Neue Kernkraftdiskussion in Österreich

Der Erfolg des Zwentendorf-Volksbegehrens

gr. Wien, 11. November1980

Den beiden österreichischen Volksbegehren für und gegen die Aufhebung des gesetzlichen Verbots der Nutzung von Kernenergie in Kraftwerken ist, wie bereits kurz berichtet, unterschiedliche Aufnahme und nicht der gleiche durchschlagende Erfolg beschieden gewesen wie den vorausgegangenen fünf Volksbegehren. Nach Angaben des Innenministeriums haben sich nur knapp 11 Prozent der Wahlberechtigten in die Unterschriftenlisten eintragen lassen, und nur das Begehren, mit dem das Parlament aufgefordert wird, das sogenannte Atomsperrgesetz aufzuheben, hat das von der Verfassung vorgeschriebene Minimum von 200 000 Unterschriften überspringen können. Es wurde von etwas mehr als 422 000 Stimmbürgern – rund acht Prozent der Wahlberechtigten – unterschrieben, so daß das Parlament gehalten sein wird, es auf seine Tagesordnung zu setzen, womit die Bahn frei ist zur Wiederaufnahme der Kernenergiedebatte auf politischer Ebene. Allerdings hatten die Initianten ursprünglich mit einer halben Million Unterschriften gerechnet.

Das zweite Volksbegehren, welches für die verfassungsrechtliche Verankerung des Kernenergieverbots und die Umrüstung des Kernkraftwerks Zwentendorf auf Erdgasfeuerung plädiert hat, ist nur von knapp 148 000 Stimmbürgern unterschrieben worden, weniger als drei Prozent der Stimmberechtigten, und ist damit durchgefallen. Allerdings will die Initiantin, Frau Schmitz, Durchführung und Ergebnisse anfechten. Sie will verschiedentlich Manipulationsversuche geortet haben.

Im Regierungslager haben sich Bundeskanzler Kreisky und Gewerkschaftsbundpräsident Benya über den Erfolg des Pro-Zwentendorf-Volksbegehrens sehr befriedigt gezeigt. Die Führer der beiden Oppositionsparteien messen das Ergebnis jedoch an denen früherer Volksbegehren und schließen auf eine Abfuhr, welche die Stimmbürger der Initiative erteilt hatten. Sie sehen daher auch keinen Anlaß, die gegenüber der Kernenergie ablehnende Haltung ihrer Parteien zu revidieren.

In Österreich waren bisher fünf Volksbegehren durchgeführt worden: Das Rundfunkvolksbegehren auf Initiative der Zeitungen 1964 (832 000 Unterschriften, 17 Prozent der Stimmberechtigten), eines für die Arbeitszeitverkürzung auf SPÖ-Initiative 1969 (890 000, 18 Prozent), dann für die Abschaffung des neunten Gymnasialjahres auch 1969 (340 000, 7 Prozent) und das Volksbegehren der Aktion Leben gegen die Fristenlösung für den Schwangerschaftsabbruch 1975, das trotz 896 000 Unterschriften (18 Prozent der Stimmberechtigten) als bisher einziges von der sozialistischen Parlamentsmehrheit niedergestimmt worden ist.