IStGH-Statut
Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes
Teil 1: Errichtung des Gerichtshofs
Artikel 1 - Der Gerichtshof
Artikel 2 - Verhältnis des Gerichtshofs zu den Vereinten Nationen
Artikel 3 - Sitz des Gerichtshofs
Artikel 4 - Rechtsstellung und Befugnisse des Gerichtshofs
Teil 2: Gerichtsbarkeit, Zulässigkeit und anwendbares Recht
Artikel 5 - Der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende
Verbrechen
Artikel 6 - Völkermord
Artikel 7 - Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Artikel 8 - Kriegsverbrechen
Artikel 9 - Verbrechenselemente
Artikel 10 -
Artikel 11 - Gerichtsbarkeit ratione temporis
Artikel 12 - Voraussetzungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit
Artikel 13 - Ausübung der Gerichtsbarkeit
Artikel 14 - Unterbreitung einer Situation durch einen Vertragsstaat
Artikel 15 - Ankläger
Artikel 16 - Aufschub der Ermittlungen oder der Strafverfolgung
Artikel 17 - Fragen der Zulässigkeit
Artikel 18 - Vorläufige Entscheidungen betreffend die Zulässigkeit
Artikel 19 - Anfechtung der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs oder der
Zulässigkeit einer Sache
Artikel 20 - Ne bis in idem
Artikel 21 - Anwendbares Recht
Teil 3: Allgemeine Grundsätze des Strafrechts
Artikel 22 - Nullum crimen sine lege
Artikel 23 - Nulla poena sine lege
Artikel 24 - Rückwirkungsverbot ratione personae
Artikel 25 - Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit
Artikel 26 - Ausschluß der Gerichtsbarkeit über Personen unter achtzehn
Jahren
Artikel 27 - Unerheblichkeit der amtlichen Eigenschaft
Artikel 28 - Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber und anderer
Vorgesetzter
Artikel 29 - Nichtanwendbarkeit von Verjährungsvorschriften
Artikel 30 - Subjektive Tatbestandsmerkmale
Artikel 31 - Gründe für den Ausschluß der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit
Artikel 32 - Tat- oder Rechtsirrtum
Artikel 33 - Anordnungen Vorgesetzter und gesetzliche Vorschriften
Teil 4: Zusammensetzung und Verwaltung des Gerichtshofs
Artikel 34 - Organe des Gerichtshofs
Artikel 35 - Richteramt
Artikel 36 - Befähigung, Benennung und Wahl der Richter
Artikel 37 - Frei gewordene Sitze
Artikel 38 - Präsidium
Artikel 39 - Kammern
Artikel 40 - Unabhängigkeit der Richter
Artikel 41 - Freistellung und Ausschluß von Richtern
Artikel 42 - Anklagebehörde
Artikel 43 - Kanzlei
Artikel 44 - Personal
Artikel 45 - Feierliches Versprechen
Artikel 46 - Amtsenthebung
Artikel 47 - Disziplinarmaßnahmen
Artikel 48 - Vorrechte und Immunitäten
Artikel 49 - Gehälter, Zulagen und Aufwandsentschädigung
Artikel 50 - Amts- und Arbeitssprachen
Artikel 51 - Verfahrens- und Beweisordnung
Artikel 52 - Geschäftsordnung des Gerichtshofs
Teil 5: Ermittlungen und Strafverfolgung
Artikel 53 - Einleitung von Ermittlungen
Artikel 54 - Pflichten und Befugnisse des Anklägers bei Ermittlungen
Artikel 55 - Rechte der Personen während der Ermittlungen
Artikel 56 - Rolle der Vorverfahrenskammer bei einer einmaligen Gelegenheit zu
Ermittlungsmaßnahmen
Artikel 57 - Aufgaben und Befugnisse der Vorverfahrenskammer
Artikel 58 - Erlaß eines Haftbefehls oder einer Ladung durch die Vorverfahrenskammer
Artikel 59 - Festnahmeverfahren im Gewahrsamsstaat
Artikel 60 - Einleitende Verfahrensschritte vor dem Gerichtshof
Artikel 61 - Bestätigung der Anklage vor dem Hauptverfahren
Teil 6: Hauptverfahren
Artikel 62 - Ort des Hauptverfahrens
Artikel 63 - Verhandlung in Anwesenheit des Angeklagten
Artikel 64 - Aufgaben und Befugnisse der Hauptverfahrenskammer
Artikel 65 - Verfahren nach einem Geständnis
Artikel 66 - Unschuldsvermutung
Artikel 67 - Rechte des Angeklagten
Artikel 68 - Schutz der Opfer und Zeugen und ihre Teilnahme am
Verfahren
Artikel 69 - Beweismittel
Artikel 70 - Straftaten gegen die Rechtspflege
Artikel 71 - Strafmaßnahmen wegen ordnungswidrigen Verhaltens vor Gericht
Artikel 72 - Schutz von Informationen betreffend die nationale Sicherheit
Artikel 73 - Informationen oder Unterlagen von Dritten
Artikel 74 - Anforderungen an das Urteil
Artikel 75 - Wiedergutmachung für die Opfer
Artikel 76 - Strafspruch
Teil 7: Strafen
Artikel 77 - Anwendbare Strafen
Artikel 78 - Festsetzung der Strafe
Artikel 79 - Treuhandfonds
Artikel 80 - Unberührtheit der einzelstaatlichen Anwendung von
Strafen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften
Teil 8: Berufung und Wiederaufnahme
Artikel 81 - Berufung gegen Frei- oder Schuldspruch oder gegen
den Strafspruch
Artikel 82 - Beschwerde gegen sonstige Entscheidungen
Artikel 83 - Berufungsverfahren
Artikel 84 - Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des
Schuldspruchs oder des Strafspruchs
Artikel 85 - Entschädigung an Festgenommene oder Verurteilte
Teil 9: Internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe
Artikel 86 - Allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit
Artikel 87 - Ersuchen um Zusammenarbeit: Allgemeine Bestimmungen
Artikel 88 - Nach innerstaatlichem Recht zur Verfügung stehende
Verfahren
Artikel 89 - Überstellung von Personen an den Gerichtshof
Artikel 90 - Konkurrierende Ersuchen
Artikel 91 - Inhalt des Festnahme- und Überstellungsersuchens
Artikel 92 - Vorläufige Festnahme
Artikel 93 - Andere Formen der Zusammenarbeit
Artikel 94 - Aufschub der Erledigung eines Ersuchens wegen laufender
Ermittlungen oder laufender Strafverfolgung
Artikel 95 - Aufschub der Erledigung eines Ersuchens wegen Anfechtung
der Zulässigkeit
Artikel 96 - Inhalt eines Ersuchens um andere Formen der Rechtshilfe
nach Artikel 93 -
Artikel 97 - Konsultationen
Artikel 98 - Zusammenarbeit im Hinblick auf den Verzicht auf
Immunität und die Zustimmung zur Überstellung
Artikel 99 - Erledigung von Ersuchen nach den Artikeln 93 und 96
Artikel 100 - Kosten
Artikel 101 - Grundsatz der Spezialität
Artikel 102 - Begriffsbestimmungen
Teil 10: Vollstreckung
Artikel 103 - Rolle der Staaten bei der Vollstreckung von
Freiheitsstrafen
Artikel 104 - Wechsel der Bestimmung des Vollstreckungsstaats
Artikel 105 - Vollstreckung der Strafe
Artikel 106 - Aufsicht über die Strafvollstreckung und
Haftbedingungen
Artikel 107 - Verbringung einer Person nach verbüßter Strafe
Artikel 108 - Einschränkung der Strafverfolgung oder Bestrafung wegen
anderer Straftaten
Artikel 109 - Vollstreckung von Geldstrafen und Einziehungsanordnungen
Artikel 110 - Überprüfung einer Herabsetzung des Strafmaßes durch
den Gerichtshof
Artikel 111 - Flucht
Teil 11: Versammlung der Vertragsstaaten
Artikel 112 - Versammlung der Vertragsstaaten
Teil 12: Finanzierung
Artikel 113 - Finanzvorschriften
Artikel 114 - Kostenregelung
Artikel 115 - Finanzielle Mittel des Gerichtshofs und der Versammlung
der Vertragsstaaten
Artikel 116 - Freiwillige Beiträge
Artikel 117 - Beitragsberechnung
Artikel 118 - Jährliche Rechnungsprüfung
Teil 13: Schlußbestimmungen
Artikel 119 - Beilegung von Streitigkeiten
Artikel 120 - Vorbehalte
Artikel 121 - Änderungen
Artikel 122 - Änderungen der institutionellen Bestimmungen
Artikel 123 - Überprüfung des Statuts
Artikel 124 - Übergangsbestimmung
Artikel 125 - Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder
Beitritt
Artikel 126 - Inkrafttreten
Artikel 127 - Rücktritt
Artikel 128 - Verbindliche Wortlaute
Amtliche Übersetzung DEUTSCH
VEREINTE NATIONEN A/CONF.183/9 17. Juli 1998
Original: ARABISCH / CHINESISCH / ENGLISCH / FRANZÖSISCH / RUSSISCH / SPANISCH
RÖMISCHES STATUT DES INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOFS*
Die Vertragsstaaten dieses Statuts
im Bewußtsein, daß alle Völker durch gemeinsame Bande verbunden sind und ihre Kulturen ein gemeinsames Erbe bilden, und besorgt darüber, daß dieses zerbrechliche Mosaik jederzeit zerstört werden kann,
eingedenk dessen, daß in diesem Jahrhundert Millionen von Kindern, Frauen und Männern Opfer unvorstellbarer Greueltaten geworden sind, die das Gewissen der Menschheit zutiefst erschüttern,
in der Erkenntnis, daß solche schweren Verbrechen den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt bedrohen,
bekräftigend, daß die schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, nicht unbestraft bleiben dürfen und daß ihre wirksame Verfolgung durch Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene und durch verstärkte internationale Zusammenarbeit gewährleistet werden muß,
entschlossen, der Straflosigkeit der Täter ein Ende zu setzen und so zur Verhütung solcher Verbrechen beizutragen,
daran erinnernd, daß es die Pflicht eines jeden Staates ist, seine Strafgerichtsbarkeit über die für internationale Verbrechen Verantwortlichen auszuüben,
in Bekräftigung der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und insbesondere des Grundsatzes, daß alle Staaten jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen haben,
in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hinweisend, daß dieses Statut nicht so auszulegen ist, als ermächtige es einen Vertragsstaat, in einen bewaffneten Konflikt oder in die inneren Angelegenheiten eines Staates einzugreifen,
im festen Willen, zu diesem Zweck und um der heutigen und der künftigen Generationen willen einen mit dem System der Vereinten Nationen in Beziehung stehenden unabhängigen ständigen Internationalen Strafgerichtshof zu errichten, der Gerichtsbarkeit über die schwersten Verbrechen hat, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren,
nachdrücklich darauf hinweisend, daß der aufgrund dieses Statuts errichtete Internationale Strafgerichtshof die innerstaatliche Strafgerichtsbarkeit ergänzt,
entschlossen, die Achtung und die Durchsetzung der internationalen Rechtspflege dauerhaft zu gewährleisten -
sind wie folgt übereingekommen:
Teil 1: Errichtung des Gerichtshofs
Artikel 1 - Der Gerichtshof
Hiermit wird der Internationale Strafgerichtshof ( Gerichtshof)
errichtet. Der Gerichtshof ist eine ständige Einrichtung und ist befugt, seine
Gerichtsbarkeit über Personen wegen der in diesem Statut genannten schwersten Verbrechen
von internationalem Belang auszuüben; er ergänzt die innerstaatliche
Strafgerichtsbarkeit. Die Zuständigkeit und die Arbeitsweise des Gerichtshofs werden
durch dieses Statut geregelt.
Artikel 2 - Verhältnis des Gerichtshofs zu den Vereinten
Nationen
Der Gerichtshof wird durch ein Abkommen, das von der Versammlung der
Vertragsstaaten dieses Statuts zu genehmigen und danach vom Präsidenten des Gerichtshofs
in dessen Namen zu schließen ist, mit den Vereinten Nationen in Beziehung gebracht.
Artikel 3 - Sitz des Gerichtshofs
(1) Sitz des Gerichtshofs ist Den Haag in den Niederlanden (
Gaststaat).
(2) Der Gerichtshof schließt mit dem Gaststaat ein Sitzabkommen, das von der Versammlung
der Vertragsstaaten zu genehmigen und danach vom Präsidenten des Gerichtshofs in dessen
Namen zu schließen ist.
(3) Der Gerichtshof kann, wie in diesem Statut vorgesehen, an einem anderen Ort tagen,
wenn er dies für wünschenswert hält.
Artikel 4 - Rechtsstellung und Befugnisse des Gerichtshofs
(1) Der Gerichtshof besitzt Völkerrechtspersönlichkeit. Er besitzt außerdem
die Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben und zur
Verwirklichung seiner Ziele erforderlich ist.
(2) Der Gerichtshof kann seine Aufgaben und Befugnisse, wie in diesem Statut vorgesehen,
im Hoheitsgebiet eines jeden Vertragsstaats und nach Maßgabe einer besonderen
Übereinkunft im Hoheitsgebiet eines jeden anderen Staates wahrnehmen.
Teil 2: Gerichtsbarkeit, Zulässigkeit und anwendbares Recht
Artikel 5 - Der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende
Verbrechen
(1) Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs ist auf die schwersten Verbrechen
beschränkt, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren. Die
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erstreckt sich in Übereinstimmung mit diesem Statut auf
folgende Verbrechen:
a) das Verbrechen des Völkermords;
b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit;
c) Kriegsverbrechen;
d) das Verbrechen der Aggression.
(2) Der Gerichtshof übt die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression aus,
sobald in Übereinstimmung mit den Artikeln 121 und 123
eine Bestimmung angenommen worden ist, die das Verbrechen definiert und die Bedingungen
für die Ausübung der Gerichtsbarkeit im Hinblick auf dieses Verbrechen festlegt. Diese
Bestimmung muß mit den einschlägigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen
vereinbar sein.
Artikel 6 - Völkermord
Im Sinne dieses Statuts bedeutet Völkermord jede der folgenden
Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder
religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der
Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind,
ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe
gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
Artikel 7 - Verbrechen gegen die Menschlichkeit
(1) Im Sinne dieses Statuts bedeutet Verbrechen gegen die
Menschlichkeit jede der folgenden Handlungen, die im Rahmen eines ausgedehnten oder
systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen
wird:
a) vorsätzliche Tötung;
b) Ausrottung;
c) Versklavung;
d) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung;
e) Freiheitsentzug oder sonstige schwer wiegende Beraubung der körperlichen Freiheit
unter Verstoß gegen die Grundregeln des Völkerrechts;
f) Folter;
g) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene
Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von
vergleichbarer Schwere;
h) Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen,
rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, Gründen des
Geschlechts im Sinne des Absatzes 3 oder aus anderen nach dem Völkerrecht universell als
unzulässig anerkannten Gründen im Zusammenhang mit einer in diesem Absatz genannten
Handlung oder einem der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen;
i) zwangsweises Verschwindenlassen von Personen;
j) das Verbrechen der Apartheid;
k) andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, mit denen vorsätzlich große Leiden
oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen
oder körperlichen Gesundheit verursacht werden.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
a) bedeutet Angriff gegen die Zivilbevölkerung eine Verhaltensweise, die mit
der mehrfachen Begehung der in Absatz 1 genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung
verbunden ist, in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer
Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat;
b) umfaßt Ausrottung die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen -
unter anderem das Vorenthalten des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medikamenten - , die
geeignet sind, die Vernichtung eines Teiles der Bevölkerung herbeizuführen;
c) bedeutet Versklavung die Ausübung aller oder einzelner mit einem
Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse und umfaßt die Ausübung dieser
Befugnisse im Rahmen des Handels mit Menschen, insbesondere mit Frauen und Kindern;
d) bedeutet Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung die
erzwungene, völkerrechtlich unzulässige Verbringung der betroffenen Personen durch
Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig
aufhalten;
e) bedeutet Folter, daß einer im Gewahrsam oder unter der Kontrolle des
Beschuldigten befindlichen Person vorsätzlich große körperliche oder seelische
Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; Folter umfaßt jedoch nicht Schmerzen oder Leiden,
die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit
verbunden sind;
f) bedeutet erzwungene Schwangerschaft die rechtswidrige Gefangenhaltung
einer zwangsweise geschwängerten Frau in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer
Bevölkerung zu beeinflussen oder andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu
begehen. Diese Begriffsbestimmung ist nicht so auszulegen, als berühre sie
innerstaatliche Gesetze in Bezug auf Schwangerschaft;
g) bedeutet Verfolgung den völkerrechtswidrigen, vorsätzlichen und schwer
wiegenden Entzug von Grundrechten wegen der Identität einer Gruppe oder Gemeinschaft;
h) bedeutet Verbrechen der Apartheid unmenschliche Handlungen ähnlicher Art
wie die in Absatz 1 genannten, die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem
institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder
mehrerer anderer rassischer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime
aufrechtzuerhalten;
i) bedeutet zwangsweises Verschwindenlassen von Personen die Festnahme, den
Entzug der Freiheit oder die Entführung von Personen durch einen Staat oder eine
politische Organisation oder mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates
oder der Organisation, gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen
oder Auskunft über das Schicksal oder den Verbleib dieser Personen zu erteilen, in der
Absicht, sie für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen.
(3) Im Sinne dieses Statuts bezieht sich der Ausdruck
Geschlecht auf beide Geschlechter, das männliche und das weibliche, im
gesellschaftlichen Zusammenhang. Er hat keine andere als die vorgenannte Bedeutung.
Artikel 8 - Kriegsverbrechen
(1) Der Gerichtshof hat Gerichtsbarkeit in Bezug auf Kriegsverbrechen,
insbesondere wenn diese als Teil eines Planes oder einer Politik oder als Teil der
Begehung solcher Verbrechen in großem Umfang verübt werden.
(2) Im Sinne dieses Statuts bedeutet Kriegsverbrechen
a) schwere Verletzungen der Genfer Abkommen vom 12. August 1949, nämlich jede der
folgenden Handlungen gegen die nach dem jeweiligen Genfer Abkommen geschützten Personen
oder Güter:
-i) vorsätzliche Tötung;
-ii) Folter oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche;
-iii) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der
körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit;
-iv) Zerstörung und Aneignung von Eigentum in großem Ausmaß, die durch militärische
Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und rechtswidrig und willkürlich vorgenommen
werden;
-v) Nötigung eines Kriegsgefangenen oder einer anderen geschützten Person zur
Dienstleistung in den Streitkräften einer feindlichen Macht;
-vi) vorsätzlicher Entzug des Rechts eines Kriegsgefangenen oder einer anderen
geschützten Person auf ein unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren;
-vii) rechtswidrige Vertreibung oder Überführung oder rechtswidrige Gefangenhaltung;
-viii) Geiselnahme;
b) andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des
Völkerrechts im internationalen bewaffneten Konflikt anwendbaren Gesetze und Gebräuche,
nämlich jede der folgenden Handlungen:
-i) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne
Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen;
-ii) vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte, das heißt auf Objekte, die nicht
militärische Ziele sind;
-iii) vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder
Fahrzeuge, die an einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden Mission in
Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie
Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem
internationalen Recht des bewaffneten Konflikts gewährt wird;
-iv) vorsätzliches Führen eines Angriffs in der Kenntnis, daß dieser auch Verluste an
Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder
weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen
wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und
unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;
-v) der Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, die nicht
militärische Ziele sind, oder deren Beschießung, gleichviel mit welchen Mitteln;
-vi) die Tötung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen Kombattanten,
der sich auf Gnade oder Ungnade ergeben hat;
-vii) der Mißbrauch der Parlamentärflagge, der Flagge oder der militärischen Abzeichen
oder der Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen sowie der Schutzzeichen der
Genfer Abkommen, wodurch Tod oder schwere Verletzungen verursacht werden;
-viii) die unmittelbare oder mittelbare Überführung durch die Besatzungsmacht eines
Teiles ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet oder die Vertreibung
oder Überführung der Gesamtheit oder eines Teiles der Bevölkerung des besetzten Gebiets
innerhalb desselben oder aus diesem Gebiet;
-ix) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst,
der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler,
Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, sofern es nicht militärische
Ziele sind;
-x) die körperliche Verstümmelung von Personen, die sich in der Gewalt einer
gegnerischen Partei befinden, oder die Vornahme medizinischer oder wissenschaftlicher
Versuche jeder Art an diesen Personen, die nicht durch deren ärztliche, zahnärztliche
oder Krankenhausbehandlung gerechtfertigt sind oder in ihrem Interesse durchgeführt
werden und die zu ihrem Tod führen oder ihre Gesundheit ernsthaft gefährden;
-xi) die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes
oder Heeres;
-xii) die Erklärung, daß kein Pardon gegeben wird;
-xiii) die Zerstörung oder Beschlagnahme feindlichen Eigentums, sofern diese nicht durch
die Erfordernisse des Krieges zwingend geboten ist;
-xiv) die Erklärung, daß Rechte und Forderungen von Angehörigen der Gegenpartei
aufgehoben, zeitweilig ausgesetzt oder vor Gericht nicht einklagbar sind;
-xv) der Zwang gegen Angehörige der Gegenpartei, an den Kriegshandlungen gegen ihr
eigenes Land teilzunehmen, selbst wenn sie bereits vor Ausbruch des Krieges im Dienst des
Kriegführenden standen;
-xvi) die Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung, selbst wenn sie im Sturm genommen
wurde;
-xvii) die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen;
-xviii) die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller
ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen;
-xix) die Verwendung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen
oder flachdrücken, beispielsweise Geschosse mit einem harten Mantel, der den Kern nicht
ganz umschließt oder mit Einschnitten versehen ist;
-xx) die Verwendung von Waffen, Geschossen, Stoffen und Methoden der Kriegführung, die
geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen, oder die
unter Verstoß gegen das internationale Recht des bewaffneten Konflikts ihrer Natur nach
unterschiedslos wirken, vorausgesetzt, daß diese Waffen, Geschosse, Stoffe und Methoden
der Kriegführung Gegenstand eines umfassenden Verbots und aufgrund einer Änderung
entsprechend den einschlägigen Bestimmungen in den Artikeln 121 und 123 in einer Anlage dieses Statuts enthalten sind;
-xxi) die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere eine entwürdigende und
erniedrigende Behandlung;
-xxii) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene
Schwangerschaft im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f,
Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls eine schwere
Verletzung der Genfer Abkommen darstellt;
-xxiii) die Benutzung der Anwesenheit einer Zivilperson oder einer anderen geschützten
Person, um Kampfhandlungen von gewissen Punkten, Gebieten oder Streitkräften
fernzuhalten;
-xxiv) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material, Sanitätseinheiten,
Sanitätstransportmittel und Personal, die in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht mit
den Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen sind;
-xxv) das vorsätzliche Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegführung durch
das Vorenthalten der für sie lebensnotwendigen Gegenstände, einschließlich der
vorsätzlichen Behinderung von Hilfslieferungen, wie sie nach den Genfer Abkommen
vorgesehen sind;
-xxvi) die Zwangsverpflichtung oder Eingliederung von Kindern unter fünfzehn Jahren in
die nationalen Streitkräfte oder ihre Verwendung zur aktiven Teilnahme an
Feindseligkeiten;
c) im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter hat, schwere
Verstöße gegen den gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949,
nämlich die Verübung jeder der folgenden Handlungen gegen Personen, die nicht
unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Angehörigen der
Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit,
Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache außer Gefecht befindlich sind:
-i) Angriffe auf Leib und Leben, insbesondere vorsätzliche Tötung jeder Art,
Verstümmelung, grausame Behandlung und Folter;
-ii) die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, insbesondere entwürdigende und
erniedrigende Behandlung;
-iii) Geiselnahme;
-iv) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich
bestellten Gerichts, das die allgemein als unerläßlich anerkannten Rechtsgarantien
bietet;
d) Absatz 2 Buchstabe c findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen
internationalen Charakter haben, und somit nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen
wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen;
e) andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des
Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche im bewaffneten Konflikt, der keinen
internationalen Charakter hat, nämlich jede der folgenden Handlungen:
-i) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne
Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen;
-ii) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material, Sanitätseinheiten,
Sanitätstransportmittel und Personal, die in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht mit
den Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen sind;
-iii) vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder
Fahrzeuge, die an einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden Mission in
Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie
Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem
internationalen Recht des bewaffneten Konflikts gewährt wird;
-iv) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst,
der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler,
Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, sofern es nicht militärische
Ziele sind;
-v) die Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung, selbst wenn sie im Sturm genommen wurde;
-vi) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene
Schwangerschaft im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f,
Zwangssterilisation und jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls einen schweren
Verstoß gegen den gemeinsamen Artikel 3 der vier Genfer Abkommen darstellt;
-vii) die Zwangsverpflichtung oder Eingliederung von Kindern unter fünfzehn Jahren in
Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen oder ihre Verwendung zur aktiven Teilnahme an
Feindseligkeiten;
-viii) die Anordnung der Verlegung der Zivilbevölkerung aus Gründen im Zusammenhang mit
dem Konflikt, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betreffenden
Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist;
-ix) die meuchlerische Tötung oder Verwundung eines gegnerischen Kombattanten;
-x) die Erklärung, daß kein Pardon gegeben wird;
-xi) die körperliche Verstümmelung von Personen, die sich in der Gewalt einer anderen
Konfliktpartei befinden, oder die Vornahme medizinischer oder wissenschaftlicher Versuche
jeder Art an diesen Personen, die nicht durch deren ärztliche, zahnärztliche oder
Krankenhausbehandlung gerechtfertigt sind oder in ihrem Interesse durchgeführt werden und
die zu ihrem Tod führen oder ihre Gesundheit ernsthaft gefährden;
-xii) die Zerstörung oder Beschlagnahme gegnerischen Eigentums, sofern diese nicht durch
die Erfordernisse des Konflikts zwingend geboten ist;
f) Absatz 2 Buchstabe e findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen
internationalen Charakter haben, und somit nicht auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen
wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen. Er
findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die im Hoheitsgebiet eines Staates stattfinden,
wenn zwischen den staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder
zwischen solchen Gruppen ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt besteht.
(3) Absatz 2 Buchstaben c und e berührt nicht die Verantwortung einer Regierung, die
öffentliche Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder die Einheit
und territoriale Unversehrtheit des Staates mit allen rechtmäßigen Mitteln zu
verteidigen.
Artikel 9 - Verbrechenselemente
(1) Die Verbrechenselemente helfen dem Gerichtshof bei der Auslegung
und Anwendung der Artikel 6, 7 und 8.
Sie werden von den Mitgliedern der Versammlung der Vertragsstaaten mit Zweidrittelmehrheit
angenommen.
(2) Änderungen der Verbrechenselemente können vorgeschlagen werden von
a) jedem Vertragsstaat;
b) den Richtern mit absoluter Mehrheit;
c) dem Ankläger.
Diese Änderungen werden von den Mitgliedern der Versammlung der Vertragsstaaten mit
Zweidrittelmehrheit angenommen.
(3) Die Verbrechenselemente und ihre Änderungen müssen mit dem Statut
vereinbar sein.
Artikel 10 -
Dieser Teil ist nicht so auszulegen, als beschränke oder berühre er bestehende
oder sich entwickelnde Regeln des Völkerrechts für andere Zwecke als diejenigen dieses
Statuts.
Artikel 11 - Gerichtsbarkeit ratione temporis
(1) Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erstreckt sich nur auf Verbrechen, die
nach Inkrafttreten dieses Statuts begangen werden.
(2) Wird ein Staat nach Inkrafttreten dieses Statuts dessen Vertragspartei, so kann der
Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit nur in Bezug auf Verbrechen ausüben, die nach
Inkrafttreten des Statuts für diesen Staat begangen wurden, es sei denn, der Staat hat
eine Erklärung nach Artikel 12 Absatz 3 abgegeben.
Artikel 12 - Voraussetzungen für die Ausübung der
Gerichtsbarkeit
(1) Ein Staat, der Vertragspartei dieses Statuts wird, erkennt damit die
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs für die in Artikel 5 bezeichneten
Verbrechen an.
(2) Im Fall des Artikels 13 Buchstabe a oder c kann der Gerichtshof
seine Gerichtsbarkeit ausüben, wenn einer oder mehrere der folgenden Staaten
Vertragspartei dieses Statuts sind oder in Übereinstimmung mit Absatz 3 die
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs anerkannt haben:
a) der Staat, in dessen Hoheitsgebiet das fragliche Verhalten stattgefunden hat, oder,
sofern das Verbrechen an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs begangen wurde, der Staat,
in dem dieses registriert ist;
b) der Staat, dessen Staatsangehörigkeit die des Verbrechens beschuldigte Person besitzt.
(3) Ist nach Absatz 2 die Anerkennung der Gerichtsbarkeit durch einen Staat erforderlich,
der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist, so kann dieser Staat durch Hinterlegung einer
Erklärung beim Kanzler die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch den Gerichtshof in bezug
auf das fragliche Verbrechen anerkennen. Der anerkennende Staat arbeitet mit dem
Gerichtshof ohne Verzögerung oder Ausnahme in Übereinstimmung mit Teil 9
zusammen.
Artikel 13 - Ausübung der Gerichtsbarkeit
Der Gerichtshof kann in Übereinstimmung mit diesem Statut seine Gerichtsbarkeit
über ein in Artikel 5 bezeichnetes Verbrechen ausüben, wenn
a) eine Situation, in der es den Anschein hat, daß eines oder mehrere dieser Verbrechen
begangen wurden, von einem Vertragsstaat nach Artikel 14 dem Ankläger
unterbreitet wird,
b) eine Situation, in der es den Anschein hat, daß eines oder mehrere dieser Verbrechen
begangen wurden, vom Sicherheitsrat, der nach Kapitel VII der Charta der Vereinten
Nationen tätig wird, dem Ankläger unterbreitet wird, oder
c) der Ankläger nach Artikel 15 Ermittlungen in Bezug auf eines
dieser Verbrechen eingeleitet hat.
Artikel 14 - Unterbreitung einer Situation durch einen
Vertragsstaat
(1) Ein Vertragsstaat kann eine Situation, in der es den Anschein hat, daß ein
oder mehrere der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen begangen
wurden, dem Ankläger unterbreiten und diesen ersuchen, die Situation zu untersuchen, um
festzustellen, ob eine oder mehrere bestimmte Personen angeklagt werden sollen, diese
Verbrechen begangen zu haben.
(2) Soweit möglich, sind in der Unterbreitung die maßgeblichen Umstände anzugeben und
diejenigen Unterlagen zur Begründung beizufügen, über die der unterbreitende Staat
verfügt.
Artikel 15 - Ankläger
(1) Der Ankläger kann auf der Grundlage von Informationen über der
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen aus eigener Initiative
Ermittlungen einleiten.
(2) Der Ankläger prüft die Stichhaltigkeit der erhaltenen Informationen. Zu diesem Zweck
kann er von Staaten, Organen der Vereinten Nationen, zwischenstaatlichen oder -/*en
Organisationen oder anderen von ihm als geeignet erachteten zuverlässigen Stellen
zusätzliche Auskünfte einholen und am Sitz des Gerichtshofs schriftliche oder mündliche
Zeugenaussagen entgegennehmen.
(3) Gelangt der Ankläger zu dem Schluß, daß eine hinreichende Grundlage für die
Aufnahme von Ermittlungen besteht, so legt er der Vorverfahrenskammer einen Antrag auf
Genehmigung von Ermittlungen zusammen mit den gesammelten Unterlagen zu seiner Begründung
vor. Opfer können in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung Eingaben an
die Vorverfahrenskammer machen.
(4) Ist die Vorverfahrenskammer nach Prüfung des Antrags und der Unterlagen zu seiner
Begründung der Auffassung, daß eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von
Ermittlungen besteht und daß die Sache unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs zu
fallen scheint, so erteilt sie die Genehmigung zur Einleitung der Ermittlungen,
unbeschadet späterer Entscheidungen des Gerichtshofs betreffend die Gerichtsbarkeit für
eine Sache und ihre Zulässigkeit.
(5) Verweigert die Vorverfahrenskammer die Genehmigung zur Aufnahme von Ermittlungen, so
schließt dies einen auf neue Tatsachen oder Beweismittel gestützten späteren Antrag des
Anklägers in Bezug auf dieselbe Situation nicht aus.
Gelangt der Ankläger nach der in den Absätzen 1 und 2 genannten Vorprüfung zu dem
Schluß, daß die zur Verfügung gestellten Informationen keine hinreichende Grundlage
für Ermittlungen darstellen, so teilt er dies den Informanten mit. Dies schließt nicht
aus, daß der Ankläger im Licht neuer Tatsachen oder Beweismittel weitere Informationen
prüft, die ihm in Bezug auf dieselbe Situation zur Verfügung gestellt werden.
Artikel 16 - Aufschub der Ermittlungen oder der Strafverfolgung
Richtet der Sicherheitsrat in einer nach Kapitel VII der Charta der Vereinten
Nationen angenommenen Resolution ein entsprechendes Ersuchen an den Gerichtshof, so
dürfen für einen Zeitraum von 12 Monaten keine Ermittlungen und keine Strafverfolgung
aufgrund dieses Statuts eingeleitet oder fortgeführt werden; das Ersuchen kann vom
Sicherheitsrat unter denselben Bedingungen erneuert werden.
Artikel 17 - Fragen der Zulässigkeit
(1) Im Hinblick auf Absatz 10 der Präambel und Artikel 1
entscheidet der Gerichtshof, daß eine Sache nicht zulässig ist, wenn
a) in der Sache von einem Staat, der Gerichtsbarkeit darüber hat, Ermittlungen oder eine
Strafverfolgung durchgeführt werden, es sei denn, der Staat ist nicht willens oder nicht
in der Lage, die Ermittlungen oder die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen;
b) in der Sache von einem Staat, der Gerichtsbarkeit darüber hat, Ermittlungen
durchgeführt worden sind, und der Staat entschieden hat, die betreffende Person nicht
strafrechtlich zu verfolgen, es sei denn, die Entscheidung war das Ergebnis des mangelnden
Willens oder des Unvermögens des Staates, eine Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen;
c) die betreffende Person wegen des Verhaltens, das Gegenstand des Tatvorwurfs ist,
bereits gerichtlich belangt worden ist und die Sache nach Artikel 20
Absatz 3 nicht beim Gerichtshof anhängig gemacht werden kann;
d) die Sache nicht schwerwiegend genug ist, um weitere Maßnahmen des Gerichtshofs zu
rechtfertigen.
(2) Zur Feststellung des mangelnden Willens in einem bestimmten Fall prüft der
Gerichtshof unter Berücksichtigung der völkerrechtlich anerkannten Grundsätze eines
ordnungsgemäßen Verfahrens, ob gegebenenfalls eine oder mehrere der folgenden
Voraussetzungen vorliegen:
a) Das Verfahren wurde oder wird geführt oder die staatliche Entscheidung wurde
getroffen, um die betreffende Person vor strafrechtlicher Verantwortlichkeit für die in Artikel 5 bezeichneten, der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs
unterliegenden Verbrechen zu schützen;
b) in dem Verfahren gab es eine nicht gerechtfertigte Verzögerung, die unter den
gegebenen Umständen mit der Absicht unvereinbar ist, die betreffende Person vor Gericht
zu stellen;
c) das Verfahren war oder ist nicht unabhängig oder unparteiisch und wurde oder wird in
einer Weise geführt, die unter den gegebenen Umständen mit der Absicht unvereinbar ist,
die betreffende Person vor Gericht zu stellen.
(3) Zur Feststellung des Unvermögens in einem bestimmten Fall prüft der Gerichtshof, ob
der Staat wegen des völligen oder weitgehenden Zusammenbruchs oder der mangelnden
Verfügbarkeit seines innerstaatlichen Justizsystems nicht in der Lage ist, des
Beschuldigten habhaft zu werden oder die erforderlichen Beweismittel und Zeugenaussagen zu
erlangen, oder aus anderen Gründen nicht in der Lage ist, ein Verfahren durchzuführen.
Artikel 18 - Vorläufige Entscheidungen betreffend die
Zulässigkeit
(1) Wurde eine Situation nach Artikel 13 Buchstabe a dem
Gerichtshof unterbreitet und hat der Ankläger festgestellt, daß eine hinreichende
Grundlage für die Einleitung von Ermittlungen bestünde, oder leitet der Ankläger
Ermittlungen nach Artikel 13 Buchstabe c und Artikel
15 ein, so benachrichtigt der Ankläger förmlich alle Vertragsstaaten und diejenigen
Staaten, die unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Informationen im
Regelfall die Gerichtsbarkeit über die betreffenden Verbrechen ausüben würden. Der
Ankläger kann diese Staaten vertraulich benachrichtigen und, sofern er dies für
notwendig hält, um Personen zu schützen, die Vernichtung von Beweismitteln oder die
Flucht von Personen zu verhindern, den Umfang der den Staaten zur Verfügung gestellten
Informationen begrenzen.
(2) Binnen eines Monats nach Eingang dieser förmlichen Benachrichtigung kann ein Staat
den Gerichtshof davon in Kenntnis setzen, daß er gegen seine Staatsangehörigen oder
andere Personen unter seiner Hoheitsgewalt in Bezug auf Straftaten ermittelt oder
ermittelt hat, die möglicherweise den Tatbestand der in Artikel 5
bezeichneten Verbrechen erfüllen und die mit den Informationen in Zusammenhang stehen,
welche in der an die Staaten gerichteten Benachrichtigung enthalten sind. Auf Ersuchen des
betreffenden Staates stellt der Ankläger die Ermittlungen gegen diese Personen zugunsten
der Ermittlungen des Staates zurück, es sei denn, die Vorverfahrenskammer beschließt auf
Antrag des Anklägers, diesen zu den Ermittlungen zu ermächtigen.
(3) Die Zurückstellung der Ermittlungen durch den Ankläger zugunsten der Ermittlungen
eines Staates kann vom Ankläger sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Zurückstellung oder
jederzeit überprüft werden, wenn sich aufgrund des mangelnden Willens oder des
Unvermögens des betreffenden Staates zur ernsthaften Durchführung von Ermittlungen die
Sachlage wesentlich geändert hat .
(4) Der betreffende Staat oder der Ankläger kann nach Artikel 82
gegen eine Entscheidung der Vorverfahrenskammer bei der Berufungskammer Beschwerde
einlegen. Die Beschwerde kann beschleunigt behandelt werden.
(5) Hat der Ankläger nach Absatz 2 Ermittlungen zurückgestellt, so kann er den
betreffenden Staat ersuchen, ihn regelmäßig über den Fortgang seiner Ermittlungen und
jede anschließende Strafverfolgung zu unterrichten. Die Vertragsstaaten kommen einem
solchen Ersuchen ohne unangemessene Verzögerung nach.
(6) Bis zu einer Entscheidung der Vorverfahrenskammer oder jederzeit, nachdem der
Ankläger nach diesem Artikel Ermittlungen zurückgestellt hat, kann er ausnahmsweise die
Vorverfahrenskammer um die Ermächtigung zu notwendigen Ermittlungsmaßnahmen zum Zweck
der Sicherung von Beweismitteln ersuchen, wenn eine einmalige Gelegenheit zur Beschaffung
wichtiger Beweismittel oder eine erhebliche Gefahr besteht, daß diese Beweismittel
später nicht verfügbar sein werden.
(7) Ein Staat, der eine Entscheidung der Vorverfahrenskammer nach diesem Artikel
angefochten hat, kann die Zulässigkeit einer Sache nach Artikel 19
aufgrund zusätzlicher wesentlicher Tatsachen oder einer wesentlichen Änderung der
Sachlage anfechten.
Artikel 19 - Anfechtung der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs
oder der Zulässigkeit einer Sache
(1) Der Gerichtshof vergewissert sich, daß er in jeder bei ihm anhängig
gemachten Sache Gerichtsbarkeit hat. Der Gerichtshof kann aus eigener Initiative über die
Zulässigkeit einer Sache nach Artikel 17 entscheiden.
(2) Sowohl die Zulässigkeit einer Sache aus den in Artikel 17
genannten Gründen als auch die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs können angefochten
werden von
a) einem Angeklagten oder einer Person, gegen die ein Haftbefehl oder eine Ladung nach Artikel 58 ergangen ist,
b) einem Staat, der Gerichtsbarkeit über eine Sache hat, weil er in der Sache
Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchführt oder durchgeführt hat, oder
c) einem Staat, der nach Artikel 12 die Gerichtsbarkeit anerkannt
haben muß.
(3) Der Ankläger kann über eine Frage der Gerichtsbarkeit oder der Zulässigkeit eine
Entscheidung des Gerichtshofs erwirken. In Verfahren über die Gerichtsbarkeit oder die
Zulässigkeit können beim Gerichtshof auch diejenigen, welche ihm die Situation nach Artikel 13 unterbreitet haben, sowie die Opfer Stellungnahmen abgeben.
(4) Die Zulässigkeit einer Sache oder die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs kann von jeder
in Absatz 2 bezeichneten Person oder jedem dort bezeichneten Staat nur einmal angefochten
werden. Die Anfechtung erfolgt vor oder bei Eröffnung des Hauptverfahrens. Unter
außergewöhnlichen Umständen kann der Gerichtshof gestatten, eine Anfechtung mehr als
einmal oder erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens vorzubringen. Anfechtungen der
Zulässigkeit einer Sache, die bei oder, sofern der Gerichtshof dies gestattet, nach
Eröffnung des Hauptverfahrens vorgebracht werden, können nur auf Artikel
17 Absatz 1 Buchstabe c gestützt werden.
(5) Ein in Absatz 2 Buchstaben b und c bezeichneter Staat bringt eine Anfechtung bei
frühestmöglicher Gelegenheit vor.
(6) Vor Bestätigung der Anklage werden Anfechtungen der Zulässigkeit einer Sache oder
Anfechtungen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs an die Vorverfahrenskammer verwiesen.
Nach Bestätigung der Anklage werden sie an die Hauptverfahrenskammer verwiesen. Gegen
Entscheidungen über die Gerichtsbarkeit oder die Zulässigkeit kann nach Artikel
82 bei der Berufungskammer Beschwerde eingelegt werden.
(7) Bringt ein in Absatz 2 Buchstabe b oder c bezeichneter Staat eine Anfechtung vor, so
setzt der Ankläger die Ermittlungen so lange aus, bis der Gerichtshof eine Entscheidung
nach Artikel 17 getroffen hat.
(8) Bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs kann der Ankläger diesen um die
Ermächtigung ersuchen,
a) notwendige Ermittlungsmaßnahmen der in Artikel 18 Absatz 6
bezeichneten Art zu ergreifen,
b) schriftliche oder mündliche Zeugenaussagen einzuholen oder die Erhebung und Prüfung
von Beweismitteln abzuschließen, mit der vor Erklärung der Anfechtung begonnen worden
war, und
c) in Zusammenarbeit mit den in Betracht kommenden Staaten die Flucht von Personen zu
verhindern, für die er bereits einen Haftbefehl nach Artikel 58
beantragt hat.
(9) Das Vorbringen einer Anfechtung beeinträchtigt nicht die Gültigkeit einer zuvor vom
Ankläger vorgenommenen Handlung oder einer Anordnung oder eines Befehls des Gerichtshofs.
(10) Hat der Gerichtshof entschieden, daß eine Sache nach Artikel 17
unzulässig ist, so kann der Ankläger eine Überprüfung der Entscheidung beantragen,
wenn seiner vollen Überzeugung nach infolge neuer Tatsachen die Grundlage entfällt,
derentwegen die Sache zuvor nach Artikel 17 für unzulässig befunden
worden war.
(11) Stellt der Ankläger unter Berücksichtigung der in Artikel 17
genannten Angelegenheiten Ermittlungen zurück, so kann er den betreffenden Staat
ersuchen, ihm Informationen über das Verfahren zur Verfügung zu stellen. Auf Ersuchen
des betreffenden Staates sind diese Informationen vertraulich. Beschließt der Ankläger
danach die Fortführung der Ermittlungen, so benachrichtigt er den Staat, zu dessen
Gunsten das Verfahren zurückgestellt wurde.
Artikel 20 - Ne bis in idem
(1) Sofern in diesem Statut nichts anderes bestimmt ist, darf niemand wegen eines
Verhaltens vor den Gerichtshof gestellt werden, das den Tatbestand der Verbrechen
erfüllt, derentwegen er bereits vom Gerichtshof verurteilt oder freigesprochen wurde.
(2) Niemand darf wegen eines in Artikel 5 bezeichneten Verbrechens,
dessentwegen er vom Gerichtshof bereits verurteilt oder freigesprochen wurde, vor ein
anderes Gericht gestellt werden.
(3) Niemand, der wegen eines auch nach Artikel 6, 7
oder 8 verbotenen Verhaltens vor ein anderes Gericht gestellt wurde,
darf vom Gerichtshof für dasselbe Verhalten belangt werden, es sei denn, das Verfahren
vor dem anderen Gericht
a) diente dem Zweck, ihn vor strafrechtlicher Verantwortlichkeit für der Gerichtsbarkeit
des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen zu schützen oder
b) war in sonstiger Hinsicht nicht unabhängig oder unparteiisch entsprechend den
völkerrechtlich anerkannten Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Verfahrens und wurde in
einer Weise geführt, die unter den gegebenen Umständen mit der Absicht, die betreffende
Person vor Gericht zu stellen, unvereinbar war.
Artikel 21 - Anwendbares Recht
(1) Der Gerichtshof wendet folgendes an:
a) an erster Stelle dieses Statut, die Verbrechenselemente sowie seine
Verfahrens- und Beweisordnung;
b) an zweiter Stelle, soweit angebracht, anwendbare Verträge sowie die Grundsätze und
Regeln des Völkerrechts, einschließlich der anerkannten Grundsätze des internationalen
Rechts des bewaffneten Konflikts;
c) soweit solche fehlen, allgemeine Rechtsgrundsätze, die der Gerichtshof aus
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Rechtssysteme der Welt, einschließlich, soweit
angebracht, der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Staaten, die im Regelfall
Gerichtsbarkeit über das Verbrechen ausüben würden, abgeleitet hat, sofern diese
Grundsätze nicht mit diesem Statut, dem Völkerrecht und den international anerkannten
Regeln und Normen unvereinbar sind.
(2) Der Gerichtshof kann Rechtsgrundsätze und Rechtsnormen entsprechend seiner Auslegung
in früheren Entscheidungen anwenden.
(3) Die Anwendung und Auslegung des Rechts nach diesem Artikel muß mit den international
anerkannten Menschenrechten vereinbar sein und darf keine benachteiligende Unterscheidung
etwa aufgrund des Geschlechts im Sinne des Artikels 7 Absatz 3, des
Alters, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der
politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft,
des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status machen.
Teil 3: Allgemeine Grundsätze des Strafrechts
Artikel 22 - Nullum crimen sine lege
(1) Eine Person ist nur dann nach diesem Statut strafrechtlich verantwortlich,
wenn das fragliche Verhalten zur Zeit der Tat den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt.
(2) Die Begriffsbestimmung eines Verbrechens ist eng auszulegen und darf nicht durch
Analogie erweitert werden. Im Zweifelsfall ist die Begriffsbestimmung zugunsten der Person
auszulegen, gegen die sich die Ermittlungen, die Strafverfolgung oder das Urteil richten.
(3) Dieser Artikel bedeutet nicht, daß ein Verhalten nicht unabhängig von diesem Statut
als nach dem Völkerrecht strafbar beurteilt werden kann.
Artikel 23 - Nulla poena sine lege
Eine vom Gerichtshof für schuldig erklärte Person darf nur nach Maßgabe dieses
Statuts bestraft werden.
Artikel 24 - Rückwirkungsverbot ratione personae
(1) Niemand ist nach diesem Statut für ein Verhalten strafrechtlich
verantwortlich, das vor Inkrafttreten des Statuts stattgefunden hat.
(2) Ändert sich das auf einen bestimmten Fall anwendbare Recht vor dem Ergehen des
rechtskräftigen Urteils, so ist das für die Person, gegen die sich die Ermittlungen, die
Strafverfolgung oder das Urteil richten, mildere Recht anzuwenden.
Artikel 25 - Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit
(1) Der Gerichtshof hat aufgrund dieses Statuts Gerichtsbarkeit über natürliche
Personen.
(2) Wer ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begeht, ist
dafür in Übereinstimmung mit diesem Statut individuell verantwortlich und strafbar.
(3) In Übereinstimmung mit diesem Statut ist für ein der Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wer
a) ein solches Verbrechen selbst, gemeinschaftlich mit einem anderen oder durch einen
anderen begeht, gleichviel ob der andere strafrechtlich verantwortlich ist;
b) die Begehung eines solchen Verbrechens, das tatsächlich vollendet oder versucht wird,
anordnet, dazu auffordert oder dazu anstiftet;
c) zur Erleichterung eines solchen Verbrechens Beihilfe oder sonstige Unterstützung bei
seiner Begehung oder versuchten Begehung leistet, einschließlich der Bereitstellung der
Mittel für die Begehung;
d) auf sonstige Weise zur Begehung oder versuchten Begehung eines solchen Verbrechens
durch eine mit einem gemeinsamen Ziel handelnde Gruppe von Personen beiträgt. Ein
derartiger Beitrag muß vorsätzlich sein und entweder
-i) mit dem Ziel geleistet werden, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht
der Gruppe zu fördern, soweit sich diese auf die Begehung eines der Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens beziehen, oder
-ii) in Kenntnis des Vorsatzes der Gruppe, das Verbrechen zu begehen, geleistet werden;
e) in Bezug auf das Verbrechen des Völkermords andere unmittelbar und öffentlich zur
Begehung von Völkermord aufstachelt;
f) versucht, ein solches Verbrechen zu begehen, indem er eine Handlung vornimmt, die einen
wesentlichen Schritt zum Beginn seiner Ausführung darstellt, wobei es jedoch aufgrund von
Umständen, die vom Willen des Täters unabhängig sind, nicht zur Tatausführung kommt.
Wer jedoch die weitere Ausführung des Verbrechens aufgibt oder dessen Vollendung auf
andere Weise verhindert, ist aufgrund dieses Statuts für den Versuch des Verbrechens
nicht strafbar, wenn er das strafbare Ziel vollständig und freiwillig aufgegeben hat.
(4) Die Bestimmungen dieses Statuts betreffend die individuelle strafrechtliche
Verantwortlichkeit berühren nicht die Verantwortung der Staaten nach dem Völkerrecht.
Artikel 26 - Ausschluß der Gerichtsbarkeit über Personen unter
achtzehn Jahren
Der Gerichtshof hat keine Gerichtsbarkeit über eine Person, die zum Zeitpunkt
der angeblichen Begehung eines Verbrechens noch nicht achtzehn Jahre alt war.
Artikel 27 - Unerheblichkeit der amtlichen Eigenschaft
(1) Dieses Statut gilt gleichermaßen für alle Personen, ohne jeden Unterschied
nach amtlicher Eigenschaft. Insbesondere enthebt die amtliche Eigenschaft als Staats- oder
Regierungschef, als Mitglied einer Regierung oder eines Parlaments, als gewählter
Vertreter oder als Amtsträger einer Regierung eine Person nicht der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit nach diesem Statut und stellt für sich genommen keinen
Strafmilderungsgrund dar.
(2) Immunitäten oder besondere Verfahrensregeln, die nach innerstaatlichem Recht oder
nach dem Völkerrecht mit der amtlichen Eigenschaft einer Person verbunden sind, hindern
den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person.
Artikel 28 - Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber und
anderer Vorgesetzter
Neben anderen Gründen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit aufgrund
dieses Statuts für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen gilt
folgendes:
a) Ein militärischer Befehlshaber oder eine tatsächlich als militärischer Befehlshaber
handelnde Person ist strafrechtlich verantwortlich für der Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs unterliegende Verbrechen, die von Truppen unter seiner oder ihrer
tatsächlichen Befehls- beziehungsweise Führungsgewalt und Kontrolle als Folge seines
oder ihres Versäumnisses begangen wurden, eine ordnungsgemäße Kontrolle über diese
Truppen auszuüben, wenn
-i) der betreffende militärische Befehlshaber oder die betreffende Person wußte oder
aufgrund der zu der Zeit gegebenen Umstände hätte wissen müssen, daß die Truppen diese
Verbrechen begingen oder zu begehen im Begriff waren, und
-ii) der betreffende militärische Befehlshaber oder die betreffende Person nicht alle in
seiner oder ihrer Macht stehenden erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriff, um
ihre Begehung zu verhindern oder zu unterbinden oder die Angelegenheit den zuständigen
Behörden zur Untersuchung und Strafverfolgung vorzulegen.
b) In Bezug auf unter Buchstabe a nicht beschriebene Vorgesetzten- und
Untergebenenverhältnisse ist ein Vorgesetzter strafrechtlich verantwortlich für der
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen, die von Untergebenen unter
seiner tatsächlichen Führungsgewalt und Kontrolle als Folge seines Versäumnisses
begangen wurden, eine ordnungsgemäße Kontrolle über diese Untergebenen auszuüben, wenn
-i) der Vorgesetzte entweder wußte, daß die Untergebenen solche Verbrechen begingen oder
zu begehen im Begriff waren, oder eindeutig darauf hinweisende Informationen bewußt
außer acht ließ;
-ii) die Verbrechen Tätigkeiten betrafen, die unter die tatsächliche Verantwortung und
Kontrolle des Vorgesetzten fielen, und
-iii) der Vorgesetzte nicht alle in seiner Macht stehenden erforderlichen und angemessenen
Maßnahmen ergriff, um ihre Begehung zu verhindern oder zu unterbinden oder die
Angelegenheit den zuständigen Behörden zur Untersuchung und Strafverfolgung vorzulegen.
Artikel 29 - Nichtanwendbarkeit von Verjährungsvorschriften
Die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen verjähren
nicht.
Artikel 30 - Subjektive Tatbestandsmerkmale
(1) Sofern nichts anderes bestimmt ist, ist eine Person für ein der
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen nur dann strafrechtlich
verantwortlich und strafbar, wenn die objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich und
wissentlich verwirklicht werden.
(2) Vorsatz im Sinne dieses Artikels liegt vor, wenn die betreffende Person
a) im Hinblick auf ein Verhalten dieses Verhalten setzen will;
b) im Hinblick auf die Folgen diese Folgen herbeiführen will oder ihr bewußt ist, daß
diese im gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse eintreten werden.
(3) Wissen im Sinne dieses Artikels bedeutet das Bewußtsein, daß ein Umstand
vorliegt oder daß im gewöhnlichen Verlauf der Ereignisse eine Folge eintreten wird.
Wissentlich und wissen sind entsprechend auszulegen.
Artikel 31 - Gründe für den Ausschluß der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit
(1) Neben anderen in diesem Statut vorgesehenen Gründen für den Ausschluß der
strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist strafrechtlich nicht verantwortlich, wer zur Zeit
des fraglichen Verhaltens
a) wegen einer seelischen Krankheit oder Störung unfähig ist, die Rechtswidrigkeit oder
Art seines Verhaltens zu erkennen oder dieses so zu steuern, daß es den gesetzlichen
Anforderungen entspricht;
b) wegen eines Rauschzustands unfähig ist, die Rechtswidrigkeit oder Art seines
Verhaltens zu erkennen oder dieses so zu steuern, daß es den gesetzlichen Anforderungen
entspricht, sofern er sich nicht freiwillig und unter solchen Umständen berauscht hat,
unter denen er wußte oder in Kauf nahm, daß er sich infolge des Rausches wahrscheinlich
so verhält, daß der Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden
Verbrechens erfüllt wird;
c) in angemessener Weise handelt, um sich oder einen anderen oder, im Fall von
Kriegsverbrechen, für sich oder einen anderen lebensnotwendiges oder für die Ausführung
eines militärischen Einsatzes unverzichtbares Eigentum, vor einer unmittelbar drohenden
und rechtswidrigen Anwendung von Gewalt in einer Weise zu verteidigen, die in einem
angemessenen Verhältnis zum Umfang der ihm, dem anderen oder dem geschützten Eigentum
drohenden Gefahr steht. Die Teilnahme an einem von Truppen durchgeführten
Verteidigungseinsatz stellt für sich genommen keinen Grund für den Ausschluß der
strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Buchstaben dar;
d) wegen einer ihm selbst oder einem anderen unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben
oder einer dauernden oder unmittelbar drohenden Gefahr schweren körperlichen Schadens zu
einem Verhalten genötigt ist, das angeblich den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt, und in notwendiger und angemessener
Weise handelt, um diese Gefahr abzuwenden, sofern er nicht größeren Schaden zuzufügen
beabsichtigt als den, den er abzuwenden trachtet. Eine solche Gefahr kann entweder
-i) von anderen Personen ausgehen oder
-ii) durch andere Umstände bedingt sein, die von ihm nicht zu vertreten sind.
(2) Der Gerichtshof entscheidet über die Anwendbarkeit der in diesem Statut vorgesehenen
Gründe für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf die anhängige
Sache.
(3) Bei der Verhandlung kann der Gerichtshof einen anderen als die in Absatz 1 genannten
Gründe für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Betracht ziehen,
sofern dieser aus dem anwendbaren Recht nach Artikel 21 abgeleitet
ist. Das entsprechende Verfahren ist in der Verfahrens- und Beweisordnung festzulegen.
Artikel 32 - Tat- oder Rechtsirrtum
(1) Ein Tatirrtum ist nur dann ein Grund für den Ausschluß der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit, wenn er die für den Verbrechenstatbestand erforderlichen subjektiven
Tatbestandsmerkmale aufhebt.
(2) Ein Rechtsirrtum im Hinblick auf die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten den Tatbestand
eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt, ist kein
Grund für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Ein Rechtsirrtum kann
jedoch ein Grund für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit sein, wenn er
die für den Verbrechenstatbestand erforderlichen subjektiven Tatbestandsmerkmale aufhebt
oder wenn die in Artikel 33 genannten Umstände vorliegen.
Artikel 33 - Anordnungen Vorgesetzter und gesetzliche
Vorschriften
(1) Die Tatsache, daß ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes
Verbrechen auf Anordnung einer Regierung oder eines militärischen oder zivilen
Vorgesetzten begangen wurde, enthebt den Täter nicht der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit, es sei denn
a) der Täter war gesetzlich verpflichtet, den Anordnungen der betreffenden Regierung oder
des betreffenden Vorgesetzten Folge zu leisten,
b) der Täter wußte nicht, daß die Anordnung rechtswidrig ist, und
c) die Anordnung war nicht offensichtlich rechtswidrig.
(2) Anordnungen zur Begehung von Völkermord oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit
sind im Sinne dieses Artikels offensichtlich rechtswidrig.
Teil 4: Zusammensetzung und Verwaltung des Gerichtshofs
Artikel 34 - Organe des Gerichtshofs
Der Gerichtshof setzt sich aus folgenden Organen zusammen:
a) dem Präsidium;
b) einer Berufungsabteilung, einer Hauptverfahrensabteilung und einer
Vorverfahrensabteilung;
c) der Anklagebehörde;
d) der Kanzlei.
Artikel 35 - Richteramt
(1) Alle Richter werden als hauptamtliche Mitglieder des Gerichtshofs gewählt und stehen
als solche mit Beginn ihrer Amtszeit zur Ausübung ihres Amtes zur Verfügung.
(2) Die Richter, die das Präsidium bilden, üben ihr Amt hauptamtlich aus, sobald sie
gewählt worden sind.
(3) Das Präsidium kann von Zeit zu Zeit auf der Grundlage des Arbeitsanfalls des
Gerichtshofs und nach Rücksprache mit seinen Mitgliedern entscheiden, inwieweit die
übrigen Richter ihr Amt hauptamtlich auszuüben haben. Eine solche Regelung erfolgt
unbeschadet des Artikels 40.
(4) Die finanziellen Regelungen für Richter, die ihr Amt nicht hauptamtlich auszuüben
brauchen, werden nach Artikel 49 getroffen.
Artikel 36 - Befähigung, Benennung und Wahl der Richter
(1) Vorbehaltlich des Absatzes 2 hat der Gerichtshof achtzehn Richter.
(2)
a) Das Präsidium kann im Namen des Gerichtshofs unter Angabe der Gründe, aus denen es
dies als notwendig und angemessen erachtet, eine Erhöhung der in Absatz 1 genannten
Anzahl der Richter vorschlagen. Der Kanzler leitet einen solchen Vorschlag umgehend allen
Vertragsstaaten zu.
b) Jeder derartige Vorschlag wird sodann auf einer nach Artikel 112
einberufenen Sitzung der Versammlung der Vertragsstaaten erörtert. Der Vorschlag gilt als
angenommen, wenn er auf der Sitzung von zwei Dritteln der Mitglieder der Versammlung der
Vertragsstaaten genehmigt wird; er tritt zu dem von der Versammlung der Vertragsstaaten
beschlossenen Zeitpunkt in Kraft.
c)
- i) Ist ein Vorschlag auf Erhöhung der Anzahl der Richter nach Buchstabe b angenommen
worden, so findet die Wahl der zusätzlichen Richter nach den Absätzen 3 bis 8 sowie nach
Artikel 37 Absatz 2 auf der darauffolgenden Sitzung der Versammlung
der Vertragsstaaten statt.
-ii) Ist ein Vorschlag auf Erhöhung der Anzahl der Richter nach den Buchstaben b und c
Ziffer i angenommen worden und wirksam geworden, so steht es dem Präsidium jederzeit
danach frei, wenn der Arbeitsanfall des Gerichtshofs dies rechtfertigt, eine Verringerung
der Anzahl der Richter vorzuschlagen; diese darf jedoch die in Absatz 1 festgelegte Anzahl
nicht unterschreiten. Der Vorschlag wird nach dem unter den Buchstaben a und b
festgelegten Verfahren behandelt. Wird der Vorschlag angenommen, so wird die Anzahl der
Richter mit dem Auslaufen der Amtszeiten der amtierenden Richter so lange schrittweise
verringert, bis die notwendige Anzahl erreicht ist.
(3)
a) Die Richter werden unter Personen von hohem sittlichem Ansehen ausgewählt, die sich
durch Unparteilichkeit und Ehrenhaftigkeit auszeichnen und die in ihrem Staat die für die
höchsten richterlichen Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.
b) Jeder Kandidat für die Wahl zum Gerichtshof muß
-i) über nachweisliche Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Straf- und des
Strafverfahrensrechts sowie über die notwendige einschlägige Erfahrung als Richter,
Ankläger, Anwalt oder in ähnlicher Eigenschaft bei Strafverfahren oder
-ii) über nachweisliche Fachkenntnisse in einschlägigen Bereichen des Völkerrechts, wie
etwa des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, sowie über weitreichende
Erfahrung in einem Rechtsberuf, der für die richterliche Arbeit des Gerichtshofs von
Bedeutung ist, verfügen.
c) Jeder Kandidat für die Wahl zum Gerichtshof muß über ausgezeichnete Kenntnisse
mindestens einer der Arbeitssprachen des Gerichtshofs verfügen und diese fließend
sprechen.
(4)
a) Jeder Vertragsstaat dieses Statuts kann Kandidaten für die Wahl zum Gerichtshof
benennen, und zwar entweder
-i) nach dem Verfahren für die Benennung von Kandidaten für die höchsten richterlichen
Ämter des jeweiligen Staates oder
-ii) nach dem Verfahren, das im Statut des Internationalen Gerichtshofs für die Benennung
von Kandidaten für jenen Gerichtshof vorgesehen ist.
Den Benennungen ist eine hinreichend ausführliche Erklärung beizufügen, aus der
hervorgeht, inwiefern der Kandidat die Anforderungen in Absatz 3 erfüllt.
b) Jeder Vertragsstaat kann für jede Wahl einen Kandidaten aufstellen, der zwar nicht
unbedingt Staatsangehöriger dieses Vertragsstaats, in jedem Fall jedoch
Staatsangehöriger eines Vertragsstaats sein muß.
c) Die Versammlung der Vertragsstaaten kann beschließen, gegebenenfalls einen Beratenden
Ausschuß für Benennungen einzusetzen. In diesem Fall bestimmt die Versammlung der
Vertragsstaaten die Zusammensetzung und das Mandat des Ausschusses.
(5) Für die Zwecke der Wahl werden zwei Kandidatenlisten aufgestellt:
Liste A enthält die Namen der Kandidaten mit den in Absatz 3 Buchstabe b Ziffer i
genannten Voraussetzungen, und
Liste B enthält die Namen der Kandidaten mit den in Absatz 3 Buchstabe b Ziffer ii
genannten Voraussetzungen.
Kandidaten, die über hinreichende Voraussetzungen für beide Listen verfügen, können
wählen, auf welche Liste sie gesetzt werden möchten. Bei der ersten Wahl zum Gerichtshof
werden mindestens neun Richter aus der Liste A und mindestens fünf Richter aus der Liste
B gewählt. Darauffolgende Wahlen sind so zu gestalten, daß das zahlenmäßige
Verhältnis der Richter im Gerichtshof, welche die Voraussetzungen für die jeweilige
Liste erfüllen, gewahrt bleibt.
(6)
a) Die Richter werden in geheimer Abstimmung auf einer zu diesem Zweck nach Artikel 112 einberufenen Sitzung der Versammlung der Vertragsstaaten
gewählt. Vorbehaltlich des Absatzes 7 werden die achtzehn Kandidaten zum Gerichtshof
gewählt, welche die höchste Stimmenzahl und die Zweidrittelmehrheit der anwesenden und
abstimmenden Vertragsstaaten auf sich vereinen.
b) Wird im ersten Wahlgang nicht die ausreichende Anzahl der Richter gewählt, so finden
so lange weitere Wahlgänge nach dem Verfahren unter Buchstabe a statt, bis die
verbleibenden Sitze besetzt sind.
(7) Nicht mehr als ein Richter darf Staatsangehöriger desselben Staates sein. Wer im
Hinblick auf die Mitgliedschaft beim Gerichtshof als Staatsangehöriger mehr als eines
Staates angesehen werden kann, gilt als Staatsangehöriger des Staates, in dem
er gewöhnlich seine bürgerlichen und politischen Rechte ausübt.
(8) a) Bei der Auswahl der Richter berücksichtigen die Vertragsstaaten die Notwendigkeit,
in der Mitgliedschaft des Gerichtshofs Folgendes zu gewährleisten:
-i) die Vertretung der hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt,
-ii) eine gerechte geografische Verteilung und
-iii) eine ausgewogene Vertretung weiblicher und männlicher Richter.
b) Die Vertragsstaaten berücksichtigen außerdem die Notwendigkeit, Richter mit
juristischen Fachkenntnissen auf bestimmten Gebieten einzubeziehen, insbesondere, jedoch
nicht ausschließlich, auf dem Gebiet der Gewalt gegen Frauen oder Kinder.
(9) a) Vorbehaltlich des Buchstabens b werden die Richter für die Dauer von neun Jahren
gewählt; vorbehaltlich des Buchstabens c und des Artikels 37 Absatz 2
ist eine Wiederwahl nicht zulässig.
b) Bei der ersten Wahl wird durch das Los die Amtszeit eines Drittels der gewählten
Richter auf drei Jahre und eines weiteren Drittels auf sechs Jahre festgelegt; die
Amtszeit der übrigen Richter beträgt neun Jahre.
c) Ein Richter, dessen Amtszeit nach Buchstabe b auf drei Jahre festgelegt wurde, kann
für eine volle Amtszeit wiedergewählt werden.
(10) Ungeachtet des Absatzes 9 bleibt ein Richter, der nach Artikel 39
einer Hauptverfahrens- oder einer Berufungskammer zugeteilt wurde, so lange im Amt, bis
alle Haupt- oder Rechtsmittelverfahren abgeschlossen sind, deren Verhandlung vor dieser
Kammer bereits begonnen hat.
Artikel 37 - Freigewordene Sitze
(1) Wird ein Sitz frei, so findet zur Besetzung des freigewordenen Sitzes eine Wahl nach Artikel 36 statt.
(2) Ein Richter, der auf einen freigewordenen Sitz gewählt wird, übt sein Amt für die
restliche Laufzeit seines Vorgängers aus; beträgt diese drei Jahre oder weniger, so ist
seine Wiederwahl für eine volle Amtszeit nach Artikel 36 zulässig.
Artikel 38 - Präsidium
(1) Der Präsident sowie der Erste und der Zweite Vizepräsident werden von den Richtern
mit absoluter Mehrheit gewählt. Sie üben ihr Amt für die Dauer von drei Jahren
beziehungsweise bis zum Ende ihrer jeweiligen Amtszeit als Richter aus, sofern dieser
Zeitpunkt früher liegt. Ihre einmalige Wiederwahl ist zulässig.
(2) Der Erste Vizepräsident tritt an die Stelle des Präsidenten, wenn dieser verhindert
ist oder ausgeschlossen wurde. Der Zweite Vizepräsident tritt an die Stelle des
Präsidenten, wenn sowohl der Präsident als auch der Erste Vizepräsident verhindert sind
oder ausgeschlossen wurden.
(3) Der Präsident sowie der Erste und der Zweite Vizepräsident bilden das Präsidium,
dem Folgendes obliegt:
a) die ordnungsgemäße Verwaltung des Gerichtshofs mit Ausnahme der Anklagebehörde und
b) die sonstigen ihm auf Grund dieses Statuts übertragenen Aufgaben.
(4) Bei der Wahrnehmung seiner Verantwortung nach Absatz 3 Buchstabe a handelt das
Präsidium in Abstimmung mit dem Ankläger und sucht dessen Zustimmung in allen
Angelegenheiten von gemeinsamem Belang .
Artikel 39 - Kammern
(1) Nach der Wahl der Richter bildet der Gerichtshof so bald wie möglich die in Artikel 34 Buchstabe b genannten Abteilungen. Die Berufungsabteilung
setzt sich aus dem Präsidenten und vier weiteren Richtern, die Hauptverfahrensabteilung
aus mindestens sechs Richtern und die Vorverfahrensabteilung aus mindestens sechs Richtern
zusammen. Die Zuteilung der Richter zu den Abteilungen richtet sich nach der Art der von
jeder Abteilung wahrzunehmenden Aufgaben sowie nach der Befähigung und der Erfahrung der
in den Gerichtshof gewählten Richter, so daß in jeder Abteilung eine angemessene
Mischung von Fachwissen auf dem Gebiet des Straf- und des Strafverfahrensrechts sowie des
Völkerrechts vorhanden ist. Die Hauptverfahrensabteilung und die Vorverfahrensabteilung
sollen überwiegend aus Richtern mit Erfahrung auf dem Gebiet der Verhandlung von
Strafsachen bestehen.
(2)
a) Die richterlichen Aufgaben des Gerichtshofs werden in jeder Abteilung von Kammern
wahrgenommen.
b)
-i) Die Berufungskammer setzt sich aus allen Richtern der Berufungsabteilung zusammen;
-ii) die Aufgaben der Hauptverfahrenskammer werden von drei Richtern der
Hauptverfahrensabteilung wahrgenommen;
-iii) die Aufgaben der Vorverfahrenskammer werden entweder von drei Richtern der
Vorverfahrensabteilung oder in Übereinstimmung mit diesem Statut sowie mit der
Verfahrens- und Beweisordnung von einem einzelnen Richter dieser Abteilung wahrgenommen;
c) dieser Absatz schließt die gleichzeitige Bildung von mehr als einer
Hauptverfahrenskammer oder Vorverfahrenskammer nicht aus, wenn die wirksame Erledigung der
beim Gerichtshof anfallenden Arbeit dies verlangt.
(3)
a) Die der Hauptverfahrensabteilung und der Vorverfahrensabteilung zugeteilten Richter
üben ihr Amt in diesen Abteilungen für die Dauer von drei Jahren aus und danach so
lange, bis jede Sache abgeschlossen ist, deren Verhandlung in der betreffenden Abteilung
bereits begonnen hat.
b) Die der Berufungsabteilung zugeteilten Richter üben ihr Amt in dieser Abteilung für
die gesamte Dauer ihrer Amtszeit aus.
(4) Die der Berufungsabteilung zugeteilten Richter üben ihr Amt ausschließlich in dieser
Abteilung aus. Dieser Artikel schließt jedoch die zeitweilige Zuteilung von Richtern der
Hauptverfahrensabteilung zur Vorverfahrensabteilung oder umgekehrt nicht aus, wenn das
Präsidium dies im Interesse der wirksamen Erledigung der beim Gerichtshof anfallenden
Arbeit für erforderlich hält; allerdings darf ein Richter, der am Vorverfahren in einer
Sache mitgewirkt hat, unter keinen Umständen der Hauptverfahrenskammer angehören, die in
dieser Sache verhandelt.
Artikel 40 - Unabhängigkeit der Richter
(1) Die Richter sind bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unabhängig.
(2) Die Richter dürfen keine Tätigkeit ausüben, die sich auf ihre richterlichen
Aufgaben auswirken oder das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte.
(3) Die Richter, die ihr Amt hauptamtlich am Sitz des Gerichtshofs auszuüben haben,
dürfen sich keiner anderen Beschäftigung beruflicher Art widmen.
(4) Alle Fragen betreffend die Anwendung der Absätze 2 und 3 werden von den Richtern mit
absoluter Mehrheit entschieden. Betrifft eine solche Frage einen einzelnen Richter, so
nimmt dieser an der Entscheidung nicht teil.
Artikel 41 - Freistellung und Ausschluß von Richtern
(1) Das Präsidium kann einen Richter auf dessen Ersuchen in Übereinstimmung mit der
Verfahrens- und Beweisordnung von der Wahrnehmung einer Aufgabe nach diesem Statut
freistellen.
(2)
a) Ein Richter nimmt an einer Sache nicht teil, wenn aus irgendeinem Grund berechtigte
Zweifel an seiner Unparteilichkeit geltend gemacht werden könnten. Ein Richter wird unter
anderem dann von einer Sache in Übereinstimmung mit diesem Absatz ausgeschlossen, wenn er
zuvor in irgendeiner Eigenschaft an dieser beim Gerichtshof anhängigen Sache oder einer
damit zusammenhängenden Strafsache auf einzelstaatlicher Ebene beteiligt war, welche die
Person betraf, gegen die sich die Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten. Ein
Richter kann auch aus anderen in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Gründen
ausgeschlossen werden.
b) Der Ankläger oder die Person, gegen die sich die Ermittlungen oder die Strafverfolgung
richten, können nach diesem Absatz den Ausschluß eines Richters beantragen.
c) Jede Frage betreffend den Ausschluß eines Richters wird von den Richtern mit absoluter
Mehrheit entschieden. Der Richter, dessen Ausschluß beantragt wird, hat Anspruch darauf,
zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen, nimmt jedoch an der Entscheidung nicht teil.
Artikel 42 - Anklagebehörde
(1) Die Anklagebehörde handelt unabhängig als selbstständiges Organ des
Gerichtshofs. Ihr obliegt es, Unterbreitungen und inhaltlich erhärtete Informationen
über der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen entgegenzunehmen und
zu prüfen sowie die Ermittlungen durchzuführen und vor dem Gerichtshof die Anklage zu
vertreten. Ein Mitglied der Anklagebehörde darf Weisungen von einer Stelle außerhalb des
Gerichtshofs weder einholen noch befolgen.
(2) Der Ankläger ist Leiter der Anklagebehörde. Er besitzt die volle Dienstaufsicht
über Führung und Verwaltung der Behörde einschließlich ihres Personals, ihrer
Einrichtungen und sonstigen Mittel. Dem Ankläger stehen ein oder mehrere Stellvertretende
Ankläger zur Seite, die zur Ausführung aller Handlungen befugt sind, welche nach diesem
Statut dem Ankläger obliegen. Der Ankläger und die Stellvertretenden Ankläger müssen
unterschiedliche Staatsangehörigkeit besitzen. Sie üben ihr Amt hauptamtlich aus.
(3) Der Ankläger und die Stellvertretenden Ankläger müssen ein hohes sittliches Ansehen
genießen sowie ein Höchstmaß an Sachverstand und umfangreiche praktische Erfahrung in
der Strafverfolgung oder der Verhandlung von Strafsachen besitzen. Sie müssen über
ausgezeichnete Kenntnisse mindestens einer der Arbeitssprachen des Gerichtshofs verfügen
und diese fließend sprechen.
(4) Der Ankläger wird in geheimer Abstimmung von der absoluten Mehrheit der Mitglieder
der Versammlung der Vertragsstaaten gewählt. Die Stellvertretenden Ankläger werden in
derselben Weise aus einer vom Ankläger vorgelegten Kandidatenliste gewählt. Der
Ankläger benennt drei Kandidaten für jede zu besetzende Stelle eines Stellvertretenden
Anklägers. Sofern nicht zum Zeitpunkt ihrer Wahl eine kürzere Amtszeit beschlossen wird,
werden der Ankläger und die Stellvertretenden Ankläger für die Dauer von neun Jahren
gewählt; ihre Wiederwahl ist nicht zulässig.
(5) Weder der Ankläger noch die Stellvertretenden Ankläger dürfen eine Tätigkeit
ausüben, die sich auf ihre Aufgaben bei der Strafverfolgung auswirken oder das Vertrauen
in ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte. Sie dürfen sich keiner anderen
Beschäftigung beruflicher Art widmen.
(6) Das Präsidium kann den Ankläger oder einen Stellvertretenden Ankläger auf dessen
Ersuchen von einem Tätigwerden in einer bestimmten Sache freistellen.
(7) Der Ankläger oder ein Stellvertretender Ankläger nimmt an einer Angelegenheit nicht
teil, wenn aus irgendeinem Grundberechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit geltend
gemacht werden könnten. Er wird unter anderem dann von einer Sache in Übereinstimmung
mit diesem Absatz ausgeschlossen, wenn er zuvor in irgendeiner Eigenschaft an dieser beim
Gerichtshof anhängigen Sache oder einer damit zusammenhängenden Strafsache auf
einzelstaatlicher Ebene beteiligt war, welche die Person betraf, gegen die sich die
Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten.
(8) Jede Frage betreffend den Ausschluß des Anklägers oder eines Stellvertretenden
Anklägers wird von der Berufungskammer entschieden.
a) Die Person, gegen die sich die Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten, kann
jederzeit den Ausschluß des Anklägers oder eines Stellvertretenden Anklägers aus den in
diesem Artikel festgelegten Gründen beantragen.
b) Der Ankläger beziehungsweise der Stellvertretende Ankläger hat Anspruch darauf, zu
der Angelegenheit Stellung zu nehmen.
(9) Der Ankläger ernennt Berater mit juristischen Fachkenntnissen auf bestimmten
Gebieten, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, auf dem Gebiet der sexuellen und
geschlechtsspezifischen Gewalt sowie der Gewalt gegen Kinder.
Artikel 43 - Kanzlei
(1) Der Kanzlei obliegen die nicht mit der Rechtsprechung zusammenhängenden
Aspekte der Verwaltung und der Betreuung des Gerichtshofs, unbeschadet der Aufgaben und
Befugnisse des Anklägers nach Artikel 42.
(2) Der Kanzler ist Leiter der Kanzlei und höchster Verwaltungsbeamter des Gerichtshofs.
Er nimmt seine Aufgaben unter der Aufsicht des Präsidenten des Gerichtshofs wahr.
(3) Der Kanzler und der Stellvertretende Kanzler müssen ein hohes sittliches Ansehen
genießen sowie ein Höchstmaß an Sachverstand und ausgezeichnete Kenntnisse mindestens
einer der Arbeitssprachen des Gerichtshofs besitzen und diese fließend sprechen.
(4) Die Richter wählen den Kanzler in geheimer Abstimmung mit absoluter Mehrheit unter
Berücksichtigung etwaiger Empfehlungen der Versammlung der Vertragsstaaten. Bei Bedarf
wählen die Richter auf Empfehlung des Kanzlers in derselben Weise einen Stellvertretenden
Kanzler.
(5) Der Kanzler wird für die Dauer von fünf Jahren gewählt; seine einmalige Wiederwahl
ist zulässig; er übt sein Amt hauptamtlich aus. Der Stellvertretende Kanzler wird für
die Dauer von fünf Jahren oder für eine von den Richtern mit absoluter Mehrheit
beschlossene kürzere Zeit gewählt; er kann auch mit der Maßgabe gewählt werden, daß
er sein Amt nach Bedarf ausübt.
(6) Der Kanzler richtet innerhalb der Kanzlei eine Abteilung für Opfer und Zeugen ein.
Diese Abteilung stellt nach Rücksprache mit der Anklagebehörde Schutzmaßnahmen,
Sicherheitsvorkehrungen, Beratung und andere angemessene Hilfe für Zeugen, für die vor
dem Gerichtshof erscheinenden Opfer und andere durch die Aussagen dieser Zeugen
gefährdete Personen zur Verfügung. Die Abteilung umfaßt auch Personal mit
Fachkenntnissen über Traumata, einschließlich der Traumata im Zusammenhang mit sexuellen
Gewaltverbrechen.
Artikel 44 - Personal
(1) Der Ankläger und der Kanzler ernennen für ihre jeweilige Behörde das
notwendige fachlich befähigte Personal. Im Fall des Anklägers schließt dies die
Ernennung von Ermittlern ein.
(2) Bei der Einstellung des Personals stellen der Ankläger und der Kanzler ein
Höchstmaß an Leistungsfähigkeit, fachlichem Können und Ehrenhaftigkeit sicher und
berücksichtigen sinngemäß die in Artikel 36 Absatz 8 enthaltenen
Kriterien.
(3) Der Kanzler schlägt mit Zustimmung des Präsidiums und des Anklägers ein
Personalstatut vor, das die Bedingungen für die Ernennung, Besoldung und Entlassung des
Personals des Gerichtshofs enthält. Das Personalstatut wird von der Versammlung der
Vertragsstaaten genehmigt.
(4) In Ausnahmefällen kann der Gerichtshof die Fachkenntnisse von Personal heranziehen,
das ihm von Vertragsstaaten, von zwischenstaatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen
unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, um ein Organ des Gerichtshofs bei seiner
Arbeit zu unterstützen. Der Ankläger kann ein solches Angebot im Namen der
Anklagebehörde annehmen. Dieses Personal wird in Übereinstimmung mit Richtlinien
beschäftigt, die von der Versammlung der Vertragsstaaten aufzustellen sind.
Artikel 45 - Feierliches Versprechen
Bevor die Richter, der Ankläger, die Stellvertretenden Ankläger, der Kanzler und der
Stellvertretende Kanzler ihr Amt nach diesem Statut antreten, geben sie in öffentlicher
Sitzung das feierliche Versprechen ab, ihre Aufgaben unparteiisch und gewissenhaft
wahrzunehmen.
Artikel 46 - Amtsenthebung
(1) Ein Richter, der Ankläger, ein Stellvertretender Ankläger, der Kanzler oder
der Stellvertretende Kanzler wird durch einen entsprechenden Beschluß nach Absatz 2
seines Amtes enthoben, wenn er
a) wie in der Verfahrens- und Beweisordnung festgelegt, nachweislich eine schwere
Verfehlung oder eine schwere Verletzung seiner Amtspflichten nach diesem Statut begangen
hat oder
b) zur Wahrnehmung der ihm nach diesem Statut obliegenden Aufgaben unfähig ist.
(2) Die Amtsenthebung eines Richters, des Anklägers oder eines Stellvertretenden
Anklägers nach Absatz 1 wird von der Versammlung der Vertragsstaaten in geheimer
Abstimmung beschlossen
a) im Fall eines Richters mit Zweidrittelmehrheit der Vertragsstaaten auf Grund einer von
den übrigen Richtern mit Zweidrittelmehrheit beschlossenen Empfehlung;
b) im Fall des Anklägers mit der absoluten Mehrheit der Vertragsstaaten;
c) im Fall eines Stellvertretenden Anklägers mit der absoluten Mehrheit der
Vertragsstaaten auf Empfehlung des Anklägers.
(3) Die Amtsenthebung des Kanzlers oder des Stellvertretenden Kanzlers wird von den
Richtern mit absoluter Mehrheit beschlossen.
(4) Ein Richter, Ankläger, Stellvertretender Ankläger, Kanzler oder Stellvertretender
Kanzler, dessen Verhalten oder Fähigkeit zur Wahrnehmung der ihm nach diesem Statut
obliegenden dienstlichen Aufgaben nach diesem Artikel in Frage gestellt wird, erhält
uneingeschränkt Gelegenheit, in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung
Beweismittel vorzulegen und entgegenzunehmen und Stellungnahmen abzugeben. An der
Erörterung der Angelegenheit darf er im Übrigen nicht teilnehmen.
Artikel 47 - Disziplinarmaßnahmen
Gegen einen Richter, Ankläger, Stellvertretenden Ankläger, Kanzler oder
Stellvertretenden Kanzler, der eine weniger schwere Verfehlung als die in Artikel
46 Absatz 1 genannte begangen hat, werden in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und
Beweisordnung Disziplinarmaßnahmen ergriffen.
Artikel 48 - Vorrechte und Immunitäten
(1) Der Gerichtshof genießt im Hoheitsgebiet jedes Vertragsstaats die für die Erfüllung
seiner Ziele notwendigen Vorrechte und Immunitäten.
(2) Die Richter, der Ankläger, die Stellvertretenden Ankläger und der Kanzler genießen
bei der Wahrnehmung der Geschäfte des Gerichtshofs oder in Bezug auf diese die gleichen
Vorrechte und Immunitäten wie Chefs diplomatischer Missionen; nach Ablauf ihrer Amtszeit
wird ihnen weiterhin Immunität von der Gerichtsbarkeit in Bezug auf ihre in amtlicher
Eigenschaft vorgenommenen Handlungen, einschließlich ihrer mündlichen oder schriftlichen
Äußerungen, gewährt.
(3) Der Stellvertretende Kanzler, das Personal der Anklagebehörde und das Personal der
Kanzlei genießen in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen über die Vorrechte und
Immunitäten des Gerichtshofs die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Vorrechte,
Immunitäten und Erleichterungen.
(4) Beratern, Sachverständigen, Zeugen und allen anderen Personen, deren Anwesenheit am
Sitz des Gerichtshofs erforderlich ist, wird in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen
über die Vorrechte und Immunitäten des Gerichtshofs die Stellung eingeräumt, die für
die ordnungsgemäße Arbeit des Gerichtshofs erforderlich ist.
(5) Die Vorrechte und Immunitäten
a) eines Richters oder des Anklägers können von den Richtern mit absoluter Mehrheit
aufgehoben werden;
b) des Kanzlers können vom Präsidium aufgehoben werden;
c) der Stellvertretenden Ankläger und des Personals der Anklagebehörde können vom
Ankläger aufgehoben werden;
d) des Stellvertretenden Kanzlers und des Personals der Kanzlei können vom Kanzler
aufgehoben werden.
Artikel 49 - Gehälter, Zulagen und Aufwandsentschädigung
Die Richter, der Ankläger, die Stellvertretenden Ankläger, der Kanzler und der
Stellvertretende Kanzler erhalten die von der Versammlung der Vertragsstaaten
beschlossenen Gehälter, Zulagen und Aufwandsentschädigungen. Diese Gehälter und Zulagen
werden während ihrer Amtszeit nicht herabgesetzt.
Artikel 50 - Amts- und Arbeitssprachen
(1) Die Amtssprachen des Gerichtshofs sind Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch,
Russisch und Spanisch. Die Urteile des Gerichtshofs sowie sonstige Entscheidungen zur
Regelung grundlegender Fragen, die beim Gerichtshof anhängig sind, werden in den
Amtssprachen veröffentlicht. Das Präsidium entscheidet in Übereinstimmung mit den durch
die Verfahrens- und Beweisordnung festgelegten Kriterien, welche Entscheidungen als
Entscheidungen zur Regelung grundlegender Fragen im Sinne dieses Absatzes angesehen werden
können.
(2) Die Arbeitssprachen des Gerichtshofs sind Englisch und Französisch. Die Verfahrens-
und Beweisordnung bestimmt die Fälle, in denen andere Amtssprachen als Arbeitssprachen
benutzt werden können.
(3) Auf Ersuchen einer Partei eines Verfahrens oder eines zur Teilnahme an einem Verfahren
zugelassenen Staates gestattet der Gerichtshof die Benutzung einer anderen als der
englischen oder französischen Sprache, sofern er dies als ausreichend gerechtfertigt
erachtet.
Artikel 51 - Verfahrens- und Beweisordnung
(1) Die Verfahrens- und Beweisordnung tritt nach ihrer Annahme durch zwei Drittel der
Mitglieder der Versammlung der Vertragsstaaten in Kraft.
(2) Änderungen der Verfahrens- und Beweisordnung können
a) von jedem Vertragsstaat,
b) von den Richtern mit absoluter Mehrheit oder
c) vom Ankläger
vorgeschlagen werden. Die Änderungen treten nach ihrer Annahme durch zwei Drittel der
Mitglieder der Versammlung der Vertragsstaaten in Kraft.
(3) Nach Annahme der Verfahrens- und Beweisordnung können die Richter in dringenden
Fällen, wenn eine bestimmte beim Gerichtshof anhängige Situation durch die Verfahrens-
und Beweisordnung nicht erfaßt ist, mit Zweidrittelmehrheit vorläufige Regeln
aufstellen, die bis zu ihrer Annahme, Änderung oder Ablehnung auf der nächsten
ordentlichen oder außerordentlichen Tagung der Versammlung der Vertragsstaaten Anwendung
finden.
(4) Die Verfahrens- und Beweisordnung, ihre Änderungen und jede vorläufige Regel müssen
mit diesem Statut vereinbar sein. Änderungen der Verfahrens- und Beweisordnung sowie
vorläufige Regeln werden nicht rückwirkend zum Nachteil der Person angewandt, gegen die
sich die Ermittlungen, die Strafverfolgung oder das Urteil richten.
(5) Im Fall eines Widerspruchs zwischen dem Statut und der Verfahrens- und Beweisordnung
hat das Statut Vorrang.
Artikel 52 - Geschäftsordnung des Gerichtshofs
(1) Die Richter nehmen in Übereinstimmung mit diesem Statut sowie der
Verfahrens- und Beweisordnung die für den normalen Geschäftsgang notwendige
Geschäftsordnung des Gerichtshofs mit absoluter Mehrheit an.
(2) Der Ankläger und der Kanzler sind bei der Ausarbeitung der Geschäftsordnung und
aller Änderungen zu konsultieren.
(3) Sofern die Richter nichts anderes beschließen, treten die Geschäftsordnung und alle
Änderungen mit ihrer jeweiligen Annahme in Kraft. Unmittelbar nach ihrer Annahme werden
sie den Vertragsstaaten zur Stellungnahme zugeleitet. Liegen binnen sechs Monaten keine
Einwände seitens der Mehrheit der Vertragsstaaten vor, so bleiben sie in Kraft.
Teil 5: Ermittlungen und Strafverfolgung
Artikel 53 - Einleitung von Ermittlungen
(1) Nach Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Informationen leitet der
Ankläger Ermittlungen ein, sofern er nicht feststellt, daß es für die
Verfahrenseinleitung nach diesem Statut keine hinreichende Grundlage gibt. Bei seiner
Entscheidung über die Einleitung von Ermittlungen prüft der Ankläger,
a) ob die ihm vorliegenden Informationen hinreichende Verdachtsgründe dafür bieten, daß
ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begangen wurde oder
wird,
b) ob die Sache nach Artikel 17 zulässig ist oder wäre und
c) ob unter Berücksichtigung der Schwere des Verbrechens und der Interessen der Opfer
dennoch wesentliche Gründe für die Annahme vorliegen, daß die Durchführung von
Ermittlungen nicht im Interesse der Gerechtigkeit läge.
Stellt der Ankläger fest, daß es für die Verfahrenseinleitung keine hinreichende
Grundlage gibt, und beruht diese Feststellung ausschließlich auf Buchstabe c, so
unterrichtet er die Vorverfahrenskammer.
(2) Gelangt der Ankläger nach den Ermittlungen zu dem Schluß, daß es für eine
Strafverfolgung keine hinreichende Grundlage gibt, weil
a) keine hinreichende rechtliche oder sachliche Grundlage für die Beantragung eines
Haftbefehls oder einer Ladung nach Artikel 58 besteht,
b) die Sache nach Artikel 17 unzulässig ist oder
c) eine Strafverfolgung unter Berücksichtigung aller Umstände, einschließlich der
Schwere des Verbrechens, der Interessen der Opfer, des Alters oder der Gebrechlichkeit des
angeblichen Täters sowie seiner Rolle bei dem angeblichen Verbrechen, nicht im Interesse
der Gerechtigkeit liegt,
so unterrichtet der Ankläger die Vorverfahrenskammer und den nach Artikel
14 unterbreitenden Staat oder den Sicherheitsrat im Fall des Artikels
13 Buchstabe b von seiner Schlussfolgerung und den Gründen dafür.
(3)
a) Auf Ersuchen des nach Artikel 14 unterbreitenden Staates oder des
Sicherheitsrats im Fall des Artikels 13 Buchstabe b kann die
Vorverfahrenskammer eine Entscheidung des Anklägers nach Absatz 1 oder 2, nicht weiter
vorzugehen, nachprüfen und den Ankläger ersuchen, sie zu überprüfen.
b) Darüber hinaus kann die Vorverfahrenskammer aus eigener Initiative eine Entscheidung
des Anklägers, nicht weiter vorzugehen, nachprüfen, wenn diese ausschließlich auf
Absatz 1 Buchstabe c oder Absatz 2 Buchstabe c beruht. In diesem Fall wird die
Entscheidung des Anklägers nur dann wirksam, wenn sie von der Vorverfahrenskammer
bestätigt wird.
(4) Der Ankläger kann eine Entscheidung über die Einleitung der Ermittlungen oder der
Strafverfolgung auf der Grundlage neuer Tatsachen oder Informationen jederzeit
überprüfen.
Artikel 54 - Pflichten und Befugnisse des Anklägers bei
Ermittlungen
(1) Der Ankläger
a) dehnt die Ermittlungen zum Zweck der Wahrheitsfindung auf alle Tatsachen und
Beweismittel aus, die für die Beurteilung, ob eine strafrechtliche Verantwortlichkeit
aufgrund dieses Statuts besteht, erheblich sind, und erforscht dabei gleichermaßen die
belastenden wie die entlastenden Umstände,
b) ergreift geeignete Maßnahmen, um die wirksame Ermittlung und Strafverfolgung von der
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen zu gewährleisten, wobei er die
Interessen und persönlichen Lebensumstände der Opfer und Zeugen, namentlich Alter,
Geschlecht im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 und Gesundheitszustand,
achtet und die Art des Verbrechens berücksichtigt, insbesondere soweit es mit sexueller
Gewalt, geschlechtsspezifischer Gewalt oder Gewalt gegen Kinder verbunden ist, und
c) achtet uneingeschränkt die sich aus diesem Statut ergebenden Rechte der Personen.
(2) Der Ankläger kann Ermittlungen im Hoheitsgebiet eines Staates durchführen
a) in Übereinstimmung mit Teil 9 oder
b) aufgrund einer Ermächtigung der Vorverfahrenskammer nach Artikel 57
Absatz 3 Buchstabe d.
(3) Der Ankläger kann
a) Beweismittel sammeln und prüfen,
b) die Anwesenheit von Personen, gegen die ermittelt wird, von Opfern und von Zeugen
verlangen und diese vernehmen,
c) einen Staat oder eine zwischenstaatliche Organisation oder Stelle entsprechend ihrer
jeweiligen Zuständigkeit beziehungsweise ihrem Mandat um Zusammenarbeit ersuchen,
d) alle diesem Statut nicht entgegenstehenden Abmachungen und Übereinkünfte eingehen,
die notwendig sind, um einem Staat, einer zwischenstaatlichen Organisation oder einer
Person die Zusammenarbeit zu erleichtern,
e) einwilligen, in keiner Phase des Verfahrens Dokumente oder Informationen offenzulegen,
die er unter der Bedingung der Vertraulichkeit und ausschließlich zum Zweck der Erlangung
neuer Beweismittel erhält, sofern nicht der Informant sein Einverständnis erklärt, und
f) die notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit von Informationen,
des Schutzes einer Person oder der Beweissicherung treffen oder verlangen, daß sie
getroffen werden.
Artikel 55 - Rechte der Personen während der Ermittlungen
(1) Bei Ermittlungen aufgrund dieses Statuts
a) darf eine Person nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten oder sich schuldig zu
bekennen;
b) darf eine Person nicht Zwang, Nötigung oder Drohung, Folter oder einer anderen Form
grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden;
c) werden einer Person, deren Vernehmung in einer Sprache erfolgt, die sie nicht
vollständig versteht und spricht, unentgeltlich ein sachkundiger Dolmetscher und die
Übersetzungen zur Verfügung gestellt, die erforderlich sind, um dem Gebot der Fairneß
Genüge zu tun, und
d) darf eine Person nicht willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden und darf
einer Person die Freiheit nur aus Gründen und in Übereinstimmung mit Verfahren entzogen
werden, die in diesem Statut vorgesehen sind.
(2) Bestehen Verdachtsgründe, daß eine Person ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs
unterliegendes Verbrechen begangen hat, und steht ihre Vernehmung entweder durch den
Ankläger oder durch einzelstaatliche Behörden entsprechend einem Ersuchen nach Teil 9 unmittelbar bevor, so hat sie außerdem folgende Rechte, über die
sie vor der Vernehmung zu belehren ist:
a) das Recht, vor der Vernehmung darüber belehrt zu werden, daß Verdachtsgründe
bestehen, wonach sie ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen
begangen hat;
b) das Recht, zu schweigen, ohne daß dieses Schweigen bei der Feststellung von Schuld
oder Unschuld in Betracht gezogen wird;
c) das Recht, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls
sie keinen Verteidiger hat, auf Bestellung eines Verteidigers, wenn dies im Interesse der
Rechtspflege erforderlich ist; fehlen ihr die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers, so
ist ihr in einem solchen Fall ein Verteidiger unentgeltlich zu bestellen, und
d) das Recht, in Anwesenheit eines Rechtsbeistands vernommen zu werden, sofern sie nicht
freiwillig auf ihr Recht auf Rechtsbeistand verzichtet hat.
Artikel 56 - Rolle der Vorverfahrenskammer bei einer einmaligen
Gelegenheit zu Ermittlungsmaßnahmen
(1)
a) Ist der Ankläger der Auffassung, daß Ermittlungen eine einmalige Gelegenheit
darstellen, mündliche oder schriftliche Zeugenaussagen zu erhalten oder Beweismittel zu
prüfen, zu sammeln oder auf ihre Beweiskraft zu untersuchen, die für die Zwecke einer
Verhandlung später möglicherweise nicht mehr verfügbar sein werden, so unterrichtet er
die Vorverfahrenskammer dahin gehend.
b) In diesem Fall kann die Vorverfahrenskammer auf Antrag des Anklägers die notwendigen
Maßnahmen ergreifen, um die Wirksamkeit und Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens zu
gewährleisten und insbesondere die Rechte der Verteidigung zu wahren.
c) Sofern die Vorverfahrenskammer nichts anderes anordnet, stellt der Ankläger der
festgenommenen oder der nach Ladung im Zusammenhang mit den unter Buchstabe a genannten
Ermittlungen erschienenen Person die sachdienlichen Informationen zur Verfügung, damit
sie in der Angelegenheit gehört werden kann.
(2) Die in Absatz 1 Buchstabe b genannten Maßnahmen können folgendes umfassen:
a) die Abgabe von Empfehlungen oder Anordnungen betreffend die anzuwendenden Verfahren;
b) die Anordnung, ein Verfahrensprotokoll zu führen;
c) die Bestellung eines Sachverständigen zur Unterstützung;
d) die Ermächtigung des Rechtsbeistands einer festgenommenen oder einer nach Ladung vor
dem Gerichtshof erschienenen Person zur Teilnahme, oder, falls eine Festnahme noch nicht
erfolgt ist, die Person noch nicht erschienen ist oder kein Rechtsbeistand benannt wurde,
die Bestellung eines anderen Rechtsbeistands, der die Interessen der Verteidigung
wahrnimmt und vertritt;
e) die Benennung eines ihrer Mitglieder oder erforderlichenfalls eines anderen
verfügbaren Richters der Vorverfahrensabteilung oder der Hauptverfahrensabteilung, der
hinsichtlich der Sammlung und Sicherung von Beweismitteln und der Vernehmung von Personen
als Beobachter tätig wird und Empfehlungen abgibt oder Anordnungen erläßt;
f) das Ergreifen etwaiger anderer zur Sammlung oder Sicherung von Beweismitteln
erforderlicher Maßnahmen.
(3)
a) Hat der Ankläger keine Maßnahmen nach diesem Artikel beantragt, ist die
Vorverfahrenskammer jedoch der Auffassung, daß es solcher Maßnahmen bedarf, um
Beweismittel zu sichern, die sie für die Verteidigung im Hauptverfahren als wesentlich
erachtet, so konsultiert sie den Ankläger bezüglich der Frage, ob er diese Maßnahmen
aus gutem Grund nicht beantragt hat. Gelangt die Vorverfahrenskammer aufgrund der
Konsultation zu dem Schluß, daß die Nichtbeantragung dieser Maßnahmen durch den
Ankläger nicht gerechtfertigt ist, so kann die Vorverfahrenskammer diese Maßnahmen aus
eigener Initiative ergreifen.
b) Der Ankläger kann gegen die Entscheidung der Vorverfahrenskammer, nach diesem Absatz
aus eigener Initiative tätig zu werden, Beschwerde einlegen. Über die Beschwerde wird
beschleunigt verhandelt.
(4) Die Zulässigkeit der nach diesem Artikel für das Hauptverfahren gesicherten oder
gesammelten Beweismittel oder des darüber aufgenommenen Protokolls richtet sich im
Hauptverfahren nach Artikel 69; die Beweiswürdigung erfolgt durch die
Hauptverfahrenskammer.
Artikel 57 - Aufgaben und Befugnisse der Vorverfahrenskammer
(1) Sofern in diesem Statut nichts anderes bestimmt ist, nimmt die
Vorverfahrenskammer ihre Aufgaben in Übereinstimmung mit diesem Artikel wahr.
(2)
a) Von der Vorverfahrenskammer erlassene Anordnungen oder Entscheidungen nach den Artikeln 15, 18, 19, 54 Absatz 2, 61 Absatz 7 und 72
bedürfen der Zustimmung der Mehrheit ihrer Richter.
b) In allen anderen Fällen kann ein einzelner Richter der Vorverfahrenskammer die in
diesem Statut vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen, sofern in der Verfahrens- und
Beweisordnung oder durch Stimmenmehrheit der Vorverfahrenskammer nichts anderes bestimmt
wird.
(3) Neben ihren anderen Aufgaben aufgrund dieses Statuts kann die Vorverfahrenskammer
a) auf Antrag des Anklägers die für die Zwecke der Ermittlungen erforderlichen
Anordnungen und Befehle erlassen;
b) auf Antrag einer festgenommenen oder einer aufgrund einer Ladung nach Artikel
58 erschienenen Person die notwendigen Anordnungen erlassen, einschließlich der in Artikel 56 beschriebenen Maßnahmen, und sich um die notwendige
Zusammenarbeit nach Teil 9 bemühen, um ihr bei der Vorbereitung ihrer
Verteidigung behilflich zu sein;
c) erforderlichenfalls für den Schutz von Opfern und Zeugen und die Wahrung ihrer
Privatsphäre, die Sicherung von Beweismitteln, den Schutz der festgenommenen oder
aufgrund einer Ladung erschienenen Personen sowie den Schutz von Informationen, welche die
nationale Sicherheit betreffen, Sorge tragen;
d) den Ankläger ermächtigen, bestimmte Ermittlungsmaßnahmen im Hoheitsgebiet eines
Vertragsstaats vorzunehmen, ohne sich der Zusammenarbeit dieses Staates nach Teil 9 versichert zu haben, wenn die Vorverfahrenskammer, nach
Möglichkeit unter Berücksichtigung der Auffassungen des betreffenden Staates, in dieser
Sache entschieden hat, daß der Staat eindeutig nicht in der Lage ist, ein Ersuchen um
Zusammenarbeit nach Teil 9 zu erledigen, weil keine zuständige
Behörde beziehungsweise kein zuständiger Teil seines Justizsystems für die Erledigung
eines solchen Ersuchens zur Verfügung steht;
e) die Staaten nach Artikel 93 Absatz 1 Buchstabe k um ihre
Zusammenarbeit im Hinblick auf vorsorgliche Maßnahmen für die Zwecke der Einziehung
ersuchen, insbesondere zum letztendlichen Nutzen der Opfer, wenn nach Artikel
58 ein Haftbefehl oder eine Ladung ergangen ist und unter gebührender
Berücksichtigung der Beweiskraft der Beweismittel und der Rechte der betroffenen
Parteien, wie in diesem Statut und der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehen.
Artikel 58 - Erlaß eines Haftbefehls oder einer Ladung durch
die Vorverfahrenskammer
(1) Jederzeit nach Einleitung der Ermittlungen erläßt die Vorverfahrenskammer
auf Antrag des Anklägers einen Haftbefehl gegen eine Person, wenn sie nach Prüfung des
Antrags und der Beweismittel oder anderer vom Ankläger beigebrachter Informationen zu der
Überzeugung gelangt ist,
a) daß begründeter Verdacht besteht, daß die Person ein der Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begangen hat, und
b) daß die Festnahme der Person notwendig erscheint,
-i) um sicherzustellen, daß sie zur Verhandlung erscheint,
-ii) um sicherzustellen, daß sie die Ermittlungen oder das Gerichtsverfahren nicht
behindert oder gefährdet, oder
-iii) um sie gegebenenfalls an der weiteren Begehung dieses Verbrechens oder eines damit
im Zusammenhang stehenden, der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens
zu hindern, das sich aus den gleichen Umständen ergibt.
(2) Der Antrag des Anklägers enthält
a) den Namen der Person und alle anderen sachdienlichen Angaben zu ihrer Identifizierung,
b) eine konkrete Bezugnahme auf die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden
Verbrechen, welche die Person begangen haben soll,
c) eine knappe Darstellung des Sachverhalts, der angeblich die Tatbestandsmerkmale dieser
Verbrechen erfüllt,
d) eine Zusammenfassung der Beweismittel sowie aller anderen Informationen, die den
Verdacht begründen, daß die Person diese Verbrechen begangen hat, und
e) den Grund, aus dem der Ankläger die Festnahme der Person für notwendig hält.
(3) Der Haftbefehl enthält
a) den Namen der Person und alle anderen sachdienlichen Angaben zu ihrer Identifizierung,
b) eine konkrete Bezugnahme auf die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden
Verbrechen, derentwegen die Festnahme der Person beantragt wird, und
c) eine knappe Darstellung des Sachverhalts, der angeblich die Tatbestandsmerkmale dieser
Verbrechen erfüllt.
(4) Der Haftbefehl bleibt bis zu einer anderslautenden Anordnung des Gerichtshofs in
Kraft.
(5) Auf der Grundlage des Haftbefehls kann der Gerichtshof um die vorläufige Festnahme
oder die Festnahme und Überstellung der Person nach Teil 9 ersuchen.
(6) Der Ankläger kann bei der Vorverfahrenskammer die Änderung des Haftbefehls durch
Änderung der darin aufgeführten Verbrechen oder Aufnahme zusätzlicher Verbrechen
beantragen. Die Vorverfahrenskammer ändert den Haftbefehl entsprechend, wenn ihrer
Überzeugung nach begründeter Verdacht besteht, daß die Person diese anderen oder
zusätzlichen Verbrechen begangen hat.
(7) Anstelle eines Haftbefehls kann der Ankläger beantragen, daß die Vorverfahrenskammer
die Person lädt. Besteht nach Überzeugung der Vorverfahrenskammer begründeter Verdacht,
daß die Person das ihr zur Last gelegte Verbrechen begangen hat und daß eine Ladung
ausreicht, um ihr Erscheinen vor dem Gerichtshof sicherzustellen, so erläßt sie die
Ladung , mit der freiheitsbeschränkende Bedingungen (außer Freiheitsentzug) verknüpft
sein können, wenn das einzelstaatliche Recht dies vorsieht. Die Ladung enthält
a) den Namen der Person und alle anderen sachdienlichen Angaben zu ihrer Identifizierung,
b) den Termin, an dem die Person zu erscheinen hat,
c) eine konkrete Bezugnahme auf die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden
Verbrechen, welche die Person begangen haben soll, und
d) eine knappe Darstellung des Sachverhalts, der angeblich die Tatbestandsmerkmale des
Verbrechens erfüllt.
Die Ladung ist der Person zuzustellen.
Artikel 59 - Festnahmeverfahren im Gewahrsamsstaat
(1) Ein Vertragsstaat, dem ein Ersuchen um vorläufige Festnahme oder um Festnahme und
Überstellung zugegangen ist, ergreift sofort Maßnahmen zur Festnahme der fraglichen
Person in Übereinstimmung mit seinen Rechtsvorschriften und mit Teil 9.
(2) Die festgenommene Person wird umgehend der zuständigen Justizbehörde im
Gewahrsamsstaat vorgeführt, die in Übereinstimmung mit dem Recht dieses Staates
feststellt, daß
a) sich der Haftbefehl auf sie bezieht,
b) sie entsprechend einem ordnungsgemäßen Verfahren festgenommen wurde und
c) ihre Rechte geachtet wurden.
(3) Die festgenommene Person hat das Recht, bei der zuständigen Behörde im
Gewahrsamsstaat die vorläufige Haftentlassung bis zur Überstellung zu beantragen.
(4) Bei der Entscheidung über einen solchen Antrag prüft die zuständige Behörde im
Gewahrsamsstaat, ob in Anbetracht der Schwere der angeblichen Verbrechen dringende und
außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine vorläufige Haftentlassung rechtfertigen,
und ob durch die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet ist, daß der
Gewahrsamsstaat seine Pflicht zur Überstellung der Person an den Gerichtshof erfüllen
kann. Der zuständigen Behörde des Gewahrsamsstaats steht es nicht frei, zu prüfen, ob
der Haftbefehl nach Artikel 58 Absatz 1 Buchstaben a und b
ordnungsgemäß erlassen wurde.
(5) Die Vorverfahrenskammer wird von jedem Antrag auf vorläufige Haftentlassung in
Kenntnis gesetzt und erteilt der zuständigen Behörde im Gewahrsamsstaat Empfehlungen.
Diese zieht die Empfehlungen, einschließlich etwaiger Empfehlungen betreffend Maßnahmen
zur Verhütung der Flucht, vollständig in Betracht, , bevor sie ihre Entscheidung fällt.
(6) Wird der Person vorläufige Haftentlassung gewährt, so kann die Vorverfahrenskammer
hierzu regelmäßige Berichte verlangen.
(7) Sobald eine Anordnung auf Überstellung der Person getroffen wurde, ist diese vom
Gewahrsamsstaat so bald wie möglich an den Gerichtshof zu überstellen.
Artikel 60 - Einleitende Verfahrensschritte vor dem Gerichtshof
(1) Nach Überstellung einer Person an den Gerichtshof oder ihrem freiwilligen oder
aufgrund einer Ladung erfolgten Erscheinen vor dem Gerichtshof überzeugt sich die
Vorverfahrenskammer davon, daß die Person über die ihr zur Last gelegten Verbrechen
sowie über ihre Rechte aufgrund dieses Statuts belehrt worden ist, einschließlich des
Rechts, ihre vorläufige Haftentlassung bis zum Hauptverfahren zu beantragen.
(2) Eine Person, gegen die ein Haftbefehl ergangen ist, kann ihre vorläufige
Haftentlassung bis zum Hauptverfahren beantragen. Liegen nach Überzeugung der
Vorverfahrenskammer die in Artikel 58 Absatz 1 genannten
Voraussetzungen vor, so bleibt die Person weiterhin in Haft. Andernfalls wird sie mit oder
ohne Auflagen auf freien Fuß gesetzt.
(3) Die Vorverfahrenskammer überprüft regelmäßig ihre Entscheidung über die
Haftentlassung der Person oder die Aufrechterhaltung der Haft; sie kann dies jederzeit auf
Antrag des Anklägers oder der Person tun. Nach dieser Überprüfung kann sie ihre
Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Haft, die Haftentlassung oder Auflagen für
die Haftentlassung ändern, wenn sie überzeugt ist, daß veränderte Umstände dies
erfordern.
(4) Die Vorverfahrenskammer stellt sicher, daß eine Person nicht wegen unentschuldbarer
Verzögerungen seitens des Anklägers unangemessen lange in Untersuchungshaft gehalten
wird. Tritt eine solche Verzögerung ein, so erwägt der Gerichtshof die Haftentlassung
der Person mit oder ohne Auflagen.
(5) Bei Bedarf kann die Vorverfahrenskammer einen Haftbefehl erlassen, um die Anwesenheit
einer auf freien Fuß gesetzten Person sicherzustellen.
Artikel 61 - Bestätigung der Anklage vor dem Hauptverfahren
(1) Vorbehaltlich des Absatzes 2 hält die Vorverfahrenskammer innerhalb einer
angemessenen Frist nach Überstellung der Person oder ihrem freiwilligen Erscheinen vor
dem Gerichtshof eine mündliche Verhandlung ab, um die Anklagepunkte zu bestätigen, die
der Ankläger zum Gegenstand des Hauptverfahrens zu machen beabsichtigt. Die mündliche
Verhandlung findet in Anwesenheit des Anklägers und des Angeschuldigten sowie seines
Rechtsbeistands statt.
(2) Die Vorverfahrenskammer kann auf Ersuchen des Anklägers oder aus eigener Initiative
in Abwesenheit des Angeschuldigten eine mündliche Verhandlung abhalten, um die
Anklagepunkte zu bestätigen, die der Ankläger zum Gegenstand des Hauptverfahrens zu
machen beabsichtigt, wenn der Angeschuldigte
a) auf sein Anwesenheitsrecht verzichtet hat oder
b) flüchtig oder unauffindbar ist und alle angemessenen Maßnahmen ergriffen worden sind,
um sein Erscheinen vor dem Gerichtshof sicherzustellen und ihn über die Anklagepunkte
sowie über die bevorstehende Verhandlung betreffend deren Bestätigung zu unterrichten.
In diesem Fall wird der Angeschuldigte durch einen Rechtsbeistand vertreten, wenn die
Vorverfahrenskammer entscheidet, daß dies im Interesse der Rechtspflege liegt.
(3) Innerhalb einer angemessenen Frist vor der mündlichen Verhandlung
a) erhält der Angeschuldigte eine Abschrift des Schriftstücks, aus dem die Anklagepunkte
hervorgehen, die der Ankläger zum Gegenstand des Hauptverfahrens zu machen beabsichtigt,
und
b) wird der Angeschuldigte von den Beweismitteln in Kenntnis gesetzt, auf die sich der
Ankläger bei der mündlichen Verhandlung zu stützen beabsichtigt.
Die Vorverfahrenskammer kann die Offenlegung von Informationen für die Zwecke der
Verhandlung anordnen.
(4) Vor der mündlichen Verhandlung kann der Ankläger die Ermittlungen fortsetzen, und er
kann Anklagepunkte ändern oder zurücknehmen. Der Angeschuldigte wird unter Wahrung einer
angemessenen Frist vor der mündlichen Verhandlung von der Änderung oder Rücknahme von
Anklagepunkten in Kenntnis gesetzt. Werden Anklagepunkte zurückgenommen, so teilt der
Ankläger der Vorverfahrenskammer die Gründe dafür mit.
(5) Bei der mündlichen Verhandlung belegt der Ankläger jeden Anklagepunkt durch
ausreichende Beweise, um den dringenden Verdacht zu begründen, daß der Angeschuldigte
das ihm zur Last gelegte Verbrechen begangen hat. Der Ankläger kann sich auf schriftliche
oder summarische Beweise stützen und ist nicht gehalten, die Zeugen aufzurufen, deren
Aussage bei dem Verfahren erwartet wird.
(6) Bei der Verhandlung kann der Angeschuldigte
a) Einwendungen gegen die Anklagepunkte vorbringen,
b) die vom Ankläger beigebrachten Beweismittel anfechten und
c) Beweismittel beibringen.
(7) Die Vorverfahrenskammer stellt auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung fest, ob
ausreichende Beweise für den dringenden Verdacht vorliegen, daß der Angeschuldigte jedes
der ihm zur Last gelegten Verbrechen begangen hat. Auf der Grundlage ihrer Feststellungen
a) bestätigt die Vorverfahrenskammer diejenigen Anklagepunkte, bezüglich deren sie
entschieden hat, daß ausreichende Beweise vorliegen, und weist den Angeschuldigten einer
Hauptverfahrenskammer zu, die das Hauptverfahren hinsichtlich der bestätigten
Anklagepunkte durchführt;
b) lehnt die Vorverfahrenskammer die Bestätigung derjenigen Anklagepunkte ab, bezüglich
deren sie entschieden hat, daß keine ausreichenden Beweise vorliegen;
c) vertagt die Vorverfahrenskammer die mündliche Verhandlung und ersucht den Ankläger zu
erwägen,
-i) zu einem bestimmten Anklagepunkt weitere Beweismittel beizubringen oder weitere
Ermittlungen durchzuführen oder
-ii) einen Anklagepunkt zu ändern, weil die beigebrachten Beweismittel den Nachweis für
die Begehung eines anderen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens
zu erbringen scheinen.
(8) Lehnt die Vorverfahrenskammer die Bestätigung eines Anklagepunkts ab, so schließt
dies nicht aus, daß der Ankläger später dessen Bestätigung aufgrund zusätzlicher
Beweismittel beantragt.
(9) Nach Bestätigung der Anklagepunkte und vor Beginn der Hauptverhandlung kann der
Ankläger mit Genehmigung der Vorverfahrenskammer und nach Benachrichtigung des
Angeklagten die Anklagepunkte ändern. Beabsichtigt der Ankläger, weitere Anklagepunkte
hinzuzufügen oder bestehende Anklagepunkte durch schwererwiegende zu ersetzen, so muß zu
deren Bestätigung eine mündliche Verhandlung nach diesem Artikel stattfinden. Nach
Beginn der Hauptverhandlung kann der Ankläger mit Genehmigung der Hauptverfahrenskammer
die Anklagepunkte zurücknehmen.
(10) Jeder zuvor ergangene Befehl tritt bezüglich aller Anklagepunkte außer Kraft, die
von der Vorverfahrenskammer nicht bestätigt oder vom Ankläger zurückgenommen worden
sind.
(11) Nach Bestätigung der Anklagepunkte in Übereinstimmung mit diesem Artikel setzt das
Präsidium eine Hauptverfahrenskammer ein, die vorbehaltlich des Absatzes 9 und des Artikels 64 Absatz 4 für die Durchführung des anschließenden
Verfahrens zuständig ist und jede Aufgabe der Vorverfahrenskammer wahrnehmen kann, die in
diesem Verfahren von Belang ist und zur Anwendung kommen kann.
Artikel 62 - Ort des Hauptverfahrens
Sofern nichts anderes beschlossen wird, findet das Hauptverfahren am Sitz des
Gerichtshofs statt.
Artikel 63 - Verhandlung in Anwesenheit des Angeklagten
(1) Der Angeklagte hat während der Verhandlung anwesend zu sein.
(2) Stört der vor dem Gerichtshof anwesende Angeklagte wiederholt den Verlauf der
Verhandlung, so kann die Hauptverfahrenskammer ihn entfernen lassen und sorgt dann dafür,
daß er von außerhalb des Gerichtssaals die Verhandlung verfolgen und seinem
Rechtsbeistand Weisungen erteilen kann, bei Bedarf mit Hilfe von
Kommunikationstechnologie. Diese Maßnahmen werden nur in Ausnahmefällen, nachdem sich
andere vertretbare Alternativen als unzulänglich erwiesen haben, und nur für die
unbedingt notwendige Dauer getroffen.
Artikel 64 - Aufgaben und Befugnisse der Hauptverfahrenskammer
(1) Die in diesem Artikel genannten Aufgaben und Befugnisse der
Hauptverfahrenskammer werden in Übereinstimmung mit diesem Statut sowie der Verfahrens-
und Beweisordnung wahrgenommen.
(2) Die Hauptverfahrenskammer stellt sicher, daß das Hauptverfahren fair und zügig
verläuft und unter voller Beachtung der Rechte des Angeklagten und gebührender
Berücksichtigung des Schutzes der Opfer und Zeugen geführt wird.
(3) Die Hauptverfahrenskammer, der in Übereinstimmung mit diesem Statut eine Sache für
das Hauptverfahren zugewiesen worden ist,
a) berät sich mit den Parteien und beschließt die Verfahren, die erforderlich sind, um
eine faire und zügige Durchführung des Hauptverfahrens zu gewährleisten,
b) bestimmt die im Hauptverfahren zu verwendende Sprache oder zu verwendenden Sprachen und
c) sorgt vorbehaltlich anderer einschlägiger Bestimmungen dieses Statuts rechtzeitig vor
Beginn der Verhandlung für die Offenlegung zuvor nicht offengelegter Schriftstücke oder
Informationen, damit eine hinreichende Vorbereitung auf die Verhandlung möglich ist.
(4) Soweit dies für ihre wirksame und faire Arbeitsweise erforderlich ist, kann die
Hauptverfahrenskammer Vorfragen an die Vorverfahrenskammer oder, im Bedarfsfall, an einen
anderen verfügbaren Richter in der Vorverfahrensabteilung verweisen.
(5) Nach Benachrichtigung der Parteien kann die Hauptverfahrenskammer gegebenenfalls
verfügen, daß Verhandlungen über Anklagen, die gegen mehrere Angeklagte erhoben worden
sind, verbunden oder getrennt werden.
(6) In Wahrnehmung ihrer Aufgaben vor oder während der Hauptverhandlung kann die
Hauptverfahrenskammer, soweit erforderlich,
a) alle in Artikel 61 Absatz 11 genannten Aufgaben der
Vorverfahrenskammer wahrnehmen;
b) die Anwesenheit und Aussage von Zeugen und die Beibringung von Schriftstücken und
anderen Beweismitteln verlangen, soweit notwendig mit Hilfe der Staaten, wie in diesem
Statut vorgesehen;
c) für den Schutz vertraulicher Informationen sorgen;
d) die Beibringung von Beweismitteln zusätzlich zu den von den Parteien bereits vor dem
Hauptverfahren gesammelten oder während des Hauptverfahrens vorgelegten Beweismitteln
anordnen;
e) für den Schutz des Angeklagten, der Zeugen und der Opfer sorgen;
f) alle sonstigen Angelegenheiten entscheiden, die von Belang sind.
(7) Die Verhandlung ist öffentlich. Die Hauptverfahrenskammer kann jedoch feststellen,
daß aufgrund besonderer Umstände bestimmte Teile der Verhandlung für die in Artikel 68 genannten Zwecke oder zum Schutz vertraulicher oder
schutzwürdiger Informationen, die im Zuge der Beweiserhebung vorgelegt werden, unter
Ausschluß der Öffentlichkeit stattfinden müssen.
(8)
a) Zu Beginn der Verhandlung läßt die Hauptverfahrenskammer dem Angeklagten die zuvor
von der Vorverfahrenskammer bestätigte Anklage vorlesen. Die Hauptverfahrenskammer
überzeugt sich davon, daß der Angeklagte die Art der gegen ihn erhobenen Anklage
versteht. Sie gibt ihm Gelegenheit, ein Geständnis in Übereinstimmung mit Artikel 65 abzulegen oder sich für nicht schuldig zu erklären.
b) In der Verhandlung kann der vorsitzende Richter prozeßleitende Verfügungen erlassen,
insbesondere auch, um die faire und unparteiische Führung des Verfahrens sicherzustellen.
Vorbehaltlich etwaiger Verfügungen des vorsitzenden Richters können die Parteien in
Übereinstimmung mit diesem Statut Beweismittel vorlegen.
(9) Die Hauptverfahrenskammer ist unter anderem befugt, auf Antrag einer Partei oder aus
eigener Initiative
a) über die Zulässigkeit beziehungsweise Erheblichkeit von Beweismitteln zu entscheiden
und
b) alle erforderlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung während der
Verhandlung zu treffen.
(10) Die Hauptverfahrenskammer stellt sicher, daß ein vollständiges
Verhandlungsprotokoll, welches das Verfahren korrekt wiedergibt, erstellt und vom Kanzler
geführt und aufbewahrt wird.
Artikel 65 - Verfahren nach einem Geständnis
(1) Legt der Angeklagte ein Geständnis nach Artikel 64 Absatz 8
Buchstabe a ab, so stellt die Hauptverfahrenskammer fest, ob
a) der Angeklagte die Art und die Folgen des Geständnisses versteht,
b) das Geständnis vom Angeklagten nach hinreichender Beratung mit seinem Verteidiger
freiwillig abgelegt wird und
c) das Geständnis durch die Tatsachen untermauert wird, die hervorgehen aus
-i) den vom Ankläger erhobenen Anklagepunkten, die der Angeklagte zugibt,
-ii) allen vom Ankläger vorgelegten Unterlagen, welche die Anklage erhärten und die der
Angeklagte anerkennt, und
-iii) allen sonstigen Beweismitteln, beispielsweise Zeugenaussagen, die vom Ankläger oder
vom Angeklagten beigebracht werden.
(2) Ist die Hauptverfahrenskammer davon überzeugt, daß die in Absatz 1 genannten
Umstände erwiesen sind, so erachtet sie den gesamten Tatbestand des Verbrechens, auf das
sich das Geständnis bezieht, als durch das Geständnis und etwaige zusätzlich
beigebrachte Beweismittel erwiesen; sie kann den Angeklagten wegen dieses Verbrechens
verurteilen.
(3) Ist die Hauptverfahrenskammer nicht davon überzeugt, daß die in Absatz 1 genannten
Umstände erwiesen sind, so erachtet sie das Geständnis als nicht abgelegt; in diesem
Fall ordnet sie die Fortsetzung des Hauptverfahrens nach dem in diesem Statut vorgesehenen
gewöhnlichen Verfahren an; sie kann die Sache an eine andere Hauptverfahrenskammer
verweisen.
(4) Ist die Hauptverfahrenskammer der Auffassung, daß im Interesse der Gerechtigkeit,
insbesondere im Interesse der Opfer, eine vollständigere Tatsachendarstellung
erforderlich ist, so kann die Hauptverfahrenskammer
a) den Ankläger ersuchen, zusätzliche Beweismittel, einschließlich Zeugenaussagen,
beizubringen oder
b) die Fortsetzung des Hauptverfahrens nach dem in diesem Statut vorgesehenen
gewöhnlichen Verfahren anordnen; in diesem Fall erachtet sie das Geständnis als nicht
abgelegt; sie kann die Sache an eine andere Hauptverfahrenskammer verweisen.
(5) Erörterungen zwischen dem Ankläger und der Verteidigung in Bezug auf eine Änderung
der Anklagepunkte, das Geständnis oder die zu verhängende Strafe sind für den
Gerichtshof nicht bindend.
Artikel 66 - Unschuldsvermutung
(1) Jeder gilt als unschuldig, solange seine Schuld nicht in Übereinstimmung mit
dem anwendbaren Recht vor dem Gerichtshof nachgewiesen ist.
(2) Die Beweislast für die Schuld des Angeklagten liegt beim Ankläger.
(3) Für eine Verurteilung des Angeklagten muß der Gerichtshof von der Schuld des
Angeklagten so überzeugt sein, daß kein vernünftiger Zweifel besteht.
Artikel 67 - Rechte des Angeklagten
(1) Der Angeklagte hat Anspruch darauf, daß über die gegen ihn erhobene Anklage
öffentlich nach Maßgabe dieses Statuts und in billiger Weise unparteiisch verhandelt
wird; außerdem hat er in gleicher Weise Anspruch auf folgende Mindestgarantien:
a) Er ist unverzüglich und im einzelnen in einer Sprache, die er vollständig versteht
und spricht, über Art, Grund und Inhalt der gegen ihn erhobenen Anklage zu unterrichten,
b) er muß hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung und zum
freien und vertraulichen Verkehr mit einem Verteidiger seiner Wahl haben,
c) es muß ohne unangemessene Verzögerung ein Urteil gegen ihn ergehen,
d) vorbehaltlich des Artikels 63 Absatz 2 muß er bei der Verhandlung
anwesend sein und sich selbst verteidigen dürfen oder durch einen Verteidiger seiner Wahl
verteidigen lassen; falls er keinen Verteidiger hat, ist er über das Recht, einen
Verteidiger in Anspruch zu nehmen, zu unterrichten; ihm ist vom Gerichtshof ein
Verteidiger beizuordnen, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist, und
zwar unentgeltlich, wenn ihm die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers fehlen,
e) er darf Fragen an die Belastungszeugen stellen oder stellen lassen und das Erscheinen
und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter den für die Belastungszeugen geltenden
Bedingungen erwirken. Er darf auch Gründe, welche die Strafbarkeit ausschließen, geltend
machen und sonstige aufgrund dieses Statuts zulässige Beweismittel beibringen,
f) er kann die unentgeltliche Beiziehung eines sachkundigen Dolmetschers und die
Übersetzungen verlangen, die erforderlich sind, um dem Gebot der Fairneß Genüge zu tun,
wenn Teile des Verfahrens oder dem Gerichtshof vorgelegte Schriftstücke nicht in einer
Sprache gehalten sind, die der Angeklagte vollständig versteht und spricht,
g) er darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich
schuldig zu bekennen, und er darf schweigen, ohne daß sein Schweigen bei der Feststellung
von Schuld oder Unschuld in Betracht gezogen wird,
h) er kann eine unbeeidigte mündliche oder schriftliche Erklärung zu seiner Verteidigung
abgeben, und
i) es darf ihm weder eine Umkehr der Beweislast noch eine Widerlegungspflicht auferlegt
werden.
(2) Neben anderen in diesem Statut vorgesehenen Offenlegungen legt der Ankläger, so bald
wie möglich, der Verteidigung die in seinem Besitz oder seiner Verfügungsgewalt
befindlichen Beweismittel offen, die seiner Überzeugung nach die Unschuld des Angeklagten
beweisen oder zu beweisen geeignet sind, dessen Schuld mildern oder die Glaubwürdigkeit
der vom Ankläger beigebrachten Beweismittel beeinträchtigen können. Bei Zweifeln
hinsichtlich der Anwendung dieses Absatzes entscheidet der Gerichtshof.
Artikel 68 - Schutz der Opfer und Zeugen und ihre Teilnahme am
Verfahren
(1) Der Gerichtshof trifft geeignete Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit, des
körperlichen und seelischen Wohles, der Würde und der Privatsphäre der Opfer und
Zeugen. Dabei zieht der Gerichtshof alle maßgeblichen Umstände in Betracht, namentlich
Alter, Geschlecht im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 und
Gesundheitszustand sowie die Art des Verbrechens, insbesondere, jedoch nicht
ausschließlich, soweit es mit sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt oder Gewalt
gegen Kinder zusammenhängt. Der Ankläger trifft diese Maßnahmen insbesondere während
der Ermittlungen und der Strafverfolgung solcher Verbrechen. Diese Maßnahmen dürfen die
Rechte des Angeklagten sowie die Fairneß und Unparteilichkeit des Verfahrens nicht
beeinträchtigen oder damit unvereinbar sein.
(2) Als Ausnahme vom Grundsatz der öffentlichen Verhandlung nach Artikel
67 können die Kammern des Gerichtshofs zum Schutz der Opfer und Zeugen oder des
Angeklagten einen Teil des Verfahrens unter Ausschluß der Öffentlichkeit führen oder
die Vorlage von Beweisen mittels elektronischer oder sonstiger besonderer Mittel
gestatten. Diese Maßnahmen werden insbesondere im Fall eines Opfers sexueller Gewalt oder
eines Kindes getroffen, das Opfer oder Zeuge ist, es sei denn, der Gerichtshof ordnet
unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Auffassungen der Opfer oder
Zeugen, etwas anderes an.
(3) Sind die persönlichen Interessen der Opfer betroffen, so gestattet der Gerichtshof,
daß ihre Auffassungen und Anliegen in von ihm für geeignet befundenen
Verfahrensabschnitten in einer Weise vorgetragen und behandelt werden, welche die Rechte
des Angeklagten sowie die Fairneß und Unparteilichkeit des Verfahrens nicht
beeinträchtigt oder damit unvereinbar ist. Diese Auffassungen und Anliegen können in
Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung von den gesetzlichen Vertretern der
Opfer vorgetragen werden, wenn der Gerichtshof dies für angebracht hält.
(4) Die Abteilung für Opfer und Zeugen kann den Ankläger und den Gerichtshof im Hinblick
auf angemessene Schutzmaßnahmen, Sicherheitsvorkehrungen, Beratung und Hilfe nach Artikel 43 Absatz 6 beraten.
(5) Kann die Offenlegung von Beweismitteln oder Informationen aufgrund dieses Statuts zu
einer ernsten Gefährdung der Sicherheit eines Zeugen oder seiner Familie führen, so kann
der Ankläger diese für die Zwecke jedes vor Eröffnung des Hauptverfahrens geführten
Verfahrens zurückhalten und statt dessen eine Zusammenfassung vorlegen. Diese Maßnahmen
müssen in einer Weise angewendet werden, welche die Rechte des Angeklagten sowie die
Fairneß und Unparteilichkeit des Verfahrens nicht beeinträchtigt oder damit unvereinbar
ist.
(6) Ein Staat kann darum ersuchen, daß die notwendigen Maßnahmen zum Schutz seiner
Bediensteten oder Vertreter sowie vertraulicher oder schutzwürdiger Informationen
getroffen werden.
Artikel 69 - Beweismittel
(1) Vor seiner Aussage verpflichtet sich jeder Zeuge in Übereinstimmung mit der
Verfahrens- und Beweisordnung, in seinem Zeugnis die Wahrheit zu sagen.
(2) Ein Zeuge muß für sein Zeugnis in der Verhandlung persönlich erscheinen,
vorbehaltlich der in Artikel 68 oder in der Verfahrens- und
Beweisordnung vorgesehenen Maßnahmen. Der Gerichtshof kann auch nach Maßgabe dieses
Statuts und in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung das mit Hilfe der
Video- oder Audiotechnik direktübertragene (mündliche) oder aufgezeichnete Zeugnis eines
Zeugen sowie die Vorlage von Schriftstücken oder schriftlichen Wortprotokollen gestatten.
Diese Maßnahmen dürfen die Rechte des Angeklagten nicht beeinträchtigen oder mit ihnen
unvereinbar sein.
(3) Die Parteien können in Übereinstimmung mit Artikel 64 die
Beweismittel beibringen, die für die Sache erheblich sind. Der Gerichtshof ist befugt,
die Beibringung sämtlicher Beweismittel zu verlangen, die er für die Wahrheitsfindung
für erforderlich hält.
(4) Der Gerichtshof kann in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung über
die Erheblichkeit oder Zulässigkeit jedes Beweismittels entscheiden, wobei er unter
anderem die Beweiskraft des Beweismittels und alle Nachteile in Betracht zieht, die sich
für ein faires Verfahren oder für eine faire Bewertung des Zeugnisses eines Zeugen
möglicherweise daraus ergeben.
(5) Der Gerichtshof achtet und wahrt die in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen
Rechte in Bezug auf Vertraulichkeit.
(6) Der Gerichtshof verlangt nicht den Nachweis allgemein bekannter Tatsachen, kann sie
jedoch als offenkundig anerkennen.
(7) Beweismittel, die durch Verletzung dieses Statuts oder international anerkannter
Menschenrechte erlangt wurden, sind nicht zulässig, wenn
a) die Verletzung erhebliche Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit entstehen läßt oder
b) ihre Zulassung im grundsätzlichen Widerspruch zur Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens
stehen und dieser schweren Schaden zufügen würde.
(8) Bei der Entscheidung über die Erheblichkeit oder Zulässigkeit der von einem Staat
gesammelten Beweismittel entscheidet der Gerichtshof nicht über die Anwendung der
Rechtsvorschriften dieses Staates.
Artikel 70 - Straftaten gegen die Rechtspflege
(1) Der Gerichtshof hat Gerichtsbarkeit über folgende Straftaten gegen seine
Rechtspflege, wenn diese vorsätzlich verübt werden:
a) Falschaussage, wenn nach Artikel 69 Absatz 1 die Verpflichtung
bestand, die Wahrheit zu sagen;
b) Vorlage von Beweismitteln, von denen die Partei weiß, daß sie falsch, ge- oder
verfälscht sind;
c) Beeinflussung eines Zeugen durch Vorteilsgewährung, Behinderung oder Störung des
Erscheinens oder des Zeugnisses eines Zeugen, Vergeltungsmaßnahmen gegen einen Zeugen
wegen seines Zeugnisses, Vernichtung oder Fälschung von Beweismitteln oder Störung der
Beweisaufnahme;
d) Behinderung oder Einschüchterung eines Bediensteten des Gerichtshofs oder
Beeinflussung desselben durch Vorteilsgewährung mit dem Ziel, ihn zu zwingen oder zu
veranlassen, seine Pflichten gar nicht oder nicht ordnungsgemäß wahrzunehmen;
e) Vergeltungsmaßnahmen gegen einen Bediensteten des Gerichtshofs wegen von ihm oder
einem anderen Bediensteten wahrgenommener Pflichten;
f) Forderung oder Annahme einer Bestechung durch einen Bediensteten des Gerichtshofs im
Zusammenhang mit seinen Dienstpflichten.
(2) Der Gerichtshof übt seine Gerichtsbarkeit über Straftaten nach diesem Artikel
entsprechend den in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Grundsätzen und
Verfahren aus. Die Bedingungen, unter denen dem Gerichtshof internationale Zusammenarbeit
im Hinblick auf seine Verfahren nach diesem Artikel gewährt wird, richten sich nach dem
innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates.
(3) Im Fall einer Verurteilung kann der Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von höchstens
fünf Jahren oder eine Geldstrafe in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und
Beweisordnung oder beides verhängen.
(4)
a) Jeder Vertragsstaat dehnt seine Strafgesetze, durch die Straftaten gegen seine eigenen
Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren unter Strafe gestellt werden, auf die in diesem
Artikel genannten Straftaten gegen die Rechtspflege aus, die in seinem Hoheitsgebiet oder
von einem seiner Staatsangehörigen begangen werden.
b) Auf Ersuchen des Gerichtshofs, wenn er dies für angebracht hält, unterbreitet der
Vertragsstaat die Sache seinen zuständigen Behörden zwecks Strafverfolgung. Diese
Behörden behandeln diese Sachen mit Sorgfalt und stellen ausreichende Mittel zu deren
wirksamer Abwicklung bereit.
Artikel 71 - Strafmaßnahmen wegen ordnungswidrigen Verhaltens
vor Gericht
(1) Der Gerichtshof kann vor ihm anwesende Personen, die sich ordnungswidrig
verhalten, etwa durch Störung seines Verfahrens oder vorsätzliche Weigerung, seine
Anordnungen zu befolgen, durch Ordnungsmittel wie vorübergehende oder dauernde Entfernung
aus dem Gerichtssaal, Geldstrafe oder andere ähnliche in der Verfahrens- und
Beweisordnung vorgesehene Maßnahmen, nicht jedoch durch Freiheitsstrafe, bestrafen.
(2) Die in Absatz 1 enthaltenen Maßnahmen werden nach den in der Verfahrens- und
Beweisordnung vorgesehenen Verfahren verhängt.
Artikel 72 - Schutz von Informationen betreffend die nationale
Sicherheit
(1) Dieser Artikel findet in jedem Fall Anwendung, in dem die Offenlegung von
Informationen oder Schriftstücken eines Staates nach dessen Auffassung seine nationalen
Sicherheitsinteressen beeinträchtigen würde. Dazu gehören die Fälle, die in den
Geltungsbereich des Artikels 56 Absätze 2 und 3, des Artikels
61 Absatz 3, des Artikels 64 Absatz 3, des Artikels
67 Absatz 2, des Artikels 68 Absatz 6, des Artikels
87 Absatz 6 und des Artikels 93 fallen, sowie die Fälle, die in
einem sonstigen Verfahrensabschnitt auftreten, in dem sich die Frage einer solchen
Offenlegung stellen kann.
(2) Dieser Artikel findet auch Anwendung, wenn eine Person, die zur Beibringung von
Informationen oder Beweismitteln aufgefordert wurde, diese verweigert oder die
Angelegenheit aus dem Grund an den Staat verwiesen hat, daß eine Offenlegung die
nationalen Sicherheitsinteressen dieses Staates beeinträchtigen würde, und der
betreffende Staat bestätigt, daß eine Offenlegung seiner Auffassung nach seine
nationalen Sicherheitsinteressen beeinträchtigen würde.
(3) Dieser Artikel läßt die Erfordernisse der Vertraulichkeit nach Artikel
54 Absatz 3 Buchstaben e und f und die Anwendung des Artikels 73
unberührt.
(4) Erfährt ein Staat, daß Informationen oder Unterlagen dieses Staates in irgendeinem
Abschnitt des Verfahrens offengelegt werden oder wahrscheinlich offengelegt werden sollen,
und ist er der Auffassung, daß die Offenlegung seine nationalen Sicherheitsinteressen
beeinträchtigen würde, so hat er das Recht, dem Verfahren beizutreten, um eine Regelung
dieser Frage in Übereinstimmung mit diesem Artikel herbeizuführen.
(5) Würde die Offenlegung von Informationen nach Auffassung eines Staates dessen
nationale Sicherheitsinteressen beeinträchtigen, so unternimmt dieser Staat alle
angemessenen Schritte, um gemeinsam mit dem Ankläger, der Verteidigung oder der
Vorverfahrenskammer beziehungsweise der Hauptverfahrenskammer zu versuchen, die
Angelegenheit auf dem Weg der Zusammenarbeit zu regeln. Dabei kann es sich insbesondere um
folgende Schritte handeln:
a) Änderung oder Klarstellung des Ersuchens,
b) eine Entscheidung des Gerichtshofs über die Erheblichkeit der verlangten Informationen
oder Beweismittel oder eine Entscheidung, ob die Beweismittel, obzwar erheblich, nicht von
einer anderen Stelle als dem ersuchten Staat erlangt werden könnten oder wurden,
c) Erlangung der Informationen oder Beweismittel von einer anderen Stelle oder in anderer
Form oder
d) Einigung über die Bedingungen, unter denen die verlangte Hilfe gewährt werden
könnte, so unter anderem durch die Beibringung von Zusammenfassungen oder redigierten
Textfassungen, Beschränkung der Offenlegung, Verfahren unter Ausschluß der
Öffentlichkeit oder der Gegenpartei oder sonstige aufgrund des Statuts und der
Verfahrens- und Beweisordnung zulässige Schutzmaßnahmen.
(6) Wurden alle angemessenen Schritte unternommen, um die Angelegenheit auf dem Weg der
Zusammenarbeit zu regeln, und gibt es nach Auffassung des Staates keine Möglichkeiten
oder Voraussetzungen für die Bereitstellung oder Offenlegung der Informationen oder
Unterlagen, ohne daß seine nationalen Sicherheitsinteressen beeinträchtigt werden, so
teilt er dem Ankläger oder dem Gerichtshof die konkreten Gründe für seine Entscheidung
mit, sofern nicht die konkrete Darlegung der Gründe selbst zwangsläufig zu einer
Beeinträchtigung der nationalen Sicherheitsinteressen dieses Staates führen würde.
(7) Danach kann der Gerichtshof, sofern er entscheidet, daß die Beweismittel erheblich
und für den Nachweis der Schuld oder Unschuld des Angeklagten erforderlich sind, folgende
Maßnahmen ergreifen:
a) Wird die Offenlegung der Informationen oder der Unterlage aufgrund eines Ersuchens um
Zusammenarbeit nach Teil 9 oder unter den in Absatz 2 beschriebenen
Umständen verlangt und hat der Staat den in Artikel 93 Absatz 4
genannten Ablehnungsgrund geltend gemacht, so kann der Gerichtshof,
-i) bevor er zu einem in Absatz 7 Buchstabe a Ziffer -ii genannten Schluß gelangt, um
weitere Konsultationen zur Prüfung der Darlegungen des Staates ersuchen wozu
gegebenenfalls auch Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit und der Gegenpartei
gehören können,
-ii) wenn er zu dem Schluß gelangt, daß der ersuchte Staat durch Geltendmachung des
Ablehnungsgrunds nach Artikel 93 Absatz 4 unter den gegebenen
Umständen nicht in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen aus dem Statut handelt,
die Angelegenheit unter Angabe der Gründe für seinen Schluß in Übereinstimmung mit Artikel 87 Absatz 7 verweisen, und
-iii) im Verfahren gegen den Angeklagten hinsichtlich des Erwiesenseins oder
Nichterwiesenseins einer Tatsache die Schlüsse ziehen, die unter den Umständen
angebracht erscheinen,
oder
b) unter allen anderen Umständen
-i) die Offenlegung anordnen, oder
-ii) soweit er die Offenlegung nicht anordnet, im Verfahren gegen den Angeklagten
hinsichtlich des Erwiesenseins oder Nichterwiesenseins einer Tatsache die Schlüsse
ziehen, die unter den Umständen angebracht erscheinen.
Artikel 73 - Informationen oder Unterlagen von Dritten
Wird ein Vertragsstaat vom Gerichtshof ersucht, Unterlagen oder Informationen zur
Verfügung zu stellen, die sich in seinem Gewahrsam, in seinem Besitz oder unter seiner
Verfügungsgewalt befinden und die ihm von einem Staat, einer zwischenstaatlichen oder
internationalen Organisation unter dem Vorbehalt der Vertraulichkeit offengelegt worden
sind, so ersucht er den Urheber um seine Zustimmung zu deren Offenlegung. Ist der Urheber
ein Vertragsstaat, so gibt er entweder die Zustimmung zur Offenlegung der Informationen
oder Unterlagen oder verpflichtet sich, vorbehaltlich des Artikels 72
die Frage der Offenlegung mit dem Gerichtshof zu regeln. Ist der Urheber kein
Vertragsstaat und verweigert er die Zustimmung zur Offenlegung, so teilt der ersuchte
Staat dem Gerichtshof mit, daß er wegen einer gegenüber dem Urheber zuvor eingegangenen
Verpflichtung zur Geheimhaltung nicht in der Lage ist, die Unterlagen oder Informationen
zur Verfügung zu stellen.
Artikel 74 - Anforderungen an das Urteil
(1) Alle Richter der Hauptverfahrenskammer sind in jeder Phase der Verhandlung und
während der gesamten Dauer ihrer Beratungen anwesend. Das Präsidium kann fallweise,
soweit verfügbar, einen oder mehrere Ersatzrichter bestimmen, die der Verhandlung in
jeder Phase beiwohnen und an die Stelle eines Mitglieds der Hauptverfahrenskammer treten,
wenn dieses nicht in der Lage ist, weiter anwesend zu sein.
(2) Das Urteil der Hauptverfahrenskammer gründet sich auf ihre Beweiswürdigung und das
gesamte Verfahren. Das Urteil darf nicht über die in der Anklage dargestellten Tatsachen
und Umstände und etwaige Änderungen der Anklage hinausgehen. Der Gerichtshof darf seinem
Urteil lediglich die Beweismittel zugrunde legen, die während der Verhandlung beigebracht
und vor ihm erörtert wurden.
(3) Die Richter bemühen sich, ihr Urteil einstimmig zu fällen; gelingt dies nicht, so
ergeht das Urteil durch die Mehrheit der Richter.
(4) Die Beratungen der Hauptverfahrenskammer bleiben geheim.
(5) Das Urteil ergeht schriftlich und enthält eine vollständige und begründete
Darstellung der Ergebnisse der Beweiswürdigung und der Schlußfolgerungen der
Hauptverfahrenskammer. Die Hauptverfahrenskammer erläßt ein einheitliches Urteil.
Besteht keine Einstimmigkeit, so enthält das Urteil der Hauptverfahrenskammer die
Auffassungen der Mehrheit und die der Minderheit. Das Urteil oder eine Zusammenfassung des
Urteils wird in öffentlicher Sitzung verkündet.
Artikel 75 - Wiedergutmachung für die Opfer
(1) Der Gerichtshof stellt Grundsätze für die Wiedergutmachung auf, die an oder
in Bezug auf die Opfer zu leisten ist, einschließlich Rückerstattung, Entschädigung und
Rehabilitierung. Auf dieser Grundlage kann der Gerichtshof in seiner Entscheidung entweder
auf Antrag oder unter außergewöhnlichen Umständen aus eigener Initiative den Umfang und
das Ausmaß des Schadens, Verlustes oder Nachteils feststellen, der den Opfern oder in
Bezug auf die Opfer entstanden ist, wobei er die Grundsätze nennt, aufgrund deren er
tätig wird.
(2) Der Gerichtshof kann eine Anordnung unmittelbar gegen den Verurteilten erlassen, in
der er die den Opfern oder in Bezug auf die Opfer zu leistende angemessene
Wiedergutmachung, wie Rückerstattung, Entschädigung und Rehabilitierung, im einzelnen
festlegt.
Gegebenenfalls kann der Gerichtshof anordnen, daß die zuerkannte Wiedergutmachung über
den in Artikel 79 vorgesehenen Treuhandfonds erfolgt.
(3) Vor Erlaß einer Anordnung nach diesem Artikel kann der Gerichtshof zu Eingaben
seitens oder zugunsten des Verurteilten, der Opfer, anderer interessierter Personen oder
interessierter Staaten auffordern, die er berücksichtigt.
(4) In Wahrnehmung seiner Befugnis nach diesem Artikel kann der Gerichtshof, nachdem eine
Person wegen eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens
verurteilt worden ist, entscheiden, ob es notwendig ist, Maßnahmen nach Artikel
93 Absatz 1 treffen zu lassen, um eine von ihm nach dem vorliegenden Artikel erlassene
Anordnung in Kraft zu setzen.
(5) Ein Vertragsstaat setzt eine nach diesem Artikel ergangene Entscheidung in Kraft, als
fände Artikel 109 auf diesen Artikel Anwendung.(6) Dieser Artikel ist
nicht so auszulegen, als beeinträchtige er die Rechte der Opfer nach einzelstaatlichem
Recht oder nach dem Völkerrecht.
Artikel 76 - Strafspruch
(1) Im Fall einer Verurteilung prüft die Hauptverfahrenskammer die zu verhängende
angemessene Strafe und berücksichtigt dabei die während der Verhandlung beigebrachten
Beweismittel und die Anträge, die für den Strafspruch von Bedeutung sind.
(2) Sofern nicht Artikel 65 Anwendung findet und vor Abschluß der
Verhandlung kann die Hauptverfahrenskammer aus eigener Initiative beziehungsweise muß sie
auf Antrag des Anklägers oder des Angeklagten in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und
Beweisordnung eine weitere mündliche Verhandlung abhalten, um zusätzliche Beweismittel
oder Anträge entgegenzunehmen, die für den Strafspruch von Bedeutung sind.
(3) Findet Absatz 2 Anwendung, so werden Eingaben nach Artikel 75 bei
der in Absatz 2 genannten weiteren mündlichen Verhandlung und erforderlichenfalls bei
jeder zusätzlichen mündlichen Verhandlung entgegengenommen.
(4) Die Strafe wird in öffentlicher Sitzung und soweit möglich in Anwesenheit des
Angeklagten verkündet.
Artikel 77 - Anwendbare Strafen
(1) Vorbehaltlich des Artikels 110 kann der Gerichtshof über eine
Person, die wegen eines in Artikel 5 dieses Statuts genannten
Verbrechens verurteilt worden ist, eine der folgenden Strafen verhängen:
a) eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe bis zu einer Höchstdauer von 30 Jahren;
b) eine lebenslange Freiheitsstrafe, wenn dies durch die außergewöhnliche Schwere des
Verbrechens und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten gerechtfertigt ist.
(2) Neben der Freiheitsstrafe kann der Gerichtshof folgendes anordnen:
a) eine Geldstrafe nach den in der Verfahrens- und Beweisordnung enthaltenen Kriterien;
b) die Einziehung des Erlöses, des Eigentums und der Vermögensgegenstände, die
unmittelbar oder mittelbar aus diesem Verbrechen stammen, unbeschadet der Rechte
gutgläubiger Dritter.
Artikel 78 - Festsetzung der Strafe
(1) Bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigt der Gerichtshof in
Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung Faktoren wie die Schwere des
Verbrechens und die persönlichen Verhältnisse des Verurteilten.
(2) Bei der Verhängung einer Freiheitsstrafe rechnet der Gerichtshof die aufgrund seiner
Anordnung zuvor in Haft verbrachte Zeit an. Der Gerichtshof kann alle sonst im
Zusammenhang mit dem Verhalten, das dem Verbrechen zugrunde liegt, in Haft verbrachten
Zeiten anrechnen.
(3) Ist eine Person mehr als eines Verbrechens für schuldig befunden worden, so verhängt
der Gerichtshof eine Strafe für jedes Verbrechen und eine Gesamtstrafe unter Angabe der
Gesamtlänge der Freiheitsstrafe. Diese darf nicht kürzer sein als die höchste
verhängte Einzelstrafe; sie darf 30 Jahre Freiheitsentzug oder eine lebenslange
Freiheitsstrafe entsprechend Artikel 77 Absatz 1 Buchstabe b nicht
überschreiten.
Artikel 79 - Treuhandfonds
(1) Auf Beschluß der Versammlung der Vertragsstaaten wird zugunsten der Opfer von
Verbrechen, die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegen, und der Angehörigen der
Opfer ein Treuhandfonds errichtet.
(2) Der Gerichtshof kann anordnen, daß durch Geldstrafen oder Einziehung erlangte Gelder
und sonstiges Eigentum auf Anordnung des Gerichtshofs an den Treuhandfonds überwiesen
werden.
(3) Der Treuhandfonds wird nach Kriterien verwaltet, die von der Versammlung der
Vertragsstaaten festzulegen sind.
Artikel 80 - Unberührtheit der einzelstaatlichen Anwendung von
Strafen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften
Dieser Teil läßt die Anwendung der in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften
vorgesehenen Strafen durch die Staaten ebenso unberührt wie die Rechtsvorschriften von
Staaten, welche die in diesem Teil vorgesehenen Strafen nicht kennen.
Teil 8: Berufung und Wiederaufnahme
Artikel 81 - Berufung gegen Frei- oder Schuldspruch oder gegen
den Strafspruch
(1) Gegen ein Urteil nach Artikel 74 kann in Übereinstimmung mit der
Verfahrens- und Beweisordnung wie folgt Berufung eingelegt werden:
a) Der Ankläger kann aus einem der folgenden Gründe Berufung einlegen:
-i) Verfahrensfehler,
-ii) fehlerhafte Tatsachenfeststellung oder
-iii) fehlerhafte Rechtsanwendung.
b) Der Verurteilte oder zu seinen Gunsten der Ankläger kann aus einem der folgenden
Gründe Berufung einlegen:
-i) Verfahrensfehler,
-ii) fehlerhafte Tatsachenfeststellung,
-iii) fehlerhafte Rechtsanwendung oder
-iv) jeder andere Grund, der die Fairneß oder Verläßlichkeit des Verfahrens oder des
Urteils beeinträchtigt.
(2)
a) Gegen den Strafspruch kann der Ankläger oder der Verurteilte in Übereinstimmung mit
der Verfahrens- und Beweisordnung wegen der Unverhältnismäßigkeit zwischen Verbrechen
und Strafmaß Berufung einlegen.
b) Gelangt der Gerichtshof aus Anlaß einer Berufung gegen den Strafspruch zu der
Auffassung, daß Gründe für eine vollständige oder teilweise Aufhebung des
Schuldspruchs vorliegen, so kann er den Ankläger und den Verurteilten auffordern, Gründe
nach Absatz 1 Buchstabe a oder b vorzubringen; er kann in Übereinstimmung mit Artikel 83 eine Entscheidung über den Schuldspruch fällen.
c) Das gleiche Verfahren findet Anwendung, wenn der Gerichtshof aus Anlaß einer allein
gegen den Schuldspruch gerichteten Berufung zu der Auffassung gelangt, daß Gründe für
die Herabsetzung des Strafmaßes nach Absatz 2 Buchstabe a vorliegen.
(3)
a) Soweit die Hauptverfahrenskammer nichts anderes anordnet, bleibt ein Verurteilter
während des Berufungsverfahrens in Haft.
b) Überschreitet die Haftzeit eines Verurteilten die verhängte Freiheitsstrafe, so wird
er freigelassen; hat indessen der Ankläger ebenfalls Berufung eingelegt, so kann die
Haftentlassung nach Maßgabe der unter Buchstabe c genannten Bedingungen erfolgen.
c) Im Fall eines Freispruchs wird der Angeklagte vorbehaltlich der folgenden Bestimmungen
sofort freigelassen:
-i) unter außergewöhnlichen Umständen und mit Rücksicht unter anderem auf die konkrete
Fluchtgefahr, die Schwere der zur Last gelegten Straftat und die Wahrscheinlichkeit eines
erfolgreichen Ausgangs der Berufung kann die Hauptverfahrenskammer auf Antrag des
Anklägers den Freigesprochenen während des Berufungsverfahrens weiterhin in Haft halten;
-ii) gegen eine Entscheidung der Hauptverfahrenskammer nach Buchstabe c Ziffer i kann in
Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung Beschwerde eingelegt werden.
(4) Vorbehaltlich des Absatzes 3 Buchstaben a und b wird die Vollstreckung des Urteils
beziehungsweise der Strafe während der zulässigen Berufungsfrist und für die Dauer des
Berufungsverfahrens ausgesetzt.
Artikel 82 - Beschwerde gegen sonstige Entscheidungen
(1) Jede der Parteien kann in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und
Beweisordnung gegen jede der nachstehenden Entscheidungen Beschwerde einlegen:
a) eine Entscheidung betreffend die Gerichtsbarkeit oder Zulässigkeit;
b) eine Entscheidung, mit der die Haftentlassung der Person, gegen die sich die
Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten, gewährt beziehungsweise abgelehnt wird;
c) eine Entscheidung der Vorverfahrenskammer, nach Artikel 56 Absatz 3
aus eigener Initiative tätig zu werden;
d) eine Entscheidung betreffend eine Frage, welche die faire und zügige Durchführung des
Verfahrens oder das Ergebnis des Hauptverfahrens maßgeblich beeinflussen würde und deren
sofortige Regelung durch die Berufungskammer das Verfahren nach Auffassung der
Vorverfahrenskammer oder der Hauptverfahrenskammer wesentlich voranbringen kann.
(2) Gegen eine Entscheidung der Vorverfahrenskammer nach Artikel 57 Absatz
3 Buchstabe d kann der betroffene Staat beziehungsweise der Ankläger mit Zustimmung
der Vorverfahrenskammer Beschwerde einlegen. Über die Beschwerde wird beschleunigt
verhandelt.
(3) Eine Beschwerde hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn die Berufungskammer dies auf
entsprechenden Antrag in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung anordnet.
(4) Der gesetzliche Vertreter der Opfer, der Verurteilte oder ein gutgläubiger
Eigentümer von Vermögensgegenständen, auf die sich eine Anordnung nach Artikel
75 nachteilig auswirkt, kann entsprechend der Verfahrens- und Beweisordnung gegen die
Anordnung zur Leistung von Wiedergutmachung Beschwerde einlegen.
Artikel 83 - Berufungsverfahren
(1) Für die Zwecke eines Verfahrens nach Artikel 81 und
diesem Artikel verfügt die Berufungskammer über alle Befugnisse der
Hauptverfahrenskammer.
(2) Befindet die Berufungskammer, daß es dem Verfahren, gegen das Berufung eingelegt
wurde, in einer Weise an Fairneß mangelte, daß die Verläßlichkeit des Urteils oder des
Strafspruchs beeinträchtigt wurde, oder daß das Urteil oder der Strafspruch, gegen die
Berufung eingelegt wurde, durch fehlerhafte Tatsachenfeststellung, fehlerhafte
Rechtsanwendung oder Verfahrensfehler wesentlich beeinträchtigt wurde, so kann sie
a) das Urteil oder den Strafspruch aufheben oder abändern oder
b) eine neue Verhandlung vor einer anderen Hauptverfahrenskammer anordnen.
Zu diesem Zweck kann die Berufungskammer eine Tatsachenfrage an die ursprüngliche
Hauptverfahrenskammer zur Entscheidung und entsprechenden Berichterstattung
zurückverweisen, oder sie kann selbst Beweis erheben, um die Frage zu entscheiden. Wenn
nur der Verurteilte oder zu seinen Gunsten der Ankläger Berufung gegen das Urteil oder
den Strafspruch eingelegt hat, kann das Urteil oder der Strafspruch nicht zum Nachteil des
Verurteilten abgeändert werden.
(3) Stellt die Berufungskammer bei einer Berufung gegen den Strafspruch fest, daß das
Strafmaß in keinem Verhältnis zum Verbrechen steht, so kann sie das Strafmaß in
Übereinstimmung mit Teil 7 abändern.
(4) Das Urteil der Berufungskammer ergeht mit der Stimmenmehrheit der Richter; es wird in
öffentlicher Sitzung verkündet. Das Urteil enthält eine Urteilsbegründung. Besteht
keine Einstimmigkeit, so enthält das Urteil die Auffassungen der Mehrheit und die der
Minderheit, doch können die Richter auch persönliche oder abweichende Meinungen zu
Rechtsfragen abgeben.
(5) Die Berufungskammer kann ihr Urteil in Abwesenheit des Freigesprochenen oder des
Verurteilten verkünden.
Artikel 84 - Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des Schuldspruchs oder des Strafspruchs
(1) Der Verurteilte oder nach seinem Tod sein Ehepartner, seine Kinder, Eltern oder
eine zum Zeitpunkt des Todes des Verurteilten lebende Person, die vom Verurteilten
ausdrücklich schriftliche Anweisungen erhalten hat, einen solchen Antrag zu stellen, oder
zugunsten des Verurteilten der Ankläger können bei der Berufungskammer einen Antrag auf
Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich des rechtskräftigen Schuldspruchs oder
Strafspruchs stellen mit der Begründung, daß
a) neue Beweismittel bekannt geworden sind, die
-i) zum Zeitpunkt der Verhandlung nicht vorlagen, ohne daß dies ganz oder teilweise der
antragstellenden Partei zuzuschreiben war, und
-ii) so wichtig sind, daß sie wahrscheinlich zu einem anderen Urteil geführt hätten,
wenn sie während der Verhandlung entsprechend gewürdigt worden wären;
b) erst jetzt entdeckt wurde, daß entscheidende Beweismittel, die bei der Verhandlung
berücksichtigt wurden und auf denen der Schuldspruch beruht, falsch sind, ge- oder
verfälscht wurden;
c) ein oder mehrere an dem Schuldspruch oder der Bestätigung der Anklage beteiligte
Richter in dieser Sache eine so schwere Verfehlung oder Amtspflichtverletzung begangen
haben, daß ihre Amtsenthebung nach Artikel 46 gerechtfertigt ist.
(2) Die Berufungskammer verwirft den Wiederaufnahmeantrag, wenn sie ihn für unbegründet
hält. Erachtet sie den Antrag als begründet, so kann sie je nach Sachlage
a) die ursprüngliche Hauptverfahrenskammer wieder einberufen;
b) eine neue Hauptverfahrenskammer bilden oder
c) selbst die Zuständigkeit für die Angelegenheit behalten,
mit dem Ziel, nach Anhörung der Parteien in einer der Verfahrens- und Beweisordnung
entsprechenden Weise zu entscheiden, ob das Urteil revidiert werden soll.
Artikel 85 - Entschädigung an Festgenommene oder Verurteilte
(1) Jeder, der unrechtmäßig festgenommen oder in Haft gehalten worden ist, hat
einen Anspruch auf Entschädigung.
(2) Ist jemand wegen einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und ist das
Urteil später aufgehoben worden, weil eine neue oder neu bekannt gewordene Tatsache
schlüssig beweist, daß ein Fehlurteil vorlag, so ist derjenige, der aufgrund eines
solchen Urteils eine Strafe verbüßt hat, nach rechtlichen Vorschriften zu entschädigen,
sofern nicht nachgewiesen wird, daß das nicht rechtzeitige Bekanntwerden der betreffenden
Tatsache ganz oder teilweise ihm zuzuschreiben ist.
(3) Unter außergewöhnlichen Umständen kann der Gerichtshof, wenn er schlüssige
Tatsachen feststellt, aus denen hervorgeht, daß es zu einem schwerwiegenden und
offenkundigen Fehlurteil gekommen ist, nach eigenem Ermessen in Übereinstimmung mit den
in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Kriterien einer Person Entschädigung
zuerkennen, die nach einem rechtskräftigen Freispruch oder einer aus diesem Grund
erfolgten Verfahrenseinstellung aus der Haft entlassen worden ist.
Teil 9: Internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe
Artikel 86 - Allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit
Die Vertragsstaaten arbeiten nach Maßgabe dieses Statuts bei den Ermittlungen von der
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen und bei deren strafrechtlicher
Verfolgung uneingeschränkt mit dem Gerichtshof zusammen.
Artikel 87 - Ersuchen um Zusammenarbeit: Allgemeine Bestimmungen
(1)
a) Der Gerichtshof ist befugt, die Vertragsstaaten um Zusammenarbeit zu ersuchen. Diese
Ersuchen werden auf diplomatischem oder jedem sonstigen geeigneten Weg übermittelt, den
die Vertragsstaaten bei der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung des Statuts oder dem
Beitritt dazu festlegen.
Spätere Änderungen der Festlegung werden von jedem Vertragsstaat in Übereinstimmung mit
der Verfahrens- und Beweisordnung vorgenommen.
b) Gegebenenfalls können unbeschadet des Buchstabens a die Ersuchen auch über die
Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation oder eine geeignete Regionalorganisation
übermittelt werden.
(2) Ersuchen um Zusammenarbeit und alle zu ihrer Begründung beigefügten Unterlagen
werden in einer Amtssprache des ersuchten Staates oder einer der Arbeitssprachen des
Gerichtshofs abgefaßt, oder sie werden von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen
begleitet, entsprechend der Wahl, die der Staat bei der Ratifikation, Annahme oder
Genehmigung des Statuts oder dem Beitritt dazu getroffen hat.
Spätere Änderungen dieser Wahl werden in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und
Beweisordnung vorgenommen.
(3) Der ersuchte Staat behandelt ein Ersuchen um Zusammenarbeit und alle zu seiner
Begründung beigefügten Unterlagen vertraulich, soweit eine Offenlegung nicht für die
Erledigung des Ersuchens erforderlich ist.
(4) In Bezug auf die nach diesem Teil gestellten Rechtshilfeersuchen kann der Gerichtshof
alle notwendigen Maßnahmen treffen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von
Informationen, um die Sicherheit oder das körperliche oder seelische Wohl der Opfer,
möglichen Zeugen und deren Angehörigen zu gewährleisten. Der Gerichtshof kann darum
ersuchen, daß alle nach diesem Teil zur Verfügung gestellten Informationen in einer
Weise bereitgestellt und gehandhabt werden, welche die Sicherheit und das körperliche
oder seelische Wohl der Opfer, möglichen Zeugen und deren Angehörigen schützt.
(5)
a) Der Gerichtshof kann jeden Staat, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist,
ersuchen, aufgrund einer Ad-hoc-Vereinbarung, einer Übereinkunft mit diesem Staat oder
auf jeder anderen geeigneten Grundlage Unterstützung nach diesem Teil zu leisten.
b) Leistet ein Staat, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist und der eine
Ad-hoc-Vereinbarung oder eine Übereinkunft mit dem Gerichtshof getroffen hat, einem
aufgrund der Vereinbarung oder eine Übereinkunft gestellten Ersuchen um Zusammenarbeit
nicht Folge, so kann der Gerichtshof die Versammlung der Vertragsstaaten oder, wenn der
Sicherheitsrat die Angelegenheit dem Gerichtshof unterbreitet hat, den Sicherheitsrat
davon unterrichten.
(6) Der Gerichtshof kann jede zwischenstaatliche Organisation ersuchen, Informationen oder
Unterlagen beizubringen. Der Gerichtshof kann auch um andere Formen der Zusammenarbeit und
Unterstützung bitten, die mit dieser Organisation vereinbart werden und mit ihrer
Zuständigkeit oder ihrem Auftrag vereinbar sind.
(7) Leistet ein Vertragsstaat entgegen diesem Statut einem Ersuchen des Gerichtshofs um
Zusammenarbeit nicht Folge und hindert er dadurch den Gerichtshof an der Wahrnehmung
seiner Aufgaben und Befugnisse aufgrund dieses Statuts, so kann der Gerichtshof eine
entsprechende Feststellung treffen und die Angelegenheit der Versammlung der
Vertragsstaaten oder, wenn der Sicherheitsrat die Angelegenheit dem Gerichtshof
unterbreitet hat, dem Sicherheitsrat übergeben.
Artikel 88 - Nach innerstaatlichem Recht zur Verfügung stehende
Verfahren
Die Vertragsstaaten sorgen dafür, daß in ihrem innerstaatlichen Recht für alle
in diesem Teil vorgesehenen Formen der Zusammenarbeit Verfahren zur Verfügung stehen.
Artikel 89 - Überstellung von Personen an den Gerichtshof
(1) Der Gerichtshof kann jedem Staat, in dessen Hoheitsgebiet sich eine Person
vermutlich befindet, ein Ersuchen um Festnahme und Überstellung dieser Person samt den in
Artikel 91 genannten zu seiner Begründung beigefügten Unterlagen
übermitteln und diesen Staat um Zusammenarbeit bei der Festnahme und Überstellung der
Person ersuchen. Die Vertragsstaaten leisten Ersuchen um Festnahme und Überstellung in
Übereinstimmung mit diesem Teil und den in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen
Verfahren Folge.
(2) Ficht die Person, um deren Überstellung ersucht wurde, vor einem innerstaatlichen
Gericht auf der Grundlage des in Artikel 20 festgelegten Grundsatzes ne
bis in idem die Überstellung an, so konsultiert der ersuchte Staat sofort den
Gerichtshof, um festzustellen, ob eine entsprechende Entscheidung über die Zulässigkeit
ergangen ist. Ist die Sache zulässig, so fährt der ersuchte Staat mit der Erledigung des
Ersuchens fort. Steht eine Zulässigkeitsentscheidung noch aus , so kann der ersuchte
Staat die Erledigung des Ersuchens um Überstellung so lange aufschieben, bis der
Gerichtshof eine Entscheidung über die Zulässigkeit fällt.
(3)
a) Ein Vertragsstaat genehmigt in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen
Verfahrensrecht die Beförderung einer von einem anderen Staat an den Gerichtshof
überstellten Person durch sein Hoheitsgebiet, soweit nicht die Durchbeförderung durch
diesen Staat die Überstellung verhindern oder verzögern würde.
b) Ein Durchbeförderungsersuchen des Gerichtshofs wird in Übereinstimmung mit Artikel 87 übermittelt. Das Durchbeförderungsersuchen enthält
-i) eine Beschreibung der zu befördernden Person,
-ii) eine kurze Darlegung des Sachverhalts und dessen rechtliche Würdigung und
-iii) den Haftbefehl und das Überstellungsersuchen.
c) Während der Durchbeförderung ist die beförderte Person in Haft zu halten.
d) Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn die Person auf dem Luftweg befördert
wird und eine Zwischenlandung im Hoheitsgebiet des Durchbeförderungsstaats nicht
vorgesehen ist.
e) Kommt es zu einer unvorhergesehenen Zwischenlandung im Hoheitsgebiet des
Durchbeförderungsstaats, so kann dieser Staat den Gerichtshof um ein
Durchbeförderungsersuchen nach Buchstabe b ersuchen. Der Durchbeförderungsstaat hält
die beförderte Person so lange in Haft, bis das Durchbeförderungsersuchen eingetroffen
und die Durchbeförderung erfolgt ist; die Haft im Sinne dieses Buchstabens darf 96
Stunden von der unvorhergesehenen Zwischenlandung an nicht überschreiten, es sei denn,
das Ersuchen geht innerhalb dieser Frist ein.
(4) Wird im ersuchten Staat gegen die gesuchte Person gerichtlich vorgegangen oder
verbüßt sie dort eine Strafe wegen eines anderen Verbrechens als desjenigen,
dessentwegen die Überstellung an den Gerichtshof verlangt wird, so konsultiert der
ersuchte Staat den Gerichtshof, nachdem er beschlossen hat, dem Ersuchen stattzugeben.
Artikel 90 - Konkurrierende Ersuchen
(1) Ein Vertragsstaat, der ein Ersuchen des Gerichtshofs um Überstellung einer
Person nach Artikel 89 und außerdem von einem anderen Staat ein
Ersuchen um Auslieferung derselben Person wegen desselben Verhaltens erhält, das die
Grundlage für das Verbrechen bildet, dessentwegen der Gerichtshof um die Überstellung
der Person ersucht, teilt dies dem Gerichtshof und dem ersuchenden Staat mit.
(2) Ist der ersuchende Staat ein Vertragsstaat, so räumt der ersuchte Staat dem Ersuchen
des Gerichtshofs Vorrang ein, wenn
a) der Gerichtshof nach Artikel 18 oder 19
entschieden hat, daß die Sache, derentwegen die Überstellung verlangt wird, zulässig
ist, und bei seiner Entscheidung die Ermittlungen oder die Strafverfolgung des ersuchenden
Staates in Bezug auf dessen Auslieferungsersuchen berücksichtigt hat, oder
b) der Gerichtshof die unter Buchstabe a beschriebene Entscheidung aufgrund der Mitteilung
des ersuchten Staates nach Absatz 1 trifft.
(3) Wurde keine Entscheidung nach Absatz 2 Buchstabe a getroffen, so kann der ersuchte
Staat nach eigenem Ermessen bis zur Entscheidung des Gerichtshofs nach Absatz 2 Buchstabe
b das Auslieferungsersuchen des ersuchenden Staates weiterbehandeln, liefert die Person
jedoch nicht aus, bis der Gerichtshof entschieden hat, daß die Sache unzulässig ist. Die
Entscheidung des Gerichtshofs wird beschleunigt gefällt.
(4) Handelt es sich beim ersuchenden Staat um einen Staat, der nicht Vertragspartei dieses
Statuts ist, so räumt der ersuchte Staat, sofern er nicht völkerrechtlich verpflichtet
ist, die Person an den ersuchenden Staat auszuliefern, dem Überstellungsersuchen des
Gerichtshofs Vorrang ein, wenn der Gerichtshof entschieden hat, daß die Sache zulässig
ist.
(5) Hat der Gerichtshof nicht entschieden, daß eine Sache nach Absatz 4 zulässig ist, so
kann der ersuchte Staat nach eigenem Ermessen das Auslieferungsersuchen des ersuchenden
Staates weiterbehandeln.
(6) Findet Absatz 4 Anwendung, ist der ersuchte Staat jedoch völkerrechtlich
verpflichtet, die Person an den ersuchenden Staat, der nicht Vertragspartei dieses Statuts
ist, auszuliefern, so entscheidet der ersuchte Staat, ob er die Person an den Gerichtshof
überstellt oder an den ersuchenden Staat ausliefert. Bei seiner Entscheidung
berücksichtigt der ersuchte Staat alle maßgeblichen Umstände, insbesondere, jedoch
nicht ausschließlich,
a) das jeweilige Datum der Ersuchen,
b) die Interessen des ersuchenden Staates, darunter gegebenenfalls die Frage, ob das
Verbrechen in seinem Hoheitsgebiet begangen wurde, und die Staatsangehörigkeit der Opfer
und der gesuchten Person und
c) die Möglichkeit einer späteren Überstellung der Person zwischen dem Gerichtshof und
dem ersuchenden Staat.
(7) Erhält ein Vertragsstaat vom Gerichtshof ein Ersuchen um Überstellung einer Person
und außerdem von einem Staat ein Ersuchen um Auslieferung derselben Person wegen eines
anderen Verhaltens als desjenigen, das den Tatbestand des Verbrechens erfüllt,
dessentwegen der Gerichtshof die Überstellung der Person verlangt,
a) so räumt der ersuchte Staat, soweit er nicht völkerrechtlich verpflichtet ist, die
Person an den ersuchenden Staat auszuliefern, dem Ersuchen des Gerichtshofs Vorrang ein;
b) so entscheidet der ersuchte Staat, sofern er völkerrechtlich verpflichtet ist, die
Person an den ersuchenden Staat auszuliefern, ob er die Person an den Gerichtshof
überstellt oder an den ersuchenden Staat ausliefert. Bei seiner Entscheidung
berücksichtigt der ersuchte Staat alle maßgeblichen Umstände, insbesondere, jedoch
nicht ausschließlich, die in Absatz 6 genannten Umstände; besondere Berücksichtigung
finden dabei jedoch das Wesen und die Schwere des fraglichen Verhaltens im jeweiligen
Fall.
(8) Hat der Gerichtshof aufgrund einer Mitteilung nach diesem Artikel entschieden, daß
eine Sache unzulässig ist, und wird später die Auslieferung an den ersuchenden Staat
abgelehnt, so teilt der ersuchte Staat dem Gerichtshof diese Entscheidung mit.
Artikel 91 - Inhalt des Festnahme- und Überstellungsersuchens
(1) Ein Festnahme- und Überstellungsersuchen erfolgt schriftlich. In dringenden
Fällen kann ein Ersuchen über jedes Medium erfolgen, das in der Lage ist, eine
schriftliche Aufzeichnung zu hinterlassen; allerdings muß das Ersuchen auf dem in Artikel 87 Absatz 1 Buchstabe a vorgesehenen Weg bestätigt werden.
(2) Ein Ersuchen um Festnahme und Überstellung einer Person, gegen die von der
Vorverfahrenskammer ein Haftbefehl nach Artikel 58 erlassen wurde,
enthält beziehungsweise wird begleitet durch
a) eine Beschreibung der gesuchten Person, die ausreicht, um sie zu identifizieren, sowie
Angaben über den Ort, an dem sie sich vermutlich aufhält,
b) eine Abschrift des Haftbefehls und
c) die Unterlagen, Erklärungen oder Informationen, die erforderlich sind, um den
Vorschriften für das Überstellungsverfahren im ersuchten Staat Genüge zu tun; diese
Vorschriften sollen jedoch keine größere Belastung als die auf Auslieferungsersuchen
aufgrund von Verträgen oder Vereinbarungen zwischen dem ersuchten Staat und anderen
Staaten anwendbaren Vorschriften darstellen; sie sollen vielmehr unter Berücksichtigung
des besonderen Charakters des Gerichtshofs möglichst eine geringere Belastung darstellen.
(3) Ein Ersuchen um Festnahme und Überstellung eines bereits Verurteilten enthält
beziehungsweise wird begleitet durch
a) eine Abschrift jedes Haftbefehls gegen diese Person,
b) eine Abschrift des Schuldspruchs,
c) Informationen, aus denen hervorgeht, daß es sich bei der gesuchten Person um diejenige
handelt, die im Schuldspruch genannt ist, und
d) wenn ein Strafspruch gegen die gesuchte Person ergangen ist, eine Abschrift des
Strafspruchs, und im Fall einer Freiheitsstrafe eine Erklärung über die bereits
verbüßte und die noch zu verbüßende Freiheitsstrafe.
(4) Auf Ersuchen des Gerichtshofs konsultiert ein Vertragsstaat den Gerichtshof entweder
allgemein oder in Bezug auf eine bestimmte Angelegenheit hinsichtlich aller Vorschriften
seines innerstaatlichen Rechts, die nach Absatz 2 Buchstabe c Anwendung finden können.
Dabei setzt der Vertragsstaat den Gerichtshof von den besonderen Vorschriften seines
innerstaatlichen Rechts in Kenntnis.
Artikel 92 - Vorläufige Festnahme
(1) In dringenden Fällen kann der Gerichtshof bis zur Vorlage des
Überstellungsersuchens und der in Artikel 91 genannten Unterlagen um
vorläufige Festnahme der gesuchten Person ersuchen.
(2) Das Ersuchen um vorläufige Festnahme kann über jedes Medium erfolgen, das in der
Lage ist, eine schriftliche Aufzeichnung zu hinterlassen; es enthält
a) eine Beschreibung der gesuchten Person, die ausreicht, um sie zu identifizieren, sowie
Angaben über den Ort, an dem sie sich vermutlich aufhält,
b) eine knappe Darstellung der Verbrechen, derentwegen die Festnahme der gesuchten Person
verlangt wird, sowie der Tatsachen, die angeblich den Tatbestand dieser Verbrechen
erfüllen, einschließlich, soweit möglich, des Datums und des Ortes der
Verbrechensbegehung,
c) eine Erklärung über das Vorliegen eines Haftbefehls oder eines Schuldspruchs gegen
die gesuchte Person und
d) eine Erklärung, daß ein Überstellungsersuchen nachgereicht werden wird.
(3) Eine vorläufig festgenommene Person kann aus der Haft entlassen werden, wenn der
ersuchte Staat das Überstellungsersuchen und die in Artikel 91
genannten Unterlagen nicht innerhalb der in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen
Fristen erhalten hat. Die Person kann jedoch vor Ablauf dieser Frist der Überstellung
zustimmen, wenn das Recht des ersuchten Staates dies zuläßt. In diesem Fall nimmt der
ersuchte Staat ihre Überstellung an den Gerichtshof so bald wie möglich vor.
(4) Die Tatsache, daß die gesuchte Person nach Absatz 3 aus der Haft entlassen wurde,
schließt ihre spätere Festnahme und Überstellung nicht aus, wenn das
Überstellungsersuchen und die beigefügten Unterlagen zu einem späteren Zeitpunkt
übermittelt werden.
Artikel 93 - Andere Formen der Zusammenarbeit
(1) Die Vertragsstaaten entsprechen in Übereinstimmung mit diesem Teil und nach
den im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren den Ersuchen des Gerichtshofs um die
nachstehenden Formen der Rechtshilfe im Zusammenhang mit Ermittlungen oder
Strafverfolgungen:
a) Identifizierung und Feststellung des Verbleibs von Personen oder Lokalisierung von
Gegenständen,
b) Beweisaufnahme, einschließlich beeideter Zeugenaussagen, und Beibringung von
Beweismitteln, einschließlich Sachverständigengutachten und Berichten, die der
Gerichtshof benötigt,
c) Vernehmung von Personen, gegen die ermittelt wird oder die strafrechtlich verfolgt
werden,
d) Zustellung von Unterlagen, einschließlich gerichtlicher Schriftstücke,
e) Erleichterung des freiwilligen Erscheinens von Personen als Zeugen oder
Sachverständige vor dem Gerichtshof,
f) zeitweilige Übergabe von Personen nach Absatz 7,
g) Untersuchung von Orten oder Stätten, einschließlich Exhumierung und Untersuchung von
Grabstätten,
h) Durchführung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen,
i) Beibringung von Akten und Unterlagen, einschließlich amtlicher Akten und Unterlagen,
j) Schutz von Opfern und Zeugen und Sicherstellung von
Beweismitteln,
k) Identifizierung, Aufspüren und Einfrieren oder Beschlagnahme von
Erlösen, Eigentum und Vermögensgegenständen sowie Tatwerkzeugen zum Zweck der späteren
Einziehung, unbeschadet der Rechte gutgläubiger Dritter, und
l) jede andere Form der Rechtshilfe, die nach dem Recht des ersuchten Staates nicht
verboten ist, mit dem Ziel, die Ermittlungen in Bezug auf Verbrechen, die der
Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegen, und deren strafrechtliche Verfolgung zu
erleichtern.
(2) Der Gerichtshof ist befugt, einem vor dem Gerichtshof erscheinenden Zeugen oder
Sachverständigen die Zusicherung zu geben, daß er wegen einer Handlung oder
Unterlassung, die vor seiner Abreise aus dem ersuchten Staat erfolgte, vom Gerichtshof
nicht strafrechtlich verfolgt, in Haft genommen oder einer sonstigen Einschränkung seiner
persönlichen Freiheit unterworfen wird.
(3) Ist die Durchführung einer in einem Ersuchen nach Absatz 1 genannten besonderen
Rechtshilfemaßnahme im ersuchten Staat aufgrund eines bestehenden, allgemein gültigen
wesentlichen Rechtsgrundsatzes verboten, so konsultiert der ersuchte Staat umgehend den
Gerichtshof, um zu versuchen, die Angelegenheit zu regeln. Dabei sollte geprüft werden,
ob die Rechtshilfe auf andere Weise oder unter bestimmten Bedingungen geleistet werden
kann. Kann die Angelegenheit auch nach den Konsultationen nicht geregelt werden, so
ändert der Gerichtshof das Ersuchen soweit erforderlich ab.
(4) Ein Vertragsstaat kann ein Rechtshilfeersuchen nur dann nach Artikel
72 ganz oder teilweise ablehnen, wenn das Ersuchen die Beibringung von Unterlagen oder
die Offenlegung von Beweismitteln betrifft, die seine nationale Sicherheit betreffen.
(5) Vor Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens nach Absatz 1 Buchstabe l prüft der ersuchte
Staat, ob die Rechtshilfe unter bestimmten Bedingungen oder zu einem späteren Zeitpunkt
oder auf andere Art und Weise geleistet werden kann; nimmt der Gerichtshof oder der
Ankläger jedoch die Rechtshilfe unter diesen Bedingungen an, so muß sich der Gerichtshof
oder der Ankläger an diese Bedingungen halten.
(6) Wird ein Rechtshilfeersuchen abgelehnt, so setzt der ersuchte Vertragsstaat den
Gerichtshof oder den Ankläger umgehend von den Gründen für die Ablehnung in Kenntnis.
(7)
a) Der Gerichtshof kann um zeitweilige Übergabe eines Häftlings zum Zweck der
Identifizierung, der Vernehmung oder einer sonstigen Form der Rechtshilfe ersuchen. Der
Häftling kann unter den folgenden Bedingungen übergeben werden:
-i) er gibt aus freien Stücken in Kenntnis sämtlicher Umstände seine Zustimmung zur
Übergabe, und
-ii) der ersuchte Staat stimmt der Übergabe unter den zwischen ihm und dem Gerichtshof
vereinbarten Bedingungen zu.
b) Die übergebene Person bleibt in Haft. Sind die Zwecke der Übergabe erfüllt, so sorgt
der Gerichtshof für ihre unverzügliche Rücküberstellung an den ersuchten Staat.
(8)
a) Der Gerichtshof stellt die Vertraulichkeit der Unterlagen und Informationen sicher,
soweit die in dem Ersuchen beschriebenen Ermittlungen und Verfahren nichts anderes
erfordern.
b) Der ersuchte Staat kann dem Ankläger, soweit notwendig, Unterlagen oder Informationen
vertraulich übermitteln. Diese können vom Ankläger sodann nur zum Zweck der Erlangung
neuer Beweismittel benutzt werden.
c) Der ersuchte Staat kann von sich aus oder auf Ersuchen des Anklägers später der
Offenlegung dieser Unterlagen oder Informationen zustimmen. Sie können sodann nach den
Teilen 5 und 6 und in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung als
Beweismittel verwendet werden.
(9)
a)
-i) Erhält ein Vertragsstaat vom Gerichtshof und im Rahmen einer völkerrechtlichen
Verpflichtung von einem anderen Staat konkurrierende Ersuchen zu einem anderen Zweck als
zur Überstellung oder Auslieferung, so bemüht sich der Vertragsstaat nach Rücksprache
mit dem Gerichtshof und dem anderen Staat, beiden Ersuchen nachzukommen, indem er, soweit
erforderlich, das eine oder das andere Ersuchen zurückstellt oder Bedingungen damit
verknüpft.
-ii) Andernfalls werden konkurrierende Ersuchen nach den in Artikel 90
festgelegten Grundsätzen geregelt.
b) Betrifft das Ersuchen des Gerichtshofs jedoch Informationen, Eigentum oder Personen,
die aufgrund einer internationalen Übereinkunft der Verfügungsgewalt eines Drittstaats
oder einer internationalen Organisation unterliegen, so setzt der ersuchte Staat den
Gerichtshof davon in Kenntnis; der Gerichtshof richtet sein Ersuchen dann an den
Drittstaat oder die internationale Organisation.
(10)
a) Der Gerichtshof kann auf entsprechendes Ersuchen mit einem Vertragsstaat
zusammenarbeiten und ihm Rechtshilfe leisten, wenn dieser Staat Ermittlungen oder ein
Verfahren durchführt wegen eines Verhaltens, das den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit
des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens oder eines schweren Verbrechens nach dem
innerstaatlichen Recht des ersuchenden Staates erfüllt.
b)
-i) Die nach Buchstabe a geleistete Rechtshilfe umfaßt unter anderem
-a. die Übermittlung von Erklärungen, Unterlagen oder sonstigen Beweismitteln, die im
Lauf der Ermittlungen oder des Verfahrens erlangt worden sind, welche der Gerichtshof
durchgeführt hat, und
-b. die Vernehmung einer auf Anordnung des Gerichtshofs inhaftierten Person;
-ii) im Fall der Rechtshilfe nach Ziffer i Unterabsatz a gilt folgendes:
-a. Wurden die Unterlagen oder sonstigen Beweismittel mit Hilfe eines Staates erlangt, so
bedarf die Übermittlung seiner Zustimmung;
-b. wurden die Erklärungen, Unterlagen oder sonstigen Beweismittel durch einen Zeugen
oder Sachverständigen beigebracht, so erfolgt die Übermittlung vorbehaltlich des Artikels 68.
c) Der Gerichtshof kann unter den in diesem Absatz genannten Bedingungen einem von einem
Staat, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist, gestellten Rechtshilfeersuchen nach
diesem Absatz stattgeben.
Artikel 94 - Aufschub der Erledigung eines Ersuchens wegen
laufender Ermittlungen oder laufender Strafverfolgung
(1) Würde die sofortige Erledigung eines Ersuchens die laufenden Ermittlungen
oder die laufende Strafverfolgung in einer anderen Sache als derjenigen beeinträchtigen,
auf die sich das Ersuchen bezieht, so kann der ersuchte Staat die Erledigung des Ersuchens
um eine mit dem Gerichtshof vereinbarte Zeitspanne aufschieben. Der Aufschub darf jedoch
nicht länger dauern, als notwendig ist, um die entsprechenden Ermittlungen oder die
Strafverfolgung im ersuchten Staat zum Abschluß zu bringen. Vor der Entscheidung über
den Aufschub soll der ersuchte Staat prüfen, ob die erbetene Rechtshilfe unter bestimmten
Bedingungen sofort geleistet werden kann.
(2) Wird nach Absatz 1 ein Aufschub beschlossen, so kann der Ankläger dennoch nach Artikel 93 Absatz 1 Buchstabe j um Maßnahmen zur Beweissicherung
ersuchen.
Artikel 95 - Aufschub der Erledigung eines Ersuchens wegen
Anfechtung der Zulässigkeit
Prüft der Gerichtshof eine Anfechtung der Zulässigkeit nach Artikel
18 oder 19, so kann der ersuchte Staat die Erledigung eines
Ersuchens nach diesem Teil bis zu einer Entscheidung durch den Gerichtshof aufschieben,
sofern der Gerichtshof nicht ausdrücklich angeordnet hat, daß der Ankläger die
Beweisaufnahme nach Artikel 18 oder 19 fortsetzen
kann.
Artikel 96 - Inhalt eines Ersuchens um andere Formen der
Rechtshilfe nach Artikel 93 -
(1) Ein Ersuchen um die in Artikel 93 genannten anderen
Formen der Rechtshilfe erfolgt schriftlich. In dringenden Fällen kann ein Ersuchen über
jedes Medium erfolgen, das in der Lage ist, eine schriftliche Aufzeichnung zu
hinterlassen; allerdings muß das Ersuchen auf dem in Artikel 87 Absatz 1
Buchstabe a vorgesehenen Weg bestätigt werden.
(2) Das Ersuchen enthält beziehungsweise wird begleitet durch, soweit anwendbar,
a) eine knappe Darstellung des Zweckes des Ersuchens und der erbetenen Rechtshilfe,
einschließlich der Rechtsgrundlage und der Gründe für das Ersuchen,
b) möglichst ausführliche Informationen über den Aufenthaltsort oder die
Identifizierung von Personen oder die Orte, die gefunden oder identifiziert werden
müssen, damit die erbetene Rechtshilfe geleistet werden kann,
c) eine knappe Darstellung des wesentlichen Sachverhalts, der dem Ersuchen zugrunde liegt,
d) die Gründe für alle einzuhaltenden Verfahren oder Bedingungen und deren Einzelheiten,
e) alle Informationen, die nach dem Recht des ersuchten Staates erforderlich sind, damit
dem Ersuchen entsprochen werden kann, und
f) alle sonstigen Informationen, die von Bedeutung sind, damit die erbetene Rechtshilfe
geleistet werden kann.
(3) Auf Ersuchen des Gerichtshofs konsultiert ein Vertragsstaat den Gerichtshof entweder
allgemein oder in Bezug auf eine bestimmte Angelegenheit hinsichtlich aller Vorschriften
seines innerstaatlichen Rechts, die nach Absatz 2 Buchstabe e Anwendung finden können.
Dabei setzt der Vertragsstaat den Gerichtshof von den besonderen Vorschriften seines
innerstaatlichen Rechts in Kenntnis.
(4) Dieser Artikel findet gegebenenfalls auch auf ein an den Gerichtshof gerichtetes
Rechtshilfeersuchen Anwendung.
Artikel 97 - Konsultationen
Erhält ein Vertragsstaat ein Ersuchen aufgrund dieses Teiles, in dessen
Zusammenhang er Probleme feststellt, welche die Erledigung des Ersuchens be- oder
verhindern können, so konsultiert der Vertragsstaat unverzüglich den Gerichtshof, um die
Angelegenheit zu regeln. Bei diesen Problemen kann es sich unter anderem um Folgendes
handeln:
a) unzureichende Informationen für die Erledigung des Ersuchens,
b) im Fall eines Überstellungsersuchens der Umstand, daß die gesuchte Person trotz aller
Anstrengungen nicht ausfindig gemacht werden kann oder daß die Ermittlungen ergeben
haben, daß die im ersuchten Staat befindliche Person eindeutig nicht die im Haftbefehl
genannte Person ist, oder
c) der Umstand, daß die Erledigung des Ersuchens in seiner derzeitigen Form vom ersuchten
Staat verlangen würde, eine gegenüber einem anderen Staat bereits bestehende
vertragliche Verpflichtung zu verletzen.
Artikel 98 - Zusammenarbeit im Hinblick auf den Verzicht auf
Immunität und die Zustimmung zur Überstellung
(1) Der Gerichtshof darf kein Überstellungs- oder Rechtshilfeersuchen stellen,
das vom ersuchten Staat verlangen würde, in Bezug auf die Staatenimmunität oder die
diplomatische Immunität einer Person oder des Eigentums eines Drittstaats entgegen seinen
völkerrechtlichen Verpflichtungen zu handeln, sofern der Gerichtshof nicht zuvor die
Zusammenarbeit des Drittstaats im Hinblick auf den Verzicht auf Immunität erreichen kann.
(2) Der Gerichtshof darf kein Überstellungsersuchen stellen, das vom ersuchten Staat
verlangen würde, entgegen seinen Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Übereinkünften
zu handeln, denen zufolge die Überstellung eines Angehörigen des Entsendestaats an den
Gerichtshof der Zustimmung dieses Staates bedarf, sofern der Gerichtshof nicht zuvor die
Zusammenarbeit des Entsendestaats im Hinblick auf die Zustimmung zur Überstellung
erreichen kann.
Artikel 99 - Erledigung von Ersuchen nach den
Artikeln 93 und 96
(1) Rechtshilfeersuchen werden nach dem im Recht des ersuchten Staates vorgesehenen
Verfahren und, soweit durch dieses Recht nicht verboten, in der in dem Ersuchen
angegebenen Weise erledigt; in diesem Sinne hält der ersuchte Staat insbesondere jedes
beschriebene Verfahren ein oder gestattet den im Ersuchen genannten Personen, bei der
Erledigung anwesend und behilflich zu sein.
(2) Im Fall eines dringenden Ersuchens werden die beigebrachten Unterlagen oder
Beweismittel auf Ersuchen des Gerichtshofs beschleunigt versandt.
(3) Antworten des ersuchten Staates werden in ihrer Originalsprache und -form
übermittelt.
(4) Unbeschadet anderer Artikel dieses Teiles kann der Ankläger, sofern dies für die
erfolgreiche Erledigung eines Ersuchens notwendig ist, das ohne Zwangsmaßnahmen erledigt
werden kann so insbesondere auch die Befragung einer Person oder die Beweiserhebung
von ihr auf freiwilliger Grundlage, einschließlich einer solchen Vorgehensweise in
Abwesenheit der Behörden des ersuchten Vertragsstaats, falls dies für die Erledigung des
Ersuchens entscheidend ist, und die nicht mit der Vornahme von Veränderungen verbundene
Untersuchung einer öffentlichen Stätte oder eines sonstigen öffentlichen Ortes
dieses Ersuchen wie folgt unmittelbar im Hoheitsgebiet eines Staates erledigen:
a) Wenn der ersuchte Vertragsstaat der Staat ist, in dessen Hoheitsgebiet das Verbrechen
begangen worden sein soll, und nach Artikel 18 oder 19
eine Entscheidung ergangen ist, daß die Sache zulässig ist, kann der Ankläger das
Ersuchen nach sämtlichen möglichen Konsultationen mit dem ersuchten Vertragsstaat
unmittelbar erledigen;
b) in anderen Fällen kann der Ankläger das Ersuchen nach Konsultationen mit dem
ersuchten Vertragsstaat und unter allen sinnvollen Bedingungen oder Anliegen dieses
Vertragsstaats erledigen. Stellt der ersuchte Vertragsstaat Probleme bei der Erledigung
eines Ersuchens nach diesem Buchstaben fest, so konsultiert er unverzüglich den
Gerichtshof, um die Angelegenheit zu regeln.
(5) Die Bestimmungen, aufgrund deren es einer vom Gerichtshof angehörten oder vernommenen
Person nach Artikel 72 gestattet ist, Einschränkungen geltend zu
machen, um die Offenlegung vertraulicher Informationen im Zusammenhang mit der nationalen
Sicherheit zu verhindern, finden auch auf die Erledigung von Rechtshilfeersuchen nach
diesem Artikel Anwendung.
Artikel 100 - Kosten
(1) Die gewöhnlichen Kosten der Erledigung von Ersuchen im Hoheitsgebiet des
ersuchten Staates gehen zu dessen Lasten, mit Ausnahme folgender Kosten, die zu Lasten des
Gerichtshofs gehen:
a) Kosten im Zusammenhang mit den Reisen und der Sicherheit von Zeugen und
Sachverständigen oder der Übergabe von Häftlingen nach Artikel 93,
b) Übersetzungs-, Dolmetsch- und Transkriptionskosten,
c) Reisekosten und Tagegelder für die Richter, den Ankläger, die Stellvertretenden
Ankläger, den Kanzler, den Stellvertretenden Kanzler und das Personal der Organe des
Gerichtshofs,
d) Kosten etwaiger vom Gerichtshof angeforderter Sachverständigengutachten oder -
berichte,
e) Kosten im Zusammenhang mit der Beförderung einer Person, die vom Gewahrsamsstaat an
den Gerichtshof überstellt wird, und
f) nach Konsultationen alle außergewöhnlichen Kosten, die sich aus der Erledigung eines
Ersuchens ergeben können.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend auch für Ersuchen, die von Vertragsstaaten an den
Gerichtshof gerichtet werden. In diesem Fall trägt der Gerichtshof die gewöhnlichen
Kosten der Erledigung.
Artikel 101 - Grundsatz der Spezialität
(1) Eine Person, die aufgrund dieses Statuts an den Gerichtshof überstellt wird,
darf nicht wegen eines anderen vor der Überstellung begangenen Verhaltens strafrechtlich
verfolgt, bestraft oder in Haft genommen werden, als desjenigen Verhaltens oder derjenigen
Verhaltensweise, welche die Grundlage der Verbrechen bildet, derentwegen sie überstellt
wird.
(2) Der Gerichtshof kann den Staat, der die Person an den Gerichtshof überstellt hat,
darum ersuchen, ihn von den Anforderungen des Absatzes 1 zu befreien; der Gerichtshof
bringt bei Bedarf zusätzliche Informationen nach Artikel 91 bei. Die
Vertragsstaaten sind befugt und sollen sich bemühen, dem Gerichtshof diese Befreiung zu
gewähren.
Artikel 102 - Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Statuts
a) bedeutet Überstellung die Verbringung einer Person durch einen Staat an
den Gerichtshof aufgrund dieses Statuts;
b) bedeutet Auslieferung die in einem Vertrag, einem Übereinkommen oder dem
innerstaatlichen Recht vorgesehene Verbringung einer Person durch einen Staat in einen
anderen Staat.
Artikel 103 - Rolle der Staaten bei der Vollstreckung von
Freiheitsstrafen
(1)
a) Eine Freiheitsstrafe wird in einem Staat verbüßt, der vom Gerichtshof anhand einer
Liste von Staaten bestimmt wird, die dem Gerichtshof ihre Bereitschaft bekundet haben,
Verurteilte zu übernehmen.
b) Zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Staat seine Bereitschaft zur Übernahme von Verurteilten
bekundet, kann er mit Zustimmung des Gerichtshofs und in Übereinstimmung mit diesem Teil
Bedingungen an die Übernahme knüpfen.
c) Ein Staat, der im Einzelfall bestimmt wird, setzt den Gerichtshof umgehend davon in
Kenntnis, ob er die vom Gerichtshof vorgenommene Bestimmung anerkennt.
(2)
a) Der Vollstreckungsstaat teilt dem Gerichtshof alle Umstände mit, namentlich die
Anwendung von nach Absatz 1 vereinbarten Bedingungen, die sich wesentlich auf die
Bedingungen oder die Länge der Freiheitsstrafe auswirken könnten. Solche bekannten oder
vorhersehbaren Umstände sind dem Gerichtshof mindestens 45 Tage im voraus mitzuteilen.
Während dieser Frist ergreift der Vollstreckungsstaat keine Maßnahmen, die zu seinen
Verpflichtungen nach Artikel 110 im Widerspruch stehen könnten.
b) Kann sich der Gerichtshof mit den unter Buchstabe a genannten Umständen nicht
einverstanden erklären, so teilt er dies dem Vollstreckungsstaat mit und verfährt in
Übereinstimmung mit Artikel 104 Absatz 1.
(3) In Ausübung seines Ermessens bei der Bestimmung eines Vollstreckungsstaats nach
Absatz 1 berücksichtigt der Gerichtshof
a) den Grundsatz, daß die Vertragsstaaten sich in Übereinstimmung mit den in der
Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Grundsätzen der ausgewogenen Verteilung die
Verantwortung für die Strafvollstreckung teilen sollen,
b) die Anwendung allgemein anerkannter Normen völkerrechtlicher Verträge betreffend die
Behandlung von Strafgefangenen,
c) die Auffassungen des Verurteilten,
d) die Staatsangehörigkeit des Verurteilten und
e) sonstige Faktoren im Zusammenhang mit den Umständen des Verbrechens, dem Verurteilten
oder der wirksamen Strafvollstreckung, die für die Bestimmung des Vollstreckungsstaats in
Betracht kommen.
(4) Wird nach Absatz 1 kein Staat bestimmt, so wird die
Freiheitsstrafe in einer Vollzugsanstalt verbüßt, die der Gaststaat entsprechend den
Bedingungen des in Artikel 3 Absatz 2 genannten Sitzabkommens zur
Verfügung gestellt hat. In diesem Fall werden die Kosten der Strafvollstreckung vom
Gerichtshof getragen.
Artikel 104 - Wechsel der Bestimmung des Vollstreckungsstaats
(1) Der Gerichtshof kann jederzeit beschließen, einen Verurteilten in eine
Vollzugsanstalt eines anderen Staates zu verlegen.
(2) Ein Verurteilter kann jederzeit beim Gerichtshof eine Verlegung aus dem
Vollstreckungsstaat beantragen.
Artikel 105 - Vollstreckung der Strafe
(1) Vorbehaltlich der von einem Staat in Übereinstimmung mit Artikel
103 Absatz 1 Buchstabe b erklärten Bedingungen ist die verhängte Freiheitsstrafe
für die Vertragsstaaten bindend und darf von ihnen nicht geändert werden.
(2) Der Gerichtshof allein hat das Recht, über einen Berufungs- und Wiederaufnahmeantrag
zu entscheiden. Der Vollstreckungsstaat hindert einen Verurteilten nicht daran, einen
solchen Antrag zu stellen.
Artikel 106 - Aufsicht über die Strafvollstreckung und
Haftbedingungen
(1) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterliegt der Aufsicht des
Gerichtshofs; sie steht im Einklang mit den allgemein anerkannten Normen
völkerrechtlicher Verträge betreffend die Behandlung von Strafgefangenen.
(2) Die Haftbedingungen werden durch das Recht des Vollstreckungsstaats geregelt; sie
stehen im Einklang mit den allgemein anerkannten Normen völkerrechtlicher Verträge
betreffend die Behandlung von Strafgefangenen; sie dürfen keinesfalls günstiger oder
ungünstiger sein als diejenigen für Strafgefangene, die im Vollstreckungsstaat wegen
ähnlicher Straftaten verurteilt wurden.
(3) Der Verkehr zwischen einem Verurteilten und dem Gerichtshof ist ungehindert und
vertraulich.
Artikel 107 - Verbringung einer Person nach verbüßter Strafe
(1) Eine Person, die nicht Staatsangehörige des Vollstreckungsstaats ist, kann
nach verbüßter Strafe, sofern der Vollstreckungsstaat der Person nicht den Verbleib in
seinem Hoheitsgebiet gestattet, in Übereinstimmung mit dem Recht des Vollstreckungsstaats
in einen Staat verbracht werden, der zu ihrer Aufnahme verpflichtet ist, oder in einen
anderen Staat, der in ihre Aufnahme einwilligt, wobei die Wünsche der in diesen Staat zu
verbringenden Person mitberücksichtigt werden.
(2) Werden die aus der Verbringung der Person in einen anderen Staat nach Absatz 1
entstehenden Kosten nicht von einem Staat getragen, so trägt sie der Gerichtshof.
(3) Vorbehaltlich des Artikels 108 kann der Vollstreckungsstaat in
Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht die Person auch an einen Staat
ausliefern oder auf andere Weise überstellen, der um ihre Auslieferung oder Überstellung
zum Zweck eines Strafverfahrens oder der Strafvollstreckung ersucht hat.
Artikel 108 - Einschränkung der Strafverfolgung oder Bestrafung
wegen anderer Straftaten
(1) Ein Verurteilter im Gewahrsam des Vollstreckungsstaats darf für Handlungen,
die er vor seiner Verbringung in den Vollstreckungsstaat vorgenommen hat, nicht
strafrechtlich verfolgt, bestraft oder an einen Drittstaat ausgeliefert werden, es sei
denn, der Gerichtshof hat diese Maßnahme auf Ersuchen des Vollstreckungsstaats genehmigt.
(2) Der Gerichtshof entscheidet die Angelegenheit nach Anhörung des Verurteilten.
(3) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Verurteilte freiwillig länger als 30 Tage
im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats bleibt, nachdem er die gesamte vom Gerichtshof
verhängte Strafe verbüßt hat, oder wenn er in das Hoheitsgebiet dieses Staates
zurückkehrt, nachdem er es verlassen hatte.
Artikel 109 - Vollstreckung von Geldstrafen und
Einziehungsanordnungen
(1) Die Vertragsstaaten vollstrecken Geldstrafen oder eine Einziehung, die der
Gerichtshof nach Teil 7 angeordnet hat, unbeschadet der Rechte
gutgläubiger Dritter und in Übereinstimmung mit dem Verfahren ihres innerstaatlichen
Rechts.
(2) Ist ein Vertragsstaat nicht in der Lage, eine angeordnete Einziehung zu vollstrecken,
so trifft er Maßnahmen zur Eintreibung des Gegenwerts der Erlöse, des Eigentums oder der
Vermögensgegenstände, deren Einziehung der Gerichtshof angeordnet hatte, unbeschadet der
Rechte gutgläubiger Dritter.
(3) Eigentum oder die Erlöse aus dem Verkauf von Grundeigentum oder gegebenenfalls dem
Verkauf anderen Eigentums, die ein Vertragsstaat durch die Vollstreckung eines Urteils des
Gerichtshofs erlangt, werden auf den Gerichtshof übertragen.
Artikel 110 - Überprüfung einer Herabsetzung des Strafmaßes
durch den Gerichtshof
(1) Der Vollstreckungsstaat entläßt den Verurteilten nicht vor Ablauf der vom
Gerichtshof verhängten Strafe aus dem Strafvollzug.
(2) Der Gerichtshof allein hat das Recht, über eine Herabsetzung des Strafmaßes zu
entscheiden; er trifft seine Entscheidung in der Angelegenheit nach Anhörung des
Verurteilten.
(3) Hat der Verurteilte zwei Drittel seiner Strafe oder bei lebenslanger Freiheitsstrafe
25 Jahre verbüßt, so überprüft der Gerichtshof die Strafe, um zu entscheiden, ob sie
herabgesetzt werden soll. Diese Überprüfung findet nicht vor dem genannten Zeitpunkt
statt.
(4) Bei seiner Überprüfung nach Absatz 3 kann der Gerichtshof das Strafmaß herabsetzen,
wenn er feststellt, daß einer oder mehrere der nachstehenden Faktoren gegeben sind:
a) die frühzeitige und fortgesetzte Bereitschaft des Verurteilten, mit dem Gerichtshof
bei seinen Ermittlungen und Strafverfolgungen zusammenzuarbeiten,
b) die freiwillige Hilfe des Verurteilten bei der Durchsetzung von Entscheidungen und
Anordnungen des Gerichtshofs in anderen Sachen, insbesondere die Hilfe bei der
Lokalisierung von Vermögensgegenständen, hinsichtlich deren eine Geldstrafe, eine
Einziehung oder eine Wiedergutmachung angeordnet wurde und die zugunsten der Opfer
verwendet werden können, oder
c) sonstige in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehene Faktoren, die eine deutliche
und beachtliche Änderung der Verhältnisse erkennen lassen, die ausreicht, um eine
Herabsetzung des Strafmaßes zu rechtfertigen.
(5) Stellt der Gerichtshof bei seiner ersten Überprüfung nach Absatz 3 fest, daß eine
Herabsetzung des Strafmaßes nicht angebracht ist, so überprüft er die Frage einer
Herabsetzung des Strafmaßes danach in den Zeitabständen und nach den Kriterien, die in
der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehen sind.
Artikel 111 - Flucht
Entweicht ein Verurteilter aus der Haft und flieht er aus dem Vollstreckungsstaat, so kann
dieser Staat nach Rücksprache mit dem Gerichtshof den Staat, in dem sich der Flüchtige
aufhält, aufgrund bestehender zweiseitiger oder mehrseitiger Übereinkünfte um dessen
Überstellung ersuchen oder den Gerichtshof ersuchen, die Überstellung des Flüchtigen in
Übereinstimmung mit Teil 9 zu erwirken. Der Gerichtshof kann
verfügen, daß der Flüchtige in den Staat, in dem er die Strafe verbüßte, oder in
einen anderen vom Gerichtshof bestimmten Staat verbracht wird.
Teil 11: Versammlung der Vertragsstaaten
Artikel 112 - Versammlung der Vertragsstaaten
(1) Hiermit wird die Versammlung der Vertragsstaaten dieses Statuts gebildet. Jeder
Vertragsstaat hat einen Vertreter in der Versammlung, der von Stellvertretern und Beratern
begleitet sein kann. Andere Staaten, die dieses Statut oder die Schlußakte unterzeichnet
haben, können als Beobachter an der Versammlung teilnehmen.
(2) Die Versammlung
a) erörtert Empfehlungen der Vorbereitungskommission und nimmt sie gegebenenfalls an;
b) hat die Aufsicht über das Präsidium, den Ankläger und den Kanzler betreffend die
Verwaltung des Gerichtshofs;
c) erörtert die Berichte und Tätigkeiten des nach Absatz 3 geschaffenen Büros und
trifft diesbezüglich die entsprechenden Maßnahmen;
d) erörtert und beschließt den Haushalt des Gerichtshofs;
e) beschließt, ob in Übereinstimmung mit Artikel 36 die Anzahl der
Richter zu ändern ist;
f) erörtert nach Artikel 87 Absätze 5 und 7 jede Frage in Bezug
auf fehlende Zusammenarbeit;
g) nimmt alle anderen Aufgaben wahr, die mit diesem Statut oder der Verfahrens- und
Beweisordnung vereinbar sind.
(3)
a) Die Versammlung hat ein Büro, das aus einem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und
achtzehn von der Versammlung für eine dreijährige Amtszeit gewählten Mitgliedern
besteht.
b) Das Büro hat repräsentativen Charakter, insbesondere unter Berücksichtigung einer
ausgewogenen geografischen Verteilung und einer angemessenen Vertretung der
hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt.
c) Das Büro tritt so oft wie nötig, mindestens jedoch einmal im Jahr zusammen. Es hilft
der Versammlung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben.
(4) Die Versammlung kann Nebenorgane einsetzen, soweit dies erforderlich ist,
einschließlich einer unabhängigen Aufsichtsinstanz für die Inspektion, Bewertung und
Überprüfung des Gerichtshofs, mit dem Ziel, seine Leistungsfähigkeit und
Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.
(5) Der Präsident des Gerichtshofs, der Ankläger und der Kanzler oder ihre
Stellvertreter können nach Bedarf an den Sitzungen der Versammlung und des Büros
teilnehmen.
(6) Die Versammlung tritt einmal im Jahr am Sitz des Gerichtshofs oder am Sitz der
Vereinten Nationen zusammen; wenn die Umstände es erfordern, hält sie außerordentliche
Tagungen ab. Soweit dieses Statut nichts anderes bestimmt, beruft das Büro die
außerordentlichen Tagungen entweder von sich aus oder auf Ersuchen eines Drittels der
Vertragsstaaten ein.
(7) Jeder Vertragsstaat hat eine Stimme. Es werden alle Anstrengungen unternommen, um
Entscheidungen in der Versammlung und im Büro durch Konsens zu treffen. Wenn kein Konsens
erzielt werden kann und das Statut nichts anderes bestimmt,
a) müssen Beschlüsse über Sachfragen von der Zweidrittelmehrheit der Anwesenden und
Abstimmenden angenommen werden, wobei die Versammlung beschlußfähig ist, wenn die
absolute Mehrheit der Vertragsstaaten vertreten ist;
b) werden Beschlüsse über Verfahrensfragen von der einfachen Mehrheit der anwesenden und
abstimmenden Vertragsstaaten gefaßt.
(8) Ein Vertragsstaat, der mit der Zahlung seiner finanziellen Beiträge zur Deckung der
Kosten des Gerichtshofs im Rückstand ist, hat in der Versammlung und im Büro kein
Stimmrecht, wenn die Höhe seiner Rückstände den Betrag seiner Beiträge für die
vorangegangenen zwei vollen Jahre erreicht oder übersteigt. Die Versammlung kann ihm
jedoch die Ausübung des Stimmrechts in der Versammlung und im Büro gestatten, wenn nach
ihrer Überzeugung der Zahlungsverzug auf Umstände zurückzuführen ist, die der
Vertragsstaat nicht zu vertreten hat.
(9) Die Versammlung gibt sich eine Geschäftsordnung.
(10) Die Amts- und Arbeitssprachen der Versammlung sind diejenigen der Generalversammlung
der Vereinten Nationen.
Artikel 113 - Finanzvorschriften
Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist, werden alle finanziellen
Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Gerichtshof und den Sitzungen der Versammlung der
Vertragsstaaten, einschließlich ihres Büros und ihrer Nebenorgane, durch dieses Statut
sowie durch die von der Versammlung der Vertragsstaaten angenommenen Finanzvorschriften
und Finanzordnung geregelt.
Artikel 114 - Kostenregelung
Die Kosten des Gerichtshofs und der Versammlung der Vertragsstaaten einschließlich ihres
Büros und ihrer Nebenorgane werden aus den finanziellen Mitteln des Gerichtshofs
bestritten.
Artikel 115 - Finanzielle Mittel des Gerichtshofs und der
Versammlung der Vertragsstaaten
Die Kosten des Gerichtshofs und der Versammlung der Vertragsstaaten einschließlich ihres
Büros und ihrer Nebenorgane, die in dem von der Versammlung der Vertragsstaaten
beschlossenen Haushalt vorgesehen sind, werden aus folgenden Quellen bestritten:
a) den berechneten Beiträgen der Vertragsstaaten;
b) den von den Vereinten Nationen vorbehaltlich der Zustimmung der Generalversammlung
bereitgestellten finanziellen Mitteln, insbesondere im Zusammenhang mit den Kosten, die
infolge von durch den Sicherheitsrat unterbreiteten Situationen entstanden sind.
Artikel 116 - Freiwillige Beiträge
Unbeschadet des Artikels 115 kann der Gerichtshof von
Regierungen, internationalen Organisationen, Einzelpersonen, Unternehmen und anderen
Rechtsträgern in Übereinstimmung mit den von der Versammlung der Vertragsstaaten
angenommenen diesbezüglichen Kriterien freiwillige Beiträge als zusätzliche finanzielle
Mittel entgegennehmen und verwenden.
Artikel 117 - Beitragsberechnung
Die Beiträge der Vertragsstaaten werden nach einem vereinbarten Beitragsschlüssel
berechnet, dem der von den Vereinten Nationen für ihren ordentlichen Haushalt
beschlossene Beitragsschlüssel zu Grunde liegt und der in Übereinstimmung mit den
Grundsätzen angepaßt wird, auf denen dieser Beitragsschlüssel beruht.
Artikel 118 - Jährliche Rechnungsprüfung
Die Unterlagen, Bücher und Konten des Gerichtshofs, einschließlich seiner
Jahresabschlüsse, werden alljährlich von einem unabhängigen Rechnungsprüfer geprüft.
Artikel 119 - Beilegung von Streitigkeiten
(1) Streitigkeiten über die richterlichen Aufgaben des Gerichtshofs werden durch
eine Entscheidung des Gerichtshofs beigelegt.
(2) Jede andere Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung
oder Anwendung dieses Statuts, die nicht binnen drei Monaten nach ihrem Beginn durch
Verhandlung beigelegt wird, wird der Versammlung der Vertragsstaaten vorgelegt. Die
Versammlung selbst kann die Streitigkeit beizulegen versuchen oder weitere Mittel der
Streitbeilegung empfehlen, einschließlich der Vorlage an den Internationalen Gerichtshof
in Übereinstimmung mit dessen Statut.
Artikel 120 - Vorbehalte
Vorbehalte zu diesem Statut sind nicht zulässig.
Artikel 121 - Änderungen
(1) Nach Ablauf von sieben Jahren nach Inkrafttreten dieses Statuts kann jeder
Vertragsstaat Änderungen des Statuts vorschlagen. Der Wortlaut jedes Änderungsvorschlags
wird dem Generalsekretär der Vereinten Nationen unterbreitet, der ihn umgehend an alle
Vertragsstaaten weiterleitet.
(2) Frühestens drei Monate nach dem Zeitpunkt der Notifikation beschließt die nächste
Versammlung der Vertragsstaaten auf ihrer nächsten Sitzung mit der Mehrheit der
Anwesenden und Abstimmenden, ob der Vorschlag behandelt werden soll. Die Versammlung kann
sich mit dem Vorschlag unmittelbar befassen oder eine Überprüfungskonferenz einberufen,
wenn die Angelegenheit dies rechtfertigt.
(3) Die Annahme einer Änderung, über die auf einer Sitzung der Versammlung der
Vertragsstaaten oder auf einer Überprüfungskonferenz kein Konsens erzielt werden kann,
bedarf der Zweidrittelmehrheit der Vertragsstaaten.
(4) Soweit in Absatz 5 nichts anderes vorgesehen ist, tritt eine Änderung für alle
Vertragsstaaten ein Jahr nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem sieben Achtel der
Vertragsstaaten ihre Ratifikations- oder Annahmeurkunden beim Generalsekretär der
Vereinen Nationen hinterlegt haben.
(5) Eine Änderung der Artikel 5, 6, 7 und 8 dieses Statuts tritt für die
Vertragsstaaten, welche die Änderung angenommen haben, ein Jahr nach Hinterlegung ihrer
Ratifikations- oder Annahmeurkunde in Kraft. Hinsichtlich eines Vertragsstaats, der die
Änderung nicht angenommen hat, übt der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit über ein von
der Änderung erfaßtes Verbrechen nicht aus, wenn das Verbrechen von Staatsangehörigen
des betreffenden Vertragsstaats oder in dessen Hoheitsgebiet begangen wurde.
(6) Ist eine Änderung in Übereinstimmung mit Absatz 4 von sieben Achteln der
Vertragsstaaten angenommen worden, so kann ein Vertragsstaat, der die Änderung nicht
angenommen hat, ungeachtet des Artikels 127 Absatz 1, jedoch
vorbehaltlich des Artikels 127 Absatz 2 durch Kündigung spätestens
ein Jahr nach Inkrafttreten der Änderung mit sofortiger Wirkung von dem Statut
zurücktreten.
(7) Der Generalsekretär der Vereinten Nationen leitet eine auf einer Sitzung der
Versammlung der Vertragsstaaten oder einer Überprüfungskonferenz angenommene Änderung
an alle Vertragsstaaten weiter.
Artikel 122 - Änderungen der institutionellen Bestimmungen
(1) Änderungen der Bestimmungen des Statuts, die ausschließlich
institutioneller Art sind, nämlich Artikel 35, Artikel
36 Absätze 8 und 9, Artikel 37, Artikel 38, Artikel 39 Absätze 1 (Sätze 1 und 2), 2 und 4, Artikel
42 Absätze 4 bis 9, Artikel 43 Absätze 2 und 3 und die Artikel 44, 46, 47 und 49 können ungeachtet des Artikels 121 Absatz 1
jederzeit von einem Vertragsstaat vorgeschlagen werden. Der Wortlaut eines
Änderungsvorschlags wird dem Generalsekretär der Vereinten Nationen oder einer von der
Versammlung der Vertragsstaaten bestimmten anderen Person unterbreitet; diese oder der
Generalsekretär leitet sie umgehend an alle Vertragsstaaten und die anderen Teilnehmer
der Versammlung weiter.
(2) Änderungen auf Grund dieses Artikels, über die kein Konsens erzielt werden kann,
werden von der Versammlung der Vertragsstaaten oder von einer Überprüfungskonferenz mit
Zweidrittelmehrheit der Vertragsstaaten angenommen. Die Änderungen treten für alle
Vertragsstaaten sechs Monate nach ihrer Annahme durch die Versammlung oder durch die
Konferenz in Kraft.
Artikel 123 - Überprüfung des Statuts
(1) Sieben Jahre nach Inkrafttreten dieses Statuts beruft der Generalsekretär
der Vereinten Nationen eine Überprüfungskonferenz zur Prüfung etwaiger Änderungen des
Statuts ein. Eine solche Überprüfung kann insbesondere, jedoch nicht ausschließlich,
die in Artikel 5 enthaltene Liste der Verbrechen umfassen. Die
Konferenz steht allen Teilnehmern der Versammlung der Vertragsstaaten zu denselben
Bedingungen offen.
(2) Jederzeit danach beruft der Generalsekretär der Vereinten Nationen auf Ersuchen eines
Vertragsstaats und für den in Absatz 1 genannten Zweck nach Genehmigung der Mehrheit der
Vertragsstaaten eine Überprüfungskonferenz ein.
(3) Artikel 121 Absätze 3 bis 7 findet auf die Annahme und das
Inkrafttreten jeder auf einer Überprüfungskonferenz behandelten Änderung des Statuts
Anwendung.
Artikel 124 - Übergangsbestimmung
Ungeachtet des Artikels 12 Absätze 1 und 2 kann ein Staat,
wenn er Vertragspartei dieses Statuts wird, erklären, daß er für einen Zeitraum von
sieben Jahren, nachdem das Statut für ihn in Kraft getreten ist, die Gerichtsbarkeit des
Gerichtshofs für die Kategorie der in Artikel 8 bezeichneten
Verbrechen nicht anerkennt, wenn angeblich ein Verbrechen von seinen Staatsangehörigen
oder in seinem Hoheitsgebiet begangen worden ist. Eine Erklärung nach diesem Artikel kann
jederzeit zurückgenommen werden. Dieser Artikel wird auf der in Übereinstimmung mit
Artikel 123 Absatz 1 einberufenen Überprüfungskonferenz überprüft.
Artikel 125 - Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung
oder Beitritt
(1) Dieses Statut liegt am 17. Juli 1998 für alle Staaten am Sitz der
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen in Rom zur
Unterzeichnung auf. Danach liegt es bis zum 17. Oktober 1998 im Ministerium für
auswärtige Angelegenheiten Italiens in Rom zur Unterzeichnung auf. Nach diesem Zeitpunkt
liegt es bis zum 31. Dezember 2000 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur
Unterzeichnung auf.
(2) Dieses Statut bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die
Unterzeichnerstaaten. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim
Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.
(3) Dieses Statut steht allen Staaten zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden
beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.
Artikel 126 - Inkrafttreten
(1) Dieses Statut tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den
sechzigsten Tag nach Hinterlegung der sechzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs-
oder Beitrittsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen folgt.
(2) Für jeden Staat, der das Statut nach Hinterlegung der sechzigsten Ratifikations-,
Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm
beitritt, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den sechzigsten Tag nach
Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt.
Artikel 127 - Rücktritt
(1) Ein Vertragsstaat kann durch eine an den Generalsekretär der Vereinten
Nationen gerichtete schriftliche Notifikation von diesem Statut zurücktreten. Der
Rücktritt wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation wirksam, sofern in der Notifikation
nicht ein späterer Zeitpunkt angegeben ist.
(2) Der Rücktritt entbindet einen Staat nicht von den Verpflichtungen, einschließlich
etwaiger finanzieller Verpflichtungen, die ihm als Vertragspartei dieses Statuts erwachsen
sind. Sein Rücktritt berührt nicht eine etwaige Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof im
Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen und Verfahren, bei denen der
zurücktretende Staat zur Zusammenarbeit verpflichtet war und die begonnen wurden, bevor
der Rücktritt wirksam wurde; er berührt auch nicht die weitere Behandlung einer
Angelegenheit, mit welcher der Gerichtshof bereits befaßt war, bevor der Rücktritt
wirksam wurde.
Artikel 128 - Verbindliche Wortlaute
Die Urschrift dieses Statuts, dessen arabischer, chinesischer, englischer,
französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird
beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt; dieser leitet allen Staaten
beglaubigte Abschriften zu.
Zu Urkund dessen haben die von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Unterzeichneten
dieses Statut unterschrieben.
Geschehen zu Rom am 17. Juli 1998.