Vieles hat uns die Mutter Natur gegeben,
was uns nötig zum rechten Leben.
Könnten wir alles ganz verstehn,
wie würd es uns gut auf der Erde gehn!
Wer meint, er verstände
auch nur die Hände?

Zwei sinds, ganz gleich und doch ganz entgegen,
zwei, die sich immer und immer regen,
miteinander
und gegeneinander
und in- und aus- und um-einander.
Und denk: Bei aller Tätigkeit
haben sie nie miteinander Streit!

Was all sie können,
ist kaum zu nennen.
Durch ihre Kunst ist alles gebaut,
was an Menschenwerken die Erde schaut:
die Häuser, die Brücken, Schiffe und Wagen,
Türme, die in den Himmel ragen,
und deine Kleider und deine Schuh‘
und Trommeln, Geigen, Flöten dazu!
Was man nur Künstlichs und Zierlichs weiß,
das ist gewirkt durch ihren Fleiß.

Wie gut, daß uns die Hände gegeben!
Was wäre ohne Hände das Leben?
Da könnten wir sehen und hören und schmecken,
riechen und lecken
mit Augen, Zunge, Nase und Ohren
und wären doch halb umsonst geboren;
denn die Hälfte von altem Erdenwandeln
ist doch das Handeln!
Und Hand-eln kommt, ists dir bekannt?
von "Hand"!

Nun schau sie an
und lerne dran!
Fünf Geschwister, welche wir kennen,
wollen wir nennen:
Der Starke, der Kluge, der lange Recke,
der brave Stille, der kleine Kecke.

Der Starke steht mit Lust allein,
die andern wollen beisammen sein,
und munter, sich zu regen,
halten sie ihm entgegen.
Der Starke und die großen Zwei,
die fassen fest, was es auch sei,
und führen, das weiß jeder,
geschickt und fein die Feder.
Der Kluge zeigt, ein Lehrer stumm,
flugs in der ganzen Welt herum
auf dies und das und das und dies:
"Da horch! — Da sieh! — Da nimm! — Da lies!"
Der lange Dritte steht in der Mitte.
Der Vierte, der ist ungeschickt,
wenn der Lange sich bückt, er auch mitnickt,
doch sind ihm auch die Liebsten hold,
stecken ihm an ein Ringlein gold.
Der Kleine aber in muntrer Ruh
macht keck sein Kompliment dazu.

Nun alle weg
und zusammengebaut auf einen Fleck!
Was du nun schaust
das ist – die Faust,
hart, trotzig und fest.
Wo du die fallen läßt,
wenn in Kampf und Streit
gibts Beulen
zum Heulen,
und das ist recht!
Lieber verbeult,
als feig und knecht!

Aber nun laß dich erweichen,
sie wieder glatt zu streichen,
und leg nun die strammen
sorgsam zusammen,
so kannst du dich innen
in Ruh besinnen,
sprichst dein Gebet,
wenn am Abend die Sonne niedergeht,
und dankst der Kraft, die alles gemacht,
daß sie auch an deine Hände gedacht!

Dieses Gedicht ist auf die einfachste Weise entstanden. Eine Kindergärtnerin fragte bei mir an, ob ich nicht ein "Fingerspiel" habe, so etwas wie "Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen". Ich überlegte nun, was sich zu den Händen sagen ließe, und daraus entstand dies Gedicht, das man im eigentlichsten Sinne eine Meditation nennen kann, eine allseitige, einfühlende Betrachtung einer Erscheinung oder Kraft. Das Gedicht ist mein bekanntestes geworden.
Ein Freund, der pommersche Dichter Walter Köster, hat es auch ins Plattdeutsche übertragen.

Dr. Heinz Ritter-Schaumburg, Rinteln.