Aus dem Sudetendeutschen Weißbuch
„Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen“, ISBN 3-7612-0199-0

Bericht 359, Seite 501:

Weke1sdorf, Verzeichnis von Erschossenen

Berichterin: Ch. S. Bericht vom 4. Februar 1950

Im Mai 1945 befand ich mich allein in meiner Wohnung in Reichenberg-Alt-Paulsdorf 282, Weinergasse 16. Mein Mann war noch Soldat.
Unser Haus blieb von der russischen Besatzung verschont. Am 1. September 1945 mußte ich die Wohnung „freiwillig“ verlassen. Am 9. November 1945 verließ ich die Tschechoslowakei mit einer „propustka“ (Passierschein). Betten, Wäsche, Kleidung und das notwendigste Geschirr konnte ich nach Verzollung mitnehmen. Mein Gepäck wurde auf der Straße zwischen Großenhain/Sachsen und Leipzig ausgeraubt.
Mein Vater, geb. 17. April 1873, ist schon im Mai 1945 von den Tschechen abgeholt und von Lager zu Lager gebracht worden, zuletzt nach Theresienstadt. Etwa am 7. Oktober 1945 ist er in Theresienstadt nach Aussagen von Mithäftlingen verhungert.

Von Wekelsdorf bei Braunau ist mir Folgendes bekannt:
Von den Tschechen wurden folgende, mir persönlich gut bekannte Wekelsdorfer ausgewiesen und gesammelt gegen Friedland/Schlesien getrieben. An der Grenze wollten sie die Polen nicht übernehmen, so wurden sie kurzerhand „auf der Brücke“ erschossen: Josef Kudernatsch und Frau, Briefträger, ca. 65 – 70 Jahre alt; Josef Wrabetz und Frau, Musiklehrer, ca. 70 – 75 Jahre alt; Paul Süssner und Frau, Näheres unbekannt, Eisenbahner Maul und Frau, Näheres unbekannt; Kreisförster Lindner mit Frau und zwei minderjährigen Kindern unter 10 Jahren; Herr Unger mit Frau und Tochter, Näheres unbekannt; Direktor Jüptner vom Gemeindeamt Wekelsdorf, ca. 50 Jahre alt, mit Schwiegereltern.

 

Bericht 360, Seite 502:

Wekelsdorf, Erschießung von 26 Personen am 28. bis 29. Juni 1945
Berichter: N. N. Bericht vom 13. Juni 1950

Wir beide Unterzeichneten wollen über eine Begebenheit berichten, welche sich in der Nacht vom 28. – 29. Juni 1945 in Wekelsdorf, Kreis Braunau/Sudetenland, ereignet hat:
Ende Mai 1945 hielt der berüchtigte Kapitän Svoboda mit seiner Rotte in unserem Ort seinen Einzug. Täglich wurden Verhaftungen vorgenommen, die unglücklichen Opfer kamen in das Gefängnis des Amtsgerichts, wo sie auf das grausamste mißhandelt und gepeitscht wurden. Augenzeugen berichten, daß im Vernehmungslokal Blutlachen und Hautfetzen zu sehen waren. Eine Angewohnheit Kapitän Svobodas war, daß er in angetrunkenem Zustand zu nachtschlafender Zeit das Gefängnis aufsuchte und dort die Gefangenen in der Zeit zwischen 11 Uhr und 3 Uhr peitschen und mißhandeln ließ. Die in der Nähe des Amtsgerichtes wohnenden Leute konnten durch die Schmerzensschreie der Gepeinigten keinen Schlaf finden. Seinen Höhepunkt erreichte das Benehmen des Kapitäns Svoboda am 28. Juni 1945. An diesem Tage wurden 26 Personen, von welchen das jüngste ein Kind von acht Monaten war, die meisten anderen waren schschon alte Leute, von den Schergen des Kapitäns an die schlesische Grenze getrieben. Die Polen nahmen den Transport nicht an, er wurde wieder zurückgeführt und im Gefängnis untergebracht. Früh 3 Uhr wurden die Menschen auf die sogenannte Buche, einen abgelegenen Platz außerhalb des Ortes geführt, dort zu einem Haufen zusammengetrieben und mit Maschinengewehren erschossen. Durch das fürchterliche Schreien der armen Menschen hatte sich der in der letzten Bauernwirtschaft des Ortes wohnende Bauer Friedrich Bittner aus lauter Schrecken über die entsetzliche Mordtat mit seiner Schwester an einem Strick erhängt. Das tschechische Militär verlangte von den in der Nähe wohnenden Bauern Spaten und verscharrte die Leichen. Den Bauern wurde befohlen, sich vor 11 Uhr vormittags nicht auf den Feldern sehen zu lassen. Unter diesen Opfern war auch eine geborene Tschechin, welche einen Sudetendeutschen zum Manne hatte. Jeden Tag wurden neue Verbrechen begangen.
Der Kommissar bei der mistni spravni komise in Wekelsdorf war Josef Cerny. Dieser Mann hatte eine bewegte Vergangenheit. Er war im Jahre 1917 wegen Kassenknackerei eingesperrt (Zuchthaus), im Jahre 1924 ebenfalls und 1942 ebenso. Die vom Kreisgericht Königgrätz beglaubigten Abschriften über die Straftaten habe ich mit eigenen Augen gelesen. Diesem Menschen waren wir auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Während der Amtstätigkit dieses Kommissars und des Kapitäns Svoboda häuften sich die Verbrechen in geradezu erschreckender Weise. Die Aussiedlungen wurden in der gemeinsten Weise vorgenommen.

Es gab auch sehr anständige Tschechen, welche uns lange und gut bekannt waren, diese schämten sich für das brutale und rohe Vorgehen ihrer Landsleute und verabscheuten es auf das tiefste.

Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald

Siehe auch: Bericht von Radio Prag zu einem Mahnmal für die Ermordeten.