weitere Stimmen zum Tschechisch-Deutschen Zwist im Februar 2002:

 

Sehr geehrter Herr Lindenthal !

Wir standen zu Zeiten des Forums der SL schon in Verbindung. Noch habe ich nicht aufbereitet, was ich vorhatte. Langsam aber gedeiht das Vorhaben, das auch an geübte Mundartsprecher gekoppelt ist. Im EDV-Sektor bin ich Autodidakt ohne Hilfe

Aktueller Anlaß:

Radio Prag am 10.02.2002

"Zemans Vorschlag zur Entschädigung antifaschistischer Sudetendeutscher stößt bei Landsmannschaft auf Kritik"

Der Originaltext ist nachlesbar im Archiv von Radio Prag.

Meine Meinung läuft dem Zeitgeist vermutlich in die Quere, darum aber brauche ich mich nicht mehr zu kümmern. Es tut vielleicht not, daß Endsechsziger, also die letzten aus der Generation der Zeitzeugen, den Mund auftun.

Milos Zemans Vorhaben ist nicht ernst zu nehmen. Läge eine Gerechtigkeit herstellende Minimallösung im Interesse der Prager Regierung, hätte diese bereits bezüglich der zertifizierten sudetendeutschen Antifaschisten auf dem Territorium der Tschechischen Republik vollzogen werden können. Mit gleichem Pomp, wie am 28.Oktober 2001 von mir staunend im TV-C1 der Staatsakt gesehen wurde.

Rudolf Dreithaler hat gekämpft und einen Teilsieg errungen.

Und die anderen ? Sie sind bis heute diskriminiert, weil des angestammten Besitzes der Vorfahren beraubt.

Ich erinnere mich an die Zeit nach Einmarsch der Roten Armee, als reaktivierte sudetendeutsche Kommunisten für ihre nichtkommunistischen Mitbürger Bescheinigungen ausgaben, die bestätigten, daß diese Antifaschisten waren.

Das Papier, das meinen Großeltern ausgestellt worden war,

besitze ich noch.

Es sollte ein Schutzbrief sein, der vielleicht im Mittelalter wirksam gewesen wäre, nicht aber in dieser Endphase eines gigantischen Abenteuers in Agonie.

An anderer Stelle sagte Milos Zeman, die Sudetendeut-schen können dankbar sein, daß sie nicht als Vaterlands-verräter allesamt liquidiert worden sind.

Das erhebt Milos Zeman in den Rang eines gedanklich mit einem möglichen Massenmord von einmaliger Jahrhundertqualität wenigstens für einen demagogisch-realsozialistischen Augenblick beschäftigt gewesen zu sein.

Entschädigung für eine restriktive Auswahl Sudetendeutscher ? Dagebliebener oder nur Vertriebener ?

Da wäre unisono ein "Nein Danke" angebracht.

Wir wollen das Unrecht der Diskriminierung von der Wurzel her aufgehoben wissen.

Das meine ich nicht nur spontan an dem Tag, an dem ich die Nachrichten von Radio Prag las (es gibt den e-mail-Dienst).

Werfen Sie diese Anmerkungen weg oder stellen Sie diese, falls sie nicht ausfallend ausgeartet sind, dorthin, wohin sie gehören: in's Forum.

MfG  KH private Zuschrift 2002-02-10

 

###### PRESSEMELDUNGEN VOM 19.-21.02.2002 ###### mitgeteilt von Walter Mogk

+++ DEBATTE UM VERTREIBUNG UND BENESCH-DEKRETE +++

Äußerungen Zemans
Martin Gerner im Gespräch mit Jiri Grusa, tschechischer Botschafter in Wien
Deutschlandfunk-Interview am Morgen, 20. Februar 2002
- Die Zeit 08-2002
http://www.zeit.de/2002/08/Politik/200208_dlfinterview_2002.html

Deutsche und Tschechen 
Wer in den Fesseln hängen bleibt 
Von Hermann Rudolph 
- Der Tagesspiegel, 21.02.2002
http://195.170.124.152/archiv/2002/02/20/ak-mn-669929.html

Fischer redet in Tschechien Klartext
"Die Vertreibung war eine Kollektivstrafe". Streit mit Zeman beigelegt.
Schröder-Besuch wahrscheinlich
Von Hans-Jörg Schmidt
- Die Welt, 21.02.2002
http://www.welt.de/daten/2002/02/21/0221eu315709.htx

Tschechischer Außenminister hält Probleme für weitgehend geklärt
- dpa, 20.02.2002
http://portale.web.de/Schlagzeilen/News/?msg_id=934641

Fischer räumt in Prag Irritationen aus
- dpa, 20.02.2002
http://portale.web.de/Schlagzeilen/News/?msg_id=943283

Die Wogen sind geglättet
Verstimmungen im deutsch-tschechischen Verhältnis bereinigt
Von unserem Korrespondenten Wolfgang Holz
- Weserkurier, 21.02.2002
http://www.weser-kurier.de/politik/fs_wk_politik.html?id=280908

Prager Beschwichtigungen gegenüber Berlin
Aussenminister Fischer zu Besuch in Tschechien
- Neue Zürcher Zeitung, 21.02.2002
http://www.nzz.ch/2002/02/21/al/page-article7ZFCP.html

Der Polterer aus Prag brüskiert Sudetendeutsche 
Milos Zeman verteidigt wieder einmal die Vertreibung. Das macht den Besuch von
Außenminister Fischer nicht einfacher
Von Hans-Jörg Schmidt
- Die Welt, 20.02.2002
http://www.welt.de/daten/2002/02/20/0220eu315471.htx

Vertriebene empört über "politischen Amoklauf"
CDU/CSU-FRaktion und Vertriebenenverbände fordern von Fischer Klärung der
verbalen Attacken Zemans
- Die Welt, 20.02.2002
http://www.welt.de/daten/2002/02/20/0220eu315472.htx

Kommentar von Werner Pirker
Geschichtsfälscher
Milos Zeman stellt Vergleiche an
- Junge Welt, 20.02.2002
http://www.jungewelt.de/2002/02-20/003.php

Der politische Amoklauf des Ministerpräsidenten der Republik Tschechien, Milos
Zeman, nimmt kein Ende
- BdV-Pressemitteilung, 19.02.2002
http://www.bund-der-vertriebenen.de

Grass hängt Harry Potter ab
Von Jörg Köpke, LN
Lübeck (LN) - Das neue Buch von Günter Grass bricht alle Rekorde. In wenigen
Tagen hat es sich 250 000-mal verkauft - und damit den Dauerbrenner Harry Potter
von der Spitze der Verkaufslisten verdrängt.
- Lübecker Nachrichten, 21.02.2002
http://www.ln-online.de/Nachrichten/Lokales/luebeck__702526.htm

Positionen 
Für Hitler gestimmt, für Prag gekämpft 
Viele Sudetendeutsche tragen Mitschuld am Ende der Tschechoslowakei - ohne
Hochverräter zu sein 
Robert Luft 
Waren die Sudetendeutschen die "fünfte Kolonne Hitlers", wie der tschechische
Premier Zeman kürzlich behauptete?
- Der Tagesspiegel, 21.02.2002
http://195.170.124.152/archiv/2002/02/20/ak-mn-669347.html

 

Radio Prag 2002-02-20:

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Bundesaußenminister Fischer in Prag zu Besuch
Trotz jüngster Kontroversen über Äußerungen des tschechischen Premiers Miloš Zeman wollen Deutschland und Tschechien ihre Beziehungen auf eine künftige Partnerschaft in der Europäischen Union ausrichten. Das sagte Bundesaußenminister Joschka Fischer am Mittwoch in Prag. Er habe mit Zeman „ausführlich und sehr offen“ über die Irritationen gesprochen, sagte Fischer. Beide Politiker betonten, daß die deutsch-tschechische Erklärung von 1997 die Basis für das bilaterale Verhältnis bleibe.
Zeman sprach sich für eine humanitäre Geste an Sudetendeutsche aus, die als Anti-Faschisten im „Protektorat Böhmen und Mähren“ gelitten haben und trotzdem von der Prager Nachkriegsregierung vertrieben wurden. Deutschland und Tschechien sollten sich auf die Zukunft konzentrieren, statt ständig Wunden der Vergangenheit aufzureißen, sagte Zeman.
Mit dem tschechischen Präsidenten Vaclav Havel diskutierte Fischer über eine Reform der NATO. In Prag findet im November der nächste Gipfel der Allianz statt. Am Rande des Besuchs hieß es, die für März geplante Prag-Reise von Bundeskanzler Gerhard Schröder habe „gute Aussichten“. Die Visite war nach den jüngsten Irritationen durch die Zeman-Worte in Frage gestellt worden.

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EU-Kommissar Verheugen hält Kritik an Zeman für überzogen
Der EU-Kommissar für die Ost-Erweiterung, Günter Verheugen, hat heute mitgeteilt, daß er mit der Klarstellung von Zemans Aussagen, die Zeman von der israelischen Zeitung „Haaretz“ zugesprochen wurden, zufrieden sei.
Verheugen meint, daß die Klarstellung wünschenswert war, da von den neuen EU-Mitgliedstaaten nicht nur die Teilung der gemeinsamen EU-Politik erwartet wird, sondern auch die der gemeinsamen Werte, die keinesfalls Aufforderungen zu jeder Art von Vertreibung zulassen, sagte heute in Verheugens Namen sein Sprecher Jean-Christoph Filori für die Nachrichtenagentur CTK. Nach Angaben der israelischen Zeitung „Haaretz“ hatte Zeman den Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat indirekt mit Adolf Hitler verglichen. Zeman hatte dann dieses sowie ein weiteres Zitat als Mißverständnis bezeichnet und bekannte sich eindeutig zu einer ausgeglichenen Politik bezüglich des Nahostkonfliktes, um die sich die Europäische Union bemüht.

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Ungarns Premier Orban für die Aufhebung der Benes-Dekrete
Für die Aufhebung der Beneš-Dekrete, die in der Tschechischen Republik und in der Slowakei gelten, sprach sich heute in Brüssel der ungarische Premier Viktor Orban aus. Das europäische Recht wird sich auf alle heutigen Kandidatenländer beziehen, und die Beneš-Dekrete seien mit dem europäischen Recht nicht im Einklang, sagte Orban im außenpolitischen Ausschuß des Europäischen Parlaments. „Es ist für mich nur schwer vorstellbar, daß der EU ein Land beitreten könnte, das diese besonderen Gesetze beibehält, die strikt im Widerspruch mit der EU-Legislative sind“, sagte Premier Orban in Antwort auf eine Frage des CDU-Abgeordneten Jürgen Schröder.
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Die tschechische Lösung
Von Karl-Peter Schwarz
Der tschechische Ministerpräsident pflegt ein widersprüchliches Verhältnis zu
seinen eigenen Aussagen. Er sagt, was er meint, will dann aber entweder nicht
gesagt oder nicht gemeint haben, was er gemeint oder gesagt hat. Gerade vier
Wochen sind es her, daß er mit seinem Pauschalurteil über die Sudetendeutschen
als "fünfter Kolonne" Hitlers, denen die Vertreibung eine härtere Strafe erspart
habe, zuerst die österreichische Regierung, dann die deutsche Opposition und
schließlich sogar noch die besonders harmoniebedürftige Regierung in Berlin
gegen sich aufgebracht hat. Kaum hatte er SPD und Grüne durch eine eigenwillige
Umdeutung seiner eigenen Aussagen wieder einigermaßen beruhigt, zog er jedoch
neuerlich vom Leder.

Am Montag brachte die angesehene israelische Tageszeitung "Haaretz" ein
Interview mit ihm, das es in sich hatte. Zeman hat darin - das Blatt bleibt bei
seiner Darstellung - Arafat mit Hitler verglichen, was nicht nur ein unsinniger
Affront ist, sondern, nicht anders als Zemans frühere Gleichsetzung Haiders mit
Hitler, auch eine Verharmlosung des Nationalsozialismus darstellt; der
tschechische Regierungschef forderte Israel auf, nicht mit den Palästinensern zu
verhandeln, ungeachtet der Bemühungen der EU, den Dialog im Nahen Osten wieder
in Gang zu setzen; er schlug schließlich den Israelis vor, den
Palästina-Konflikt nötigenfalls nach tschechischer Art zu lösen: durch die
Deportation der Palästinenser.

Zeman hat dieses Interview dementiert, aber erst nachdem die Außenminister der
EU seine Aussagen verurteilt und eine Erklärung der tschechischen Regierung
gefordert hatten und nachdem seine Vergleiche ein diplomatisches Erdbeben
ausgelöst hatten, das die tschechischen Medien als die größte außenpolitische
Krise des Landes seit 1989 bezeichnen. Hölzern und widersprüchlich nimmt sich
Zemans Dementi aus, das er auch der EU schickte. Der fließend englisch
sprechende Ministerpräsident will plötzlich nicht mehr die Bedeutung des Verbums
"to expel" ("vertreiben") gekannt haben, er fühlt sich mißverstanden, seine
Äußerungen seien von den israelischen Medien entstellt worden, niemals habe er
Arafat mit Hitler verglichen. Indes liegt der Beweis des Gegenteils vor. Im
tschechischen Programm der BBC war die Tonbandaufzeichnung eines
Zeman-Interviews mit dem israelischen Fernsehen zu hören, in dem er diesen
Vergleich ebenfalls zieht.

Die Vertreibung von rund drei Millionen Deutschen hatte Zeman vor einem Monat
noch als Strafe für "Landesverrat" hingestellt. Aber welchen "Landesverrat"
sollten die Palästinenser begangen haben, deren Vertreibung er den Israelis
nahegelegt hat? Oder ging es auch im Falle der Sudetendeutschen in Wahrheit gar
nicht um Bestrafung? Die Vertreiber behaupteten zwar, ein "historisches Urteil"
zu exekutieren. Doch nicht die Ahndung eines vermeintlich kollektiv begangenen
Verbrechens war ihr Hauptmotiv, sondern der Wunsch, die Gunst der Stunde nach
dem Krieg zu nutzen, um die "deutsche Frage" in Böhmen und Mähren durch die
"ethnische Reinigung" des tschechoslowakischen Nationalstaates ein für allemal
zu lösen.

An Zemans Äußerungen wird klar, daß die Haltung, die die politische
Führungsschicht eines Landes zu Vertreibungen in der Vergangenheit einnimmt,
keineswegs ohne Belang für Gegenwart und Zukunft ist. Der Kern des Problems
liegt darin, daß der Ministerpräsident eines Landes, das der Nato bereits
angehört und sich der EU anschließen möchte, nun unter dem dringenden Verdacht
steht, die Deportation von ganzen Bevölkerungsgruppen für ein legitimes Mittel
der Lösung nationaler Konflikte zu halten. Milosevic muß sich in Den Haag auch
deshalb vor Gericht verantworten, weil er dieses Mittel angewandt hat. Bisher
hatte man sich in Prag bemüht, defensiv zu argumentieren und den
"Bevölkerungstransfer" nach 1945 in ein einfaches Ursache-Wirkungs-Schema
einzuordnen: Zuerst habe es die Greueltaten der nationalsozialistischen Besatzer
gegeben, dann - als "logische" Konsequenz und angeblich im Auftrag der Potsdamer
Konferenz - die Ausweisung der Deutschen. Auf den Gedanken, die Vertreibung
anderen Ländern als Vorbild anzudienen, war nach 1989 aber noch kein
tschechischer Politiker gekommen.

Zeman will nach den Wahlen im Juni aus der Politik ausscheiden. In Prag neigt
man dazu, sein Verhalten psychologisch zu erklären, man sagt, er handle nach dem
Grundsatz "Nach mir die Sintflut". Diese und andere Mutmaßungen über ihn mögen
zutreffen oder nicht. Falsch ist jedenfalls die Annahme, mit Zemans Abschied
wäre man alle Probleme im deutsch-tschechischen Verhältnis los. Auch der
tschechische Außenminister Kavan lehnte es vor kurzem ausdrücklich ab, die
Benes-Dekrete Unrecht zu nennen. Wenn aber kollektive Entrechtung, Enteignung
und Deportation nicht grundsätzlich und unter allen Umständen Unrecht sind, dann
besteht stets die Möglichkeit, daß sie auch künftig unter bestimmten Umständen
wieder für "legal und legitim" (so einst das tschechische Verfassungsgericht)
angesehen werden, in Israel oder anderswo.

In den Beitrittsverhandlungen mit der EU haben die Benes-Dekrete bisher keine
Rolle gespielt. Den Rechtsbestand der EU betreffen sie unmittelbar "nur"
insoweit, als die auf den Dekreten ruhende tschechische Restitutionsgesetzgebung
die deutsche Minderheit in der Tschechischen Republik diskriminiert. Das
Bekenntnis zur Vertreibung als einem Mittel der Konfliktlösung, ausgesprochen
vom Ministerpräsidenten eines Beitrittskandidaten, zwingt allerdings zu einem
Umdenken, denn es widerspricht dem ethischen Fundament, auf dem die Europäische
Union errichtet wurde. Die EU müßte verlangen, daß sich Prag zu dieser Frage
unmißverständlich äußert. Doch in Brüssel und auch in Berlin will man keine
weiteren Komplikationen; deswegen will man dort auch gar nicht so genau wissen,
was Zeman gesagt und gemeint hat.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.02.2002, Nr. 44 / Seite 1

http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp?tpl=faz/content.asp&rub={B0
2AFBB3-E1E0-4556-B06E-092A3599848A}&doc={27AD9BF6-D056-429A-87AA-88A23C0FF9E4}

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Rüde Rumpelei

Ausfälle gegenüber Sudetendeutschen und Palästinensern - der tschechische
Ministerpräsident Zeman hätte sich keine besseren Themen suchen können, um in
Brüssel und Berlin anzuecken

Von Ulrich Glauber

Der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman genießt bei seinen rüden
Ausfällen gegen politische Gegner und Kritiker in der heimischen Szene eine
gewisse Narrenfreiheit. Mit seinen in Richtung österreichische "Freiheitliche"
gebellten Attacken auf vertriebene Sudetendeutsche hat der Prager Premier sich
allerdings auch international in ein schlechtes Licht gerückt. Und da läuft das
Maulheldenspielchen nicht so locker wie in Schwejkanien.

Jetzt hat Zeman bei einem Besuch in Israel verbal auf die Palästinenser und
ihren Anführer Jassir Arafat eingeknüppelt. Der Regierungschef des
Kandidatenlandes für die EU-Erweiterung hätte sich keine besseren Themen
aussuchen können, um in Brüssel und Berlin anzuecken. Die EU setzt im Nahen
Osten auf Verhandlungen, Zeman auf bedingungslose Unterwerfung der Palästinenser
oder deren kollektive Vertreibung. Damit stößt er Bundesaußenminister Joseph
Fischer vor den Kopf, der sich trotz der schwierigen Mission immer noch als
Nahost-Vermittler bereit- hält. Mit den Attacken gegen die Vertriebenen bringt
der Sozialdemokrat Zeman die rot-grüne Berliner Koalition in Zugzwang, deren
Herausforderer Edmund Stoiber ohnehin die heroische Rolle des
Sudetendeutschen-Schirmherren spielt.

Ein fadenscheiniges Dementi und diplomatische Schwerstarbeit des tschechischen
Außenministers Jan Kavan haben den Besuch seines Kollegen Fischer in Prag
gerettet. Offiziell ist die Kuh vom Eis, aber es bleibt Befremden. Zum Glück
steht Zeman nach der tschechischen Parlamentswahl im Juni als Premier nicht mehr
zur Verfügung. Um die deutsch-tschechischen Beziehungen steht es nämlich besser
als es den Anschein hat.

Quelle: Frankfurter Rundschau, 21.02.2002

http://www.fr-aktuell.de/fr/110/t110004.htm

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Kommentar

Berlin und Prag legen Krach bei - Offene Worte

Von Sandro Schmidt

Hinter den Kulissen wird es ganz schön gekracht haben. Die diplomatische Formel,
Außenminister Joschka Fischer habe mit dem tschechischen Regierungschef Milos
Zeman "ausführlich und sehr offen" über die jüngsten Irritationen gesprochen,
verhüllt nur schwach, dass Berlin nicht geneigt war, die verbalen Amokläufe des
Prager Ministerpräsidenten hinzunehmen.

Völlig zu Recht. Zeman mag privat denken, was er will. Doch wenn er nicht in der
Lage ist, in offizieller Funktion seine Zunge im Zaum zu halten, gehört er nicht
ins Amt. Es ist unerträglich, wenn ein Regierungschef, dessen Land die
EU-Mitgliedschaft anstrebt, seinen Nachbarn und künftigen Partner ständig vors
Schienbein tritt und beleidigt. Wer schlimmste Völkerrechtsverletzungen
gutheißt, indem er etwa die Vertreibung der Sudetendeutschen für richtig
erklärt, ist noch nicht auf dem Boden der europäischen Wertegemeinschaft
angekommen.

Deutschland und Tschechien sollten sich auf die Zukunft konzentrieren statt
ständig Wunden der Vergangenheit aufzureißen. Auf diese angesichts beiderseitig
begangener Gräuel einzig Erfolg versprechenden Formel einigten sich der
Bundesaußenminister und der Prager Sozialdemokrat. In der Tat kann nur so das
immer noch belastete Verhältnis verbessert werden.

Das bedeutet nicht, Vergangenheit zu verschweigen oder zu verdrängen. Die
Tabuisierung individueller oder kollektiver traumatischer Erlebnisse
funktioniert auf Dauer ohnehin nicht. Doch notwendiges Vertrauen kann sich nicht
entwickeln, wenn sich beide Seiten immer wieder gegenseitig die Verbrechen ihrer
Vorfahren vorwerfen, diese gegeneinander aufrechnen, daraus Ansprüche ableiten.
In vergifteter Atmosphäre gelingt keine Partnerschaft. Darüber reden, ohne zu
attackieren und zu verletzten, lautet die Devise.

Auch in der tschechischen Republik zeigten sich zuletzt viele Menschen
erschüttert über die geistigen Aussetzer des Milos Zeman. Dies lässt hoffen,
dass der Regierungschef als Repräsentant seines Volkes im konkreten Fall nicht
unbedingt dessen Mehrheitsmeinung widerspiegelt. Alles andere wäre auch mit
Blick auf den EU-Beitritt nicht akzeptierbar.

Quelle: Kölnische Rundschau, 21.02.2002

http://www.rundschau-online.de/politik/2442585.html

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JOSCHKA FISCHER IN PRAG: ANTIFA-WÜRDIGUNG STATT KLAMAUKS

"Die" Sudetendeutschen gibt es nicht

Egal ob Milos Zeman den Palästinenserchef Arafat mit Hitler verglich oder nicht
- entscheidend ist, dass sich jeder Tscheche vorstellen kann, dass ihr
Ministerpräsident sich zu dieser Äußerung verstiegen hat. Doch das ist nicht das
Problem. Es liegt darin, dass kein Prager Politiker den Rücktritt des
Regierungschefs fordert.

Die Erklärung, dass Zeman bei den Wahlen im Juni nicht wieder kandidieren wird,
reicht hier nicht. Entscheidend ist: Zwölf Jahre nach der Wende wird die Politik
des Landes immer noch von den gleichen Personen bestimmt. Da sie nach all den
Korruptionsskandalen der Privatisierung ihre verwundbaren Stellen nur zu gut
kennen, würde jede Forderung nach Rücktritt eine Lawine weiterer
Rücktrittsforderungen auslösen. Daher haben die beiden großen Parteien schon vor
Jahren in einem "Tolerierungsabkommen" die Macht unter sich aufgeteilt. Politik
verkam zum Klamauk. Und Zeman ist nur der beste Clown auf der Bühne.

Gegenüber diesem Clown musste nun der grüne Außenminister die Sudetendeutschen
verteidigen. Schlechte Voraussetzungen, zumal es Fischer dabei weniger um das
lange vernachlässigte deutsch-tschechische Verhältnis und mehr um den Wahlkampf
ging. Denn schon seit über einem Jahr fürchtet man in Berlin, dass die Union die
ungelösten Probleme der Osterweiterung zum Thema machen wird. Wenn Fischer
jedoch Edmund Stoiber den Wahlkampfwind aus den Segeln nehmen und zugleich das
deutsch-tschechische Verhältnis voranbringen will, sollte er jetzt ein wirklich
lösbares Problem angehen: eine von der Prager Regierung zu leistende
Entschädigung der sudetendeutschen Antifaschisten, die das Land nicht verlassen
mussten, dort jedoch bis in die Neunzigerjahre diskriminiert wurden.

Dies könnte endlich auch in der Öffentlichkeit zu einer differenzierten Debatte
über die Vertreibung führen, ohne die bisherige Schwarzweißmalerei. Die
Tschechen würden anerkennen, dass nicht alle Sudetendeutschen Anhänger Hitlers
waren. Die Landsmannschaft aber müsste endlich thematisieren, dass die
Sudentendeutschen keine geschlossene Gruppe bildeten, sondern dass es unter
ihnen Täter und Opfer gab. SABINE HERRE

Quelle: taz Nr. 6682 vom 21.2.2002, Seite 12, 48 Zeilen (Kommentar), SABINE
HERRE

http://www.taz.de/pt/2002/02/21/a0112.nf/text

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Habsburger Veto gegen Tschechien

"Benes-Dekrete als Stolperstein für EU-Beitritt - Aus einem Kommentar von
Paneuropa-Präsident Otto Habsburg für den "Rheinischen Merkur":

Von der derzeitigen Regierungskoalition in Berlin, aber zunehmend auch von
Vertretern anderer politischer Parteien wird in jüngster Zeit die Meinung
vertreten, ein "Junktim" zwischen der Forderung nach Aufhebung der Benes-Dekrete
und dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik sei abzulehnen.

Diese Auffassung, die auf eine Aufnahme Tschechiens in die EU ohne vorherige
Aufhebung der menschen- und völkerrechtswidrigen Benes-Dekrete hinausläuft, geht
fehl: Die Beseitigung menschen-und völkerrechtswidriger sowie diskriminierender
Vorschriften stellt eine zwingende Beitrittsvoraussetzung im Sinne der
Kopenhagener Beschlüsse der Europäischen Union dar.

Die Debatte über die Benes-Dekrete ist also für Europa wie für die Tschechen -
und nur an dritter Stelle für die Deutschen - von Bedeutung. Die Benes-Dekrete
sind mit dem europäischen Acquis communautaire unvereinbar, ein Problem, dem
sich die Union stellen muss.

Quelle: Der Standard, 21.02.2002

http://derstandard.at/Textversion/20020221/161.htm

====== Radio Prag 2002-02-21 =======================================================
"Arafat-Affäre" hat Nachspiel für Prager Regierungschef Zeman
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Die "Arafat-Affäre" wird für den tschechischen Ministerpräsidenten Milos
Zeman ein parlamentarisches Nachspiel haben. Wegen seiner umstrittenen
Äußerungen über den Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat, den Zeman in
einem Interview mit Adolf Hitler gleichgesetzt haben soll, werde der
liberale Teil der Opposition im Prager Parlament ein Misstrauensvotum
beantragen, berichteten tschechische Tageszeitungen am Donnerstag. Auf Grund
der bereits im Juni stattfindenden Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus
sei die Ablösung aber unwahrscheinlich, kommentierten die Zeitungen. Zeman
hatte die Zitate zuletzt am Mittwoch in Prag bei einem Treffen mit
Bundesaußenminister Joschka Fischer als Missverständnis bezeichnet. Die
Prager Zeitung "Lidové noviny" veröffentlichte am Donnerstag jedoch den
angeblich authentischen Wortlaut des in Englisch geführten Gesprächs mit
israelischen Medien. Der 57-jährige Sozialdemokrat habe darin zweifelsfrei
Arafat auf eine Stufe mit Hitler gestellt, sagte ein Sprachforscher der
Zeitung. Als Reaktion auf diese Aussage haben Ägypten und Tunesien einen für
nächste Woche geplanten Zeman-Besuch verschoben. Mehr zu diesem Thema hören
Sie im Anschluss in unserem Tagesecho.


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Havel ist dagegen, dass Zeman wegen seiner Äußerungen zurücktritt
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Der tschechische Präsident Václav Havel vertritt nicht die Auffassung, dass
Premier Milos Zeman wegen seiner in den israelischen Medien gemachten
Äußerungen zurücktreten sollte. Er ist jedoch der Meinung, dass sich Zeman
mit den Folgen seiner Worte voll und ganz auseinander setzen sollte. "In
anderen, stabileren Demokratien würde nichts passieren, wenn ein Premier
vier Monate vor den Wahlen zurücktreten würde. Bei uns aber würde ich dies
aus vielen, vielen Gründen heraus als unverständlich ansehen," erklärte
Havel am Donnerstag in einem Gespräch für den Radiosender Frekvence 1.


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ODS will Nachkriegsordnung stützende Rechtssicherheit im EU-Vertrag
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Die Demokratische Bürgerpartei (ODS) will den starken Druck auf die
sogenannten Benes-Dekrete, deren gewünschte Aufhebung und die damit
verbundene Anzweifelung der nach dem Zweiten Weltkrieg in Kraft getretenen
Besitz- und Rechtsverhältnisse abwenden. Der Vorsitzende der Partei und des
Abgeordnetenhauses Václav Klaus hat deshalb in einem letzte Woche verfassten
Schreiben Premier Milos Zeman aufgefordert, innerhalb seines Kabinetts zu
erwägen, ob der Vertrag über den Beitritt der Tschechischen Republik in die
Europäische Union nicht eine Rechtssicherheit enthalten sollte, die den
Überlegungen über eine Revision der Nachkriegsordnung Einhalt gebieten
sollte.


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Tschechiens Abgeordnetenchef Klaus gegen Geste an Sudetendeutsche
Der tschechische Abgeordnetenchef Václav Klaus hat sich scharf gegen eine humanitäre Geste an Sudetendeutsche ausgesprochen, die als Anti-Faschisten im "Protektorat Böhmen und Mähren" gelitten haben und dennoch vertrieben wurden. Das derzeit von Diplomaten in Prag und Berlin diskutierte Projekt sei "beängstigend kurzsichtig", wurde der Vorsitzende der konservativen Bürgerpartei (ODS) am Donnerstag von Prager Zeitungen zitiert. Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte die Initiative am Mittwoch bei seinem Prag-Besuch begrüßt. Auch die sozialdemokratische Regierung in Tschechien steht dem Gedanken weitgehend positiv gegenüber, dessen Umsetzung aber völlig offen ist. Falls man sich in eine 60 Jahre alte Angelegenheit verstricke, könne dies nur Dinge verschlimmern, befürchtet hingegen Klaus. "Damit macht man sich keine Freunde, aber Feinde wird man danach umso mehr haben," sagte der ODS-Vorsitzende.
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Fischer-Besuch wird von Prager Abgeordneten positiv eingeschätzt
Die Mehrheit der Abgeordneten des Außenpolitischen Ausschusses im tschechischen Abgeordnetenhaus hat am Donnerstag den Besuch des deutschen Bundesaußenministers Joschka Fischer vom Vortage als positiv eingeschätzt. "Die guten tschechisch-deutschen Beziehungen sind ein vorzügliches Kapital. Ich hatte den Eindruck, dass Minister Fischer darauf bedacht war, mit seinem Besuch zur Beruhigung dieser Beziehungen beizutragen," sagte der Ausschussvorsitzende Lubomír Zaorálek der Nachrichtenagentur CTK. Lediglich einige Abgeordnete, wie der kommunistische Vizevorsitzende des Ausschusses Miloslav Ransdorf, urteilten, dass Fischers Besuch die Probleme in den tschechisch-deutschen Beziehungen nicht beheben konnte.
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Pravo:  Deutsch-tschechisches Verhältnis immer noch verletzlich
Zum Besuch von Bundesaußenminister Joschka Fischer in Prag schreibt die linksliberale Tageszeitung "Pravo" in ihrer Donnerstag-Ausgabe: "Dass Joschka Fischer trotz der (kontroversen) Äußerungen von Regierungschef Milos Zeman über Sudetendeutsche nach Prag reiste, ist ein Zeichen für die Courage eines erfahrenen Politikers und pragmatischen Unterhändlers " aber auch dafür, dass gute Beziehungen mit Prag für die derzeitige Bundesregierung zu wichtig sind, um sie an der ersten Verwicklung scheitern zu lassen. Zeman hat " bewusst oder nicht " jenen Kräften auf deutscher Seite in die Hände gespielt, die aus praktischen Gründen Emotionen und Streit in die deutsch-tschechischen Beziehungen bringen. Während der Regierungszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder ist das bilaterale Verhältnis besser geworden. Aber " wie die jüngsten Ereignisse zeigen " es ist noch verletzlich genug."
========== Das war Radio Prag 2002-02-21 ===========
Und weiter 2002-02-22:
Zeman nimmt nicht am Visegrad-Gipfel teil
Der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman hat - ebenso wie der slowakische Premier Mikulas Dzurinda - seine Teilnahme am Gipfeltreffen der Visegrad-Staaten am 1. März in Ungarn abgesagt. Dies geschehe aus Protest gegen die jüngste Äußerung seines ungarischen Amtskollegen Viktor Orban über die Benes-Dekrete, informeirte Regierungssprecher Libor Roucek am Freitag. Orban hatteTschechien aufgefordert, die Erlasse vor dem EU-Beitritt aufzuheben, da diese im Widerspruch zur europäischen Rechtsordnung stünden. Auf Grundlage der Dekrete waren Angehörige der deutschen und ungarischen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei ausgesiedelt worden. Seinen beiden Amtskollegen schloss sich am Freitag Abend auch der polnische Premier Leszek Miller an. Der Visegrad-Gipfel wird daher in der kommenden Woche nicht zustande kommen.
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Benes-Dekrete: kein Thema der Beitrittsverhandlungen mit der EU
Als riskant betrachtet der sozialdemokratische Parteichef Vladimir
Spidla den Vorschlag der Demokratischen Bürgerpartei ODS, dass der Vertrag
über den EU-Beitritt der Tschechischen Republik eine
Rechtssicherheit gegen die In- Frage-Stellung der Benes-Dekrete beinhalten
soll. "Bei keinem anderen Staat bezieht sich der Assoziationsvertrag auf
Ereignisse und Situationen, die als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges
entstanden sind," sagte Spidla. Er sei der Meinung, dass der Vorschlag der
ODS mehr Risiken als Chancen beinhalte. EU- Kommissar Günter Verheugen
versicherte am Freitag den tschechischen Außenminister Jan Kavan in
Brüssel, dass die Fragen der Benes-Dekrete kein Gegenstand der Beitrittsverhandlungen sind und sein werden.
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Havel:  Selbstreflexion auf Vertreibung muss sachlich fortgesetzt werden
Der tschechische Präsident Václav Havel ist der Meinung, dass die nach dem Jahr 1989 begonnene tschechische Selbstreflexion bezüglich der nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Vertreibung der Sudetendeutschen sachlich und ohne Emotionen fortgesetzt werden müsse. Jedwede Öffnung hinsichtlich von Eigentumsfragen hält Havel jedoch für ausgeschlossen. "Die moralische Kritik der Aussiedlung und vor allem der Exzesse, die diese begleitet haben, oder die Kritik der wilden Vertreibung, die dem voranging, dies haben die Nachkommen der Vertriebenen bereits vernommen," sagte das Staatsoberhaupt am Donnerstag in einem Gespräch für den Radiosender Frekvence 1. "Aber ich schließe nicht aus, dass es nicht möglich wäre, einen weiteren Schritt auf dem Weg dieser Selbstreflexion zu tun," ergänzte Havel.
===============Das war Radio Prag 2002-02-22=======
Und weiter 2002-02-23:
Orban erneuert Forderung nach Abschaffung der Benes-Dekrete
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat seine Forderung nach Abschaffung der sog. Benes-Dekrete erneuert. "Das ist kein ungarisch- slowakisches oder ungarisch-tschechisches, sondern ein europäisches Problem, weil es die Menschenwürde und Menschenrechte berührt", sagte Orban am Samstag in Budapest. Er hatte am Mittwoch in Brüssel mit der Aussage, die Dekrete widersprächen der europäischen Rechtsordnung, heftige Reaktionen in Prag und Bratislava ausgelöst. Die Ministerpräsidenten Milos Zeman und Mikulas Dzurinda zogen am Freitag ihre Teilnahme an dem für den 1. März in Ungarn geplanten Gipfel der Visegrad-Staaten zurück. Ungarns Außenministerium sagte daraufhin das Visegrad-Treffen ab. Auf Grundlage der Erlasse des damaligen tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes waren Angehörige der deutschen und ungarischen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei ausgesiedelt worden.
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Der Sudetendeutsche Pressedienst gab heraus:  Wien, 27. Februar 2002/GE

Nicht auszurottenden "Killerphrasen"

"Polemische Abstempelung der Sudetendeutschen"

(u.a. auch im ORF Report vom 26.02.2002)

"Unter den Sudetendeutschen waren besonders viele NSDAP Mitglieder"

Welche Beweise haben Sie für diese polemische Abstempelung?

Der Anteil der Nationalsozialisten lag zwischen 1920 und 1938, wie z.B. auch in Österreich bei 8-10%, zuletzt - durch die tschechische Unterdrückung - bei höchstens 12-15%. Die SUDETENDEUTSCHE PARTEI Henleins hatte bei den Wahlen 1935 insgesamt 15,2% war aber nicht gleichbedeutend mit der verbotenen NSDAP.

Von den Sudetendeutschen wählten zwischen 1920 und 1935 - 32% die Sozialdemokraten (rd. 300.000 Stimmen) und 50% die Christlich Sozialen und den Bund der Landwirte, also die sog. die CSR bejahenden "Aktivisten", ca. 12% sogar die Kommunisten (80.000).

Im Oktober/November 1938 wanderten sofort 2.500 Sudetendeutsche ins KZ, 135 Führern der Henleinpartei wurde in Dresden ein Volksgerichtsprozeß gemacht, viele Mitglieder der SDP wurden nicht in die NSDAP aufgenommen, weil lt. einer Verfügung von Hitler-Stv. Heß der revolutionäre Kampf nicht gleichzusetzen war. Z.B. waren die SDP-Anhänger in der Rassenfrage völlig neutral und keineswegs alle für "Heim ins Reich"

"Das Henlein-Freikorps verübte Terrorakte"

Bekannt wurden lediglich zwei bewaffnete Grenzverletzungen. Einen Einsatz des mehrere tausend Mitglieder umfassenden Freikorps gab es nicht, obwohl aufgrund der Verfolgungen durch die CSR-Staatsmacht aus dem deutschen Gebiet ca. 20.000 Sudetendeutsche geflüchtet waren.

Landesverräter (Hitlers 5. Kolonne)
Um die Tragweite der Zeman-Beschuldigungen zu verstehen, muß man wissen, daß in der 1. CSR seit 1920 ein "Gesetz zum Schutz der Republik" bestand, das einseitig zur Beschränkung der Meinungsfreiheit der Deutschen, ihrer Journalisten und Abgeordneten eingesetzt wurde. Zahlreiche "Hochverratsprozesse" aufgrund konstruierter Indizien wurden geführt. Von einer Musterdemokratie konnte man nicht sprechen.

Die Vertreibung der Tschechen 1938
Eine nicht auszurottende Diffamierung, obwohl längst u.a. durch die ausführliche Publikation von Fritz Peter Habel: "Eine politische Legende" widerlegt.

Durch die massive Tschechisierungspolitik zwischen 1920 und 1938 nahm der Anteil der Tschechen im deutschen Gebiet von 200.000 (1910) auf rd. 700.000 (1930) zu, wovon höchstens 200.000 nach Anschluß der deutschen Gebiete ans Reich ohne vermögensrechtliche Nachteile zurückgewandert sind (152.000 befanden sich vorübergehend in der Rest-Tschechei in Flüchtlingsbetreuung). Es handelt sich hauptsächlich um stellenlos gewordene Staatsangestellte und Militär (ca. 50.000 + 20.000 Gemeindebedienstet, Exekutive und Verwaltungsbeamte - 40.000 Bahn und Postbedienstete, sowie ca. 35.000 Saisonarbeiter, die beim Bau der Befestigungslinien eingesetzt waren).

D.h. daß rund 500.000 trotz eines Optionsrechtes, das binnen 6 Monaten ausgeübt werden konnte, in den reichsangeschlossenen Gebieten verblieben.

(Alle diese Fakten und Zahlen sind in "Vertreibung der Deutschen aus Südmähren" von Reiner Elsinger ausführlich behandelt).

Die Sudetendeutschen waren die hauptsächlichen Unterstützer des Gestapo-Regimes im Protektorat
Es wird meist nicht erwähnt, daß lediglich 738 Beamte und 1.146 deutsche Funktionäre in nachgeordneten Dienststellen in den Protektoratsbehörden und 350.000 Tschechen (Verwaltung und Gendarmerie) tätig waren. Den deutschen Funktionären wurde großteils der Prozeß gemacht, sofern sie nicht der Rachejustiz zum Opfer fielen oder zum kleineren Teil auch durch Flucht entkamen und in Deutschland oder Österreich entnazifiziert wurden.

Bereits kurz nach der Besetzung durch die Deutsche Wehrmacht emigrierten 7.000 Sozialdemokraten, 1.700 Kommunisten, 250 Deutsch-Liberale und fast 100.000 Juden. (Unter der sozialdemokratischen Emigration in England und Kanada hatten die Sudetendeutschen den größten Anteil).

Lt. Grünwald bestanden während des Krieges mindestens 185 sudetendeutsche Widerstandsgruppen. Dahingegen ist der tschechische Widerstand noch nicht genügend untersucht, da z.B. die Bestände der GESTAPOSTELLE PRAG, bis jetzt nicht ausgewertet wurden. Mehr als1.000 Sudetendeutsche wurden hingerichtet, während von den Tschechen nur die 1.357 Hinrichtungen in den Monaten nach dem Heydrich-Attentat bekannt sind.

Ebenfalls nicht untersucht ist der Umfang von Kollaboration und Denunziation.

Eine Auswertung der Gestapo-Außenstelle Znaim im Zuge des Forschungsprojektes "Die Vertreibung der Deutschen aus Südmähren", sowie der Landratsberichte und der Berichte des "SD" (Sicherheitsdienstes) von Dr. Franz Weisz und Reiner Elsinger, weist dem tschechischen Widerstand eine äußerst bescheidene Rolle zu. Von 643 Amtsvorgängen betrafen 17,57% Deutsche und nur 9,49% Tschechen, bzw. 0,62 Slowaken), darunter nur 11 Widerstandshandlungen.

Haben Sie sich von der Unterstützung der Nazis distanziert?
Neben der Charta der Heimatvertriebenen 1950, wo auf Rache und Vergeltung verzichtet wurde, ist vor allem eine Erklärung der SL München unter dem Sprecher Minister Seebohm (CDU) aus 1961 wichtig, wo man sich in 20 Punkten nicht nur bei den Tschechen entschuldigt, sondern auch klar von den Verbrechen durch das Hitler-Regime distanziert hat. Nur spricht darüber niemand.
========== Radio Prag 2002-02-27 =======================
Berlin: Noch kein Termin für Besuch Schröders in Prag
Der tschechische Premier betrachtet es als riskant, eine Sicherungsklausel gegen die Aufhebung der sog. Benes-Dekrete im Beitrittsvertrag mit der Europäischen Union zu verankern. Diese Lösung schlug kürzlich die Demokratische Bürgerpartei ODS vor. Zeman verwies darauf, dass die Dekrete dem EU-Beitritt Tschechiens nicht im Wege stünden, was auch eine Rechtanalyse bestätigt habe. Er erklärte des weiteren, keine neuen Informationen über den geplanten Besuch des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder bekommen zu haben.
Bundeskanzler Gerhard Schröder reist nach den jüngsten Missklängen im Verhältnis zu Tschechien nicht wie geplant am 22. März nach Prag. Ein Termin für den Kanzler-Besuch bei Ministerpräsident Milos Zeman stehe nicht fest, teilte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye am Mittwoch in Berlin mit. Atmosphärische Störungen zwischen Berlin und Prag gebe es aber nicht mehr. "Irritationen und Missverständnisse" seien beim Besuch von Außenminister Joschka Fischer vor einer Woche in Prag ausgeräumt worden, betonte Heye.
======== das war Radio Prag 2002-02-27 =========================
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Vorwärts in die Vergangenheit   
Die EU-Erweiterung macht die Benes-Dekrete zum Politikum 
Christoph von Marschall 
Die europäische Integration, sagen die Staatsmänner, sei die historische Antwort auf die Irrtümer, die den Kontinent in zwei Weltkriege gestürzt haben. Doch zunächst passiert das Gegenteil. Parallel zur Vorbereitung der EU-Erweiterung kommen die Geschichtsprobleme der 40er Jahre wieder auf die Tagesordnung, um die es in den letzten Jahrzehnten stiller geworden war: die Vertreibung und die mit ihr verbundenen, ungelösten Vermögensfragen.
Eben erst beschimpfte Tschechiens Premier Zeman die Sudetendeutschen als fünfte Kolonne Hitlers. Nun verlangt Oppositionsführer Vaclav Klaus, die EU solle die Benes-Dekrete beim Beitritt ausdrücklich anerkennen - für die Tschechen sind sie die Rechtsgrundlage für die Vertreibung und Enteignung der Deutschen, in Westeuropa gelten sie wegen des Kollektivschuld-Mechanismus als unvereinbar mit dem Rechtssystem.
Diese Rückkehr der Geschichte in die europäische Gegenwart ist zwangsläufig: Schauplatz der schlimmsten Verbrechen des Dritten Reiches war Osteuropa; die EU-Erweiterung bringt erstmals die Nachkommen der Haupttäter und der Hauptopfer in einen Staaten- und Rechtsverbund. Dort werden die nationalen Geschichtsbilder und Rechtsinterpretationen an der gemeinsamen Werteordnung gemessen. Die Tschechen ahnen, welche Probleme da auf sie zukommen. Zunächst mental: Der Gründungsmythos der Nachkriegstschechoslowakei als antifaschistischer Opferstaat steht in Frage, wenn sie anerkennen, dass am Neubeginn ein Unrecht stand, bei dem sie selbst Täter waren. Das Verständnis der EU als Wertegemeinschaft kann jedoch noch eine viel weiter gehende Sprengkraft entwickeln - und, rigoros angewandt, die heutigen Eigentumsverhältnisse in den ehemals deutsch besiedelten Regionen Osteuropas auf den Kopf stellen.
Werte sind ideell, können aber, übersetzt in ein Rechtssystem, enorme materielle Folgen haben. Die ideelle Seite ist beim Anwendungsfall Vertreibung kein großes Problem mehr. Vertreibung war und ist ein Unrecht - ob in den 40er Jahren in Mitteleuropa oder in den 90er Jahren auf dem Balkan. Das bleibt sie auch dann, wenn sie, wie im Falle der Deutschen aus Osteuropa, die nachvollziehbare Reaktion auf ein weit größeres Verbrechen war, Hitlers Vernichtungskrieg. Die Freizügigkeit in der erweiterten EU wird das korrigieren, ohne dass Tschechen oder Polen sich sorgen müssen, allzu viele Vertriebenenfamilien würden ihre Sache packen, um sich in der Heimat ihrer Vorfahren von Ostpreußen über Schlesien bis ins Sudetenland niederzulassen.

Brisanter sind die materiellen Folgen einer juristischen Anwendung der Wertegemeinschaft: auf die Enteignung der Vertriebenen. Nicht, weil diese meist gegen grundlegende Rechtsprinzipien erfolgte. Auch in Deutschland wurden die Enteignungen unter Sowjetbesatzung nicht alle rückgängig gemacht, obwohl sie juristisch fragwürdig waren.

Es geht um den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die neuen demokratischen Regierungen in Prag und Warschau wollen ja den Alteigentümern entgegenkommen - solange es um Landsleute oder jüdische Vorbesitzer geht. An eine umfassende Restitution an Deutsche denkt niemand. Denn davon wäre der Großteil der Immobilien in den ehemals deutschen Gebieten betroffen, fast ein Drittel des heutigen Polen und in Tschechien fast das ganze Sudetenland. Nur, wie schafft man das juristisch: Der jüdischen Gemeinde in Warschau das Synagogengrundstück zurückgeben, nicht aber der deutsch-evangelischen Gemeinde in Breslau? Oder: den tschechischen Alteigentümer eines Mietshauses in Prag entschädigen, ohne dass der deutsche Vorbesitzer aus Karlsbad vor dem Europäischen Gerichtshof auf Gleichbehandlung klagt? - Vaclav Klaus' Hilferuf, die EU solle die Benes-Dekrete anerkennen, heißt übersetzt: Ermöglicht uns, die Opfer des Weltkriegs und seiner Folgen zu entschädigen, ohne dass Angehörige des Volks der Täter die gleichen Rechte bekommen.
Dieses Problem kann die EU den Polen und Tschechen nicht abnehmen. Sie müssen selbst einen Weg finden zu einer individuellen Rechtsgleichheit in Europa, die zugleich der drastischen Ungleichheit der Völker vor dem damaligen Recht gerecht wird. Juristisch wird so ein Weg etwas krumm sein - nur, bitte, gerade genug, um vor dem europäischen Recht zu bestehen. Nur dann ist Europas Integration eine Antwort auf die Irrtümer der Geschichte - zu denen gehören auch die Benes-Dekrete.
Quelle: Der Tagesspiegel, 26.02.2002

http://195.170.124.152/archiv/2002/02/25/ak-mn-5515030.html
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Der EU-Konvent, der Vorschläge für eine neue Gestalt der Union erarbeiten soll, nimmt am Donnerstag seine Arbeit auf. Mitglied ist der Europa-Parlamentarier Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europa-Parlaments.
Mit ihm sprach Horst Willi Schors....

Die EU soll erweiterungsfähig gemacht werden. Aber könnte es nicht sein, dass die eine Verhandlungsrunde scheitert. Man denke an die finanziellen Probleme Polens oder an politische Vorbehalte in der Tschechischen Republik?
BROK: Natürlich kann man das nicht ausschließen. Am Ende des Tages werden wir jedes einzelne Land nach dem Verhandlungsstand bewerten. Keiner hat die Sicherheit.

Wer wird es nicht schaffen?
BROK: Es gibt zehn Bewerber. Die Entscheidung wird erst Ende des Jahres fallen. Im Fall Polen nehme ich an, dass man sich in der Agrar-Politik einigen wird.
Nun gibt es aber aus der Tschechischen Republik Forderungen, das Benesch-Dekret, das die formelle Grundlage für die Vertreibung der Sudeten-Deutschen war, per EU-Recht nachträglich noch einmal zu sanktionieren.
BROK: Wir haben soeben im Europa-Parlament auf meinen Vorschlag hin ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben um festzustellen, was an diesen Benesch-Dekreten heute noch Gültigkeit hat und was gegen EU-Recht verstößt.
Quelle: Kölner Stadtanzeiger, 27.02.2002

http://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksArtikel&aid=1014141603035&openMenu=990463457062&calledPageId=990463457062&listid=994347600305
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Kommentar von Friedrich Gruber
Missverstanden?
Bewusst missverstanden wurde der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, weil er von Budapest aus erklärte, tschechoslowakische Benes-Dekrete seien unvereinbar mit der EU und dem europäischen Rechtsdenken. Orban habe sich in die von den Sudetendeutschen initiierte Achse des Extremismus eingeordnet zwischen dem Österreicher Haider und dem Bayern Stoiber, las man danach allenthalben auch bei uns. Orban ist den Sozialisten freilich ein "böser" Rechtsliberaler.
Dabei wird verschwiegen, dass die Ungarn auch eine alte Sorge mit der bis in unsere Zeit karniefelten ungarischen Minderheit in der Slowakei haben. Die gegenseitigen Vorurteile gehen mindestens bis in die Kaiserzeit zurück, als die Slowakei ja zur ungarischen Reichshälfte gehörte.
Jedenfalls sind nach 1945 im Geiste der Benes-Dekrete auch einige hunderttausend Ungarn in der Tschechoslowakei enteignet, ausgebürgert und vertrieben worden. Sogar einige Brücken über die Donau riss man symbolträchtig ab. Wer daran erinnert und Geschichtsbewältigung einmahnt, wird eben im Sinne der wohl noch immer rechtsaktiven Benes-Dekrete und ihrer Grundlagen, der Pauschalverurteilung und ethnischen Säuberung, heutzutage geradezu bösartig angefahren. Unfassbar.
E-Mail: f.gruber@oon.at
( von Friedrich Gruber )
Quelle: Oberösterreichische Nachrichten, 27.02.2002
http://www.oon.at/nachrichten/meinung.asp?id=266767
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Münchens vierter Stamm
Gauweilers Briefe
Von Peter Gauweiler
Die Bayerische Staatsregierung betrachtet die sudetendeutsche Volksgruppe als einen Stamm unter den Volksstämmen Bayerns", heißt es in der Schirmherrschaftsurkunde vom 5. November 1962. Die bayerischen Sudetendeutschen - neben Schwaben, Franken und Altbayern unser vierter Stamm. Bayerns Millionen Heimatvertriebene - noch nie in der Weltgeschichte wurden so viele aus ihrer Heimat vertriebene Menschen erfolgreich in ein neues Zuhause integriert.
In dieser Woche war wieder viel die Rede von den Sudetendeutschen. Die schäbigen Äußerungen des tschechischen Ministerpräsidenten Zeman, für den sich auch viele Tschechen genieren, hatte ihr hartes Schicksal in Erinnerung gerufen, freilich auf makabre Weise: Zeman empfahl bei einer Nahost-Reise den Israelis, die Palästinenser genauso zu vertreiben, wie es die Tschechen mit den Sudetendeutschen getan haben. Offensichtlich hält er den damaligen Exodus, der mit 1.000fachem Massenmord verbunden war, für wiederholungsfähig. Natürlich ist der Mann ein Verrückter und man darf keinesfalls die ja nicht unsympathischen Tschechen mit dieser Type gleichsetzen.
Heute sind über 100.000 Münchner mit Sudetendeutschen verwandt, stammen von ihnen ab oder wurden selbst aus Böhmen und Mähren vertrieben. Das "Sudetendeutsche Haus" in München, gelegen an der Hochstraße, ist für sie alle Treffpunkt und klassische Begegnungsstätte. Übrigens mit einer sehr gut ausgestatteten Küche - böhmische Knödel und Pilsner Urquell inklusive. Nach Zeman lohnt sich der Besuch doppelt! Aus Solidarität.
Quelle: Die Welt, 24.02.2002

http://www.welt.de/daten/2002/02/24/0224mu316465.htx
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Veto-Drohung gegen Slowenien
GRAZ (SN-m.b.). Die Vertretung der heimatvertriebenen Deutsch-Untersteirer fordert von Slowenien die Rückgabe des in den Jahren 1944 bis 1948 von Personen deutscher Volkszugehörigkeit enteigneten Vermö-gens beziehungsweise eine Entschä-digung. Zwei Tage vor den österreichslowenischen Expertengesprächen in Wien verlangte am Dienstag der Verband der volksdeutschen Landsmannschaften Österreich (VLÖ) zudem die Aufhebung aller AVNOJ-Bestimmungen: "Ohne die Ungültigkeitserklärung der Kollektivschuld-Lüge darf Slowenien nicht in die EU."
Der VLÖ tritt für rasche Restitutions-Verhandlungen ein. Nach Angaben von Vertriebenen-Sprecher Dieter Frisch betrage der Gesamtwert der enteigneten Güter 1,3 Mrd. Euro. Die Beschlüsse von Jajce und die AVNOJ-Verordnungen hätten zu einem "Völkermord" geführt, betont er. Es könne nicht sein, dass die Vertriebenen heute noch als "Verbrecher ohne Rechte" gelten.
Quelle: Salzburger Nachrichten, 27.02.2002
http://www.salzburg.com/sn/02/02/27/artikel/243459.html
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Forderungen an Slowenien 
Vor österreichisch-slowenischem Außenministertreffen fordern Vertreter der Volksdeutschen die Aufhebung der Avnoj-Dekrete. 
Analog zur Empörung gegen die tschechischen Benes-Dekrete formiert sich im Rahmen der EU-Beitrittsrunde Sloweniens massiver Widerstand gegen die Avnoj-Beschlüsse des früheren Jugoslawien. Das Tito-Regime hatte 1945 ebenfalls die Ermordung, Vertreibung und Enteignung der deutschsprachigen Bevölkerung betrieben und Slowenien hat 1991 die entsprechenden Bestimmungen als Rechtsbestandteil in seine neue Verfassung aufgenommen.
Dagegen laufen die Funktionäre der gut organisierten ehemaligen Untersteirer und Gottscheer Sturm. In einer Pressekonferenz in Graz wurden gestern sowohl die Vermögensansprüche der einst Vertriebenen bekräftigt als auch die Aufhebung der Rechtsbestimmungen durch Slowenien gefordert. Die Forderungen sollen vor einem Treffen der Außenminister Benita Ferrero-Waldner und Dimitrij Rupel morgen in Wien Druck erzeugen.
Slowenien hat zwar ein aufrechtes Rückgabegesetz, schließe die ehemalige deutschsprachige Minderheit aber gezielt aus, beklagten Dieter Frisch von den Deutsch-Untersteirern und Peter Wassertheuer von den Gottscheern. So müssten Antragsteller im Rahmen einer in einem Rechtssystem völlig unüblichen Beweislastumkehr den Nachweis führen, dass sie beispielsweise keine Nazis waren.
Die Verbände schätzen, dass von den einst zehntausenden Deutschsprachigen im heutigen Slowenien nur noch rund 500 Anträge auf Vermögensrückgabe stellen würden. Das wären Forderungen von insgesamt etwa einer Milliarde Euro (14 Milliarden Schilling), weil die Funktionäre von einem geschätzten Durchschnittsbetrag von 150.000 US-Dollar ausgehen. Zum Vergleich: Jüdische Altösterreicher werden vom Restitutionsfonds für die verlorene Wohnung und die gesamte Einrichtung mit 7000 US-Dollar entschädigt.
Quelle: Kleine Zeitung, 27.02.2002

http://druck.kleinezeitung.at/kaernten/ARTIKEL?whichone=1175839  
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Neues Nachdenken über deutsche Opfer
VON Martin Oehlen, 26.02.02, 19:27h, aktualisiert 19:37h
Kölner Stadtanzeiger, 27.02.2002
http://www.ksta.de/servlet/ContentServer?pagename=ksta%2Fpage&atype=ksArtikel&aid=1014141603321&openMenu=987490165154&calledPageId=990103122457&listid=994406280866

Merkwürdig ist der Gang des Krebses. Seitwärts strebend, mal rechts und mal links ausscherend, kommt er gleichwohl voran. Und was dem Tier in seinem Panzer recht ist, das ist den Zeitläuften billig: Was eben noch greisenhaft am Rande kreuchte, promeniert plötzlich im Zentrum. Dem Thema der Vertreibung widerfährt es so in diesen Tagen, da es auf einmal in vieler Munde ist. Es scheint, als hätte nur einer endlich den Deckel vom Kochtopf nehmen müssen - und nun sprudelt es ganz ungemein.
Wenn nicht alles täuscht, ist dies Günter Grass mit seinem neuen Roman „Im Krebsgang“ gelungen, der mit der Frage „Warum erst jetzt?“ beginnt und sodann den Fluchtversuch an Bord der „Wilhelm Gustloff“ erzählt. Grass ist nicht der erste Autor, der sich der Vertreibung annimmt, aber eben ein besonderer Autor, der viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nun wird sein Buch von der Kritik gelobt, was die Seele labt, vom zahlenden Publikum angenommen, was auch nicht stört - und es stimuliert die öffentliche Debatte, wie es diesem Medium hierzulande nur alle Jubeljahre gelingt.
Der Deckel also ist vom Topf - und die Debatte kocht. Sie kocht allerdings (noch) nicht so sehr aufgrund eines Widerstreits der Meinungen, sondern vielmehr aus der Lust heraus, sich zur Sache zu bekennen. Was ja auch eine Leichtigkeit ist, wenn man nur all die Einschränkungen macht, die in diesem Falle notwendig sind.
Dass die Vertreibungs-Diskussion von Teilen der Gesellschaft lange nicht geführt wurde, ist bekannt. Eine Art Schutzreflex war das gegenüber den aggressiven Forderungen mancher Vertriebener und mancher Volksvertreter. Und schon gar nicht wollte man Öl ins Feuer der Revanchisten und der Rechtsradikalen gießen
Was wieder einmal belegt: Mit der Erörterung ihrer gruseligen Vergangenheit haben sich die Deutschen nie leicht getan. Sei es nun die Täter - oder sei es die Opferrolle - eine Souveränität im öffentlichen Gespräch darüber gab es nicht. Ja, es gibt sie so recht noch immer nicht.
Mittlerweile aber scheint der überwältigenden Mehrheit klar zu sein, dass es kein Zurück geben kann zu den Grenzen von einst. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Krieg redet es sich eben etwas abgeklärter über Schmerz, Verlust und Trauma jener, die ihre Heimat aufgeben mussten. Rund 15 Millionen wurden auf dem Gebiet des heutigen Deutschland integriert - und diese geglückte Integration gilt manchen auch als ein „Nachkriegswunder“.
Daran zu erinnern, ist ein Ziel des vom Bund der Vertriebenen geplanten „Zentrums gegen Vertreibungen“. Als Bundeskanzler Gerhard Schröder beim 50. Jahrestag der Charta der Heimatvertriebenen, im Jahre 2000 war das, auf das Projekt angesprochen wurde, äußerte er sich eher ablehnend. Das war einmal. Soeben befürwortete sein Staatsminister für Kultur „grundsätzlich“ eine solche Dokumentations- und Begegnungsstätte. Sie müsse die kulturellen Verluste und menschlichen Tragödien „ohne Engführung auf die Sicht der deutschen Vertriebenen“ im europäischen Kontext darstellen, sagte Nida-Rümelin (SPD). Recht so - man denke nur an Kosovo.
Tatsächlich könnte ein solches Zentrum eine weitere Warnung sein, so idealistisch denken wir uns das, vor Vertreibung allüberall. Insofern wäre dies wahrhaftig kein Ort des Revanchismus, sondern einer des Pazifismus.

alles mitgeteilt von Walter Mogk 2002-02-28

========= Radio Prag 2002-02-28 ================================================================
Schröder begründet Verschiebung seiner Prag-Reise mit "gegenwärtiger Situation" in Tschechien/ Stoiber begrüßt Entscheidung des Bundeskanzlers
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die am Donnerstag offiziell bekannt gegebene Verschiebung seines für den 22./23. März geplanten Prag-Besuchs mit der "gegenwärtigen Situation" in der Tschechischen Republik begründet. Gegenüber dem Fernsehsender ARD sagte der Kanzler zugleich, dass die Verschiebung der Reise "in keinem Fall negativen Einfluss auf die gesamten Beziehungen" hätte. Der Kanzlerkandidat der deutschen Unions-Parteien, Edmund Stoiber, begrüßte Schröders Entscheidung und kritisierte erneut die jüngsten Äußerungen des tschechischen Premiers Milos Zeman über die Sudetendeutschen. Zeman hatte die deutsche Volksgruppe pauschal als "Fünfte Kolonne" Hitlers bezeichnet, diesen Vorwurf später aber relativiert. Noch am Mittwoch hatte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye in Berlin erklärt, die "Irritationen" über Zemans Äußerungen seien inzwischen ausgeräumt. Ein Ersatztermin für die verschobene Reise wurde bislang nicht genannt. Der tschechische Außenminister Jan Kavan sagte am Donnerstag in Brüssel, die Entscheidung sei "kein einseitiger Schritt Deutschlands, sondern ein gemeinsamer Beschluss" gewesen. Regierungssprecher Libor Roucek bekräftigte, die Beziehungen beider Staaten seien trotz der verschobenen Reise auf einem sehr guten Niveau.
========== Das war  Radio Prag 2002-02-28 ==================

Fortsetzung: zeman05.htm