Konrad Henlein

Geschrieben von Adolf Zintl am 24. September 2000 für das Forum der Sudetendeutschen Landsmannschaft
(Hervorhebungen durch ML 2000-09-25)

Henlein Konrad, ein Sudetendeutscher, Turnlehrer und Politiker, geboren am 6. Mai 1898 in Maffersdorf bei Reichenberg, der späteren Gauhauptstadt des Sudetenlandes.
Er studierte an der Handelsakademie, war Korpsstudent, Kriegsfreiwilliger des 1. Weltkrieges und kam erst im Jahre 1919 aus italienischer Kriegsgefangenschaft nach Hause.
Henlein wurde Turnwart in seiner Heimatstadt und im Jahre 1925 Turnlehrer in Asch.
Die damalige Zeit stieß Henlein in das Rampenlicht der Geschichte.
Am 1. Oktober 1933 gründete er in Eger die Sudetendeutsche Heimatfront (SHF) und wurde 1. Vorsitzender. Diese SHF mußte auf Weisung der Tschechen umbenannt werden in Sudetendeutsche Partei (SdP). Diese SdP wurde bei den Parlamentswahlen im Jahre 1935 stärkste Partei im Staate und errang 44 Sitze im Parlament.
Am 24. April 1938 legte Henlein sein Karlsbader Programm vor und verlangte darin die vollständige Autonomie und Selbstverwaltung in allen Bereichen für die Sudetendeutschen. Die Prager Regierung lehnte ab. Die britische Seite sah dieses Programm als vernünftig an und erkannten die Wichtigkeit dieser "Henlein-Partei". Sie entsandte Lord Runciman in das Sudetenland, um über die Zustände dort zu berichten. Konrad Henlein, unterstützt vom Sudetendeutschen Adel, beeindruckte Runciman mehr als die tschechische Regierung. Die Basis zum Münchner Abkommen war damit gelegt.
Henlein wurde im Jahre 1938 Gauleiter und Reichsstatthalter des Sudetenlandes, konnte aber für seine Sudetendeutschen wenig tun, denn die Weisungen kamen vom Reich.
Konrad Henlein ging seinen Weg bis zum bitteren Ende. Er stellte sich den Amerikanern, wurde in ein Sammellager nach Pilsen gebracht und beging in der Nacht zum 10. Mai 1945 Selbstmord.
Wenigstens wir Sudetendeutschen sollten ihn nicht vergessen

Ergänzung und Entgegnung, geschrieben von Konrad Badenheuer am 24. September 2000
Zur Biographie von Henlein fehlt ein Detail, nämlich die nachrichtendienstlichen Verbindungen Henleins. Seit längerem ist bekannt, daß er Verbindung zur deutschen Abwehr hatte. Vor ein paar Monaten wurde außerdem durch den Artikel in der Zeitung DIE WELT "Kohen ist nicht zu fassen" (1999-08-21) daran erinnert, daß Henlein auch ein Informant des britischen Geheimdienstes war. Diese Tatsache ist aus britischen Veröffentlichungen offenbar schon seit längerem bekannt gewesen, wurde aber erst durch diesen Artikel auch in Deutschland allgemein publik.

Henlein hat sich zwar nach dem Münchner Abkommen (und eigentlich schon seit November 1937) den Nazis zur Verfügung gestellt, war aber selbst nie ein überzeugter Nazi. Karl Hermann Frank und Heydrich haben ihn nie als "richtigen" Nationalsozialisten anerkannt. Ihm fehlte dazu der Rassismus und der Antisemitismus (so auch die neue Biographie von R. Gebel).

Die Verbindung Henleins zum britischen Geheimdienst (die eventuell bei seinem ersten London-Besuch 1935 angeknüpft wurde, aber das ist eine reine Vermutung) ist auch interessant im Zusammenhang mit seinem "Selbstmord" in US-Gefangenschaft in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1945. Henlein hatte persönlich wohl keine Verbrechen zu verantworten. Seine Verbindung zum britischen Geheimdienst wäre jedenfalls ein mögliches Motiv für einen Mord. Vielleicht wußte er einfach zu viel?

Henlein war meines Erachtens zwar ein guter Taktiker und volkstümlich, aber kein brillianter Kopf. Hier war ihm Wenzel Jaksch weit überlegen, der 1966 in Wiesbaden Opfer eines Verkehrsunfalls wurde (soll man schreiben: Opfer eines "Verkehrsunfalls"? – der sogenannten "Neuen Ostpolitik" stand er jedenfalls im Weg!). - Interessant ist auch, daß Henlein eine tschechische Mutter hatte und meines Wissens dementsprechend gut tschechisch sprach. Mir ist keine Äußerung von ihm bekannt, mit der die Tschechen als Volk zurückgesetzt worden wären.
                                                                                   Konrad Badenheuer

Folgend eine Gegenrede und Widerrede aus dem Form der Sudetendeutschen Landsmannschaft:

Adolf Zintl am 25. September 2000 (Datumsfehler im Forum!):
Lieber Herr Badenheuer, ich danke für die ergänzenden Hinweise.
Die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten Konrad Henleins waren und sind mir nicht bekannt. Ich hege Zweifel daran und glaube auch an seinen Selbstmord. Er wollte dadurch einem Schauprozeß und der Hinrichtung am Galgen in Prag entgehen. Die Wahrheit werden wir wohl nicht erfahren.

Widerrede von Konrad Badenheuer am gleichen Tage:
Lieber Herr Zintl, eine gesunde Skepsis ist bei Meldungen über die Agententätigkeit immer angebracht. Sonst ist man schnell bei unseriösen Verschwörungstheorien. Ich bin auch selber keineswegs sicher, daß Henlein ein britischer Agent war bzw. entsprechende Kontakte hatte. Um jedem die Überprüfung dieser Vermutung zu ermöglichen, nachfolgend unsere Quellen (ein Aktenvermerk von mir vom August 1999):

Vermerk: Quellen des Artikels von Heinz Höhne über Konrad Henlein „Kohen ist nicht zu fassen
Der o.g. Artikel in Der WELT vom 21. August 1999 (Literarische Welt, Seite 8) enthält bemerkenswerte Aussagen über Verbindungen Konrad Henleins zur deutschen Abwehr und zu britischen Diensten. Diese Angaben basieren nach Angaben des Verfassers auf folgenden zwei Quellen :
1. Klaus Jürgen Müller/David Dilks:
Großbritannien und der deutsche Widerstand“,
ein Sammelband mit diversen Aufsätzen, erschienen bei Schöningh.
2. Ernest R. May:
Knowing One’s Enemies“.
Ebenfalls ein Sammelband.
Die jeweils einschlägigen Aufsätze mit Aussagen über Henlein seien anhand der Register leicht zu finden; die Erscheinungsdaten nannte Höhne nicht. Eine dritte Quelle sind die im Artikel erwähnten Tagebücher von Helmuth Groscurth (erschienen 1970). Höhne, Jahrgang 1926, war u.a. Leiter der Redaktion Zeitgeschichte des SPIEGEL.
                                                                                München, 24. August 1999

Nachtrag, 25. September 2000:
Die Tagebücher von Groscurth dokumentieren die Verbindungen Henleins zur Abwehr. Die beiden anderen Quellen liegen mir bis heute nicht vor, so daß ich über deren Glaubwürdigkeit nichts sagen kann. Der Artikel von Höhne von 1999 liegt mir vor und ist meines Wissens auch im Internet greifbar; er macht einen sehr plausiblen Eindruck.

>Die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten Konrad Henleins waren und sind mir nicht bekannt.
-- Es muß nicht unbedingt eine Tätigkeit gewesen sein, vielleicht eher eine informelle Verbindung.

>Ich hege Zweifel und glaube auch an seinen Selbstmord. Er wollte dadurch einem Schauprozeß und der Hinrichtung am Galgen in Prag entgehen.
-- Durchaus möglich und auch plausibel. Allerdings hat Henlein noch unmittelbar vor seiner Abfahrt in amerikanische Gefangenschaft, in die er sich am 9. Mai 1945 begab, erklärt: "Wenn ich erschossen werde, dann müssen das andere tun, ich selbst werde jedenfalls nicht Hand an mich legen." (Ralf GEBEL, S. 361).

Nachtrag von Adolf Zintl am 26. September 2000 im SL-Forum:
Wenzel Jaksch: "Henlein überschritt um den 6./7. Mai 1945 herum in Begleitung seiner Adjutanten Uhmann und Dr. Bayerl bei Karlsbad die amerikanischen Linien. Er wurde von dort ins Polizeigefängnis nach Eger gebracht und am 9. Mai mit seinen Begleitern in das Sammellager der amerikanischen 3. Armee in der Pilsener Flakkaserne eingeliefert. Dort verübte er in der Nacht auf den 10. Mai 1945 durch Aufschneiden der Pulsadern Selbstmord.

Entgegnungen zu manchen oben gegebenen Darstellungen, von einer Egerländerin geschrieben.