KK 1189 von 2004-07-30
Eine Bitte an meine Leser:
Schreiben Sie mir, ob in Ihnen etwas fehlt in dieser Ausgabe!
Danke. Markwart Lindenthal.
INHALT
Die Großen Deutschen aus dem Osten in Berlin 2
Rudolf Benl: Zu den Brüsseler Steckbriefen über die EU-Beitrittsländer 3 siehe auch KK1185 und KK1194!
Norbert Matern: Hartmut Singbartl in den Ruhestand verabschiedet 6
Ausstellung zu ostpreußischen Schlössern und Gutshäusern 7
Axel Dornemann bittet um bibliographische Hinweise 9
Bunzlauer Porzellan im Germanischen Nationalmuseum 10
Bücher und Medien 11
Literatur und Kunst
Dieter Schlesak: Gescheitertes Heimweh? 16
Lilo Plaschke: Armin Müller kehrt mit Bildern und Büchern heim 17
Jörg Bernhard Bilke: Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen tagt 19
Lovis-Corinth-Preis für Christian Ludwig Attersee 22
KK-Notizbuch 23
Die Großen Deutschen in den Ministergärten
Der Ostdeutsche Kulturrat zeigt seine Ausstellung in der Berliner Vertretung des
Landes Niedersachsen beim Bund
Wer in Berlin die Landesvertretung Niedersachsen beim Bund durch selbstöffnende
Türen in der hohen Glasfront betritt, steht mitten unter den großen Deutschen aus dem
Osten. Sie geben sich hier in geballter Kraft, bildlich, versteht sich, ein Stelldichein
in der Ausstellung der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat. Die eindrucksvolle Schau ist jetzt
in der deutschen Hauptstadt Berlin unter der bemerkenswerten Adresse In den
Ministergärten angekommen.
Die Großen Deutschen aus dem Osten werden zum 30. Mal gezeigt. Ihre Stationen
waren nicht nur zahlreiche deutsche Städte, sondern auch Riga, Budapest und die alte
preußische Königsstadt Königsberg, jetzt russisch Kaliningrad. Die bilder- und
textreichen Ausstellungswände stehen im lichten gemeinsamen Foyer der Landesvertretungen
von Niedersachsen und Schleswig-Holstein, Schirmherr ist das Land Niedersachsen;
Staatssekretär Gibowski vertrat es würdig bei der Eröffnung.
Mein Gott, die stammen alle aus dem Osten? äußerte staunend eine der zur
Eröffnung gekommenen Damen, als sie interessiert vor den großen Bildtafeln stand.
Das habe ich gar nicht gewußt, fügte sie zu ihrem Begleiter gewandt hinzu.
Und der antwortete: Das wissen sicher viele nicht in Deutschland. Vom Ostpreußen
Kant aus Königsberg bis zum großen Dichter Gerhart Hauptmann, dem
Literaturnobelpreisträger aus Schlesien, reicht der Bogen. Der Borsig, der hier hängt,
hat ja Berlin mitgeprägt. Das müssen wir alles in Ruhe betrachten.
Es darf füglich vermutet werden, daß keiner der Eröffnungsgäste nicht auch
Wissenslücken füllen konnte. Auf das Nichtwissen über die Ostdeutschen und die
ehemaligen ostdeutschen Provinzen und südostdeutschen deutschen Siedlungsgebiete wies
auch Professor Eberhard Günter Schulz, der Präsident des OKR und Leiter der Ausstellung,
in seiner Einführung hin. Er überraschte, als er nicht, wie sicher erwartet worden war,
über dargestellte Persönlichkeiten sprach, sondern über den Genius des Menschen auch
als Grundlage des Volkes und Staates philosophierte. Auf diese Weise würdigte er die
Leistungen der großen Ostdeutschen und mahnte zugleich, wenn diese von den Philosophen
erhobenen, aber auch in Goethes Faust nachlesbaren idealistischen moralischen
Grundlagen, aus der alle Werke entspringen, nicht mehr vorhanden seien, dann
gehe ein Volk, auch das deutsche, unter.
Neben den Großen Deutschen wird die Ausstellung Friedrich Wilhelm Graf
von Reden und der schlesische Eisenkunstguß gezeigt, in die Dr. Idis B. Hartmann
vom Oldenburger Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen
Europa, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, kenntnisreich
einführte.
Nach den gewinnbringenden Vorträgen saßen die Eröffnungsbesucher noch lange bei
Gesprächen zusammen und genossen aus der Cafeteria den unvergleichlichen Blick auf das
Brandenburger Tor und den Reichstag von einem Standort, über den sich seinerzeit, vor gar
nicht so langer Zeit, der Todestreifen durch Berlin zog.
W. B. (KK)
Triumph des Willens zur Unkenntnis siehe auch KK1185 und KK1194!
Kritische und klärende Anmerkungen zur KK-Kritik an den Brüsseler Steckbriefen der
EU-Beitrittsländer
Der am 1. Mai 2004 vollzogene Beitritt von neun Staaten zur Europäischen Union
ist auch für die Kulturpolitische Korrespondenz des Ostdeutschen Kulturrates
von Bedeutung, sind damit doch weite Gebiete, die bis vor wenigen Jahrzehnten von
Deutschen besiedelt und geprägt oder zumindest mitgeprägt waren und aus denen sie
ausgesiedelt oder vertrieben worden sind, Teil der Union geworden. Nicht ohne Grund sind
deshalb in der Ausgabe 1185 vom 10. Mai 2004 knappe Steckbriefe der Beitrittsländer, die
von der Generaldirektion Presse und Kommunikation der EU-Kommission vorgelegt worden sind,
kritischer Beleuchtung unterzogen worden, wobei deren völlige Unbedarfheit aufgezeigt und
zu Recht das Urteil jämmerliches Machwerk gefällt wurde. Ehrlicherweise
müßte man allerdings hinzufügen, daß die Broschüre, der die fünf vorgestellten
Steckbriefe entnommen wurden, schon 2001 herausgegeben und 2002 aus dem Verkehr gezogenen
worden ist; sie enthielt Texte über alle damaligen Beitrittskandidaten (also auch über
Bulgarien, Rumänien, Zypern und die als europäisch eingeschmuggelte
Türkei).
Kritik an den Texten hat sich aber nicht nur über das Ungenügende, das ihnen anhaftet,
aufzuhalten, sie hat vor allem zu fragen, ob das wenige Gebotene denn wenigstens
inhaltlich richtig sei. Entschuldigend mag man der genannten Generaldirektion zugute
halten, daß niemand, dem die Aufgabe gestellt ist, Geschichte und Kultur eines Volkes
bzw. Landes in drei Sätzen vorzustellen, der Gefahr entgehen dürfte, in Dümmlichkeiten
steckenzubleiben. Der Vorwurf etwa, in dem Text über Polen fehlten die Namen Mickiewicz,
Norwid und gar die der Brüder Kazimierz und Marian Brandys (wer kennt die beiden denn
außerhalb Polens, von ganz wenigen Literaturfreunden abgesehen?), geht deshalb ins Leere.
(Wenn der Verfasser die Krakauer Universität für die drittälteste
europäische hält, hat er wohl wie die Autoren der kritisierten Texte, gegen die er
diesen Vorwurf erhebt, selbst einiges durcheinandergebracht.)
Die Texte der EU-Broschüre über die am 1. Mai 2004 nicht aufgenommenen
Beitrittskandidaten sind keineswegs von größerer Sachkenntnis geprägt als die über
Lettland und Polen. Der Insel Zypern z. B. wird bescheinigt, auf ihr fänden sich Spuren
der gotischen . Zivilisation! Der in dem KK-Beitrag erweckte Anschein, als
habe sich die EU-Kommission gegenüber den Staaten Ostmitteleuropas - in dem Beitrag wird
von Mittelosteuropa und wenige Zeilen danach sogar von Osteuropa
gesprochen - als ganz besonders bösartig und sachunkundig erwiesen, ist also nicht
zutreffend. Wird in bundesdeutschen Medien, in Verlautbarungen auch amtlicher Stellen, sei
es der Bundesregierung, sei es der Länderregierungen, gerade dann, wenn es um die
Geschichte und die Kultur der Gebiete, die östlich der jetzigen bundesdeutschen Grenzen
liegen, mit mehr Sachkenntnis und mehr Wahrheitsliebe gesprochen? Wird nicht auch darin,
insbesondere wenn es um den deutschen Anteil an der Geschichte der Länder zwischen
Finnischem Meerbusen und Karpatenbogen geht, lediglich eine zensierte, verstümmelte und
zurechtgebogene Fassung der Wahrheit geboten? Die obengenannte Generaldirektion hat nichts
anderes getan als, einem Gebot der Zeit folgend, journalistisch-flott
aufgemachte Texte in Auftrag zu geben, denen man ansieht, daß ihre Verfasser von der
Sache nicht nur nicht viel verstanden haben, sondern es auch gar nicht so genau wissen
wollten bzw. wissen durften.
Hauptanliegen von Auftraggebern wie Verfassern war es offensichtlich, allen möglichen
Problemen durch unverbindliches Geschwätz aus dem Weg zu gehen, sie durch ein nicht
durchschaubares begriffliches Verwirrspiel, ein Quiproquo schwammiger Worthülsen
einzunebeln und insbesondere das, was den Völkern, die nun in die EU aufgenommen worden
sind, noch immer der Hauptanstoß in ihrer Geschichte zu sein scheint, die geschichtliche
und kulturelle Rolle der Deutschen, zu verschweigen. Daneben kranken die Texte an der
ihnen zugrunde liegenden Fiktion - die aber politisch geboten zu sein scheint -, als
handle es sich bei den nunmehr aufgenommenen Staaten um seit Jahrhunderten bestehende
Gebilde. Der geschichtlichen Wirklichkeit entspräche es jedoch eher, über die Völker
Aussagen zu treffen und nicht über Länder oder Staaten, also etwa über die
geschichtliche und kulturelle Leistung der Letten zu sprechen, nicht über die Geschichte
Lettlands.
Daß jenseits dessen, was offenbar politischerseits vorgeschrieben war, aus jedem der
Texte eine an Dummheit grenzende Geschichtsunkenntnis spricht, sei nicht in Abrede
gestellt. Da gehört Böhmen 300 Jahre zu einer Habsburger Monarchie
(bestenfalls: Habsburgermonarchie), die doch im wesentlichen eine nachträgliche
Konstruktion der Historiker ist, zu der Böhmen dann aber 400 Jahre, nämlich von 1526 bis
1918, gehört haben müßte. Riga läßt der Lettland-Text vom Deutschen Orden gegründet
sein, wo es doch von Bischof Albert (von Bexhövede) gegründet worden ist. Das als Hafen
zweitrangige Windau - im Text nur mit dem lettischen Namen Ventspils genannt - wird als
einer der alten Hansehäfen gewürdigt. Polen hat bereits vor dem
Mittelalter (also wohl schon vor 476 nach Christus) an den wichtigsten
kulturellen Entwicklungen Europas teilgenommen. Groteskerweise wird diesem Land
zugestanden, es habe ein liberales Modell für . Minderheitenschutz entwickelt
usw. Angesichts solcher Fehlleistungen nimmt es wunder, daß ausgerechnet die
Lückenhaftigkeit der Information bemängelt wird, hätte doch jeder Versuch, mehr an Text
zu bieten, weitere katastrophale Verirrungen produziert.
In einer Zeitschrift des Ostdeutschen Kulturrates ist - und das ist in dem Beitrag in der
Ausgabe 1185 nicht getan worden - wohl vor allem zu fragen, ob und wie die Rolle der
Deutschen in den Kurztexten vorkommt. Diese Frage ist rechtzeitig zu stellen, da aufgrund
bisheriger Erfahrungen Verlautbarungen von Brüsseler Stellen, die krakenartig immer mehr
Kompetenzen an sich ziehen und einen beängstigenden Gängelungsapparat teils bereits
aufgebaut haben, teils zu perfektionieren im Begriff sind, binnen kurzem die Qualität
nicht anfechtbarer und nicht hinterfragbarer Ex-cathedra-Entscheidungen annehmen dürften.
Diese Frage stellt der KK-Beitrag jedoch gar nicht.
Weshalb etwa wird in dem Kurztext über die Tschechische Republik der deutsche
Bevölkerungsanteil gänzlich verschwiegen? Ist es für ein Land nicht ein kaum
überbietbarer Einschnitt, wenn es mehr als ein Drittel seiner Bewohner vertreibt?
Berührt es das ostdeutsche Selbstverständnis etwa nicht, wenn Nicolaus Copernicus in
einer EU-offiziellen Verlautbarung so ohne weiteres in die Reihe der großen Polen
aufgenommen wird, als könnte man hinsichtlich seiner Volkszugehörigkeit nicht mit sehr
guten Gründen auch anderer Meinung sein? Ist das Bestreben, den großen Astronomen den
Kulturleistungen des eigenen Volkes zuzuordnen, a priori weniger berechtigt, wenn es von
deutscher Seite ausgeht? Gleiches gilt in bezug auf Ungarn für Franz Liszt, der zusammen
mit Bartók, Kodály, Ladislao José Biro, dem Erfinder des Kugelschreibers, und Tivadár
Puskás in die Zahl der großen Magyaren eingereiht wird. Der Mathematiker János Bolyai,
außerhalb der derzeitigen ungarischen Staatsgrenzen auf heute rumänischem Gebiet geboren
und gestorben, wird zu Recht dem Ungarntum zugezählt; handelte es sich um einen
Deutschen, würde er von der EU-Kommission wohl dem Nachfolgestaat
zugeschrieben.
An verantwortlicher Stelle scheint man bald innegeworden zu sein, daß man sich mit den
Steckbriefen aus dem Jahre 2001 eine große Blöße gegeben habe. Sollte das,
was nun unter www.eu-kommission.de/html/wir/wir
00.asp im Netz aufzurufen ist, das Ergebnis der Bemühung um bessere Länderbeschreibungen
darstellen, so wäre man beim zweiten Anlauf allerdings ebenso katastrophal gescheitert.
Die dort zu lesenden Länderprofile der Beitrittsländer sind zwar
ausführlicher, doch ebenso bodenlos, bei größerer Zeilenzahl also keineswegs von
größerer Sachkenntnis geprägt.
Über den Einzelfall hinaus, den man je nach Gemütslage mit Erheiterung, Schadenfreude
oder Erbitterung aufnehmen kann, sind die Texte auch ein Lehrstück für das, was uns
blüht, wenn Kommissionen und Generaldirektionen, Teile eines
zentralistischen bürokratischen Molochs, mit wachsender abschneidender Intoleranz
versuchen, 450 Millionen Menschen unterschiedlicher Volkszugehörigkeit, unterschiedlicher
Sprache, unterschiedlicher Kultur und Religion zu harmonisieren. Ziele sind
die Akzeptanz einer auf höchster Ebene festgestellten
Wahrheit und die Angleichung auf notwendigerweise niedrigem Niveau, die Mittel
dazu werden mediale Kampagnen und eine durch die Herrschaft über den Geldhahn und andere
Instrumentarien ausgeübte Meinungskontrolle sein. Es gibt keine Bürgertugenden, die in
den nächsten Jahren so bitter benötigt werden wie Wachsamkeit, Unbeugsamkeit und Mut.
Rudolf Benl (KK)
Pflichtbewußtsein, Kompetenz und Neigung
Hartmut Singbartl, der bayerische Ministeriale östlicher Observanz,
wurde in den Ruhestand verabschiedet
Hartmut Singbartl, seit 1987 Leiter der Abteilung V im Bayerischen
Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit und als
solcher Vertreter seines Ministeriums im Stiftungsrat des Ostdeutschen Kulturrates, war
neben seinen kulturpolitischen Obliegenheiten zuständig für Grundsatzfragen der
Vertriebenenpolitik und damit für eine erfolgreiche Integration der Heimatvertriebenen in
Bayern und in den vergangenen Jahren verstärkt für die vielfältigen Probleme der
Spätaussiedler, vor allem der Deutschen aus Rußland. Ministerin Christa Stewens
bescheinigte dem scheidenden Beamten bei seiner Verabschiedung, er habe seine Arbeit stets
mit Pflichtbewußtsein, Kompetenz und Neigung bewältigt. Das galt auch für die
Bundeswehr, in der er es bis zum Major der Reserve brachte.
Daß Singbartl fast sein gesamtes Berufsleben den Heimatvertriebenen widmete, hat mit
seinem eigenen Schicksal zu tun. Als sechsjähriger Junge wurde er aus seiner
sudetendeutschen Heimat vertrieben. Er hat davon, wie die Ministerin berichtete, oft
erzählt und sich in seiner juristischen Doktorarbeit mit der Durchführung der
deutsch-tschechoslowakischen Grenzneuregelungen von 1938 beschäftigt.
Er war dabei, als die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, daß Bayern die
Patenschaft für die Ostpreußen übernahm, war häufiger Gast bei der
Ost-Westpreußen-Stiftung in Schleißheim, half, wo er konnte beim Ostpreußenmuseum in
Ellingen und setzte sich schließlich nachdrücklich mit dafür ein, daß in Allenstein
das Haus Kopernikus erworben und restauriert werden konnte. Die deutschen
Minderheiten in Ost-Mitteleuropa hatten in ihm einen tatkräftigen Fürsprecher. Im
Auftrage der Bayerischen Staatsregierung legte er zugleich die Grundlagen für die
Bayerischen Häuser in Odessa und in Ungarn.
Seine besondere Liebe galt und gilt dem Münchner Haus des Deutschen Ostens, das auch ein
Ostpreußenzimmer hat. Bis zuletzt bemühte er sich, die Zukunft des Hauses durch eine
neue Ordnung zu sichern. Kultur, Kunst, Bildung, Bibliothek,
Begegnung, unter diesen Begriffen soll die Vertriebenenarbeit in Bayern weiterhin
stehen. Diese Pluspunkte gilt es zu sichern.
Die Ministerin nannte weitere Aufgabenfelder, denen sich Hartmut Singbartl in
besonderer Weise zugewandt hat: die Ausgestaltung der Schirmherrschaft über die
Landsmannschaft der Sudetendeutschen, die Entstehung einer Sudetendeutschen Stiftung und
die Errichtung des Sudetendeutschen Hauses in München, die Stiftung Ostdeutsche Galerie
in Regensburg, die Kulturstiftung der Vertriebenen und der Ostdeutsche Kulturrat.
Eine besondere Herausforderung für Singbartl brachte die Wendezeit mit den vielen
Spätaussiedlern und den Übersiedlern aus der ehemaligen DDR, die zunächst in
provisorischen Unterkünften und dann fest untergebracht werden mußten. Die Ministerin
wörtlich: Sie mußten gegen alle Widerstände monatlich fünftausend
Unterbringungsplätze schaffen, einrichten und betreiben. Hinzu kamen bald Tausende
von Flüchtlingen aus dem zerfallenden Jugoslawien. Auch in der Zusammenarbeit mit den
andern deutschen Bundesländern hat sich das Durchsetzungsvermögen von Hartmut Singbartl
bewährt , der - wie ihm ein Kollege bescheinigte - auch keinen Streit scheute, wenn es um
die Sache der Heimatvertriebenen ging. Genannt seien nur die Änderungen des
Lastenausgleichsgesetzes, das Gesetz zur Bereinigung der Kriegsfolgen und der
Asylkompromiß von 1992.
Nachfolger von Hartmut Singbartl ist sein bisheriger Stellvertreter, Ministerialrat
Huemer.
Norbert Matern (KK)
Hochherrschaftliche Verletzlichkeit
Im Schloß Caputh gewährt eine Ausstellung einen Blick auf die Schlösser und
Herrenhäuser im ehemaligen Ostpreußen heute
Eine eindrucksvolle Ausstellung des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen
präsentiert Schlösser und Gutshäuser in dem Teil des ehemaligen Ostpreußens, der heute
zu Polen gehört. Die Region heißt Warmia i Mazury, Ermland und Masuren. Die sehr
ansprechenden, ästhetischen Fotografien von Miroslaw Garniec entstanden Mitte der 90er
Jahre und zeigen die Gebäude eingebettet in eine stimmungsvolle Landschaft, aber oft auch
deren Verfall.
Reizvolle Landschlößchen und stattliche Herrenhäuser, umgeben von gepflegten
Parkanlagen, spielten einst in der Vielfalt des ostpreußischen Landschaftsbildes eine
besondere Rolle. Mehrere Jahrhunderte prägten die Schlösser und Gutshäuser des
ostpreußischen Adels, die mittleren und kleineren Landgüter genauso wie die Städtchen
und Dörfer, das Bild Ostpreußens. Das Zentrum einer solchen Anlage bildete das oft schon
von weither sichtbare Herrenhaus. Dazu gehörten die Parkanlage mit dem Familienfriedhof
sowie Teiche, Alleen, Baumspaliere und der Agrarbereich.
Im Verhältnis zur großen europäischen Kunst und Architektur hat man es in Ostpreußen
mit einer eher peripheren Entwicklung zu tun. Das bedeutet jedoch nicht, daß es sich um
eine rein provinzielle Architektur handelt. Seit dem 17. Jahrhundert sind alle
Kunstepochen und Architekturstile vertreten. Besondere Bedeutung kommt den Gebäuden aus
dem 18. Jahrhundert zu, die größtenteils von westeuropäischen Architekten und
Baumeistern errichtet wurden. Der wohl bedeutendste unter ihnen ist der Hugenotte Jean de
Bodt, der zuvor in Berlin am Zeughaus und in Potsdam am Bau des Stadtschlosses beteiligt
war. Von den noch erhaltenen Anlagen aus dem 19. Jahrhundert sind zahlreiche im
neugotischen Stil erbaut.
Als Folge des Zweiten Weltkrieges fiel der nördliche Teil Ostpreußens an die
Sowjetunion, der südliche an Polen. Die deutsche Bevölkerung wurde vertrieben. Die heute
in dem zu Polen gehörenden Teil lebenden Menschen stammen aus den ehemaligen östlichen
Landesteilen Polens, die nach dem Krieg an die Sowjetunion gefallen waren. Ihnen waren das
Land und die Kultur seiner ehemaligen Bewohner fremd. Häufig war der Umgang mit dem
architektonischen Erbe geprägt von dessen wirtschaftlicher Nutzbarkeit. Wurden die
Gutshäuser zu Verwaltungssitzen oder Wohnhäusern der staatlichen Landwirtschaftsbetriebe
oder, wenn sie an einem See liegen, zu Erholungszentren, dann blieben sie erhalten. Die
übrigen verfielen. An der Architektur und Kultur der verhaßten Deutschen hatte man
zunächst wenig Interesse.
Das änderte sich nach der politischen Wende 1989. Inzwischen ist auch eine neue
Generation herangewachsen, die sich unbefangen mit der Geschichte und Kultur der Region
auseinandersetzt und sie als Teil der eigenen Identität begreift. Anfang der 90er Jahre
bildeten sich verschiedene regionale Vereine, die sich für die Erforschung und den Erhalt
der Baudenkmäler in den ehemaligen preußischen Gebieten einsetzen. Vor diesem
Hintergrund entstand die Fotoausstellung Schlösser und Gutshäuser im ehemaligen
Ostpreußen. Gerettetes oder verlorenes Kulturgut?.
Die Ausstellung zeigt Fotografien des polnischen Fotografen Miroslaw Garniec und wurde von
der polnischen Kunsthistorikerin Malgorzata Jackiewicz-Garniec konzipiert. Sie wird vom
Deutschen Kulturforum östliches Europa in Kooperation mit der Stiftung Preußische
Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg bis zum 26. September im Schloß Caputh gezeigt.
Der gleichnamige Bildband von Malgorzata Jackiewicz-Garniec und Miroslaw Garniec mit
Texten von Marion Gräfin Dönhoff und Adelheid Gräfin Eulenburg (397 Seiten, 29 Euro)
stellt in zahlreichen Farbaufnahmen ca. 330 Residenzen und Gutshöfe vor. Ausführliche
Texte zu den einzelnen Anlagen informieren über die Geschichte, den Erhaltungszustand und
die heutige Funktion.
(KK)
Flucht und Vertreibung in der Literatur
Axel Dornemann bittet um bibliographische Hinweise
Voraussichtlich Ende 2005 wird die von mir recherchierte und bearbeitete
Bibliographie zu Flucht und Vertreibung in der Literatur erscheinen. Dem wird dann ein
jahrelanges Suchen in Bibliotheken, Archiven, einschlägigen Nachschlagewerken und
Rezensionsorganen (nicht zuletzt der Kulturpolitischen Korrespondenz) sowie
Briefwechsel mit Autoren vorausgegangen sein. Eingang in die inhaltlich annotierte
Bibliographie finden: Prosawerke aller literarischen Gattungen (auch Jugendbuch),
Erlebnisberichte (einschließlich im Selbstverlag erschienene), Reiseberichte,
Tagebücher, Autobiographien, Essays.
Thematisch geht es nicht nur um Flucht und Vertreibung (also von 1944 bis 1949/50, d. h.
keine Spätaussiedlung), sondern auch um das Einleben im Westen sowie den Besuch in der
alten Heimat. Diese Themenkomplexe sollen zumindest einen wesentlichen Handlungsstrang im
Werk ausmachen. Regional finden Bücher und Texte Berücksichtigung, in denen Flucht und
Vertreibung aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen Gegenstand der Darstellung sind:
Schlesien (Niederschlesien), Oberschlesien, West- und Ostpreußen, Pommern, Danzig,
Warthegau, Posen, Ostbrandenburg, Sudetenland. Siedlungsgebiete bleiben außen vor. Hinzu
kommen einschlägige Sammelbände und Einzelbeiträge in Anthologien. Berichtszeitraum
sind die Erscheinungsjahre 1945 bis 2003.
Obwohl ich der guten Hoffnung bin, kaum noch Lücken gelassen zu haben, bitte ich hiermit
die KK-Leser um Hinweise auf bibliothekarisch versteckte Literatur. Vielleicht kann mit
diesem Aufruf noch der eine oder andere bislang im verborgenen schlummernde literarische
Schatz gehoben werden. Schon jetzt vielen Dank. Für eine Kontaktaufnahme: Dr. Axel
Dornemann, Lichtensternstraße 7 / 6, 74343 Sachsenheim, Telefon 0 71 47 / 90 08 87, Fax
07 1 47 / 27 04 94, axel.dornemann@gmx.de.
(KK)
Frischer Wind für Polnisch-Unterricht
Einen Monat vor der EU-Erweiterung ist ein wichtiger Schritt getan zur
Veröffentlichung eines modernen Polnisch-Lehrwerks in der Bundesrepublik Deutschland. Auf
Initiative des Deutschen Polen-Instituts Darmstadt und des Berliner
Gabriele-von-Bülow-Gymnasiums verständigten sich Bildungsexperten aus den Bundesländern
Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen auf die baldige Publikation eines
neuen Lehrwerks für Polnisch als dritte Fremdsprache an deutschen Schulen.
Wurde dieses Fach bisher überwiegend von Schülern mit Polnisch-Vorkenntnissen gewählt,
so soll der Polnischunterricht nunmehr auch für Sprachanfänger attraktiv gemacht und
ihre Bereitschaft, Polnisch zu lernen, durch ein zeitgemäßes Lehrwerk unterstützt
werden. Angesichts des sich in Wirtschaft und Verwaltung abzeichnenden steigenden
Interesses an Fachkräften mit Polnischkenntnissen rückt die Förderung des
Polnischunterrichts in den grenznahen Bundesländern auf die bildungspolitische
Prioritätenliste.
Auf einer von der Robert Bosch Stiftung geförderten Tagung in der Tegeler
Humboldt-Bibliothek konstituierte sich eine Expertengruppe, die sich die zügige Umsetzung
des Lehrwerk-Vorhabens zum Ziel gesetzt hat.
(KK)
Guter Ton aus Bunzlau
Berühmtes schlesisches Porzellan im Germanischen Nationalmuseum
Bunzlau, Stadt des guten Tons, ist bekannt für ihr Braungeschirr und
das geschwämmelte Pfauenaugendekor. Die schlesische Stadt, das heute polnische
Boleslawiec, entfaltete sich zu einem der bekanntesten Keramikzentren im deutschsprachigen
Raum. Gute Tonqualität und ausgeprägtes technisches Können der Töpfer ließen die
Bunzlauer Töpferware zu einem europäischen Spitzenprodukt aufsteigen, das durch seine
braune Lehmglasur die Härte von Steinzeug erhielt. Dreihundert Jahre Erfahrung und die
Entwicklung einer bleifreien Glasur im 19. Jahrhundert machten die Bunzlauer Keramik als
Gesundheitsgeschirr zu einem Markenartikel, dessen Name bis heute ein Begriff
geblieben ist.
Vom 17. bis ins 20. Jahrhundert bietet die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum zu
Nürnberg vom 30. September 2004 bis zum 27. Februar 2005 einen repräsentativen
Querschnitt durch die gesamte Schaffenszeit der Bunzlauer Töpfer, beginnend mit
Prunkgefäßen der Frühzeit bis zur allseits bekannten geschwämmelten und braunen
Alltagsware. Den Schwerpunkt bildet das frühe 20. Jahrhundert mit seinem kreativen
Potential: Die Einführung des Aerographen erlaubte Spritzdekore mit feinsten
Farbverläufen in industriell-technischem Verfahren. Die Pariser Weltausstellung von 1900
und die enge Zusammenarbeit der lokalen Betriebe mit der Keramischen Fachschule in Bunzlau
motivierte zur Produktion von Gefäßen mit effektvollen Oberflächen - teils matt, teils
verlaufen, teils mit Kristallstrukturen.
Der Besucher erhält Einblick in die Sortimente vieler namhafter Betriebe der Region wie
der Feinsteinzeugfabrik Julius Paul & Sohn oder der Bunzlauer Keramischen Werkstätten
Reinhold & Co. Ihre Produkte demonstrieren die breite Palette an verschiedenen
Dekorationstechniken, die in den Fabriken Einsatz fanden. Variantenreich wurden sie zu
immer neuen Ergebnissen kombiniert. Gerade die farbigen Dekore in ihrer zeitlosen
Gestaltung sind es, die unsere heutige Wahrnehmung ansprechen. Die Exponate belegen
zugleich das Nebeneinander von handwerklicher und industrieller Fertigung der Bunzlauer
Betriebe, wobei jede für sich ihr eigenes Formenrepertoire hervorbrachte.
Der 1997 erfolgte Ankauf einer großen Privatsammlung von Bunzlauer Keramik, vorwiegend
von Ziergefäßen, die sich durch Laufglasuren und effektvoll gestaltete Oberflächen
auszeichnen, eröffnete einen ganz neuen Blick auf die Produktpalette des schlesischen
Töpferzentrums. Die Neuerwerbung war der Anlaß zu einer Sichtung aller übrigen
Bunzlauer Sammlungsbestände des Germanischen Nationalmuseums: von den Trinkgefäßen des
17. Jahrhunderts bis zum Küchen- und Tischgeschirr des 20. Jahrhunderts. Die
wissenschaftliche Bearbeitung der mehr als 600 Stücke umfassenden Sammlung schloß mit
einem ausführlichen Bestandskatalog ab.
Nach der großen Sonderausstellung des Berliner Museums für Deutsche Volkskunde zum
Bunzlauer Gebrauchsgeschirr im Jahr 1986 wird nun auch die Sammlung des Germanischen
Nationalmuseums in ihrem ganzen Spektrum als wichtiger Aspekt der Kulturgeschichte
präsentiert und der Öffentlichkeit vorgestellt.
(KK)
Bücher und Medien
Ein Politiker und Medienwissenschaftler findet zum Klartext
Peter Glotz: Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück. Ullstein Verlag, München
2003. 287 S. mit Illustr., 22 Euro
Selten hat ein Buch zum Thema Vertreibung gleich bei seinem Erscheinen so große
Aufmerksamkeit erregt wie dieses. Das hängt wohl mit der Person des Autors und seiner
profilierten Stellung in der politischen Landschaft zusammen. Falsch wäre es aber, wollte
man einfach sagen, daß hier aus einem Saulus ein Paulus wurde. Glotz hat seine Positionen
nicht verändert, wohl aber zeigt er geradezu exemplarisch, daß sich viele
kritisch denkende Menschen mit zunehmendem Alter auf die Wurzeln ihrer Herkunft besinnen
und in der Rechenschaft über die eigenen Leistungen und Positionen auch die Vergangenheit
ausloten.
Titel und Umschlag des Buches lassen zuerst eine Art Erlebnisbericht vermuten. Gerade das
aber ist es nicht. Die Beziehungen zur eigenen Person und damit zum eigenen Erleben
manifestieren sich in der Widmung an die Mutter, deren tschechische Abstammung Glotz
hervorhebt, was ihn wiederum bewußt oder unbewußt in seinem Urteil
sensibilisiert. Wohl gerade deshalb nennt er sein Buch ein Lehrstück. Und aus
persönlichem Bezug und sachlicher Aussage ergeben sich auch die Koordinaten, innerhalb
derer er sich bewegt. Er will als ehrlicher Makler auftreten, der mit offener
Sprache, wie er selbst sagt, die Verletzungen auf deutscher wie auf tschechischer Seite
aufzeigt. Er will aber auch beweisen, daß er als ein Deutscher aus Böhmen das Recht dazu
hat. Nicht weil er sich schuldlos fühlen darf, sondern weil er die alte Schuld beider
Seiten kennt und deshalb zeigen will, wie es zur Eskalation der Gewalt und der Vertreibung
kam.
Dabei kann und will er den Politiker und erfahrenen Medienwissenschaftler nicht
verleugnen. Daß er sich in dieser Rolle hin und wieder selbst im Weg steht, wird man
akzeptieren. Er wendet sich ja auch nicht an Kollegen und Fachleute, sondern an einen
breiteren aufgeschlossenen und zeitgeschichtlich interessierten Leserkreis, vor allem aber
nicht nur an Leser gleicher Herkunft, sondern an die große Gruppe jener, die den
Problemen, Gedankengängen und Anliegen der Heimatvertriebenen verständnislos
gegenüberstehen.
Glotz beginnt zwar aktuell mit einem Hinweis auf Lidice, holt dann aber gleich weit aus
und geht zu den Wurzeln zurück, behandelt dabei aber die frühen Jahrhunderte
deutsch-tschechischer Nachbarschaft nur summarisch, um sich sehr gründlich dem 19.
zuzuwenden, in dem jenes Räderwerk zu laufen begann, bei dem in geradezu tragischer
Folgerichtigkeit die kleinen Rädchen immer größere in Bewegung setzten, bis dann die
Gewalt eskalierte. Gerade dieses Zurückgehen auf die Anfänge des Zusammenlebens von
Deutschen und Tschechen im böhmischen Raum ist um so wichtiger, als ja von tschechischer
Seite öfter gern erst von 1938 ausgegangen wird und auch sehr viele Deutsche keine Ahnung
von den Zusammenhängen haben. Den Höhepunkt der Darstellung bildet dann eine in ihrer
klaren, nüchternen Aussage besondesr erschütternde ausführliche Schilderung der
Ereignisse von 1945/46. Hier wandelt sich die Analyse zur Anklage.
Glotz hat Quellen und Darstellungen in breitem Umfang sorgfältig ausgewertet und
analysiert. Es bleibt nur zu hoffen, daß die Leser nicht vor der Fülle des in den
Literaturhinweisen dicht zusammengedrängten Materials zurückschrecken, denn diese
Angaben sind ein guter Wegweiser für die eigene Urteilsbildung. Schließlich bleiben
Fragen offen, und es ist ganz natürlich, daß man auch in einigen Details zu anderen
Rückschlüssen kommt. Dazu haben aber wohl nur die letzten Zeitzeugen der sogenannten
Erlebnisgeneration die Möglichkeit.
Auf alle Fälle ist es ein wichtiges Buch, ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Was
Glotz anstrebt, wird in dem Epilog Aufklärung oder Aufrechnung deutlich, wo
er die Ergebnisse seiner Darstellung thesenartig zusammenfasst.
Man darf gespannt sein, ob das Buch auch zu einem Lehrstück für Tschechen wird, ob also
eine tschechische Übersetzung erfolgt. Glotz schreibt ja im Vorwort hoffnungsvoll:
Der Prozess der Wiederannäherung zwischen Deutschen und Tschechen ist im Gang, eher
allerdings unten als oben. Auch das ist grundsätzlich richtig, aber vielleicht
sollte man eher sagen, dass das Bemühen um Ausgleich und Nebeneinander unten
schon immer da war. Gestört wurde es immer wieder von oben, von Politikern
und sogenannten Intellektuellen.
Heinrich Pleticha (KK)
... fern von all dem intellektuellen Unfug
Ludwig Meidner: Verteidigung des Rollmopses. Gesammelte Feuilletons 1927-1932.
Herausgegeben von Michael Assmann. Schöffling & Co. Verlagsbuchhandlung, Frankfurt am
Main 2003, 239 S., 19,90 Euro
Ludwig Meidner, 1884 im Städtchen Bernstadt in Mittelschlesien, wie er selbst
gern akzentuiert, geboren, genießt zu Recht den Ruf als großer Maler des
Expressionismus. Auch als expressionistischer Lyriker hat er einen gut klingenden Namen.
Das alles war im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Die jetzt vorgelegten Zeugnisse
des Schriftstellers Ludwig Meidner stammen alle von der Wende der zwanziger zu den
dreißiger Jahren jenes Jahrhunderts und sind weit entfernt von jeglichem Expressionismus,
ja ganz bewußt wird diese Kunstform verworfen und bitter angeklagt. Es ist die Zeit, in
der Meidner wieder in seinem jüdischen Glauben heimisch wurde und, was gestern war, nicht
mehr gelten läßt.
In dem Feuilleton Wochentagsleben in Haiensee wie auch in vielen anderen
Arbeiten rechnet er mit dem Expressionismus ab: Gar zu lange bin ich extrem und
radikal gewesen in allen Dingen, und jedes Mal, wenn ich heute in Dokumenten der
Vergangenheit blättere, beschleicht mich blutrote Scham, und ich fasse es kaum, daß ich
der Verfasser jener abgeschmackten und aufgeregten Gemälde, Graphiken, Dichtungen und
Manifeste sein soll, die mich einmal, ach, so genial und überragend dünkten ....
Es wäre unbillig, dies als Koketterie zu verstehen. Im Gegenteil, dieser
Nicht-mehr-Expressionist hat durch sein dezidiert kritisches Abrücken von seiner eigenen
Vergangenheit Unverständnis ausgelöst, die Urteile über seine Bilder aus dieser Zeit
waren Ausdruck der Verwunderung bis hin zu Unverständnis und Ablehnung. Das war,
urteilten die Zeitgenossen, nicht mehr Ludwig Meidner, der hochgerühmte Maler und Poet
des Expressionismus.
Jetzt stellt sich Meidner vor als Bürger wie ich und du, ausgestattet allerdings mit der
Gabe des Spottes auch gegen sich selbst, als Mensch, der es ehrlich meint und ganz
subjektiv den Protest geradezu herausfordert, indem er das Tun und Treiben der
Gesellschaft ins Visier nimmt. Bei aller Leichtigkeit und dem plaudernden Ton ist sein
Blickwinkel eher ein menschenverachtender. Meidner amüsiert es allerdings gleichzeitig,
sich selbst als Spießbürger zu charakterisieren, ohne daß er sich dieses Ausdrucks
bedienen würde. Das Alltägliche und er selbst als dessen Verkörperung sollen die Leser
dieser Feuilletons genauso unterhalten, wie diese Bloßstellung ihm selbst Spaß macht.
Einbezogen in die ironisch gestimmten Selbstspiegelungen wird immer wieder seine Ehefrau.
Mit gar nicht immer freundlich gestimmter Selbstkritik stellt sich der Porträtist, der um
Aufträge bangt und auch von einem gelegentlichen Unvermögen zu erzählen weiß, an der
Seite seines (nicht ganz unbegabten) Ehegespons, der Landschaftsmalerin, als einer vor,
der offen bekennt: Ich, wir beide können es nicht besser. Was allerdings als spielerische
Untertreibung zu verstehen ist.
Einige Titel der 24 Feuilletons sprechen für sich und kündigen den heiteren, wenn nicht
sogar ausgesprochen lustig gestimmten Inhalt an. Wir lesen: Erbspürree mit
Sauerkraut, Glossen über Porträtmaler oder Lob des Rasierens,
Der Naturenthusiast in der Sommerfrische, Studie über
Zigarrenraucher, Verteidigung des Rollmopses, Sehnsucht nach
Gänsebraten, Der verliebte Heringsbändiger. Die Mehrzahl der
literarischen Arbeiten erschien im Berliner Tageblatt mit einer Auflage von 30
000 Exemplaren und im Börsen-Courier mit 25 000 Exemplaren, einige dieser
Feuilletons aber werden hier zum ersten Mal veröffentlicht. Meidner selbst hatte bereits
eine Sammlung vorbereitet, doch konnte diese wegen der politischen Ereignisse nach 1933
nicht mehr erscheinen.
In dem klugen Nachwort des Herausgebers Michael Assmann findet sich eine Mitteilung
Meidners an seinen Freund Franz Landsberger kurz vor seinem 50. Geburtstag 1934: Die
Ursache meines Niederganges war einerseits Ermüdung von dem äußerst intensiven Arbeiten
der ersten Nachkriegsjahre, andererseits höchste Inanspruchnahme durch religiöse
Erlebnisse und Lektüre, welche meinen Kunsttrieb sehr dämpften und mich mehr zum
Schreiben drängten.
In dem Beitrag über seine Heimatstadt Bernstadt im Kreise Gels, bisher unveröffentlicht,
wird liebevoll, aber auch ein wenig distanziert Auskunft erteilt: Hier haust ein
gesundes Geschlecht, man ist nicht zimperlich, nicht sentimental, kulturell nicht belastet
und fern von all dem intellektuellen Unfug, den der entwurzelte Bürger der Großstadt
ernst nimmt.
Für diese Bekanntschaft mit dem schriftstellernden Maler ist man dankbar, ein Buch, das
gut geschrieben ist und sich leicht liest..
Herbert Hupka (KK)
Anna Luise Karsch bis Christa Wolf, Ludwig Tieck bis Günter de Bruyn
Jörg Lüderitz (Hg.): Neumärkisches Lesebuch. Landschaften und Menschen im
östlichen Brandenburg.
Trescher Verlag, Berlin 2004, 309 S., 14,95 Euro
Wer 2004 ein Lesebuch über eine Landschaft des historischen Ostdeutschlands
herausgibt, wird nicht nur den interessierten Leser aus der Erlebnisgeneration im Blick
haben sondern auch die heutigen und künftigen Generationen, für die die Vertreibung der
Deutschen aus ihrer Heimat ein Kapitel aus der Geschichte ist - wenn überhaupt. Die
Vermittlung der historischen Tatsache, daß die Regionen östlich von Oder und Lausitzer
Neiße bis 1945 Teil der deutschen Geschichts- und Kulturlandschaft gewesen sind, muß
sich zukünftig mit völlig neuen Gegebenheiten auseinandersetzen. Nicht nur, daß der
zeitliche Abstand zum Ende des Zweiten Weltkrieges immer größer wird, die Menschen, die
das erlebt haben, immer weniger werden, auch die Zusammensetzung unserer Bevölkerung
beginnt sich zu verändern. Unter uns leben bereits nahezu eine Million türkischstämmige
deutsche Bürger sowie zigtausend weitere Deutsche aus zahlreichen anderen Staaten; diese
Menschen müssen integriert werden, und dazu zählt die Vermittlung der eigenen Geschichte
im Wechselspiel der historischen Prozesse in Europa und darüber hinaus.
Welchen Zugang hat ein türkischer Schüler mit deutscher Staatsangehörigkeit in einer
gymnasialen Oberstufe irgendwo in Berlin zur Feststellung, daß in Küstrin oder in
Landsberg an der Warthe einst deutsche Geschichte stattfand, zumal heute diese Orte
andere, nämlich polnische Namen tragen? Hiermit werden ernsthafte didaktische Probleme
angesprochen, die in zunehmendem Maße bereits Schulbuchautoren z. B. der Fächer
Geschichte und Erdkunde beschäftigen.
Genau um diesen Ansatz bemüht sich Jörg Lüderitz, seit DDR-Zeiten einer der besten
Kenner der früheren Neumark, mit dem von ihm herausgegebenen Neumärkischen
Lesebuch. Die Neumark, nur knapp 100 Kilometer östlich der deutschen Hauptstadt
Berlin, zieht viele Touristen und Erholungssuchende an. Es ist eine Landschaft der stillen
Wälder und weiten Felder und Wiesen mit zahlreichen Seen.Und es ist überhaupt nicht
erstaunlich, daß namhafte Dichter und Schriftsteller sich von dieser Landschaft angezogen
fühlten; einige stammen aus der Neumark, andere lernten sie auf Reisen kennen. Lüderitz
wählte Texte von Autoren wie Anna Luise Karsch, Ludwig Tieck, Joseph von Eichendorff,
Theodor Fontane, Hans Fallada, Klabund, Gottfried Benn, Günter Eich, Christa Wolf und
Günter de Bruyn aus sowie von nicht so bekannten Heimatdichtern und polnischen Autoren
für die Jahre seit 1945.
Besonders beindruckend sind die Texte von Christian Graf von Krockow über das zerstörte
Küstrin und des früheren Bischofs von Berlin und Brandenburg, Kurt Scharf, der seine
jungen Jahre in Landsberg an der Warthe beschreibt.Über 100 Autoren vom 16. Jahrhundert
bis in unsere Gegenwart geben dem Leser ein eindrucksvolles Bild von der reizvollen
Landschaft vor den Toren Berlins. Es ist kein nostalgisches Buch, obwohl in manchen
Beiträgen Sehnsucht nach einer verlorenen Heimat durchschimmert. Zur Orientierung werden
alle Autoren kurz vorgestellt, eine Übersichtskarte zeigt alle beschriebenen Plätze und
Orte, und ein ausführliches deutsch-polnisches Ortsnamensverzeichnis hilft deutschen wie
polnischen Lesern. Das Buch ist die erste Anthologie über die Neumark, die in Deutschland
erschienen ist, dafür gebührt dem Herausgeber Dank.
Es ist zu begrüßen, daß mit Unterstützung der Stiftung Haus Brandenburg alle
öffentlichen Bibliotheken der größeren Orte in der Neumark sowie zahlreiche
Schulbibliotheken Exemplare erhalten haben.Das muß auch in den deutschen Landkreisen
Uckermark, Märkisch Oderland und Landkreis Oder-Spree erreicht werden. Das Buch kann eine
Brücke - vornehmlich für die Deutschen in der Grenzregion - zum plolnischen
Nachbarn werden, es sollte aber auch Berliner und andere Binnendeutsche
inspirieren, den Blick in das Land östlich der Oder zu werfen, eine bis 1945 von
Deutschen gestaltete Kulturlandschaft mit einer polnischen Gegenwart und Zukunft.
Karlheinz Lau (KK)
Heimat verloren - Heimat gefunden, zumindest im Wort
Adalbert-Stifter-Zentrum (Hg.): Oberplaner Gespräche 2003: Heimat - Gefährdetes
Gut gestern und heute. 159 Seiten, Fotos, 5 Euro
Die durchgehend zweisprachige deutsch-tschechische Dokumentation vereint die
Referate der Oberplaner Gespräche 2003, deren Leitmotiv die Frage nach dem Begriff Heimat
war.
Der Historiker und Pädagogikprofessor Alfred Brückner (Grulich/Weingarten) referierte
zum Thema Heimat verlieren, Heimat gewinnen, Dr. Fritz Peter Habel
(Brünn/Grafing) über Das Heimatrecht in den böhmischen Ländern von der
Donaumonarchie bis heute und Magister Lukas Novotny (Karlsbad) stellte unter dem
Titel Heimat heute das Ergebnis seiner Erhebungen über das heutige kulturelle
Leben der deutschen Minderheit in Westböhmen vor.
An der Podiumsdiskussion unter der Leitung von Dr. Peter Becher (München) zum Thema
Heimat verloren - Heimat gewonnen beteiligten sich je eine Vertreterin bzw.
ein Vertreter der vertriebenen Sudetendeutschen, der heimatverbliebenen Deutschen, der ins
Exil gegangenen Tschechen und der in die Sudetengebiete zugezogenen Tschechen. Die
Eingangs- Statements der Diskussion sind in der Dokumentation wiedergegeben.
Im kulturellen Teil der Gespräche referierte Horst Löffler (Oberplan/Stuttgart) über
Kar(e)l Klostemann - ein deutsch-tschechischer Dichter des Böhmerwaldes.
Grußworte verschiedener Persönlichkeiten sowie eine Grußbotschaft der Organisation der
aus Istrien vertriebenen Italiener mit einer Kurzdarstellung dieses Vertreibungsproblems
ergänzen die Dokumentation, die mit einer Kurzvorstellung des Adalbert-Stifter-Zentrums
abschließt. Die Dokumentation kann über das Adalbert-Stifter-Zentrum (Jiraskova 168,
CZ-382 26 Honi Plana, Fax 0 04 20 / 3 80 73 80 57, E-Mail: cas.asz@horniplana.cz), bezogen werden.
(KK)
Das Buchenland als Bücherland am Rande Europas
Klaus Werner: Erfahrungsgeschichte und Zeugenschaft. Studien zur deutsch-jüdischen
Literatur aus Galizien und der Bukowina.
IKGS Verlag, München 2003, 296 S.
(Veröffentlichungen des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas),
19,50 Euro.
Bestellung über Herold Druck- u. Verlags-GmbH, Raiffeisenallee 10, 82041 Oberhaching,
Tel.: 0 89/61 38 71 15
Die in diesem Band versammelten Studien durchleuchten Leben und Werk von
Schriftstellern, Wissenschaftlern und darstellenden Künstlern aus Galizien und der
Bukowina, die nachmals außerhalb ihres Herkunftsraumes gewirkt und, exilbedingt, nicht
selten eine Odyssee durchlaufen haben. Die Aufsätze behandeln allgemeine Probleme wie den
von den Intellektuellen dieses Erlebnisraumes verkörperten Ideentransfer und berühren
darüber hinaus Identifikationsprozesse zwischen Anpassung an den Westen und Rückgriff
auf den Osten.
Ausführlich eingegangen wird auf Manifeste des Holocaust-Gedenkens - integrale
Bestandteile literarischer oder wissenschaftlicher Hervorbringungen dieser Autoren - sowie
auf die dem Nationalsozialismus und Stalinismus geltenden Totalitarismusanalysen von
Walther Rhode, Wilhelm Reich, Maximilien Rubel oder Manès Sperber. Ein Beitrag ist der
galizisch-bukowinischen Kafka-Rezeption, darunter jener durch Robert Flinker, gewidmet, in
anderen wird die Essayistik Erwin Chargaffs, Soma Morgensterns oder die Lyrik Alfred
Margul-Sperbers und Rose Ausländers befragt und interpretiert.
Mit profunder Sachkenntnis wird dabei der Nachweis dafür erbracht, wie unauslöschlich
der Zeugnischarakter dieser deutsch-jüdischen Literatur von einer Erfahrungsgeschichte
geprägt wurde, die an den ,Rändern Europas - in Regionen der Multikulturalität
und Mehrsprachigkeit - ihren Anfang nahm.
Professor Dr. Klaus Werner ist derzeit Gastprofessor an der Schlesischen Universität
Opava/Troppau in Tschechien. Neben seiner grenzüberschreitenden Lehrtätigkeit unter
anderem in Klausenburg, Rumänien, und Breslau hat er vornehmlich zur deutschen Literatur
nach 1945 sowie zur deutsch-jüdischen Literatur des 20. Jahrhunderts aus Ostmittel- und
Südosteuropa veröffentlicht.
(KK)
Literatur und Kunst
Dieter Schlesak
Gescheitertes Heimweh?
In der Calea Victoriei mietete ich ein Auto und fuhr über Ploiesti und durch die
Karpaten in meine Heimat Siebenbürgen. Ich sah zum Fenster hinaus - fern wie ein Hauch
der Baragan, die Steppe. Beim schnellen Fahren fiel mir auf, wie langsam sich die Ferne
bewegt, kulissenartig, während die Nähe rasend schnell vorbeirauschte und das Mitnehmen
des Straßenrandes im Blick bloß mit Mühe, als verwischte Spur nur gelang. Fernes
Donnern.
Beim Aussteigen eine fast schmerzhafte Empfindung der Frische. Würzige Bergluft,
Holzfeuergerüche, der Sternenhimmel. Also bin ich jetzt wirklich zu Hause? Doch der Druck
nahm eher zu, es war wie ein Krankheitsgefühl. Ich war getrennt von dieser Schönheit.
Was ist das für ein mysteriöses Leiden, das so laut und anklagend wird, daß der
Betroffene nicht mehr schweigen kann? Gescheitertes Heimweh, so kann man es doch nicht gut
nennen. Wobei die Schönheit der Karpaten jetzt wirklich um mich ist, Busteni ... Azuga
... Predeal ...
Erstaunlich, wie deutlich man die alte Grenze zwischen der Walachei und dem ehemaligen
mitteleuropäischen Siebenbürgen sieht, mit Händen greifen kann. Wie trist
die Landschaft doch bisher gewesen war, die Dörfer verkommen, grau. Jetzt ist alles viel
ordentlicher, bunter, sauberer.
Weiter, immer weiter nach Siebenbürgen hinein ... Mitten durch eine Abwesenheit: nach
Hause?
Ich kam in der ehemals siebenbürgendeutschen Stadt Sibiu/Hermannstadt gegen achtzehn Uhr
an, suchte die Strada Pedagogilor, wo das vom bundesdeutschen Innenministerium gestiftete
Altenheim Dr. Carl Wolf liegen soll und wo es ein Gästehaus gibt, in dem ich
angemeldet war.
Die Stadt wirkte sehr bewegt, an der Einfahrt gab es viel Reklame und eine Tankstelle nach
der anderen, Sibiu ist eine kleine balkanwestliche Großtadt geworden, das alte deutsche
Hermannstadt ist kaum mehr zu erkennen. Ein Busbahnhof, Gedränge, alles staubig und
heiß.
Endlich fand ich den westlich wirkenden Neubau jenseits des Zibins, parkte das Auto vor
dem stattlichen Bau und wurde auch gleich an der Pforte von einem Rollstuhlfahrer
empfangen, auch die Leiterin Frau Rhein war zur Stelle. In der Vorhalle saßen und standen
überall stille Gestalten, Alte, es war bald Essenszeit.
Das Zimmer mit Blick auf die hohen Gebirgszüge und auch auf die Stadt und in den
geräumigen Innenhof hatte etwas Paradiesisches, der aus dem Gebirge kommende Luftzug
erfrischte den erhitzten Körper. Der Innenhof mit Bänken und Grün, die Wohnungen neu,
alles wie eine reiche Oase.
Sibiu/Hermannstadt ist, obwohl es nur noch ca. 1300 Deutsche in einer Stadt von 170 000
Einwohnern gibt, fast wieder eine deutsche Stadt geworden, die den Bürgermeister Klaus
Johannis stellt. Es gibt weiter das Theologische Institut im Bischofspalais, ein Deutsches
Lyzeum mit 700 Schülern, davon über 95 Prozent Rumänen, eine Deutsche Zeitung, ein
Deutsches Theater, die Evangelische Akademie Siebenbürgen, das Deutsche Altenheim.
Ich esse am Großen Ring in der frischen Luft am Turm für knapp 15 Euro:
opulent, teurer roter Murfatlar gehört zum Menü. Und es kam mir in der ersten Naivität
alles wie selbstverständlich vor. Vielleicht aber wäre mir der Bissen Mici
im Hals steckengeblieben, wenn ich mich erinnert hätte, daß 15 Euro hier eine halbe
Rente sind.
Nachts dann im Dr. Carl Wolf Heim. Mir fiel dieses ungemein Stille, dieses
fast Schattenhafte der Alten auf, die meisten sind allein gebliebene Siebenbürger
Sachsen, deren Leben einer anderen Zeit angehört, als es noch sächsische Gemeinschaften,
Nachbarn in den Städten und Dörfern gab. Dieses Zurückgenommensein hier in einer so
gepflegten Umgebung hat etwas Schmerzhaftes an sich: Leben wie auf einer fernen Insel des
Gewesenen.
Zum 70. Geburtstag Dieter Schlesaks, Preisträger des OKR-Erzählerwettbewerbs, drucken
wir diesen Auszug aus seiner Transsylvanischen Reise (Edition Köln 2004).
(KK)
Heimkehr mit Bildern und Büchern
Armin Müller aus Schweidnitz stellt in Swidnica Gemälde aus und veröffentlicht
seinen Roman auf polnisch
Die Einladung, seine Bilder im polnischen Swidnica/Schweidnitz auszustellen,
bewegt Armin Müller tief. Ausgezeichnet mit dem Ehrendiplom seiner Geburtsstadt, wird der
75jährige Wahlweimarer heute mit seinen Gemälden einen Brückenschlag zum Land seiner
Kindheit vollziehen und die polnische Ausgabe vom Puppenkönig erleben. Wenn
ich an die Landschaft meiner Kindheit denke, sehe ich nicht nur die vertrauten
Silhouetten, Anblicke, die mich nie verlassen werden, dann sehe ich auch Bilder, wie sie
niemand fotografieren kann: Planwagen, die auf eine Furt zurollen, Spieße und
Landsknechtstrommeln, den Trauerzug hinterm Sarg des Vaters, die Wälder der
Vergangenheit. Es ist mir, als kehrte ich auf meine Weise, mit Bildern und Büchern, in
diese Wälder zurück.
In der Einladung zur Heimkehr sieht Armin Müller etwas Grundsätzliches:
Daß eine Stadt im polnisch gewordenen Schlesien einen ehemaligen Bürger, einen
Vertriebenen, auf diese Weise ehrt, ist, so glaube ich, bemerkenswert und hat etwas mit
einer geläuterten Sicht auf die Vergangenheit zu tun. Um die organisatorischen
Vorbereitungen hat sich das Europahaus Schloß Kromsdorf verdient gemacht.
Mit seinem letzten Roman vor der Wende, Der Puppenkönig und ich (wie der
Erzählungsband Klangholz und Meine schlesischen Gedichte im
Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Würzburg, erschienen) als Höhepunkt seines
epischen Schaffens machte Armin Müller seine eigene Geschichte zu Literatur. Betroffen
machte nicht die Bitterkelt der Rückschau, sondern deren mentale Bewältigung. Dieses nun
auch in dem Land zu vollziehen, das den Schauplatz der Auseinandersetzung mit der eigenen
Geschichte lieferte - das ist noch eine ganz andere Erfahrung für den sensiblen
Erzähler. Übersetzt von dem Lyriker Eugeniusz Wachowiak, wird die Geschichte vom
Puppenkönig und seinem Enkel, der seine Heimat hat verlassen müssen, auch den polnischen
Leser von heute nachdenklich machen.
Wenn Armin Müller also am heutigen Tag durch Swidnica, sein ehemaliges Schweidnitz, gehen
wird, wird er das wohl sehr langsam tun: Noch einmal die alten Wege gehen, noch
einmal den Blick zum Zobten wenden, noch einmal ins Dämmerlicht der Friedenskirche
treten, in deren unmittelbarer Nähe ich aufgewachsen bin und in der ich als Neunjähriger
die Trauerfeier für meinen Vater erlebte ... Die Friedenskirche, die viele von
Armin Müllers Ölbildern dominiert, von verfallenen Grabsteinen umstanden, auf denen
verwehte Träume tanzen.
Heimat indessen ist mehr als das Echo der Kindheit. In uns leben nicht nur
Erinnerungen, die wir selber haben. Da ist auch das, was wir manchmal nur noch leise
hören, Rufe aus der Tiefe der Geschichte, Lieder, die unsere Großmütter gesungen haben,
Legenden und Märchen ...
Von diesen erzählen Armin Müllers Bilder und Geschichten. Mit diesen kehrt er an ihren
Ursprung zurück.
Lilo Plaschke (KK)
Wer etwas besitzt, kann entspannter und großzügiger damit umgehen als der,
der es verloren hat
Kunsthistorische Tagung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen
Eine Reise an die Lausitzer Neiße ist, besonders für Teilnehmer vom Rhein und
aus Süddeutschland, lang und beschwerlich. Wer dorthin fuhr, wird sich gefragt haben,
warum die in Bonn ansässige Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in den
entferntesten Winkel des wiedervereinigten Deutschlands einlud, in das 1234 gegründete
Kloster Marienthal, bei Ostritz zwischen Görlitz und Zittau gelegen, wo heute nur noch 14
Zisterzienserinnen leben.
Der schlesiennahe Veranstaltungsort fand seine Begründung einmal darin, daß die
Exkursion am 17. Juni ins Hirschberger Tal auf den Spuren des in Hirschberg geborenen
Kunsthistorikers und schlesischen Landeskonservators bis 1945, Günther Grundmann
(1892-1976) und seiner Autobiographie Erlebter Jahre Widerschein (1972)
erfolgte, und dann in der Thematik der Tagung, die von 15. bis zum 17. Juni den
Kunsthistorikern und Denkmalpflegern des Ostens gewidmet war, womit die aus
dem Baltikum stammenden wie Georg Dehio (1850-1932) einbezogen waren. Ein drittes Motiv
scheint zusätzlich ausschlaggebend gewesen zu sein: Die Kunsthistoriker, Denkmalpfleger
und Kunstliebhaber, die die Schätze ostdeutscher Städte, Sakralbauten wie den
Königsberger Dom und Profanbauten wie die Marienburg in Westpreußen noch aus deutscher
Zeit kennen, sind fast ausgestorben, fast 60 Jahre nach Kriegsende. Man wird sich also
überlegen müssen, wie die Erforschung des ostdeutschen Kulturerbes, das, was Kirchen und
Schlösser betrifft, seit 1945 außerhalb der Landesgrenzen liegt, weiterbetrieben werden
kann, zumal, wie Christine Czaja, die stellvertretende Vorsitzende der Stiftung,
einleitend erklärte, in Bonn nur noch eine geschrumpfte Geschäftsstelle
bestehe, nachdem im Jahr 2000 die gesamte institutionelle Bundesförderung gestrichen
worden ist.
Warum dieser ostdeutsche Beitrag zur deutschen Kunst und Kunstgeschichte wichtig ist, ging
aus den Überlegungen zur Thematik hervor, die der 1928 in Pommern geborene,
heute in Kopenhagen lebende Kunsthistoriker Prof. Dr. Dr. Gerhard Eimer, eine Koryphäe
auf seinem Gebiet, vortrug. Er gab zu bedenken, daß ein belgischer Ausstellungskatalog
von 1985 dem vollzogenen Wiederaufbau zerstörter Kunstdenkmäler des Ersten, nicht des
Zweiten Weltkriegs gewidmet war.
Heute habe man, im Gegensatz zum Sekuritätsdenken des ausgehenden 19.
Jahrhunderts, das von einem statischen Denkmalbestand ausgegangen sei,
ein anderes Verhältnis zum überlieferten Kunstgut, wofür der Referent drei Beispiele
bot: Das Berliner Stadtschloß der Hohenzollern wie die Leipziger Universitätskirche
seien von den Kommunisten in Mitteldeutschland gesprengt worden, vermutlich als feudale
und klerikale Relikte, die nicht in die neue Zeit gepaßt hätten, während
andererseits die Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in West-Berlin als Mahnmal an
den Krieg stehengeblieben sei. Ganz anders die geschichtsbewußten Polen, die das völlig
zerstörte Warschau nach 1945 wiederaufgebaut haben. Deshalb könne die polnische
Kunsthistorikerin Maria Ka³amajska-Saeed von der Schuld sprechen, die wir
gegenüber dem kulturellen deutschen Erbe in uns tragen.
Die ostdeutschen Kunstgeschichtsforschung habe 1945 ihre gesamte Infrastruktur verloren,
wie Landesmuseen, Denkmäler, Landschaftsverbände, Fördervereine, Stiftungen. Das habe
dazu geführt, daß das ostdeutsche Kunsterbe in Westdeutschland zur terra incognita
geworden sei, schlimmer noch, wer sein Dissertationsthema aus diesem Bereich wählte,
konnte sich die Karriere verderben.
Insgesamt wurden in diesen anderthalb Tagen vor der Schlesienfahrt 15 Vorträge angeboten,
eine Fülle von Informationen, die selbst für einen Fachmann nicht leicht zu bewältigen
war. So wurden von deutschen und polnischen Referenten eine Reihe ostdeutscher
Kunsthistoriker vorgestellt, deren Namen heute, so scheint es, fast vergessen sind:
Ferdinand von Quast (Christofer Herrmann aus Allenstein), Conrad Steinbrecht (Kazimierz
Pospiezny aus Marienburg), Bernhard Schmid (Artur Dobry aus Marienburg), Georg Dehio
(Ingrid Scheurmann aus Bonn), Dagbert Frey (Beate Störtkuhl aus Oldenburg), Günther
Grundmann (Friedhelm Grundmann aus Hamburg) und Willi Drost (Wolfgang Drost aus Siegen).
Hier mußte freilich auch dem Laien auffallen, daß die Erforschung ostdeutscher Kunst,
was auch für andere historische Disziplinen gilt, in den letzten Jahren zunehmend in
polnische Hände übergegangen ist. Die 1945 verlorenen Ostprovinzen wurden so nachhaltig
aus dem Gedächtnis der Nachkriegsdeutschen getilgt, daß polnische Kunsthistoriker heute
kaum noch Ansprechpartner in Deutschland finden. So merkte man den Referenten, die über
polnische Leistungen beim Aufbau der Marienburg oder des zerstörten Danzig sprachen,
durchaus Stolz über das Erreichte an. Wer etwas besitzt, kann entspannter und
großzügiger damit umgehen als der, der es verloren hat!
Selbstverständlich durfte in der Reihe der Vorträge einer über Ernst Moritz Arndt
(1769-1860) und Franz Kugler als pommersche Begründer des Fachs
Kunstgeschichte nicht fehlen, ein Thema, dessen sich ihr pommerscher Landsmann
Gerhard Eimer annahm. Er konnte darauf verweisen, daß die Einrichtung des Faches schon
Ende des 18. Jahrhunderts von Ernst Moritz Arndt, sonst nur als Historiker und politischer
Publizist bekannt, betrieben worden war, und zwar an der Universität der zu Vorpommern
und damit seit 1648 zum Königreich Schweden gehörenden Stadt Greifswald. Schließlich
erschien 1801 in Leipzig Arndts dreibändiges Werk Reise durch einen Teil
Deutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799 mit
zahlreichen kunstgeschichtlichen Beobachtungen, und im Vorlesungsverzeichnis von 1800/01
war angekündigt seine Geschichte von Italien. Vorzüglich in Rücksicht auf die
Aufblühung der neueren Kunst.
Die schlesische Kunstgeschichte wurde aus polnischer und deutscher Sicht behandelt, wobei
Marian Kutzner aus Posen die beiden Kunsthistoriker Dagobert Frey und Mieczys³aw
Gembarowicz, beide Schüler Max Dvoraks aus Wien, miteinander verglich, während Idis B.
Hartmann aus Oldenburg Aspekte des Umgangs mit dem Kulturerbe Schlesiens im 20.
Jahrhundert darstellte. Sie erinnerte daran, daß schlesische Kunstwerke 1945 im
neuen Nachkriegspolen verblieben seien, während die Künstler selbst in den beiden
deutschen Staaten lebten. Folglich seien die nach Polen eingemeindeten preußischen
Provinzen Gebiete mit doppelter Kultur, einer autochthon deutschen, die von
der polnischen überlagert würde. Der dritte auf Schlesien bezogene Vortrag von Johanna
Brade aus Görlitz war der Breslauer Akademie 1900-1932 gewidmet, über die
jetzt im Schlesischen Museum zu Görlitz eine Ausstellung gezeigt wird.
Über Kunstgeschichte in der DDR sprach Christine Kratzke aus Leipzig, die
sich auf die Aufzählung von Namen, Daten, Publikationen, Instituten, Vorlesungen
beschränkte und der Wertung enthielt. Hier sollte angemerkt werden, daß im und über das
Fach Kunstgeschichte in einer Diktatur anders zu reden ist als in einer Demokratie. Das
Fach war, was nicht gesagt wurde, stark ideologisiert mit Pressionen auf Forschung und
Lehre, auf Professoren und Studenten.
Der letzte Tag dieser höchst anregenden Tagung, deren Referate man bald nachlesen
möchte, führte die Teilnehmer zunächst ins Stift Joachimstein, vormals Alterssitz
adliger Fräulein, dann nach Boberröhrsdorf im Hirschberger Tal, wo Malereien aus dem 14.
Jahrhundert zu sehen waren. In Hirschberg selbst wurden Ring und Rathaus besucht, in
Stonsdorf, dem Ort mit Heilkräutertradition, der Herrensitz und in Bad Warmbrunn die
evangelische Kirche mit ihrer prächtigen Rokokoausstattung sowie die Holzschnitzerschule,
an der einst auch Günter Grundmann wirkte.
Jörg Bernhard Bilke (KK)
Aktiver Gegenpol gegen den Aktionismus
Der aus Preßburg stammende Wiener Künstler Christian Ludwig Attersee wurde mit dem
Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde ausgezeichnet
Der traditionsreichen Lovis-Corinth-Preis für bildende Kunst der Künstlergilde
wurde am 18. Juli im Kunstforum Ostdeutsche Galerie dem Maler Christian Ludwig Attersee
überreicht, dessen Ausstellung großformatiger Bilder Rechnung zur Braut
zugleich eröffnet wurde und bis zum 29. August zu sehen ist.
Der 1940 in Preßburg/Slowakei geborene Christian Ludwig Attersee übersiedelte 1944 nach
Österreich. Er lebt heute in Wien und am Semmering in Niederösterreich. Attersee
verbrachte seine Jugend in Aschach bei Linz und am Attersee in Oberösterreich und war
einer der großen Segelsportler Österreichs - daher das Pseudonym Attersee.
Er machte sich nicht nur als bildender Künstler, sondern auch als Musiker,
Schriftsteller, Objektmacher, Designer, Bühnenbildner und Filmemacher einen Namen.
Attersee gilt aber vor allem als einer der bedeutendsten Vertreter der gegenständlichen
Malerei Europas der letzten vierzig Jahre. Er ist ein Einzelgänger in fast allen
Bereichen der bildenden Kunst.
Erste Ausstellungen ab Mitte der sechziger Jahre bringen Erfolg, auch die Freundschaft und
Zusammenarbeit mit Künstlern wie Günter Brus, Gotthard Graubner, Jörg Immendorff,
Markus Lüpertz, Hermann Nitsch, Walter Pichler, Dieter Roth, Gerhard Rühm, Oswald Wiener
und anderen. Seit Attersees ersten Gegenstandserfindungen (1964-66) im Bereich der Erotik
und des Alltags gilt er als eigenständiger Mitbestimmer der europäischen Pop Art.
Attersee ist der große Einzelgänger der österreichischen Kunst der sechziger Jahre, ein
Gegenpol zum Wiener Aktionismus. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ist Attersee
die Gründerfigur der Neuen Österreichischen Malerei. 1984 vertritt er
Österreich mit herausragendem Erfolg an der Biennale di Venezia. Über 350
Einzelausstellungen in vielen Ländern Europas und der USA belegen seine internationale
Präsenz. Seit 1990 ist der Professor für Malerei, Animationsfilm und Tapisserie an der
Universität für Angewandte Kunst in Wien tätig.
1998 wird er mit dem großen Österreichischen Staatspreis für Kunst ausgezeichnet. 2002
präsentiert das Stedelijk-Museum in Amsterdam in einer umfangreichen Retrospektive das
Werk Attersees.
(KK)
KK-Notizbuch
Leben nach dem Überleben hieß das Motto. Flucht und
Vertreibung im Rückblick Betroffener als bewahrende Erinnerung und als Mittel zur
Völkerverständigung war das Thema des 25. Erzählerwettbewerbs der Stiftung
Ostdeutscher Kulturrat, der 2004, gefördert vom Bundesministerium des Innern,
durchgeführt wurde.
Mit 66 eingereichten Beiträgen erreichte auch diese Ausschreibung wieder ein vielseitiges
Echo und regen Zuspruch. Es beteiligten sich Autoren aus dem In- und Ausland.
Aus Anlaß der Bekanntgabe des Ergebnisses findet im Haus der Geschichte in Bonn am 23.
Oktober um 15 Uhr eine Feierstunde statt, die mit einer Lesung aus den besten Arbeiten
verbunden ist. Zu dieser Preisverleihung und zur Begegnung mit den Preisträgern wird
herzlich eingeladen.
Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg zeigt nach der
Ausstellung mit Werken des diesjährigen Lovis-Corinth-Preisträgers Christian Ludwig
Attersee vom 7. September bis zum 31. Oktober eine vierte Auflage der Sammlung im
Verborgenen, und zwar Kunst nach 1945 zwischen Abstraktion und Gegenstand
aus den eigenen Beständen. Diese Schau im Kuppelsaal des Museums beschäftigt sich mit
unterschiedlichen Positionen und Tendenzen nach 1945, zum einen dem Weg in die Abstraktion
und zum anderen jenem der gegenständlichen Malerei. Werke unter anderem von Rolf Cavael,
Gerhard Fietz, Heinrich Klumbies, Hans Albert Walter und von Ida Kerkovius, Oskar Moll,
Max Pechstein, Horst Strempel dokumentieren anschaulich diese zwei diametral
entgegengesetzten Richtungen. Die Gemälde sind vor Ort näher beschrieben.
Gerhart-Hauptmann-Häuser gibt es in Deutschland und in Polen. Die
Fördervereine der deutschen und polnischen Einrichtungen haben nun im schlesischen
Agnetendorf (Jagniatow) eine Vereinbarung zur engeren Zusammenarbeit unterzeichnet. Mit
dem deutsch-polnischen Gemeinschaftswerk solle einen Brücke zwischen den Nationen
geschlagen und das Erbe des Dichters Gerhart Hauptmann bewahrt werden. An sein Wirken
erinnern Häuser in Erkner, auf Hiddensee und in Agnetendorf.
Bis zum 24. September zeigt das Polnische Institut Düsseldorf in seiner
Galerie eine Dokumentarausstellung zum 60. Jahrestag des Warschauer Aufstands 1944
unter dem Titel Das größte Trauma der polnischen Zeitgeschichte.
Mittlerweile haben sich nach der ausfälligen polnischen Kritik an der Veranstaltung des
BdV anläßlich dieses Ereignisses in Berlin auch aus Polen moderate Stimmen gemeldet, die
jedem Gedenken einen Wert an sich zuerkennen und den Vertriebenen das Recht dazu nicht
länger absprechen.
Erstmals in der 121jährigen Geschichte des Prager Nationaltheaters wird
auf Tschechiens führender Bühne offiziell ein deutschsprachiges Theaterstück
aufgeführt: Am 31. Oktober gastiert dort das Wiener Burgtheater mit Das Werk
von Elfriede Jelinek während des Prager Theaterfestivals Deutscher Sprache, dessen
neunter Jahrgang vom 23. Oktober bis zum 7. November über die Bühnen der Stadt geht.
Elfriede Jelinek wird am Tag nach der Aufführung vom Prager Oberbürgermeister Pavel Bem
mit dem Franz-Kafka-Literaturpreis ausgezeichnet.
Das seit 1996 stattfindende Festival steht unter der Schirmherrschaft der Präsidenten von
Deutschland, Österreich, Tschechien und der Schweiz. Der Etat in Höhe von rund 550 000
Euro wird weitgehend vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, dem tschechischen
Kulturministerium und privaten Sponsoren gedeckt.
Der Eingang zum berühmten Restaurant Blutgericht unter dem
gesprengten Königschloß in Königsberg, heute Kaliningrad, ist gefunden
worden. Der Keller unter dem Westflügel soll komplett freigelegt werden. Später
soll die Schloßruine konserviert werden, berichtet der deutschsprachige
Königsberger Expreß. Das Blutgericht war eine berühmte
Weinstube mit großen Weinkellern und gemütlichen Räumen.
Ebenfalls dem Königsberger Expreß entnehmen wir die Nachricht von der
Eröffnung der Tage der Kultur von Rußlanddeutschen in
Königsberg und dem Umland.
(KK)