Pfingsten 2004 in Nürnberg
Menschenrechte achten – Vertreibung ächten

Sudetendeutscher Tag 2004

Ein verlängertes Wochenende in Deutschland und ein Ferienausflug in die Oberpfalz. Vorbei an der Region Nürnberg, ich staune nicht schlecht: Alle elektronischen Anzeigetafeln auf der Autobahn weisen ausdrücklich auf den Sudetendeutschen Tag hin, den richtigen Weg zum Messegelände; am Messegelände selbst Hunderte von Pkws, Tausende von Besuchern.

Ich erlebe den Sudetendeutschen Tag zum ersten Mal und auch nur teilweise.
Sonntag, wir kommen gerade zum Ende des Pontifikalamts.
Gäste aus In- und Ausland, der Erzbischof von Königgrätz, der Exarch von Prag sind ebenfalls als Gäste geladen. Wie haben sie gesprochen, die beiden aus der Tschechischen Republik, frage ich eine alte Dame. Gut sagt sie, alle in sehr gutem Deutsch – und die wissen was sie sagen, sie waren ja selbst verfolgt unter den Kommunisten.

Die Frankenhalle ist überfüllt. Der festliche Einzug beginnt, alle der ehemaligen sudetendeutschen Regionen sind vertreten. In alle Welt hat es sie verschlagen, die ehemals tschechoslowakischen Deutschen; die Abordnungen kommen bis aus den USA, aus Australien, aus den Niederlanden.
Ganz zum Schluß eine große Menschenmenge, inmitten der Ministerpräsident des Freistaats Bayern, Dr. Edmund Stoiber mit seiner Frau.

Als erster tritt Bernd Posselt auf. Er ist ein begabter Redner, spricht fließend und bildhaft, er langweilt nie und verliert nie den Überblick. Er redet staatsmännisch und ausgewogen. Er knüpft an die Ansprachen des Klerus an und spricht über die Wunden Christi. Eine Versöhnung heißt, zitiert er, wir können uns gegenseitig unsere Wunden offenbaren. Eine Versöhnung heißt, über die geschlagenen Wunden offen miteinander reden zu können. Über die Wunden des 20. Jahrhunderts, die Kriege, die totalitären Systeme – und auch über die Vertreibung.
Und über die Beneš-Dekrete.

Der nächste Redner ist Johann Böhm, Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe, ehemaliger Präsident des Bayrischen Landtags.
Die Vertreibung der Deutschen ist nicht das Ergebnis der Potsdamer Konferenz, wie die offizielle Stellungnahme der Repräsentanten der tschechischen Politik lautet, die die Tatsache komplett verschleiert, daß die wesentlichen Akte der Vertreibung bereits zum Zeitpunkt des Beginns der Potsdamer Konferenz vollendet waren. Und auch die Tatsache, daß die Alliierten nur noch die Tatsachen zur Kenntnis nehmen und die Rahmenbedingungen vielleicht noch anzupassen versuchen konnten.
Aber auch sonst, so Johann Böhm, war die Vertreibung der Deutschen ein lange zuvor beabsichtigtes Vorhaben. Bereits 1848 anläßlich des Panslawistischen Kongresses war eine Teilung Europas mittels einer von Triest aus nördlich laufenden Grenzziehung zwischen Deutschen und Slawen offen angedacht worden.

Brausender Beifall begrüßt den bayrischen Landesherrn. Er bekräftigt die Schirmherrschaft des Freistaates Bayern über die Organisation der Sudetendeutschen. Sie währt heute genau 50 Jahre, und diese Schirmherrschaft wird, durch eine Urkunde bestätigt, auch weiterhin aufrechterhalten. Dr. Stoiber spricht, wie auch die Vorredner, über die Beneš-Dekrete. Edvard Beneš, eine Persönlichkeit, die in die europäische Historie als Organisator ethnischer Säuberung eingegangen ist, wurde noch vor dem Beitritt der Tschechischen Republik in die EU durch ein eigenes Gesetz in der Tschechischen Republik geehrt. Das Signal, das diese Entscheidung in die Welt sendet, ist eindeutig. Wie sollen wir, fragt der Ministerpräsident, im gemeinsamen Europa gegen ethnische Säuberungen in anderen Kontinenten vorgehen, gegen ethnische Säuberungen in Afrika oder Asien, wenn wir selbst in unserer Legislative heute noch Gesetze des vergangen Jahrhunderts mitschleppen, die das ethnisch bedingte Morden und Räubern legalisieren? Die im Nachhinein Mörder und Diebe begnadigen?
Wie wollen wir argumentieren und wie wollen wir die grundsätzlichen Menschenrechte gegenüber Dritten verteidigen?

Ich bin der Ansicht, sagt der Ministerpräsident, daß durch den Beitritt der Tschechischen Republik in die EU die Diskussion um die Beneš-Dekrete nicht abgeschlossen ist, sondern gerade erst beginnt. Die Parlamentarier der Tschechischen Republik werden sich im europäischen Parlament auf unangenehme Fragen einstellen müssen.

Auch über die Pläne zum Zentrum gegen Vertreibungen spricht Dr. Stoiber. Sein besonderer Dank gilt Frau Steinbach, die sich engagiert dafür einsetzt und hierfür unglaublichen Verleumdungen und üblen Angriffen, auch seitens hoher politischer Repräsentanten mancher Staaten ausgesetzt war.

Ich fasse meine Eindrücke zusammen.
Fast eine Demonstration ist diese Veranstaltung, eine Demonstration für die grundsätzlichen Menschenrechte, für Friede und friedliches menschliches Zusammenleben.

Ich habe nichts gehört, über das nicht zu diskutieren wäre.

Hanna.

Für unsere verehrten Tschechischen Gäste auch in Ihrer Sprache: