die verschiedene
außenpolitische oder etwa auch Eigentumsziele haben können, auch Mythen einer
unkritischen Verteidigung der Präsidialdekrete gibt. Diese wollen nicht zulassen, daß es
1945-48 z.B. zu individuellen Fällen des Mißbrauchs kommen konnte, daß die Dekrete ein
Ergebnis großer politischer Kompromisse waren, daß sie mit der grundlegenden
Veränderung der tschechoslowakischen Gesellschaft nach 1945 verknüpft waren.
Die politischen und moralischen Urteile sollen nach Doz. Kuklík von der
historisch-rechtlichen Beurteilung getrennt werden, die sich mit der konkreten Anwendung
der Dekrete, deren Vergleich mit der Gesetzgebung anderer Staaten, der konkreten
Einsetzung der Dekrete in die Situation des Zweiten Weltkrieges und der Zeit danach
befassen sollen.
Eine bedeutende Frage stellt die eigentliche nicht ganz einfache Beziehung
zwischen den Dekreten und der Vertreibung der deutschen und ungarischen Bevölkerung dar.
Diese sei primär eine völkerrechtliche und international-politische Sache gewesen und
müsse vor allem im Kontext der Alliierten-Politik gesehen werden. Sie hänge aber auch
mit den Präsidialdekreten zusammen, die eine Voraussetzung für deren Durchführung
hinsichtlich des tschechoslowakischen Rechts darstellten.
Von entscheidender Bedeutung sind für mich jedoch nicht die Konfiszierungsdekrete.
Diese waren eher eine Folge und müssen im Rahmen der Alliierten-Politik gegenüber dem
Eigentum des Feindes gesehen werden. Das wichtigste Dekret ist das über die
Staatsbürgerschaft. Es geht von der Notwendigkeit aus, auf die Tatsache reagieren zu
müssen, daß ein Großteil der ursprünglichen Staatsbürger der Tschechoslowakischen
Republik bereits nach dem Münchner Abkommen und nach dem 15. März 1939 Staatsbürger des
feindlichen Staates geworden sind, mit dem die Tschechoslowakei den Krieg führte. Daraus
wurden nach dem Krieg Konsequenzen gezogen und die Personen wurden der
tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft zu dem Datum für verlustig erklärt, als sie die
deutsche Staatsbürgerschaft annahmen.
Gleichzeitig wurde eingeräumt, es wäre möglich gewesen, bestimmten Gruppen die
tschechoslowakische Staatsbürgerschaft weiterhin zu gewähren. Die Tatsache, daß diese
Möglichkeit nicht vollständig genutzt wurde, sowie die Frage, ob der tschechoslowakische
Staat gegenüber einzelnen Personen in allen Fällen rechtmäßig vorging, bietet Raum
für weitere Forschung der Geschichtswissenschaft. (fp)
Quelle: Radio Prag vom 26.04.2002 (Übersetzung: Deutsche Welle)
==============Radio Prag 2002-04-26===========================================================
Polnischer Premier plädiert in Prag für erneute
verstärkte Zusammenarbeit der Visegrader Staatengruppe in den EU-Beitrittsverhandlungen
IN Gesprächen mit führenden tschechischen Politikern hat
sich der polnische Premier Leszek Miller am Freitag in Prag für eine erneute verstärkte
Zusammenarbeit der sog. Visegrader Staatengruppe ausgesprochen. Polen habe ein ähnlich
starkes Interesse wie Tschechien, daß beide Länder gemeinsam mit Ungarn und der Slowakei
besonders bei den letzten Runden der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union
eine wirklich starke Vierergruppe bildeten, sagte der Vorsitzende des
tschechischen Senats, Petr Pithart nach dem Treffen mit Miller. Aufgrund von Äußerungen
des ungarischen Premiers Viktor Orban über die sog. Bene-Dekrete war die
Zusammenarbeit der vier Länder in letzter Zeit zum Erlahmen gekommen. Mit dem
Vorsitzenden des tschechischen Abgeordnetenhauses, Vaclav Klaus, verhandelte der polnische
Premier am Freitag vor allem über die Europäische Union und die ökonomische Situation
in Polen. Im Gespräch mit Präsident Vaclav Havel äußerte Miller, daß der Prager
NATO-Gipfel im Herbst historische Bedeutung haben werde.
============================================================================
Polnischer Premier spricht sich in Prag gegen Verknüpfung
von Bene-Dekreten und EU-Beitritt aus
Der polnische Ministerpräsident Leszek Miller hat sich am
Freitag in Prag dagegen ausgesprochen, die Verordnungen über die Enteignung und
Ausbürgerung der Sudetendeutschen und Ungarn während der EU- Beitrittsverhandlungen zu
thematisieren. Die Bene-Dekrete sind Teil der Vergangenheit, sagte
Miller nach einem Treffen mit seinem tschechischen Amtskollegen Milo Zeman.
================Mitteilungen von Walter Mogk:=======================================
UMFRAGE ZU Bene: Skepsis, daß Prag einlenkt
Wien. Skeptisch und pessimistisch sind die Österreicher, geht es um
die Frage, ob sich die Einstellung Prags zu den Bene-Dekreten nach den tschechischen
Wahlen im Juni ändern wird. 55 Prozent antworten mit einem klaren Nein, nur 18 Prozent
meinen, daß es mit einem neuen Kabinett eine neue Haltung geben werde. 59 Prozent glauben
nicht, daß es eine Entschuldigung geben wird, 73 Prozent meinen: es wird keine
Entschädigung für die Vertriebenen geben. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen
Umfrage der sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft. Was die Umfrage auch zeigt:
Junge Menschen und Akademiker sind optimistischer in diesen Fragen als die älteren
Österreicher.
Quelle: Kleine Zeitung vom 29.04.2002
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Bene-Dekrete sorgen auch in der Slowakei für
Zündstoff
Ex-Vizepremier Hamzik will sich der umstrittenen Erklärung
des tschechischen Parlaments anschließen.
Von unserem Korrespondenten CHRISTOPH THANEI
PRESSBURG. Noch ist in Deutschland und Österreich der Wirbel um die Erklärung der
tschechischen Parlamentsparteien zu den sogenannten Bene-Dekreten nicht
verstummt, da droht auch die Slowakei in den Strudel der emotionsgeladenen Diskussion zu
geraten: Ex-Vizepremier Pavol Hamzik, der Parteichef der kleinen
Koalitionspartei Partei der bürgerlichen Verständigung (SOP), forderte laut
Tageszeitung Sme, auch die Slowakei solle sich der tschechischen Erklärung
anschließen. Dieser Erklärung zufolge sind die in den Jahren 1940 bis 1945 vom
tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Bene erlassenen Dekrete ein unantastbarer
Bestandteil der Nachkriegsordnung. Einige der Dekrete waren Grundlage für die Vertreibung
der deutschen und ungarischen Minderheit aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten
Weltkrieg.
Weil aber die anderen Regierungsparteien Hamziks Initiative großteils ablehnen, will
dieser eine Einigung mit der Opposition anstreben. Hamziks linksliberale
SOP ist die kleinste slowakische Regierungspartei.
Das Preßburger Parlament hatte sich kurz nach der Wende 1991 in einer offiziellen
Erklärung für die Vertreibung der deutschen Minderheit entschuldigt und jede Annahme
einer Kollektivschuld verurteilt. In der Entschuldigung wurden die Bene-Dekrete
jedoch nicht ausdrücklich genannt.
Die offizielle slowakische Position deckt sich mit der der Tschechischen Republik, wonach
die Bene-Dekrete erloschen seien, aber nicht formell aufgehoben werden
können.
Skepsis in Österreich
WIEN (apa). Indessen zeigt eine neue Studie, daß die Österreicher mehrheitlich nicht
glauben, mit einem Regierungswechsel in Tschechien nach den Wahlen im Juni könnte sich
auch die Einstellung Prags zu den Bene-Dekreten ändern. Die Umfrage wurde von der
Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft im Auftrag der Gesellschaft für
Europapolitik durchgeführt. Demnach glauben nur 25 Prozent der Befragten an eine
Entschuldigung durch eine neue tschechische Regierung für die Vertreibung der
Sudetendeutschen, 59 Prozent glauben aber nicht daran.
Quelle: Die Presse vom 29.04.2002
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Ferrero-Waldner von Tschechien enttäuscht
WIEN Das Thema Bene-Dekrete müsse noch
vor einem EU-Beitritt Tschechiens fertig verhandelt sein, stellten Außenministerin Benita
Ferrero-Waldner und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer unabhängig voneinander am
Wochenende fest. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl setzte sich in Budweis für
einen Versöhnungsakt ein. Vor dem Landesparteitag der oö. FPÖ in Bad
Ischl sagte Riess-Passer, daß die Frage der Bene-Dekrete vor einem EU-Beitritt
Tschechiens gelöst werden müsse. Menschenrechte sind keine Frage, wo man ein Auge
zudrücken kann, formulierte die FPÖ-Chefin. Ferreror-Waldner wiederum
zeigte sich in der ORF-Sendung Im Journal zu Gast über den jüngsten
Beschluß des tschechischen Parlaments enttäuscht und bedauerte das ausdrückliche
Festhalten Tschechiens an den Bene-Dekreten und an den Beschlüssen, die nach dem
Zweiten Weltkrieg zur Vertreibung von Deutschen und Ungarn aus den Gebieten des heutigen
Tschechien und der Slowakei geführt hätten. Das Thema müsse noch vor dem EU-Beitritt
fertig verhandelt sein. Eine besondere Enttäuschung war für sie, daß das tschechische
Parlament nicht auf das Amnestiegesetz von 1946 über die Straffreiheit von Taten im Zuge
der Vertreibung eingegangen sei. Dies werde ein Problem für die Europäische Kommission
sein. Dieses liege schon lange auf dem Tisch und werde neu ausverhandelt werden müssen,
so Ferrero-Waldner. Über die Möglichkeit einer Art Versöhnungserklärung nach
dem Vorbild Deutschlands und Tschechiens befragt, sagte Ferrero-Waldner, die Situation in
Österreich und Deutschland sei nicht dieselbe. Denn Österreich sei nicht
Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches. Sie könne sich aber auch eine Erklärung des
österreichischen Parlaments vorstellen, in der festgehalten werde, daß die Vertreibungen
eine Folge des Zweiten Weltkrieges und der Naziherrschaft gewesen seien. Leitl:
Beide müssen aufeinander zukommen! Für einen Versöhnungsakt sprach sich
WK-Präsident Leitl am Wochenende vor dem Internationalen Kongreß Zukunftsregion
Südböhmen-Mitteleuropa an der südböhmischen Universität in Budweis aus.
Das neue Europa brauche eine neue Verantwortungs- und Gesinnungsethik. Dabei gelte es
nicht, der Diskussion über die Vergangenheit auszuweichen, sondern sie im versöhnlichen
Geist zu führen. Beide Seiten, so Leitl, müssen aufeinander zukommen, aus der
bitteren Geschichte lernen, um es in Zukunft besser zu machen, um neue Brücken im
europäischen Geist aufzubauen. Er schlage deshalb dem deutsch-tschechischen
Beipiel folgend vor, in einer gemeinsamen Erklärung Österreichs und Tschechiens den
Versöhnungsgedanken in den Vordergrund zu stellen, damit die vielen Opfer, die
insbesondere auch die Vertriebenen bringen mußten, nicht umsonst sind. Nur im Geist
von Frieden und Verständigung, so Leitl, sei eine gemeinsame Zukunft bewältigbar.
Quelle: Neues Volksblatt vom 29.04.2002
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Bene-Dekrete: Zeman will Frage von EU-Gremien
fernhalten
Veto-Drohung Erpressung
Prag Tschechiens Ministerpräsident Milos Zeman und der konservative Vorsitzende
des Prager Abgeordnetenhauses Vaclav Klaus haben in einer Debatte im tschechischen
Fern-sehen prinzipielle Einigkeit zu den Bene-Dekreten demonstriert. Differenzen
bestehen lediglich in der Frage, wie die bestehenden Eigentumsverhältnisse im Hinblick
auf den EU-Beitritt Tschechiens am effektivsten abzusichern seien.
Befragt nach den von ihm seit längerem geforderte Garantien der EU für die
Unantastbarkeit der Bene-Dekrete meinte ODS-Chef Klaus, er sehe hier eine
ganze Menge von Varianten. Eine bloße öffentliche Erklärung von
EU-Kommissar Günter Verheugen halte er aber nicht für ausreichend. Er könne sich jedoch
vorstellen, daß die EU-Kommission oder das Europaparlament hier ein Urteil abgeben
könnten.
Ministerpräsident Zeman konnte sich dieser Meinung nicht anschließen: Eine solche
Garantie der EU sei nicht zielführend, da dies ein Geschenk für die
Sudetendeutschen und ihre Organisationen darstelle. Gerade sie (die
Sudetendeutschen, Anm.) wünschen sich, daß dies auf dem Boden des Europäischen
Parlaments diskutiert wird, so Zeman. Völlig ausreichend sei für ihn der Artikel
295 des europäischen Vertrages, der allen EU-Mitgliedsstaaten die Aufrechterhaltung ihrer
Eigentums- und Besitzverhältnisse garantiere. Zu den Veto-Drohungen in Sachen EU-Beitritt
Tschechiens sagte der Prager Premier, die Beitrittsverträge würden in den nationalen
Parlamenten der bestehenden EU-Staaten als Paket verabschiedet werden. Es ist nicht
möglich, ein Land aus diesem Paket herauszunehmen. Diese Drohung sei daher völlig
unwirksam, es handle sich um eine Erpressung, betonte Zeman, der in der
Fernsehdebatte vom Sonntag die deutschen Christdemokraten und österreichische Volkspartei
als Bestandteil der klerikalen schwarzen Internationale bezeichnete.
Quelle: Wiener Zeitung vom 30.04.2002
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Tschechien: Altösterreicher verlangen Entschädigung
- PRAG Die Einrichtung eines freiwilligen tschechischen
Entschädigungsfonds für Sudetendeutsche, wie ihn die Bundesregierung angeregt hat, wird
nach den Parlamentswahlen in Prag sicher ein Thema: Die altösterreichische Minderheit
arbeitet schon an einem entsprechenden Forderungskatalog.
Von Manfred Maurer
Die deutschsprachige Minderheit in Tschechien tritt momentan etwas leiser. Es
gibt keinen lauten Ruf nach Aufhebung der Bene-Dekrete nicht, weil man sich
damit abgefunden hätte, sondern wegen Aussichtslosigkeit. Wenn der politische Wille
nicht da ist, können wir nicht mit dem Kopf durch die Wand gehen, begründet Irene
Kunz die Zurückhaltung. Kunz ist Präsidentin der Landesversammlung der Deutschen in
Böhmen, Mähren und Schlesien. Kommission erarbeitetListe von Forderungen
Nach den Parlamentswahlen im Juni wollen sich die Altösterreicher aber wieder deutlicher
zu Wort melden. Zwar soll auch dann nicht die Aufhebung der Dekrete im Vordergrund stehen,
vielmehr wird es um die Folgen dieser Unrechtsgesetze gehen. Die Landesversammlung habe,
so Kunz zum VOLKSBLATT, bereits eine Kommission gebildet, die eine Petition mit konkreten
Entschädigungsforderungen an das neue Parlament formulieren soll. Kunz sieht in den
Bene-Dekreten für die junge Generation keine diskriminierende Wirkung
mehr, sehr wohl aber für die Nachkriegsgeneration: Die Entschädigung ist etwas,
was unsere Leute sehr betrifft, weil sie durch diese Nachkriegsgesetze benachteiligt
wurden. Von den mehr als drei Millionen Sudetendeutschen waren die meisten
nach dem Krieg vertrieben worden, nur ein kleiner Rest durfte bleiben. Aber auch diese
Menschen fielen unter die Strafbestimmungen, die Präsident Edvard Bene erlassen
hatte: Ihr Vermögen wurde konfisziert, viele, auch Kinder, landeten in Arbeitslagern oder
wurden mit Berufsverboten belegt. Wer davon verschont blieb, mußte jahrelang 20 Prozent
seines Einkommens in einen Reparationsfonds abführen. Drei Euro Lohn
proMonat Zwangsarbeit Die Altösterreicher unternehmen bereits den zweiten Anlauf,
um dieses Unrecht zumindest teilweise wieder gutzumachen. Im vergangenen November waren
sie mit einer ersten derartigen Petition im Parlament abgeblitzt. Darin hatte die
Landesversammlung unter anderem für jeden Monat Zwangsarbeit beziehungsweise
Internierungslager 100 Kronen (knapp drei ¢) plus einen Pensionszuschlag von 15 Kronen
gefordert. Für Bildungs- und Berufsverbote sowie die Aberkennung akademischer Grade wurde
eine Pauschalsumme von 10.000 Kronen verlangt. Diese Forderungen werden nun nach den
Wahlen im Juni in ähnlicher Form wieder auf den Tisch kommen.
Quelle: Neues Volksblatt vom 30.04.2002
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Slowenien und Österreich: Nachbarschaft mit Nöten
Ivo Vajgl, Botschafter von Slowenien, wird Anfang Mai nach Berlin
gehen. Im SN-Gespräch zieht er eine Bilanz über seine Amtszeit in Österreich.
HEDWIG KAINBERGER
INTERVIEW
...
Vajgl: Nach diesen Sternstunden in unserer Beziehung kamen die Fragen auf die
Tagesordnung. Da haben wir festgestellt, daß es hinter jeder dieser Fragen eine große
Last an Emotionen, an völkerrechtlich nicht definiertem Hintergrund gab.
SN: Welche Fragen sind das?
Vajgl:
Fragen über die Folgen des Zweiten Weltkrieges, Fragen der enteigneten österreichischen
Staatsbürger oder Altösterreicher, Fragen über Vertreibung der deutschsprachigen
Minderheit aus Jugoslawien und Slowenien. Und dann waren da Fragen der slowenischen
Minderheit in Kärnten und der Steiermark. Dann gab es die Frage über Entschädigung für
heute in Slowenien lebende einstige Zwangsarbeiter. Dann kamen neue Fragen hinzu, zum
Beispiel jene nach dem Kernkraftwerk Krsko.
SN: Zu den Avnoj-Beschlüssen: Welcher Weg zeichnet sich da ab?
Vajgl:
Die Avnoj-Beschlüsse waren Bestandteil einer Gesetzgebung für den Staat Jugoslawien, der
damals, als die Beschlüsse gemacht wurden, noch nicht existiert hat. Avnoj hatte sein
Spiegelbild in dem, was davor geschehen war. Avnoj war durch den Nazi-Angriff auf das
damalige Jugoslawien damit auf Slowenien bedingt. Es gab einen Schlag und
einen Gegenschlag. Dies geschah in einem Kontext, der nach heutigen Maßstäben für
Völkerrecht und Menschenrechte ein vormodernes Geschehen war. Das war eine Zeit, wo es
noch primitive Eroberungskriege gab. Mit dieser Art von Kriegsführung hat
Nazi-Deutschland angefangen.
Man kann sich aus der Geschichte nicht nur bestimmte Themen auswählen. Das ist kein
Menü. Das ist ein Gesamtbild und eine Gesamtverantwortung. Zudem ist es eine
Verantwortung von allen, nach vorne zu blicken und sich nicht allzu sehr mit der
Vergangenheit zu belasten.
...
© SN.
Quelle: Salzburger Nachrichten vom 30.04.2002
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DATEN & FAKTEN
Avnoj-Beschlüsse.
Auf Grundlage dieser Beschlüsse des Antifaschistischen Rates der
Volksbefreiung Jugoslawiens (AVNOJ) wurden rund 30.000 deutschsprachige Slowenen
enteignet und vertrieben. Sie wurden 1944 als Vergeltung auf Taten der Nazideutschen
Besatzer erlassen.
Kulturabkommen.
Mit dem österreichischslowenischen Abkommen verpflichten sich beide Staaten,
Unterstützung für die jeweils andere ethnische Minderheit im eigenen Land zuzulassen,
sei es durch Förderung von Kultur, Wissenschaft oder Bildung. Die slowenische Minderheit
ist in Österreich längst anerkannt und durch den Staatsvertrag geschützt. Für
Slowenien ist die Anerkennung der deutschsprachigen Minderheit hingegen ein Novum. Das
Abkommen trat Mitte Februar in Kraft, nachdem es beide Parlamente ratifiziert hatten.
Anläßlich der Unterzeichnung des Abkommens im April 2001 hatte Außenministerin Benita
Ferrero-Waldner dieses als historischen Meilenstein in den
österreichischslowenischen Beziehungen bezeichnet.
Historikerkommission.
Bis Ende 2003 sollen 17 österreichische und zwölf slowenische Wissenschafter
die gemeinsame Geschichte des 20. Jahrhunderts beleuchten. Das Ergebnis der von den beiden
Außenministern Benita Ferrero-Waldner und Dimitrij Rupel unterstützten Arbeit soll in
einem Abschlußdokument festgehalten werden.
Ivo Vajgl.
Sloweniens Botschafter hat sich während seiner Amtszeit mit mutigen und für
österreichische Zuhörer oft provokanten Äußerungen profiliert. So erklärte der
gebürtige Marburger etwa zum Thema EU-Erweiterung: Österreich hat sich oft quer
gelegt und die Verhandlungen für Slowenien nachteilig beeinflußt. Anläßlich des
Ortstafelstreits zeigte er sich über die Äußerungen des Kärntner Landeshauptmanns
bestürzt und daher um die gutnachbarlichen Beziehungen besorgt.
Vajgl wählte nicht nur klassische diplomatischen Methoden, um die, wie er einmal sagte,
zur Nachbarschaft Verurteilten einander näher zu bringen. Im SN-Interview
bekräftigte er: Ich war bemüht, mit einem positiven Zugang die gemeinsame
Geschichte darzustellen und das gemeinsame Kulturerbe zu beleben. Nicht zufällig sprechen
wir so oft über 37 Rektoren und Dekane der Wiener Universität, die Slowenen waren.
Jahrhundertelang kamen alle slowenischen Intellektuellen nach Wien. Manche sind
zurückgekehrt, manche blieben. Sie finden diese in allen Institutionen als Österreicher
mit slowenischen Namen.
© SN.
Quelle: Salzburger Nachrichten vom 30.04.2002
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wird fortgeführt!! Mai 2002