Quelle: Bernatzik, Edmund: Die österreichischen Verfassungsgesetze mit Erläuterungen. 2. Auflage. Wien 1911.
Zitiert nach Horst Glassl „Nationale Autonomie im Vielvölkerstaat, Der Mährische Ausgleich“, München 1977

Auszug aus dem Mährischen Landesgesetz vom 27. November 1905, Landesgesetzblatt Nr. 4 von 1906 über die nationale Trennung der Schulaufsichtsbehörden.

Abteilung I.
§ 8.
In Gemeinden, in denen sich sowohl böhmische als auch deutsche Schulen befinden, ohne daß eine örtliche Abgrenzung von Schulsprengeln möglich wäre, ist sowohl für die böhmischen als auch für die deutschen Schulen ein eigener Ortsschulrat nach den voranstehenden Vorschriften zu bestellen.
Für die jedem dieser Ortsschulräte unterstehenden Schulen wird je ein eigenes Ortsschulgebiet gebildet.
Die Vertreter der Gemeinde für die beiden Ortsschulräte müssen den Angehörigen jener Nationalität entnommen werden, für welche die Schule, die der Ortsschulrat vertritt, bestimmt ist. Die sachlichen Erfordernisse für beide Ortsschulgebiete hat die Schulgemeinde zu tragen.

§ 19. Das dem Bezirksschulrate unterstehende Schulgebiet ist der Schulbezirk. Derselbe umfaßt in der Regel alle Schulgemeinden, deren Schulen innerhalb desselben politischen Bezirkes gelegen sind. Wo jedoch die zum politischen Bezirke gehörigen Schulgemeinden der Unterrichtssprache nach verschieden sind, werden aus denselben entweder zwei Schulbezirke gebildet, von denen der eine sämtliche böhmische und utraquistische, der andere sämtliche deutsche Schulgemeinden umfaßt, oder es werden, falls die Zahl der Schulgemeinden der einen Sprache zur Bildung eines Schulbezirkes zu gering ist, diese Schulgemeinden, beziehungsweise Ortsschulgebiete (§ 8) dem nächsten gleichsprachigen Schulbezirke zugewiesen.

Die Beiträge der Gemeinden zur Schulbezirkskasse im Sinne des § 47 des Gesetzes vom 24. Jänner 1870, LGBl. Nr. 17, in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 1883, LGBl. Nr. 77, respektive gemäß Artikel 1, Gesetz vom 5. Juli 1899, LGBl. Nr. 57, werden durch diese Maßnahmen nicht berührt.

Für die Stadt Brünn ist ein deutscher und ein böhmischer Bezirksschulrat zu bilden, weichem die deutschen beziehungsweise böhmischen in der Stadt Brünn befindlichen Schulen zugewiesen werden.

In den anderen Städten mit eigenem Gemeindestatut ist der zweite Absatz dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden und kann solchenfalls auch die Zuweisung von Schulen zu einem gleichsprachigen Landschulbezirke stattfinden.

Die Bildung der Schulbezirke im Sinne dieser Bestimmungen, insbesondere auch unter Einschluß der mährischen Enklaven in Schlesien, hat im Verordnungswege zu erfolgen, wobei auf die besonderen Verhältnisse der Enklaven Rücksicht zu nehmen ist.

§ 20. Der Bezirksschulrat besteht:
a) aus dem Vorsteher der politischen Bezirksbehörde als Vorsitzenden; der Stellvertreter des Vorsitzenden wird vom Bezirksschulrate aus seiner Mitte mit Stimmenmehrheit gewählt.
b) aus je einem Vertreter jener Glaubensgenossenschaften, deren Seelenzahl im Bezirke mehr als 500 beträgt, wenn wenigstens an einer Schule des Schulbezirkes der Religionsunterricht der betreffenden Konfession erteilt wird ...
c) aus zwei Fachmännern im Lehramte, weiche von der Lehrerversammlung des Schulbezirkes der böhmischen beziehungsweise deutschen Schulgemeinden (Ortsschulgebiete) gewählt werden, und zwar ist einer davon dem Kreise der Bürgerschullehrer, der zweite jenem der Volksschullehrer zu entnehmen.
Befindet sich im Schulbezirke keine gleichsprachige Bürgerschule, werden beide Fachmänner von der Lehrerversammlung aus dem Kreise der Volksschullehrer gewählt.
Falls sich im Schulbezirke eine gleichsprachige Lehrerbildungsanstalt befindet, tritt der Direktor derselben, in Ermanglung einer solchen der der gleichsprachigen Mittelschule des Schulbezirkes als dritter Fachmann im Lehramte in den Bezirksschulrat ein.
Besitzt der Schulbezirk mehrere höhere Schulen solcher Art und gleicher Unterrichtssprache, so entscheidet der Landesschulrat, welcher der Direktoren in den Bezirksschulrat einzutreten habe. Befindet sich im Schulbezirke keine Lehrerbildungsanstalt und keine Mittelschule gleicher Unterrichtssprache, entfällt der dritte Fachmann.
d) aus vier Mitgliedern als Vertretern der Schulgemeinden des Bezirkes, welche von dem Landesausschusse aus den ihm von den Landesausschußbeisitzern der betreffenden Nationalität in dreifacher Zahl vorgeschlagenen Personen zu ernennen sind.
Vorzuschlagen sind nur solche Personen, welche fähig sind, in die Gemeindevertretung einer im Schulbezirke befindlichen Gemeinde gewählt zu werden.

Der Verlust der Wählbarkeit in die Gemeindevertretung hat das Ausscheiden aus dem Bezirksschulrate zur Folge.

Die in den Bezirksschulrat nach den Absätzen b, c und d zu entsendenden Männer müssen Angehörige jener Nationalität sein, für welche die Schulen, die der Bezirksschulrat vertritt, bestimmt sind, und sollen auch die sub b angeführten Mitglieder womöglich im Schulbezirke ihren Wohnsitz haben.

§ 22. In Städten, welche ein eigenes Gemeindestatut haben, treten bei der Zusammensetzung des Bezirksschulrates folgende Abweichungen von den im § 20 erteilten Vorschriften ein:
a) Vorsitzender ist der Bürgermeister; der Stellvertreter des Vorsitzenden wird vom Bezirksschulrate aus seiner eigenen Mitte durch Stimmenmehrheit gewählt.
b) Jene Glaubensgenossenschaft, deren Seelenzahl mehr als 500 beträgt, wenn wenigstens an einer Schule des Schulbezirkes der Religionsunterricht der betreffenden Konfession erteilt wird, wird im Bezirksschulrate vertreten, und zwar die christliche durch einen Geistlichen, die israelitische sowie jede andere vom Staate anerkannte Glaubensgenossenschaft durch ihren Vorsteher.
c) Die Bestimmung des § 20, lit. d, findet hier keine Anwendung. Dagegen schlägt die Gemeindevertretung aus den zur Gemeindevertretung Wählbaren zwölf Personen vor, aus deren Mitte der Landesausschuß sechs Mitglieder des Bezirksschulrates zu ernennen hat. Der Verlust der Wählbarkeit zur Gemeindevertretung zieht den Austritt aus dem Bezirksschulrate nach sich.
Die Vertreter der Gemeinden im Bezirksschulrate müssen den Angehörigen jener Nationalität entnommen werden, für welche die Schulen, die der Bezirksschulrat vertritt, bestimmt sind.

§ 35. Die oberste Schulaufsichtsbehörde im Lande ist der k. k. Landesschulrat.

Der Landesschulrat hat in den Angelegenheiten der ihm unterstehen den Schulen den früheren Wirkungskreis der politischen Landesstelle und – unbeschadet der den kirchlichen Oberbehörden im Gesetze vom 25. Mai 1868, RGBl. Nr. 48, vorbehaltenen Rechte – den der kirchlichen Oberbehörden und Schulenoberaufseher. Derselbe besteht aus zwei Sektionen, einer böhmischen und einer deutschen Sektion, welche innerhalb ihres Wirkungskreises selbständige Beschlüsse fassen.
Diesen Sektionen kommt zu:
1 . die Überwachung der Bezirks- und Ortsschulräte, die Aufsicht und Leitung der Lehrerbildungsanstalten und der zu denselben gehörigen Übungsschulen;
2. die Entscheidung der Angelegenheiten der dem Wirkungskreise der Bezirksschulräte zugewiesenen öffentlichen und privaten Schul- und Erziehungsanstalten und die Ernennung beziehungsweise Bestätigung der Lehrpersonen in Gemäßheit der bestehenden Vorschriften;
3. die Überwachung der Mittelschulen sowie aller in das Gebiet derselben fallenden Privat- und Speziallehranstalten, sofern dieselben unter der obersten Leitung des Unterrichtsministeriums stehen, und zwar derart, daß alle böhmischen Lehranstalten (1, 2, 3) der böhmischen Sektion, die deutschen Lehranstalten der deutschen Sektion unterstehen;
4. die Bestätigung der Direktoren und Lehrer an aus Gemeindemitteln erhaltenen Mittelschulen der betreffenden Nationalität unter Wahrung der den Gemeinden, Korporationen und Privatpersonen zustehenden speziellen Rechte;
5. die Begutachtung von Lehrmitteln und Lehrbüchern für Mittelschulen und Fachschulen je nach der Unterrichtssprache.

§ 36. Die Sektionen, und zwar jede für sich, bestehen:
1. aus dem Landeschef oder dem von ihm bestellten Stellvertreter als Vorsitzenden;
2. aus je fünf vom mährischen Landesausschusse zu entsendenden Vertretern; wählbar sind alle jene, welche fähig sind, in den Landtag gewählt zu werden. Der Landesausschuß ist an die von den Landesausschußbeisitzern der betreffenden Nationalität zu erstattenden Ternavorschläge gebunden.
3. aus einem Vertreter der Stadt Brünn, welcher über Ternavorschlag der Gemeindevertretung derselben von der betreffenden nationalen Kurie des Landtages gewählt wird und der betreffenden Nationalität angehören muß;
4. aus einem Referenten für die administrativen und ökonomischen Angelegenheiten;
5. aus jenen k. k. Landesschulinspektoren, welchen die Beaufsichtigung der böhmischen beziehungsweise deutschen Unterrichtsanstalten im Lande dauernd zugewiesen ist;
6. aus zwei katholischen, einem evangelischen Geistlichen und einem Vertreter des israelitischen Glaubens;
7. aus drei Mitgliedern des Lehrstandes, nämlich einem Vertreter der Volks- und Bürgerschulen, einem der Realschulen und einem der Gymnasien.

§ 37. Die im § 36 unter 4, 5, 6 und 7 erwähnten Mitglieder des Landesschulrates werden vom Kaiser auf Antrag des Ministers für Kultus und Unterricht ernannt, der sich in Bezug auf die Ernennung der administrativen Referenten mit dem Minister des Innern ins Einvernehmen zu setzen hat.

Die Auswahl der Mitglieder des geistlichen und Lehrstandes (§ 36, Punkt 6 und 7) erfolgt auf Grund eines Vorschlages des Landeschefs, welcher – wenn irgend möglich – für jede zu besetzende derartige Stelle fünf geeignete Persönlichkeiten namhaft zu machen hat, die der betreffenden Nationalität angehören, und aus welchen sodann die zugehörige, im Wege des Landesausschusses verständigte nationale Kurie des Landtages eine bei der Antragstellung an den Kaiser maßgebende Terna zu erstatten hat.

Wegen der in den Vorschlag aufzunehmenden geistlichen Mitglieder ist vorgängig seitens des Landeschefs das Einvernehmen mit der betreffenden kirchlichen Oberbehörde zu pflegen.

Können fallweise nur drei oder weniger Personen für eine derartige Stelle namhaft gemacht werden, so kann sich die nationale Kurie auf den Vorschlag Einer derselben beschränken.

Der Minister für Kultus und Unterricht ist berechtigt, insolange die nationalen Landtagskurien nicht konstituiert sind, oder in dem Falle, als eines der im § 36, unter der Z. 6 und 7 erwähnten Mitglieder zu einer Zeit aus dem Landesschulrate scheidet, zu weicher der Landtag nicht versammelt ist; ferner in dem Falle, wenn der Landtag beziehungsweise die betreffende Kurie die Auswahl nicht binnen drei Monaten vom Zeitpunkte des Einlangens des Vorschlages des Landeschefs beim Landesausschusse (Alinea 2) vornimmt, nach Einholung des Gutachtens des Landesausschusses einen Ersatzmann solcher Mitglieder zu bestellen. Diese Bestellung tritt jedoch mit dem Tage außer Kraft, an welchem die nationale Kurie von dem Vorschlagsrechte im Sinne der vorstehenden gesetzlichen Bestimmungen Gebrauch macht...

§ 38. Die beiden Sektionen des Landesschulrates treten auch zu Plenarsitzungen zusammen.

Der Plenarberatung und Beschlußfassung des Landesschulrates bleiben alle Angelegenheiten, welche den böhmischen und deutschen Schulen überhaupt oder einer Kategorie derselben gemeinsam sind, Gutachten über Fragen der Organisation des Schulwesens, von Lehrplänen, Änderungen der Volksschulgesetze, insbesondere auch die Prüfung der Schulbezirkspräliminarien nach den mit dem Landesausschusse vereinbarten Grundsätzen, die Erstattung von Jahresberichten über den Zustand des gesamten Schulwesens im Lande an das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht, schließlich sämtliche den Sektionen nicht zukommenden Angelegenheiten vorbehalten.

§ 45b. Die Geschäfts- und Verhandlungssprache der böhmischen Orts- und Bezirksschulbehörden ist die böhmische, der deutschen Orts- und Bezirksschulbehörden die deutsche.

Die Geschäfts- und Verhandlungssprachen des k. k. Landesschulrates sind beide Landessprachen, in den beiden Sektionen derart, daß in der böhmischen Sektion die böhmische, in der deutschen Sektion die deutsche Sprache die Geschäfts- und Verhandlungssprache ist.

In dieser Sprache sind in der Sektion die Referate zu halten und die Protokolle zu führen.

In den Plenarsitzungen des k. k. Landesschulrates steht es unter voller Wahrung der Gleichberechtigung beider Landessprachen den Mitgliedern frei, sich ohne Rücksicht auf die Sprache, in welcher der Antrag vom Referenten gestellt wurde, nach eigenem Ermessen der böhmischen oder deutschen Sprache zu bedienen.

Im übrigen hat die Regelung der Geschäfts- und Verhandlungssprache der Schulbehörden im Verordnungswege zu geschehen.

Abteilung II.
§ 20. Unmittelbar vor Beginn eines jeden Schuljahres nimmt der Ortsschulrat die Aufzeichnung aller im schulpflichtigen Alter stehenden Kinder des Schulsprengels ohne Unterschied ihrer Konfession oder Heimatsberechtigung vor.

In der Volksschule dürfen in der Regel nur Kinder aufgenommen werden, welche der Unterrichtssprache mächtig sind.*)

Wer ein Kind der Aufzeichnung entzieht oder bezüglich desselben eine unwahre Angabe macht, ist mit einer Geldstrafe von zwei bis zu vierzig Kronen zu belegen oder im Falle der Unvermögenheit mit Einschließung auf ein bis vier Tage zu bestrafen.
*) Dies die sogenannte „Lex Perek“.