NKWD-Lager Tost
Gegen Vergessen...
möchte ich noch einmal an unsere Busfahrt zur Gedenkfeier an den Massengräbern des NKWD-Lagers Tost/Oberschlesien (heute Toszek) 1945 am Sonnabend, dem 10. Mai 2003 erinnern.

In den Gräbern liegen mehr als 3000 elend umgekommene Zivilisten, die am Ende des Zweiten Weltkrieges vom russischen Geheimdienst willkürlich verhaftet und mit denen in diesem Außenlager des Zuchthauses Bautzen besonders grausam umgegangen wurde.
Das Lager war mit 4500 Häftlingen mehr als überbelegt.
In den Sälen befanden sich nicht einmal Strohsäcke, geschweige denn Betten. Die Gefangenen lagen dicht gedrängt auf dem Fußboden. Wasser gab es höchstens zum Trinken oder in der dünnen Wassersuppe. Waschen nach getaner Arbeit war selten möglich, Kleiderwechsel nie. Die hygienischen Verhältnisse in diesem heißen Sommer 1945 waren fürchterlich.
Sofort setzte ein Massensterben ein, die häufigste Sterbediagnose lautete: Ruhr.
Von morgens bis abends mußte auf den entvölkerten Domänen die Ernte eingeholt werden – meist ohne Gerät, so daß viele außerhalb des Lagers wegen Erschöpfung umfielen und liegenblieben.
Donnerstags bekamen die sowjetischen Bewacher ihre wöchentliche Schnapsration. Dieser Tag war von den Häftlingen ganz besonders schwer zu ertragen. Nicht selten wurden Männer aus nichtigem Anlaß totgeprügelt.
Zwei Drittel der Lagerinsassen kamen hier um – zwischen Mai und Dezember 1945.
Die Auflösung des Lagers begann im November 1945. Etwa 800 Überlebende wurden nach Graudenz/Westpreußen verlagert, kaum lebensfähige 700 „durften“ nach Hause. Nur wenige haben den langen Weg geschafft.
Am 10. Mai 2003 beginnt ein Bus die Fahrt in Marienberg/Erzgebirge, fährt über Chemnitz, Dresden, Görlitz und sammelt unterwegs Zusteiger ein. Ab 11 Uhr warten viele Freunde aus Tost bereits auf uns. Wir werden Gelegenheit haben, das ehemalige Lager (heute wieder Psychiatrie) zu besuchen. Für mich ist es die zehnte Reise. Seit 1993 habe ich 4550 Personendaten gesammelt, unzählige Berichte archiviert. Der Anlaß war: mein Vater Hans-Werner Rasmussen aus Zschopau/Hainichen kam in Tost um. Die deutsche Geschichte endete nicht im Mai 1945 – darum ist es wichtig, diesen traurigen Abschnitt nicht zu vergessen. Besonders die Bewohner Ost- und Mitteldeutschlands haben viele Jahre noch ein unfreies Leben führen müssen und konnten über die Geschehnisse nicht sprechen. Vergessen haben sie jedoch nicht!
Sybille Krägel
Näheres: Initiativgruppe NKWD-Lager Tost/Oberschlesien 1945,
Sybille Krägel, geb. Rasmussen, Hamburg, Telefon (040) 53320599.

Entnommen aus dem „Stacheldraht“ 2003 Heft 3 Seite 9.

Herausgeber:
Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. (UOKG) und dem
Bund der Stalinistisch Verfolgten e.V. (BSV).
Verantwortlich: Frau Sybille Ploog Drahtstachel@compuserve.de