Die folgenden Texte sollen und müssen noch aufgearbeitet werden:
Prüfung auf Tippfehler, Quellenangaben und Kommentierungen. ML 2001-05-13

Ein ungarischer Halbjude, Sandor Kovac, der bis kurz vor Kriegsschluß im deutschen KZ war und bei seinem Heimmarsch nach Budapest durch Prag kam, gab zu Protokoll:
„Im hitlerischen KZ sah ich Sachen, die ich nie für möglich gehalten hätte, daß sie von Menschen anderen Menschen angetan würden. Als ich aber im Mai 1945 auf dem Rückmarsch in meine Heimat in Prag von dem Ausbruch des tschechischen Wahnsinns überrascht wurde, erlebte ich ein Inferno menschlicher Armseligkeit und moralischer Tiefe, gegen das meine KZ-Zeit fast eine Erholung gewesen war. Dabei mußte ich einwandfrei feststellen, daß sich die gesamte Bevölkerung an diesen Verbrechen beteiligte, nicht nur der übliche Mob.“
Nachtrag der Quelle 2002-08-29
Das andere LIDICE – Tragödie der Sudetendeutschen“.
Autor Erich Kern.
Verlag  WELSERMÜHL, Wels, Österreich, 1950.

 

Gästebuch SL: 1001 (1015) Date: 2001-05-05/19:46
Kischka

Ergänzung zum vorigen Eintrag: Werte Frau XXXX, dieses Protokol einer eidesstattlichen Erklärung des Herrn Sandor Kovac ist unvollständig. Die Fortsetzung der Aussage lautet:
„...Frauen und Kinder wurden bei lebendigem Leib mit Petroleum übergossen und angezündet, Männer unter unvorstellbaren Qualen ermordet. Ich sah hochelegante junge Tschechinen, die vielleicht noch vor kurzem mit den deutschen Offizieren geflirtet hatten, und die nun mit Revolver und Hundepeitschen durch die Straßen liefen und Menschen quälten und mordeten, ich sah offensichtlich höhere tschechische Beamte gemeinsam mit tschechischem Straßenmob johlend Frauen vergewaltigen und qualvoll umbringen. Ich fürchtete mich, und ich fürchte mich vor einer deutschen Wiedererwachung. Denn was an Deutschen geschah ist unbeschreiblich!“
Soweit die ganze Aussage. Es gibt aber auch einen anderen Bericht meines Vetters, der 1986 unsere Heimatstadt Olmütz besucht hat. Als er durch die toten, verkommenen Straßen ging, sprach ihn eine alte Tschechin an und fragte ob er Deutscher sei. Als er sagte, das war meine Heimat, begann sie zu weinen und sagte schluchzend, sie schäme sich so für ihr Volk und kann diese Zeit nicht vergessen! Sie wünschte meinem Vetter von Herzen alles Gute.
Ich selbst kann diese blutgetränkten Straßen nie wieder betreten.

Karl Schöner:
„Ich hatte in Prag, Obstgasse 9, eine Praxis als Dentist. Am 6. Mai gegen Abend 6 Uhr wurde ich vom Haustelephon angerufen, ich solle mit erhobenen Händen hinunterkommen, und als ich dies ablehnte, kamen ungefähr 14 Partisanen, bis an die Zähne bewaffnet, zu mir in die Wohnung, durchsuchten dieselbe nach Waffen und verhafteten mich und meine Frau Charlotte, sowie einen Kameraden namens Hans Kramer aus Breslau.
Wir wurden ins Polizeipräsidium gebracht und am späten Abend ins Gefängnis am Karlsplatz, wo ich von meiner Frau getrennt wurde. Wir hatten nur das, was wir am Leibe trugen. Von meiner Frau erfuhr ich später, nach ungefähr 3 Monaten, daß sie nach Theresienstadt gebracht worden sei. Zwei Tage später wurden wir zu 20 Mann in einer Zelle im Ausmaße von zirka 4 x 2½ m untergebracht, ohne Decken und Strohsack. 10 Mann, welche zu uns kamen, waren auffallend stark – bis zur Unkenntlichkeit – zerschlagen und besonders an den Füßen zertreten!
Dort blieb ich bis 24. Mai. In dieser Zeit mußten wir Barrikaden aufräumen und Pflasterarbeiten verrichten; zu der Arbeitsstätte mußten wir mit bloßem Oberkörper gehen, wobei wir vom Pöbel und auch gut angezogenen Leuten beschimpft, auch bespuckt und geschlagen wurden. Innerhalb kurzer Zeit waren wir vollkommen verlaust und hatten die ersten 10 Tage kein Wasser zum Waschen. Medikamente und ärztliche Hilfe für die Kranken und Verwundeten gab es nicht. Das Essen bestand aus zweimal schwarzem Kaffee und einmal Suppe, einem Stück Brot. Oft blieb das Essen ganz aus. 20 Mann hatten 10 Eßschalen und zwei Löffel.
In der Zeit vom 8. bis 13. Mai war fast ununterbrochen das Schreien der Mißhandelten zu hören, das Brüllen der Wärter und das Betteln der jungen Menschen, wobei besonders arg die 15- und 16-jährigen Burschen, welche im HJ-Lager bei Prag untergebracht waren, geschlagen wurden. Ein höherer tschechischer Polizeioffizier, der Antikommunist war, mußte die Blutlachen aufwischen und dann das Blut trinken. Die Namen der mit mir Inhaftierten sind mir bekannt. Darunter waren 3 Rechtsanwälte, ein Amtsgerichtsdirektor, ein deutscher General a. D., und so fort.
Ein tschechischer Dekorateur namens Marek aus Prag VII, der besonders schwer mißhandelt war, erzählte mir, daß dann bei den Plünderungen der deutschen Wohnungen auch Frauen und Kinder bei den Fenstern hinausgeworfen wurden und, weil er sich einer Frau mit kleinen Kindern schützend angenommen hatte, sei er so mißhandelt und eingesperrt worden.
Ein Kamerad erzählte mir, daß er mit seiner Frau zehn Tage lang in einem Kino gefangen war. Jeden Abend zwischen 10 und 3 Uhr holten sich die Russen die deutschen Frauen und Mädchen. Einmal mußte er mit den anderen Mitgefangenen 47 Leichen deutscher Frauen, die verstümmelt waren, eingraben.
Ich sprach den Tschechen Klecanda, welcher als antikommunistischer Tscheche optimistisch war, und uns aufmunterte, auszuhalten. Er machte einen absolut gesunden Eindruck und dachte nicht an Selbstmord. Später las ich in der Zeitung, daß Klecanda im Gefängnis gestorben sei.
Mir gelang es später zu fliehen und die amerikanische Besatzungszone zu erreichen. Bei der Flucht traf ich einen Bekannten – Mitglied der deutschen Philharmonie in Prag –, der gesehen hatte, daß man deutsche Frauen, als sie von der schweren Arbeit auf der Straße erschöpft zusammenbrachen, durch die Aufseher nackt auszog und zum Gespött der tschechischen Jugend auf die Bänke legte. Andere mußten sich in einer Reihe aufstellen und jüngere Leute spuckten ihnen in den Mund und man zwang sie, zu schlucken. Ein Universitätsprofessor, Dr. Michl, wurde ohnmächtig geschlagen und blieb blutüberströmt liegen.
Eine Cousine von mir, deren Name mir zur Verfügung steht, erzählt aus Brüx, daß der dortige Dechant und der Kaplan der katholischen Kirche an die Kirchenbänke gebunden und ohnmächtig geschlagen wurden. Der alte Dechant arbeitet jetzt als Bergarbeiter im Schacht.
Eine bekannte Dame aus Prag schreibt mir (der Brief liegt vor), daß von vielen deutschen Ärzten in Prag, die man im Repräsentantenhaus gefangen hielt, die meisten erschlagen wurden, u. a. Universitätsprofessor Doktor Kraus, Universitätsprofessor Dr. Albrecht, Universitätsprofessor Dr. Greipl und Universitätsprofessor Dr. Watzka, ferner die Ärzte Dozent Dr. Weinzierl, Dr. Tichy und Dr. Spanel. Dies ist nur ein Teil der in Erinnerung liegenden Namen.“

Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald