Vollmau.
Raubüberfall auf ein Böhmerwalddorf
Berichter: B. Zeisel, gewesener Pfarrverweser von Vollmau.
Es war am 13. Mai 1945, Sonntag.
Die deutsche Bevölkerung von Vollmau rüstete sich zum Kirchgang.
An diesem Tage brachen trotz des Waffenstillstandes und trotz des gutnachbarlichen Verhältnisses der Deutschen zu den Tschechen uniformierte und bewaffnete tschechische Horden ins Dorf, mordeten, plünderten und vertrieben die friedfertige, waffenlose deutsche Bevölkerung aus ihrem Heimatorte ins Ungewisse. Meistenfalls waren es alte Leute, Frauen und Kinder, denn die jungen Männer waren alle eingerückt oder in der Kriegsgefangenschaft.
Der Jammer wurde voll, als die amerikanische Grenzwache sie nicht über die bayerische Grenze ließ. In ihr Dorf durften sie nicht, über die Grenze ließ man sie nicht. So lagen sie, beraubt von allem, ohne Nahrung auf der Grenzwiese und niemand wußte, was nun mit ihnen geschehen sollte. Die Kinder hungerten, doch das ausgestandene Grauen verschloß ihnen den Mund; sie verlangten nicht nach Brot.
Eine alte Frau verstarb vor aller Augen infolge der ausgestandenen Strapazen auf der Wiese.
Andere fielen in Ohnmacht.
Hochschwangere Mütter mußten eilends ins Krankenhaus nach Furth gebracht werden, denn es bestand Gefahr einer Notgeburt.
Die ersten Opfer waren die gegen 70 Jahre alten Eheleute J. und A.
So fand J. M., Vater von fünf unversorgten Kindern, und seine Frau den Tod: Sie wurden vor den Augen der Kinder niedergeschossen. Die Großmutter der Kinder erhielt einen Schenkelschuß. Die Kinder erzählten selbst den Mord.
Erschossen wurde weiter F. K.;
K. S., der sich im ersten Schrecken mit einer Hacke verteidigen wollte, wurde mit derselben Hacke niedergemacht. Mit zerspaltenem Schädel fand ihn seine Frau tot auf.
Ein Flüchtling aus Heidelberg wurde im Bett erschossen
Ein Augenzeuge erzählte mir, daß sechs Flüchtlinge unterwegs vom Böhmisch Kubitzen nach Bayern waren. Sie wurden bei Vollmau von der Horde eingeholt und niedergemacht. Er konnte sich durch Flucht in eine Scheune retten. Der Kriminalpolizist Dr. Sladký sprach später von 47 Toten, welche an diesem Tag in Vollmau erschossen wurden. Später wurde St. W., ein Mädchen von 16 Jahren, von den Tschechen niedergeschossen. Alle Opfer, ausgenommen die letzten, wurden am Tatort begraben.
Nachdem die Einwohnerschaft vertrieben war, begann die Plünderung. Am ersten Tage des Überfalls wurden die Kästen und Schreine aufgerissen, ihr Inhalt auf den Fußboden geworfen und davon genommen, was einem jeden gefiel. Später nahmen die Tschechen Kleidung, Lebensmittel, Vieh, landwirtschaftliche Geräte, Einrichtung, kurz, alles was von Wert war, mit. Diese Ausplünderung von Vollmau geschah, bevor die tschechische Regierung die Enteignung des deutschen Vermögens beschlossen hatte. Der Raubüberfall erfolgte am 13., 14. und 15. Mai 1945. Am 25. Mai wurde durch Dekret des Präsidenten der Republik der Gesetzentwurf der tschechoslowakischen Regierung vom 19. 5. 1945 über die Überführung privaten, öffentlichen, beweglichen und unbeweglichen Vermögens der Deutschen, Ungarn und Verräter in die Nationalverwaltung herausgegeben.
Nach Tagen sagte der tschechische Bevollmächtigte der Prager Regierung, Cihák: „Man wisse bisher nicht, wer den Raubüberfall angeordnet und warum er geschah.“
Hunderte von Vollmauern können dies durch heiligen Schwur beeiden.

Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald

Ein weiterer, ausführlicherer Bericht über diesen Massenmord: Vollmau02.htm