Daß es zumindest auch kleinere Presseorgane in der Tschechischen Republik gibt, die sich unvoreingenommen mit den Sudetendeutschen auseinandersetzen, zeigt der nachfolgend wiedergegebene Artikel von Daniela Horak in der Monatsschrift Svedomi/Concience, die in Frydek-Mistek erscheint.

Und das glauben noch viele Menschen

Von Daniela Horak

Der Artikel trägt den Titel
„Die Sudetendeutschen – die historische Wahrheit
und die gegenwärtige Entstellung der Tatsachen“

Die Deutschen als Pioniere
Häufig begegnen wir der Ansicht, daß erst Hitler die sogenannten Sudetendeutschen in unsere böhmischen Länder geführt habe, und zwar im Jahr 1939. Diesen Unsinn glauben heute leider eine solche Menge von Menschen, daß es an der Zeit ist, sich mit den geschichtlichen Tatsachen zu befassen.Und die sind folgende:

Bereits im 12. Jahrhundert luden die herrschenden Premysliden, die sich, nebenbei bemerkt, in der Mehrzahl mit deutschen Töchtern der Fürstengeschlechter vermählten, in unser Land deutsche Kolonisten ein, und zwar in Gebiete, wo es damals nur Urwald und Ödland gab. Diese Gebiete wurden nach und nach von diesen Kolonisten besiedelt, sie begannen sie zu bestellen und in die Höhe zu bringen. In diesen Gebieten, die wir heute Grenzland nennen, aber auch in verschiedenen „Inseln“ (siehe z.B. Iglau oder Wischau) lebten diese Menschen rund acht Jahrhunderte friedfertig, und ihre Zahl betrug zum Ende des Ersten Weltkrieges 3,5 Millionen, was mehr als 90 Prozent der gesamten Bevölkerung dieser Gebiete, der sogenannten Sudeten, ausmachte. Bis zum Jahre 1918 war das ganze Land, also Tschechen und Deutsche, ein Teil von Österreich-Ungarn.

Manipulationen in Versailles
Im Jahre 1918, nach Schaffung der ersten tschecho-slowakischen Republik, beriefen sich die hiesigen Deutschen auf das Selbstbestimmungsrecht und wollten zusammen mit den österreichischen Deutschen in das Deutsche Reich eingegliedert werden. Das wird ihnen häufig als Schuld angelastet, aber vor allem sollte sich das tschechische Volk die Frage stellen, ob es anstelle der Deutschen anders gehandelt hätte. Es hätte sich doch als erstes das Recht der Vereinigung mit seinen slawischen Brüdern genommen. Warum also wird dies heute den Deutschen zur Last gelegt?
Die Siegermächte allerdings erlaubten diese Vereinigung nicht, weil sie fürchteten, das Deutsche Reich könnte zu stark werden. Sie schlugen daher die Sudetengebiete dem neuen Staat, der tschecho-slowakischen Republik, zu. Damit wurde den Sudetendeutschen das Recht auf Selbstbestimmung verweigert, und es begannen weitere Probleme. Die tschecho-slowakische Republik war ein ausgesprochener Nationalitätenstaat, aber die Führungsriege der tschechischen Nation, vor allem der damalige Außenminister Edward Benesch, versuchten, die Ansichten des Auslandes zu manipulieren, indem sie die statistischen Angaben entstellten, Landkarten fälschten und so die Ansicht stärkten, daß die einzige staatsbildende Nation die Tschechen seien. Dabei zeigten die statistischen Angaben aus der Volkszählung des Jahres 1910 diese Tatsachen: 6,29 Millionen Tschechen (48,05 %), 3,73 Millionen Deutsche (28,49 %), 1,77 Millionen Slowaken (13,52 %), 0,87 Millionen Ungarn (6,65%), 0,43 Millionen anderer Nationalität (3,28 %). Damit ist klar bewiesen, daß die Deutschen die zweitgrößte Nation der damaligen tschecho-slowakischen Republik waren.

Unterdrückung der Deutschen
Und so begann bereits damals ihre Verfolgung. Präsident Masaryk, selbst Sohn einer deutschen Mutter und angeblich eines slowakischen Vaters, was allerdings bis heute sehr umstritten ist, führte z.B. am 10. Januar 1919 im Blatt ‘Martin’ aus: „Im übrigen bin ich überzeugt, daß diese Gebiete schnell entgermanisiert werden“. In seinem Werk ‘Die Weltrevolution’, Prag 1925, schreibt Masaryk: „Wir sind eine Rasse, die zum ‘Herrschen’ bestimmt ist. Edvard Benesch sagt das alles noch schärfer, wenn er z.B. im Ceske Slovo vom 29. Oktober 1920 ausführt: „... daß den Deutschen kein Selbstbestimmungsrecht gegeben werden darf, daß sie sich besser an Galgen oder Kandelabern aufhängen mögen.“. Aber auch weitere Staatsorgane und -blätter drückten es ungestraft nach dem Vorbild ihrer Führer aus, so: „Die Deutschen müßten mit der Peitsche über die Grenze hinausgeprügelt werden. Diese Aussage erschien in ‘Zlata Praha’ im Jahre 1919 bei Feiern des „Sokol“. Die tschechische Abgeordnete Zeminova sagte im Parlament wörtlich: „Wir jagten euch und werden euch weiter jagen. Diese Worte sind wiederum bestimmt für die hiesigen Sudetendeutschen oder die böhmischen Deutschen. Ich meine, daß diese Beispiele genügen.
Was folgte, ist allgemein bekannt: Schließung deutscher Schulen in überwiegend deutschen Gebieten. Auswechseln von Staatsbeamten deutscher Nationalität gegen solche tschechischer Nationalität, Hinauswurf deutscher Angestellter, wenn sie ihre Kinder nicht in tschechische Schulen schickten, die man sogar dort errichtete, wo in einer überwiegend deutschen Stadt nur drei tschechische Kinder waren, Entziehung der staatlicher Aufträge an deutsche Fabriken im Grenzgebiet usw. Kann sich da noch jemand wundern, daß die deutsche Minderheit unzufrieden war, wenn z.B. im Grenzgebiet die größte Arbeitslosigkeit war, und wenn mit dieser Politik der tschecho-slowakische Staat die hiesigen Deutschen Hitler geradezu in die Arme trieb? Schließlich glaubten sie damals seinem Wort, daß er sie ins Deutsche Reich eingliedern würde, daß sie unter ihresgleichen leben würden und in Zukunft nicht mehr gedemütigt würden, daß sie Arbeit bekämen, und in der Lage sein würden, ihre Kinder wieder in deutsche Schulen zu schicken. Wieder sollten sich die Bürger tschechischer Nationalität in die Situation versetzen und sich die Frage vorlegen, wie sie anstelle der hiesigen Deutschen gehandelt hätten, wenn irgendeine slawische Nation versprochen hätte, sie unter ihre Obhut zu nehmen, eventuell Rußland?
Häufig wird auch die Aussage von Lord Runciman vergessen, der die Aufgabe hatte, völlig neutral die Situation im damaligen Grenzgebiet zu ermitteln, und der sagte, daß „es herb ist, von einer fremden Nation beherrscht zu werden und daß sein Gesamteindruck der ist, daß das „tschecho-slowakische Herrschaftsgebaren der letzten 20 Jahre in den sudetendeutschen Gebieten die Deutschen zu offenem Protest treiben mußte. Und Lord Runciman kann man wohl kaum irgendwelcher erklärter Sympathien für das deutsche Volk verdächtigen!

Benesch und München
Und so näherte sich München 1938. Und hier wird wiederum häufig die Wahrheit entstellt. Als Benesch nach dem Bericht Runcimans an Neville Chamberlain erkannte, daß dieser das ungeschmälerte Selbstbestimmungsrecht für die Deutschen fordert, als er weiter erkannte, daß jetzt auch seine westlichen Verbündeten ihn als politischen Bankrotteur bewerteten, änderte er schnell seine Pläne. Über den Minister Necas, der eben in Paris verhandelte, ließ er verlauten, daß er zu „kleinen Gebietsabtretungen“ bereit wäre, unter der Bedingung, daß das Deutsche Reich mindestens 1,5 bis zwei Millionen der deutschen Bevölkerung übernimmt. Das alles allerdings sollte geheim geschehen, damit niemand erführe, daß das sein Vorschlag sei! Die Franzosen und die Briten erörterten diesen Vorschlag und übermittelten am 19. September 1938 ultimativ der tschecho-slowakischen Regierung die Forderung auf Abtretung der sudetendeutschen Gebiete. Diese stimmte dem am 21. September 1938 zu, und General Syrovy bestätigte die Note am 25.September 1938. Über Beneschs Anteil in dieser Angelegenheit weiß man aber entweder nichts oder man verschweigt es absichtlich.

Die Verjagung der deutschen Bevölkerung, die im Jahre 1945 folgte, entsprang wieder ausschließlich dem Kopf von Edward Benesch. Es war nicht so sehr Rache der einfachen tschechischen Menschen, sondern wurde langfristig vorbereitet und geplant von politischen Kreisen um Benesch, und es wurde nicht wenig Mühe aufgewendet, für diesen Plan die Mehrheit der tschechischen Bevölkerung zu gewinnen. Menschen, die sich an der Vertreibung beteiligten, waren vornehmlich motiviert von der legalisierten Möglichkeit, deutsches Eigentum zu rauben. Weitere waren die, die selbst etwas zu verbergen hatten und die sich dann an Massakern zuerst der deutschen Bevölkerung beteiligten und später an eigenen, tschechischen Menschen in den kommunistischen Konzentrationslagern.

Tschechen wurden nicht vertrieben
Und noch ein paar abschließende Worte zu der Unwahrheit, die ebenfalls tradiert wird, daß nämlich tschechische Einwohner nach der Besetzung des Sudetenlandes durch Deutschland aus ihren Häusern vertrieben worden seien. Niemand wurde vertrieben. Jeder, der wollte, konnte bleiben, auch auf Dauer. Diejenigen, die weggingen, taten es vor allem aus zwei Gründen: Der erste war, daß es sich um Regierungsbeamte handelte, die verständlicherweise ins Inland zurückkehrten, also dahin, woher sie gekommen waren; der zweite Grund war die Furcht davor, daß ihnen zurückgezahlt würde, was sie selbst oft den Deutschen angetan hatten. Deshalb die Flucht ins Inland. Ich selbst kenne viele Familien, ausgesprochen tschechischen Ursprungs, die auch nach dem Jahr 1938 im Grenzgebiet blieben, und niemand hat sie je verjagt, im Gegenteil, sie lebten weiterhin in ihren Häusern und hatten die gleiche Arbeit wie vorher.

Doppelzüngigkeit
Das tschechische Volk berief sich einerseits auf historisches Recht, also das Recht auf die Unteilbarkeit der böhmischen Länder, womit sie den Anspruch auf die Sudetengebiete stützten. Auf der anderen Seite beriefen sich dieselben Leute auf das natürliche Recht der Slowaken auf Selbstbestimmung, das wiederum im Widerspruch zum historischen ungarischen Recht stand. Ungarn hatte nach diesem Recht einen legitimen Anspruch auf die Slowakei. Warum also einmal das historische Recht, damit die Sudetendeutschen keine Möglichkeit hatten, sich von den böhmischen Ländern zu trennen, das andere Mal aber das angeborene Recht, damit die Slowaken durch die Selbstbestimmung die Möglichkeit hatten, in der Slowakei zu bleiben, wodurch aber umgekehrt das historische Recht der Magyaren verletzt wurde? Erneut eine Doppelzüngigkeit, mit der sich unser Staat bis heute nicht ausgeglichen hat, erneut zweierlei Maßstäbe. Denn der tschecho-slowakische Staat entstand als Nationalstaat nur, weil man die Fiktion des Tschechoslowakismus schuf und weil das historische Recht der Ungarn bestritten und den Sudetendeutschen das Selbstbestimmungsrecht verweigert wurde.

(Wiedergabe des Abdrucks in der „Sudetenpost“, Linz, Dez. 1999. Ein Teil der Hervorhebungen vorgenommen 2000-10-01 ML)