Auf der Landeskulturtagung des BdV-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen am 21. Oktober 2000 hielt die Publizistin Sidonia Dedina ein vielbeachtetes Referat, das wir an dieser Stelle dokumentieren wollen. Das Buch „Edvard Beneš – der Liquidator“ ist über den BdV-Buchdienst zu beziehen.

Genozid auf tschechoslowakisch

Am Rande des Doku-Romans „Edvard Beneš – der Liquidator

I. Das Böse ist ansteckend
Das Böse ist ansteckend – so denkt man, wenn man die Greueltaten während des 2. Weltkriegs mit dem Terror der Vertreibungen vergleicht, die unmittelbar danach oder noch parallel mit den Kampfhandlungen ansetzten. Es scheint, da gab es eine Epidemie des Bösen, das durch das früher Geschehene einen Nährboden fand: Personen mit moralischer Immunschwäche und Anführer, die als Virus-Überträger wirkten. Dieser Metapher aus der Medizin kann man sich nicht erwehren, wenn man unzählige Ähnlichkeiten feststellt zwischen den Pogromen der Kriegszeit und den Vertreibungen der Deutschen aus einzelnen Staaten fast aus ganz Osteuropa: Die Grobheit, die Gesetzlosigkeit, die Entrechtung der Betroffenen, die Arbeits- und Vernichtungslager, das mutwillige Töten, ja Lust zum Töten, die erschütternden Vergewaltigungen von Frauen von jung bis alt, das planmäßige Aushungern von Kleinkindern und Säuglingen, für die bekanntlich die Milch das Brot bedeutet. Ein Säugling ohne Milch muß sterben. Es starben tatsächlich Abertausende kleinste Kinder, auch der Vertriebenen – die, wie man sagt, für Hitler büßen sollten. Die Tatsache des Aushungerns der Kleinkinder entspricht schon dem, was bald als Merkmal des Genozids international bestimmt wurde. Die Definition der Ausrottung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe – des Genozids – laut Abkommen der Vereinten Nationen vom Dezember 1948 enthält im Artikel 2, Punkt d) auch die „Maßnahmen zum Erschweren von Geburten in solcher Gruppe“. Es gibt keinen Zweifel – die Vertreibungen der Nachkriegsjahre waren millionenfacher Genozid, und ich möchte mich an diese Bezeichnung halten.

II. Verantwortung der Staaten
Wie bekannt, waren rein äußerlich die Methoden der Vertreiberstaaten sehr ähnlich. Und doch gibt jeder Vertreiberstaat andere Motive an, unterschiedliche historische sogenannte „Begründungen“, und rühmt sich mit ziemlich unterschiedlichen Persönlichkeiten und Interessengruppen, die den Genozid herbeigeführt hatten. Es ist merkwürdig. Ein Pole, ein Jugoslawe – solange diese Bezeichnung noch gilt – oder ein Tscheche würde für das geschehene Böse, das sich so sehr geähnelt hatte, ziemlich unterschiedliche Gründe angeben, und auf ihrer Glaubwürdigkeit bestehen. Wir wollen zuerst gelten lassen, daß jeder Vertreiberstaat einen eigenen Mythos um das Böse gesponnen hat – wie jeder Kranke eine eigene Krankheitsgeschichte erlebt, auch wenn mehrere Kranke vom gleichen Virus befallen sind. Es ist recht so. Es soll in der Verantwortung jedes einzelnen Staates bleiben, was innerhalb seiner Grenzen verübt wurde.

III. Furchtbare Geschichte
Das war auch der Grund, warum ich mich mit der Vertreibung der altansässigen deutschen Bevölkerung aus jenem Staat ausführlich beschäftigt habe, aus dem ich stamme: aus der Tschechoslowakei, genauer gesagt, aus Böhmen und Mähren, der heutigen Tschechischen Republik. Die Slowaken versuchte ich weitgehend auszuklammern. Erstens haben sie aus ihrem Land viel weniger Deutsche vertrieben als die Tschechen. Ebenso haben nur wenige Slowaken vom damaligen gemeinsamen Machtzentrum, von Prag aus, bei den Vertreibungen mitgewirkt. Und schließlich hat die Slowakei eine andere, eigene Geschichte, um die sich die Slowaken selbst kümmern sollen. Langfristig würde ich begrüßen, wenn Autoren auch aus anderen Vertreiberstaaten durch mein Buch – das zum erstenmal in Juni vorgestellt wurde – sich ermutigt fühlten, die furchtbare Geschichte ihrer eigenen Länder kompromißlos und offen zu erzählen. Es ist eine bittere Arbeit, doch sie muß getan werden. Sonst können wir in Europa keinen reinen Tisch machen. Niemand kann diese Bürde den Menschen abnehmen, die aus Gesellschaften stammen, die die Vertreibungen verübt hatten.

IV. Kollektivtrauma
Den Doku-Roman Edvard Beneš – der Liquidator habe ich nicht deshalb geschrieben, um für die Tschechen eine neue Art Kollektivschuld zu fabrizieren. Diejenigen, die sich an dem Genozid auf tschechoslowakisch beteiligt hatten, sind heute sehr alt, sofern sie noch am Leben sind. Das darf bitte keine Entschuldigung sein. Ich möchte nur sagen, daß die Generationen von 65 bis 70 Jahren hinunter, vor allem aber die mittleren und die jüngsten Generationen, mit dem Genozid praktisch nichts zu tun haben. Und trotzdem: In Tschechien hält sich eine zum Teil hartnäckige Überzeugung, daß der Genozid rechtmäßig, verdient und in Ordnung war. Wie ist das möglich? Man nennt die Ereignisse dort bekannterweise nicht Genozid, sondern „Abschub“. Das ist sehr zynisch. Abschieben kann man Eisenbahnwaggons, höchstens Militäreinheiten, die ja für verschiedene Manipulationen bestimmt und ausgebildet sind. Doch Menschen, die irgendwo dauerhaft leben, arbeiten, die gleiche Luft mit mir atmen – wie kann ich sie abschieben? Ja, ich kann sie von einem vollen Teller wegschieben, was tatsächlich geschah. Ich kann sie von ihrer vertrauten Wohnung in eine fremde und schlechtere verschieben. Doch muß ich schon dabei die Rücksichtslosigkeit meiner Tat im Herzen spüren. Da rede ich noch nicht von dem Schlimmsten, was geschah. Was ich manchen Tschechen aus den heutigen, an sich nicht schuldigen Generationen vorwerfe, ist die seltsame Gefühllosigkeit und der Mangel an Vorstellungskraft, mit denen sie die Vertreibung nach 55 Jahren noch beurteilen. Wie kann man mit Genozid einverstanden sein? Ist die späte Zustimmung doch eine Art Kollektivschuld? Oder ist es ein Kollektivtrauma und -komplex? Mit meinem Buch habe ich versucht, die wahren Übeltäter aufzudecken: sie konkret zu benennen, auf die Täter zu zeigen, was meines Erachtens dazu führen könnte, daß ein vernünftigerer und moralisch besser entwickelter Teil des tschechischen Volkes sich von den Verbrechen und den Verbrechern selbst lossagen kann. Damit wäre man aus der Sackgasse einer Kollektivschuld oder eines Kollektivtraumas befreit. Endlich könnte man in die frische Luft der Verständigung und einer echten Versöhnung – auch mit sich selbst – gelangen.

V. Zwei Dutzend Männer
Der Plan meines Buches war an sich einfach. Es sollte das Leid der Deutschen in meinem Land mit den Handlungen der tschechischen politischen Führung konfrontieren. Das alles chronologisch geordnet, damit man die Eskalation der Ereignisse verfolgen kann. Und es sollte solch eine Auswahl von Personen, Ortschaften und Ereignisse getroffen werden, die ein Gesamtbild jener gewaltigen, aus heutiger Sicht unbegreiflichen Wahnsinnsaktion bieten würde. Während der chronologischen Einordnung des unendlich erscheinenden Materials und fortlaufender Verifizierung der Aussagen anhand von persönlichen Memoiren, amtlichen Dokumenten und einzelner Zeugen selbst wurde immer deutlicher, was für eine Art Regierung wir in der Tschechoslowakei nach Kriegsende erhielten. Jawohl, erhielten. Diese erste Regierung war von keinem Menschen gewählt. Von keinem Tschechen, von keinem Deutschen, von keinem Slowaken, von keinem Ungarn, Polen, Ukrainer oder wie die kleineren Volksgruppen im Staat alle hießen. Die Regierung wurde auch von keinem gewählten Parlament eingesetzt. Denn, vom Mai 1945 bis Juni 1946 existierte gar keine gewählte Volkskammer. Die Nachkriegsregierung der Tschechoslowakei fiel vom Himmel oder kam aus der Hölle. Zwei Dutzend Mann kamen von nirgendwo, sie rissen alle Staatsgewalt an sich, die Armee, die Polizei, Gerichte, die Wirtschaft, und nicht zuletzt die fast drei Millionen deutsche Bürger*, die sie aussiedeln ließen – wie es im Orwellschen Newspeak hieß. 20 bis 30 Mann! Wo kamen sie her? Als ich die Schritte verfolgte, die zu der Machtergreifung führten, kam ich nicht aus dem Staunen.
* Tatsächlich waren die Sudetendeutschen seit Herbst 1938 rechtmäßig Bürger des Deutschen Reiches, genau wie das Sudetenland seit Herbst 1938 rechtmäßig deutsches Staatsgebiet ist. Kein international gültiger Vertrag auf Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Völker hat jemals etwas daran geändert. Ob aber Frau Dedina tatsächlich hier „Reichsdeutsche“ meint, über die die selbsternannte „Beneš-Regierung“ herfällt, oder ob sie unbedacht die Einwohner des Sudetenlandes als Staatsbürger einer Tschechoslowakei betrachtet, geht hieraus nicht eindeutig hervor.ML 2001-03-06

VI. Privatmann Beneš
Die neue tschechoslowakische Regierung wurde nicht in Prag, sondern in der ostslowakischen Stadt Kaschau vereidigt – aus der der heutige slowakische Präsident Schuster kommt, der hat jedoch damit nichts zu tun – und deshalb wurde sie die „Kaschauer Regierung“ genannt. Das geschah Anfang April 1945. Der Großteil der Tschechoslowakei war zu jener Zeit noch nicht frei, konnte also nicht wählen. War es vielleicht eine Stadtregierung von Kaschau, die bald dem ganzen Land übergestülpt werden sollte? Mitnichten. Bei näherer Betrachtung wurde klar, daß auch die Bürger der hübschen slowakischen Stadt mit jener Regierung nichts gemeinsam hatten, sie nicht gewählt hatten. Sie wurden gar nicht gefragt! Lediglich das Theater von Kaschau mußte für eine seltsame Zeremonie der Regierungsvereidigung herhalten. Seltsam war die Zeremonie aus zwei Gründen. Die designierten Minister und Staatssekretäre wurden durch kein Verfassungsorgan bestimmt. Und, noch merkwürdiger, sie legten ihren Treueschwur in die Hände eines Präsidenten ab, der keiner war. Denn Anfang Oktober 1938  hatte Edvard Beneš das höchste Amt niedergelegt, und seitdem hatte ihn kein demokratisches Verfassungsorgan wieder berufen. Also war Beneš seit fast 7 Jahren eine Privatperson. Lediglich mit provisorischen diplomatischen Befugnissen ausgestattet – so sah ihn das britische Foreign Office, das Auswärtige Amt in London, das über ausländische sogenannte Exilregierungen zu wachen hatte. Ein tschechoslowakischer Topdiplomat, der in London eine provisorische Exilrepräsentanz führte, das war Benešs offizielle Stellung aus britischer Sicht. „Und Ihre Exilregierung bitte“ – legten die britischen Beamten ihm ans Herz „diese Regierung muß sofort zurücktreten, nachdem sie den Boden der Tschechoslowakei erreicht!“ Das bedeutete, auch Beneš selbst hätte, bereits zum zweiten Mal, resignieren müssen. Er tat jedoch etwas ganz anderes. Als Staatspräsident, der er nicht war, nahm er in Kaschau einer Regierung den Schwur ab.

VII. Moskau statt Kaschau
Noch spannender lautet die Frage, aus welchem Ort kam die ungewählte Regierung nach Kaschau? Die Antwort klingt überraschend und banal zugleich. Sie kam aus Moskau. In der sowjetischen Hauptstadt war die ganze Kriegszeit über die kommunistische Emigration aus der CSR angesiedelt. Eine immer noch funktionierende tschechoslowakische Botschaft wurde durch Zdenek Fierlinger geleitet, dem späteren Premier, der nach außen hin Sozialdemokrat war, in der Realität Agent des sowjetischen Geheimdienstes seit Mitte der 30er Jahre, wie heute bekannt ist. In dieser Botschaft trafen sich im März 1945 etliche sogenannte Exilminister aus London mit etlichen führenden Exilkommunisten. Unter Anweisungen Benešs schlossen sie untereinander einen wahren Teufelspakt – der die ganze Nachkriegsgeschichte der Tschechoslowakei vorwegnahm, und verdarb. Es war ein Pakt, der die Demokratie in der CSR begrub. Man kann fast sagen, für immer. Denn auch der endgültige Zerfall der Republik in den Jahren 1992/93 kann als Spätfolge dieses Teufelspakts angesehen werden. Was also geschah im Moskauer März 1945? Ein Kern der Londoner Exilregierung, Politiker, die sich als Demokraten bezeichneten – obwohl sie spätestens in jenem März aufgehört hatten, es zu sein – verständigten sich mit den Exilkommunisten über die Bildung einer gemeinsamen Regierung. Sie würden nach Prag kommen und sich für legitim erklären, denn sie wurden ja in Kaschau bereits vereidigt! Sie konnten nichts als legitim sein! Außerdem verständigten sich die angehenden Machtergreifer – das waren sie ja bereits – sie würden in der Heimat keine anderen politischen Parteien zulassen als die bereits an der Regierung beteiligten. Wie der Prager Politiker Pavel Tigrid es ausdrückt, in Moskau hatten sich die wenigen Parteien „gegenseitig zugelassen“. Es kam noch eine kleine Gruppe aus der aufständischen Slowakei hinzu – zum ersten Mal hört man den fatalen Namen eines jungen Juristen Gustav Husak... Und das war’s. Aus Moskau brachte die neue Regierung auch das ‚Kaschauer Regierungsprogramm’ gleich mit. In dem Programm wurde die Vertreibung der Deutschen aus dem befreiten Staat bereits vorgezeichnet.

VIII. Illegitime Dekrete
Die Erläuterung der politischen Wurzeln der Nachkriegstschechoslowakei soll keine Entschuldigung dafür sein, was weiter geschah. Es soll nur vor Augen führen, daß die Regierung, die den Genozid beschloß und durchgeführt hatte, keine demokratische Regierung war, sondern eine selbsternannte, usurpatorische Riege, die das Volk eigentlich gar nicht repräsentierte. Und da es kein gewähltes Parlament gab, und noch lange nicht geben sollte, regierte die selbsternannte Gruppe von 20-30 Mann mittels Dekreten, die jeweils der abgedankte und doch amtierende Präsident unterschrieb, und mit ihm die Regierungsmitglieder, manchmal alle, ein andermal eine Handvoll von Ressortministern. Diese Dekrete dieser selbsternannten Regierung und dieses abgedankten Präsidenten, das sind die berüchtigten „Beneš-Dekrete“, über die ein halbes Jahrhundert danach im Europaparlament, im österreichischen Parlament und anderen Gremien geredet wird. Dekrete, die man in die Europäische Union nicht hineinlassen will, und mit Recht. Nicht nur muß der Inhalt der Dekrete abgelehnt werden. Die Dekrete selbst sind unter völlig illegitimen Umständen zustandegekommen. Schon aus rein formalen Gründen dürfen sie von Anfang an keine Geltung besitzen.

IX. „Mein Haß war weg...“
Warum betonen wir so sehr, daß die tschechoslowakische Vertreiber-Regierung keine demokratisch gewählte, also illegitime war? Erstens könnte eine zukünftige, vernünftigere tschechische Regierung als es die heutige ist, Konsequenzen daraus ziehen und auf die Beneš-Dekrete juristisch sehr einfach und rasch verzichten. Hauptsächlich jedoch scheint es mir, daß die Illegitimät der Regierung der tiefere Grund dafür ist, was ich am Anfang des Referats als das „ansteckende Böse“ genannt habe. Bei näherer Betrachtung sieht man, daß sämtliche Vertreiberstaaten Osteuropas sich bereits in den Händen ähnlich undemokratischer Regierungen befanden: Polen, Jugoslawien, zum Teil Ungarn, und ganz markant die Sowjetunion. In diesen Staaten mit totalitären oder stark repressiven Regimes konnte eine führende Clique rücksichtslos durchziehen, was ein demokratisches Parlament entweder ganz – oder ab bestimmten Phasen – verhindert hätte. Es stimmt zwar, daß viele Tschechen während des Krieges und der nazistischen Okkupation viel Gehässiges geäußert oder herbeigewünscht hatten. Doch nach dem Krieg hätte es ihnen ähnlich ergehen können wie dem britischen Oberbefehlshaber und Premier Winston Churchill, als er in Juli 1945 nach Berlin kam. Er sah dort verarmte Menschen, die ihn trotz früherer Feindschaft fast freundlich begrüßten. „Mein Haß war wie weggeflogen...“ schrieb Churchill in seinen breit angelegten, dokumentarischen Memoiren „Der Zweite Weltkrieg“. Die deutschen Volksgruppen in vielen Staaten Europas haben etwas ähnliches erwartet, sie hofften auf die Wiederherstellung des friedlichen Miteinanders mit slawischen und anderen Mitbürgern. Es ist bemerkenswert, in welchen Ländern die Erneuerung des Zusammenlebens doch möglich war. Aus Dänemark und aus den Benelux-Ländern wurden keine Deutschen vertrieben. Frankreich hat zwar Elsaß-Lothringen wieder einmal annektiert, aber keine Deutschen daraus vertreiben. In Saarland ließ Paris sogar eine Volksabstimmung zu und beugte sich der Mehrheit, die die Vereinigung mit den Deutschen wünschte. Es wurden keine Deutschen aus Britannien fortgejagt: Viele Exil-Sudetendeutsche blieben dort noch über Jahre hinaus, da sie zuerst die Rückkehr scheuten, und bald keine Heimat mehr hatten, wohin sie zurückgehen konnten. Auch die Vereinigten Staaten trieben keine Deutschen aus, im Gegenteil, viele Vertriebene fanden in Amerika, auch in Kanada, ihr zweites Zuhause. Warum erwähnen wir dies? Um klar zu machen, daß nur totalitäre ‚Schurkenstaaten‘ zur Vertreibung als Methode angeblicher Befriedung griffen – nicht jedoch demokratisch regierte Länder. Und um zu beweisen, daß die Vertreibungen keine logische, geschweige denn notwendige Folge von nazistischen Greueltaten waren. Die angebliche Kausalität ist nur Propagandavorwand der Vertreiber gewesen. Wie schade, daß auch viele Deutsche, Politiker wie Journalisten, den falschen Grund akzeptiert und immer wiederholt haben.

X. Bruder als Mahner
Wenn da ein demokratisches Parlament existiert hätte, so hätte vielleicht die tschechoslowakische Vertreibung in gewissen Phasen gemildert, gestoppt, oder ganz umgekehrt werden können. Benešs zeitweiliger Chef der Präsidialkanzlei, ab Herbst 1945 Justizminister Prokop Drtina, führt in seinen Memoiren eine bewegende Episode an, die zu denken gibt. Ab Oktober 1945 existierte eine Volkskammer in Prag, die jedoch auch nicht gewählt wurde. Sie hieß die „Provisorische Nationalversammlung“. Dorthin hatte jede der bereits regierenden Parteien je 50 Repräsentanten delegiert. Es war ein wundersamer Trick, Demokratie vorzutäuschen. Jawohl, wir haben ein Parlament – konnte man von nun an behaupten. Vor diese Nationalversammlung trat überraschend einer der delegierten Abgeordneten, und zum Erstaunen vieler erzählte er über Grausamkeiten, die an Deutschen durch Tschechen laufend verübt würden. Der Vielschreiber Drtina hat leider keine Einzelheiten aus jener Rede überliefert. Wahrscheinlich wollte er es nicht, er selber war einer der eifrigsten Hetzer gegen die Deutschen. Trotzdem erwähnte er die Episode damit, daß der Abgeordnete weinte, als er sprach. Höchst pikant ist der Name des mahnenden Redners: er hieß Vojta Beneš, und war Bruder des Präsidenten. Aus der Begebenheit kann man folgern, daß es wahrscheinlich nicht wenige Tschechen gab, die das brutale Vorgehen gegen die entrechtete deutsche Bevölkerung verurteilten. Hätte es ein demokratisches Parlament gegeben, konnte man vielleicht eine Debatte darüber führen. Es ist nicht auszuschließen, daß eine freie Öffentlichkeit sich letztlich gegen die Verwirklichung der grausamen Vertreiberpläne gestellt hätte, nachdem sie sah, wie unmenschlich die Realisierung solchen Vorhabens in Wirklichkeit war. Unter den gegebenen Umständen natürlich blieb die Mahnung Vojta Benešs ohne jede Wirkung. Wahrscheinlich erfuhr die tschechische Öffentlichkeit über seine Rede gar nichts, da man über das furchtbare Antlitz der Vertreibung in den Medien nicht schreiben sollte, meistens gar nicht mal durfte.

XI. Beneš als Pate
Vielleicht ist es bekannt, daß die Dekrete, die die Vertreibung eingeleitet hatten, von langer Hand, noch im Exil sorgfältig und fast wortwörtlich vorbereitet wurden. Traurig grotesk liest sich der Bericht, nach dem der sogenannte Exil-Staatsrat und die Exilregierung über einzelne Dekrete gestritten, bis sie sie schließlich verabschiedet hatten. Mit welchem Recht? Der „Staatsrat“ in London plus die „Regierung“ waren etwa 40 Einzelpersonen, von Beneš selbst sortiert und „ernannt“, für jede Saison neu. Diese Personen waren zwar meistens ehemalige Politiker, doch zur gegebenen Zeit besaßen sie gar keine demokratischen Befugnisse. Beneš allein erteilte jeweils einigen von ihnen die Aufgabe, ein gewisses Dekret „vorzubereiten“. Sonst hätten sich die mäßig bezahlten Exil-Minister und -Räte schwer gelangweilt. Auch vom Ursprung her ist es also gerechtfertigt, die berüchtigten Dokumente „Beneš-Dekrete“ zu nennen. Er war der geistiger Vater, der Pate.

XII. Teufelspakt mit der KP
Wie war Beneš dazu gekommen, mit den Kommunisten plötzlich mitzuarbeiten, obwohl er sie eigentlich fürchtete? Die Hauptgründe waren zwei. Es wurde berichtet, daß Klement Gottwald, Chef der tschechoslowakischen Exil-Kommunisten in Moskau, Beneš damit erpreßt hätte, seine Partei würde im befreiten Staat öffentliche Anklage gegen Beneš erheben, da er im September 1938 über die gewaltlose Annahme des Münchner Abkommens entschied, ohne das Parlament zu fragen. Die Kommunisten verstanden es als Verfassungsbruch, und das war wahrscheinlich. Sollte Beneš die Kommunisten an der Staatsmacht beteiligen, würden sie still halten. Also nahm er sie zuerst in die Exilrepräsentanz und schließlich in die richtige Staats-Regierung mit. Zweitens versprachen ihm die Kommunisten im Jahre 1943 bereits, nach einigem Zögern zwar, sie würden ihn bei der Vertreibung der Deutschen unterstützen. Das waren also die zwei Grundsteine für den Teufelspakt, der im März 1945 in Moskau besiegelt wurde. Die erste Stufe zur tschechoslowakischen Totalität war geboren, als Komplott zweier Diktaturen, einer nationalistischen und einer kommunistischen.

XIII. Ausländer in der eigenen Heimat
Außer der Enteignungs- und Vergeltungs-Dekreten war eines besonders wichtig, nämlich jenes, das die Deutschen in der Tschechoslowakei der Staatsbürgerschaft beraubt hatte. Das war nicht nur Vorbereitung zur Vertreibung, es war eine wichtige Maßnahme vor den Wahlen, die irgendwann kommen mußten. Zwar hatten die meisten Deutschen die Wahlen 1946 nicht mehr in der Heimat erlebt, doch konnte man es im Voraus nicht so genau wissen. Ein Ausländer darf nicht zu Wahlurnen gehen. Also wurden alle Deutschen und Ungarn am 2. August 1945 per Dekret zu Ausländern gemacht. Damit war jede Gefahr ihrer freien Meinungsäußerung gebannt. Weniger bekannt ist, daß auch viele unbequeme Tschechen und Slowaken vom Wahlrecht ausgeschlossen blieben. Aufgrund eines besonderen Dekrets gegen angebliche Kollaborateure mit der nazistischen Okkupationsmacht durfte im Mai 1946 niemand wählen, gegen den ein Verfahren wegen Kollaboration anhängig war. Das betraf mehrere Zehntausende Bürger. Daß viele von ihnen nur verleumdet wurden, oft mit Absicht, und später Freispruch erhielten, interessierte dann niemanden mehr.

XIV. Jan Masaryks Brief
Die Vertreibung der Deutschen aus der CSR wurde mit großer Brutalität durchgeführt – schon dadurch, daß eigentlich niemand vor der Kriegsfront fliehen mußte. Die allermeisten wurden wortwörtlich von ihrem Küchentisch, aus dem Bett, vom Arbeitsplatz geholt und völlig unverantwortlich größter Not ausgesetzt. Frauen, Kinder, ältere bis sehr alte Menschen, Blinde, Verwundete, Kranke, ohne Unterschied. Erschüttert war ich beim Lesen eines Briefs, den im Sommer 1945 der CS-Außenminister Jan Masaryk, Sohn des angeblichen, hochgerühmten Humanisten Thomas Masaryk, an den amerikanischen Botschafter in Prag richtete. Dort werden die zu abschiebenden Deutschen aufgelistet in Zahlen, Zehntausenden und Hunderttausenden, je nach Geschlecht und Alterskategorien. Die erschütternde Tabelle zeigt, daß der Humanisten-Sohn und selbst als Humanist geltende Masaryk Junior haargenau wußte, wie viele Kinder, Jugendliche, Frauen, und wie viele alte Menschen von ihrem Küchentisch, Bett und Arbeitsplatz weggerissen werden sollten. Im erwähnten Abkommen der UNO zur Vermeidung des Genozids würden wir mehrere Artikel finden, die auf diese unmenschliche Vorgehensweise angewandt werden könnten.

XV. Wilde Geheimbefehle
In den Monaten vor der Potsdamer Konferenz hat die CS-Regierung mit Hilfe von Banditen in den Revolutionsgarden, aber auch mit Hilfe von Armee und Polizei in allen Teilen Böhmens, Mährens und Schlesiens Pogrome gegen Deutsche inszeniert und in vielen Fällen die Zivilbevölkerung über die Grenze gejagt, teilweise auch ihre Verschleppung in die Sowjetunion zugelassen. Es ist nicht wahr, daß die Vertreibung aus der CS erst nach der – ziemlich vagen – Entscheidung der drei Alliierten bei der Konferenz von Potsdam erfolgte, wie die tschechische Regierung bis heute fälschlich behauptet. Geheime CS-Unterlagen sprechen über mehrere Hunderttausende „Abgeschobene“ bereits in den Monaten Mai, Juni und Juli 1945, also vor der Konferenz. Die Zahlen sind vielleicht nicht ganz zuverlässig. Hin und wieder haben sowjetische, polnische und sonstige Grenzposten die Vertriebenen abgelehnt und sie, verarmt und erschöpft, wieder in die CSR zurückgeschickt. Diese Leute kommen in den amtlichen Statistiken gar nicht mehr vor. Unzweifelhaft ist jedoch, daß die Vertreibung längst im Laufe war, als die Alliierten darüber verhandelten. Die Tschechen selbst nennen jene erste Phase die „wilde“ Vertreibung mit dem Versuch, die Ereignisse der ersten Monate auf das „Volk“ und seinen „Zorn“ abzuwälzen. Wahr ist jedoch, daß seit den ersten Maitagen 1945 die Vertreibung Inhalt von vielen Geheimbefehlen der CS-Armee wurde, und stets mit direkter oder indirekter Zustimmung der höchsten politischen Stellen geschah, mit Edvard Beneš an der Spitze. Wöchentlich ließ er sich über den Verlauf der Vertreibungen offiziell informieren.

XVI. Rasch, rasch raus
Besonders interessant ist, auf welche Weise die CS-Regierung die Öffentlichkeit über die Beschlüsse von Potsdam in Kenntnis gesetzt hatte. Die offizielle Interpretation hieß, die Alliierten hätten den „Transfer“ angeordnet. Mit keinem Wort wurde erwähnt, daß die Alliierten die Vertreibung eigentlich gestoppt hatten, mit dem Hinweis, die CSR muß weitere Hinweise der Alliierten Kontrollräte Deutschlands und Österreichs abwarten. Die Besatzungsmächte wollten Chaos und Not in ihren Zonen verhindern. Deshalb sollte die Aussiedlung, wie man es nannte, langsamer und vielleicht auch „humaner und geordneter“ angegangen werden. Die tschechischen Organe ließen sich dadurch gar nicht beeindrucken. Sie versuchten auch weiterhin Menschen über die Grenze zu jagen. Wenn das nicht klappte, brachten sie einen Großteil der deutschen Bevölkerung aus ihren Häusern und Wohnungen und steckten sie in die fürchterlichen Arbeits- und Internierungslager. Tiefste Verelendung und harte Zwangsarbeit war das häufigste Schicksal der Deutschen in den Monaten nach der Potsdamer Konferenz, den ganzen Herbst und Winter 1945 über bis ins Frühjahr 1946, als die Alliierten, mit Rücksicht auf das bittere Los der Ausgesiedelten, die Massentransporte nach Deutschland und Österreich bewilligt hatten. CS-Politiker, Generäle und andere Verantwortliche hatten die ganze Zeit über nur mit Zahlen gepokert – als ginge es nicht um menschliche Wesen. Ihnen ging es darum, die Vertreibung rasch, massenhaft und unumkehrbar zu realisieren. Gewissermaßen zu Recht hatten sie befürchtet, daß eine langsame Aktion allmählich zum Stillstand kommen würde, nachdem die Welt sich aus den Greueln des Weltkriegs erholt und gemerkt hat, was für Unmenschlichkeiten da im Gange waren. Also wurde die Vertreibung von 3 Millionen deutscher Zivileinwohner der CSR innerhalb von etwa 6 bis 7 Monaten des Jahres 1946 durchgeführt, so daß sie im Herbst 1946 für im Prinzip abgeschlossen erklärt werden konnte. Der tschechische evangelische Theologe und Retter von Hunderten von Kindern, jüdischen, tschechischen und deutschen, Przemysl Pitter, hat die Vertreibung als wahrscheinlich die größte Sünde und Schuld in der tschechischen Geschichte bezeichnet.

XVII. 80mal Pinochet
Etwas merkwürdig scheint mir ein bis heute geführte Streit über die Zahl der Opfer der Vertreibung, nachdem mehrere neutrale Quellen, das Deutsche Rote Kreuz wie auch der Bundesdeutsche Suchdienst, auf mehr als 250.000 Tote kommen. Leider scheint mir die Angabe sehr wahrscheinlich, nachdem ich Berichte über die Pogrome von Außig, von Brünn, von Landskron, im dem Todesmarsch von Brünn oder in mehr als 1.000 Internierungs- und Arbeitslagern gelesen, gehört und verglichen habe. Unverständlich ist, wie heute noch gewisse Historiker, deutsche wie tschechische, die Opferzahlen herunterzudrücken versuchen, als könnten sie irgend jemandem nachträglich dadurch das Leben zurück geben. Oder möchten sie die Reputation irgend einer politischen, nationalen oder Interessengruppe retten? Das ungeheuerliche Ausmaß und die verbrecherische Art der Vertreibung aus der CSR kann an einem einzigen Beispiel beleuchtet werden. Allein der Todesmarsch von Brünn über die österreichische Grenze bis Wien hat mehr Menschenleben vernichtet als die Pinochet-Diktatur in Chile in ihren 12 Jahren. Für seine 3.000 Opfer wird General Pinochet durch die halbe Welt moralisch zutiefst verurteilt. Beneš und seine nationalistisch-kommunistische Clique sind für ihre etwa achtzigfache Opferzahl bis heute nicht mal richtig gerügt worden. Wie ist das möglich?

XVIII. Westalliierten-Zensur
Der deutsche Forscher Heinz Nawratil erinnert in seinem Schwarzbuch an etwas, was bei vielen Menschen in Vergessenheit geriet. Er belegt, daß auch die Westalliierten Berichte über Grausamkeiten, die in der Nachkriegszeit an Deutschen verübt wurden, systematisch unterdrückt und zensiert hatten. In einem großen Bogen kommen wir an den amerikanischen Menschenrechtler Alfred de Zayas zurück. Er meint, die Westalliierten waren an den Vertreibungen insofern mitschuldig, als sie das Prinzip der „Aussiedlung“ nicht sofort verworfen hätten. Es fing mit Polen an, wo Churchill selbst, als auch der amerikanische Präsident Roosevelt, die Verschiebungen der Grenzen samt der Bevölkerung unterstützt hatten, ohne in Betracht zu ziehen, welche Greuel sie damit gutheißen würden. Als man das vielleicht merkte, war Roosevelt bereits tot, Churchill aus dem Amt, und Stalin auf hohem Roß. Und Verbrecher wie Beneš und seine Kumpane waren nicht mehr zu bremsen. Wer A sagt, muß auch B sagen. Offensichtlich aus dem Grund hatten dann die Besatzungsmächte auch in Deutschland und Österreich die meisten Proteste gegen die Unmenschlichkeit der Vertreibung unterdrückt. Man muß sich fragen, ob auch das heutige Zögern, auch in deutschen Medien, aber auch in der Kunst und Literatur, die Vertreibungen offen zu behandeln und zu verurteilen, nicht seine Wurzeln weit zurück hat, in der Alliierten-Nachkriegs-Zensur. Dabei geht es um eines der größten Massenverbrechen des gerade vergangenen Jahrhunderts.

XIX. Epidemie des Guten?
Auf dem Beispiel der Tschechoslowakei versuchte ich, das Böse zu schildern, das so ansteckend zu sein schien – doch sich als staatlich und amtlich programmatisch forciertes Übel entpuppt hat. Meines Erachtens sind wir heute ein paar Schritte weiter, indem auch in Tschechien sich demokratischere Sitten allmählich durchsetzen, immer mehr Menschen über das Böse schreiben, und einige Historiker wichtige Unterlagen in den Archiven entdeckt haben, die eine „staatliche Geheimsache Vertreibung“ bestätigen und in vielen Einzelheiten enthüllen. Wir haben gesehen, wo das Böse ansteckend wirkt: in solchen Gesellschaften, die auf Unrecht aufgebaut sind, auf Unterdrückung öffentlicher Meinung, auf Verachtung der Humanität. Ich bin überzeugt, daß auch gute Sitten ansteckend wirken können. Für eine Epidemie des Guten brauchen wir allerdings die Freiheit des Wortes, gesicherte Rechtsverhältnisse und die Entschlossenheit, Wahrheit zu suchen. Um all dies zu unterstützen, schrieb ich mein Buch über Edvard Beneš, den Liquidator.

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Eine Leseprobe, die letzten Zeilen des überaus lesenswerten Buches:

František Moravec war Chef des Nachrichtendienstes der Londoner „Exilregierung“ gewesen, nach der Rückkehr nach Prag durch Beneš und seine kommunistischen Helfer kaltgestellt.

Tränen der Wut standen ihm in den Augen. František malte sich aus, was passieren würde, wenn er jetzt eine reale Chance hätte, all das öffentlich bekannt zu machen: Den Mitbürgern mitzuteilen, wie Beneš sie, uns alle, für seine blutige Intrige geopfert hat. Beneš hat die Tschechen belogen, verführt, ihnen durch seinen Haß die Köpfe verdreht, sie mit der Idee angesteckt, daß andere Völker Europas, Amerikas oder der Sowjetunion für das Schicksal der Tschechen verantwortlich wären, daß immer die anderen für die Tschechen die heißen Kastanien aus dem Feuer ziehen müßten. So belehrte Beneš das Volk nach seiner Kapitulation von München. Die Moral des erniedrigten tschechischen Volkes war auf Null gesunken. Und jetzt stand sie bei vielen unter Null.
František war entsetzt und verzweifelt. Er stellte sich vor, wenn jetzt alle wüßten, was nur ihm bekannt war, dann würden wahrscheinlich die Tschechen ihren Haß umkehren. So wie sie jetzt aufgebracht sind, würden sie nicht mehr die Deutschen, sondern ihren gerühmten Beneš wie einen bösen Geist in Stücke reißen!

Was niemand wußte, Beneš hatte nur noch drei Jahre zu leben. In der Zeit, die ihm verblieb, gab es für ihn viel zu erledigen: Knapp drei Millionen deutsche Bewohner waren aus der Tschechoslowakei zu hetzen und zu jagen. Abertausende schufteten für lange Monate, oft Jahre, als Zwangsarbeiter in tschechischen Lagern. Viele kamen um, wurden ermordet, nahmen sich das Leben, ehe die übrigen in überfüllten Zügen, beraubt und menschenunwürdig über die Grenze transportiert wurden.
Leere Landschaften erzählen – oder schweigen – bis heute über ihre vertriebenen Kinder.
Mit diesen und anderen Untaten, mit seinen Aufrufen zur ‚nationalen und sozialen Revolution‘, hat Edvard Beneš die Demokratie, die Rechtstaatlichkeit, die gesamte Wirtschaft, ja selbst den Staat, den er einst mitbegründet hatte, die menschliche Dimension darin, vernichtet. Wie er selbst es nannte: liquidiert.
Er starb im Jahre 1948, einige Monate nach dem kommunistischen Putsch, dem er zuvor alle Wege geebnet hatte.

ML 2006-08-04