Schwerste Mißhandlung eines ausgebürgerten Deutschen
Berichter: Josef Schickling
Ich mußte nachweisbar nach dem Anschluß des Sudetengaues am 1. 10. 1938 aus meiner Heimat Zittau, Kreis Jägerndorf flüchten. Mein Haus wurde beschlagnahmt, ich wurde durch eine Verfügung des Landrates in Jägerndorf ausgebürgert und lebte im Protektorat. Meine Frau konnte erst, nachdem sie den Nachweis der Scheidung erbracht hatte, in den Sudetengau zurückkehren. Von Seiten der Partei wurde ich auch im Protektorat verfolgt.
Am 15. Mai 1945 kehrte ich nach dem Abzug der deutschen Wehrmacht in meine Heimat Zittau zurück. Ende Juli wurde ich dort von den Tschechen verhaftet, aber am nächsten Tag auf Grund eines Verhörs entlassen. Am 1. August wurde ich zum zweiten Mal verhaftet und nach Olmütz eingeliefert. Obwohl sich dort bei meinem Verhör fünf Tschechen meldeten, die aussagten, daß ich sie vor der Erschießung oder vor dem KZ gerettet hatte, wurde ich mit dem Bemerken eingesperrt: „Sollen wir ihm vielleicht noch eine Belohnung geben? Deutscher wie Deutscher, ins Lager mit dem Lumpen“. Dort wurde ich auf das grausamste mißhandelt. Ich wurde auf einem Tisch mit Gummiknüppeln und Ochsenziemern von der Polizei so geschlagen, daß mein ganzer Körper schwarz war. Jede Nacht kamen zumindestens sechsmal Partisanen in die Baracken, wo wir bis 48 Mann ohne Decken und Stroh lagen, und mißhandelten die Häftlinge wahllos, bis sie zusammenbrachen. Viele Häftlinge wurden dabei erschlagen. Im Olmützer Lager wurden Hunderte erschlagen, deren Namen nicht registriert wurden. Ich mußte selbst das Blut eines solchen (Drogist Ziegenfuß aus Olmütz) wegputzen.
Nach dem Brand der Fabrik Hajkorn, der nachweisbar, wie auch in der Zeitung veröffentlicht wurde, durch Kurzschluß hervorgerufen wurde, aber den Deutschen als Sabotage zur Last gelegt wurde, wurden die Lagerinsassen drei Stunden lang so mißhandelt, daß viele an den Verletzungen starben.
Mit einer Scheibe Brot und schwarzem Kaffee als Frühstück mußten wir den ganzen Tag arbeiten. Erst am Abend gab es eine dünne Suppe mit einer Scheibe Brot. Bei der Arbeit brachen infolge der schlechten Ernährung und der ständigen Mißhandlungen auch in der Nacht viele zusammen, die dafür wieder geprügelt wurden. Viele Häftlinge wurden taub geschlagen.
Im Lager war ich völlig ausgeraubt worden und hatte für die Arbeit keinen Lohn bekommen.
Am 7. März 1946 wurde ich zum dritten Mal verhaftet und in Jägerndorf im Lager hinter Gitter gesetzt. Wegen meiner Krankheit wurde ich auf ein Ansuchen meiner Tochter zur Aussiedlung freigegeben.
Im Lager Olmütz befinden sich auch viele Kinder und Jugendliche. Sie sind völlig abgemagert, zum Teil von Wassersucht befallen. Ich sah selbst, wie sich mehrere Kinder um altes und völlig verschimmeltes, ungenießbares Brot rauften. Auf meinen Hinweis, daß sie an dem Brot sterben könnten, erwiderten sie: „Wir müssen so oder so sterben“.
Im Lager gab es die grausamsten Strafen. Arrestanten wurden in Luftschutzbunkern bis zu 21 Tagen eingesperrt und bekamen nur einmal im Tag eine Scheibe Brot und Wasser. Ich sah Mädchen, die zur Unkenntlichkeit verschwollen aus dem Arrest kamen.

Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald