Quelle: Bernatzik, Edmund: Die österreichischen Verfassungsgesetze mit Erläuterungen. 2. Auflage. Wien 1911.
Zitiert nach Horst Glassl: „Nationale Autonoomie im Vielvölkerstaat. Der Meährische Ausgleich“, München 1977.

Die mit * bezeichneten Paragraphen der Landesordnung wurden durch „Mährischen Ausgleich“ (Gesetz vom 27. November 1905) geändert, die anderen Paragraphen stammen aus der Landesordnung von 1861.

Gesetz vom 27. November 1905, LGBl. Nr. 1 von 1906,
wirksam für die Markgrafschaft Mähren und die mährischen Enklaven in Schlesien.

Mit Zustimmung des Landtages Meiner Markgrafschaft Mähren finde Ich anzuordnen, wie folgt:

Artikel 1.
In Abänderung und Ergänzung der mit Meinem Patente vom 26. Februar 1861, RGBl. Nr. 20, erlassenen Landesordnung für die Markgrafschaft Mähren haben an Stelle der nachfolgend bezeichneten Paragraphen der Landesordnung beziehungsweise als Einschaltungen zu den einzelnen Paragraphen die nachstehenden Bestimmungen zu treten: 

Erstes Hauptstück

§ 1
Die Markgrafschaft Mähren wird in Landesangelegenheiten vom Landtage vertreten.

§ 2
Die zum Wirkungskreis der Landesvertretung gehörigen Befugnisse werden entweder durch den Landtag selbst oder durch den Landesausschuß ausgeübt.

§ 3*
Der Landtag besteht aus 151 Mitgliedern nämlich:
a) dem Fürsterzbischofe von Olmütz und dem Bischofe von Brünn;
b) aus 149 gewählten Abgeordneten und zwar:
    I. aus 30 Abgeordneten des großen Grundbesitzes;
   II. aus 46 Abgeordneten der durch die Wahlordnung bezeichneten Städte und Industrialorte sowie der Handels- und Gewerbekammern;
  III. aus 53 Abgeordneten der übrigen Gemeinden der Markgrafschaft Mähren;
  IV. aus 20 durch die allgemeine Wählerklasse gewählten Abgeordneten.

§ 3a*
Von den im § 3, Absatz 1, erwähnten 30 Abgeordneten des großen Grundbesitzes entfallen auf den I. Wahlkörper desselben 10, auf den II. Wahlkörper desselben 20 Abgeordnete.
Von den im § 3/II genannten 46 Abgeordneten der Städte und Industrialorte entfallen 20 Abgeordnete auf die böhmische Bevölkerung, 20 Abgeordnete auf die deutsche Bevölkerung und je 3 Abgeordnete auf die Handels- und Gewerbekammern in Brünn und Olmütz.

Von den im § 3/III genannten 53 Abgeordneten der Landgemeinden in Mähren mit Einschluß der mährischen Enklaven entfallen 39 Abgeordnete auf die böhmische Bevölkerung und 14 Abgeordnete auf die deutsche Bevölkerung.

Von den im § 3/IV genannten 20 Abgeordneten der allgemeinen Wählerklasse entfallen 14 Abgeordnete auf die böhmische Bevölkerung und 6 Abgeordnete auf die deutsche Bevölkerung.

§ 3b*
Die Abgeordneten der Wählerklassen des § 3/II (mit Ausschluß der Handels- und Gewerbekammern), III, IV werden in national getrennten Wahlkörpern böhmischer und deutscher Nationalität, für welche je besondere Wahlbezirke gebildet werden, gewählt.

§ 4*
Der Kaiser ernennt zur Leitung des Landtages aus dessen Mitte den Landeshauptmann und zwei Stellvertreter desselben.

§ 5
Die näheren Bestimmungen über die Wahlberechtigung und Wählbarkeit, über die Verteilung der Abgeordneten auf die zu bilden den Wahlbezirke und über das Verfahren bei der Wahl enthält die Wahlordnung für die Markgrafschaft Mähren.

§ 6*
Die Funktionsdauer des Landeshauptmannes und seiner Stellvertreter, dann der gewählten Mitglieder des Landtages (die Landtagsperiode) wird auf sechs Jahre festgesetzt.
Die Wahlen der Abgeordneten zum Landtage können von den Wählern nicht widerrufen werden.
Nach Ablauf der regelmäßigen Landtagsperiode oder nach der früher erfolgten Auflösung des Landtages sowie in den Fällen, wenn inzwischen einzelne Abgeordnete austreten, mit Tod abgehen oder die zur Wählbarkeit erforderliche Eignung verlieren, werden neue Wahlen ausgeschrieben. Gewesene Landtagsmitglieder können wiedergewählt werden.

§ 7
Die in den Landtag gewählten Abgeordneten dürfen keine Instruktionen annehmen und ihr Stimmrecht nur persönlich ausüben.

§ 8
Der Landtag hat sich über Allerhöchste Einberufung in der Regel jährlich einmal, und zwar, insofern vom Kaiser nicht etwas anderes bestimmt wird, in der Landeshauptstadt Brünn zu versammeln.

§ 9
Die Landtagsabgeordneten haben bei ihrem Eintritte in den Landtag dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten in die Hände des Landeshauptmannes an Eidesstatt zu geloben.

§ 10
Der Landeshauptmann eröffnet dem vom Kaiser einberufenen Landtag, er führt den Vorsitz in den Versammlungen und leitet die Verhandlungen; er schließt den Landtag nach Beendigung der Geschäfte oder über besonderen allerhöchsten Auftrag.
Der Landtag kann vom Kaiser auch während der regelmäßigen Landtagsperiode zu jeder Zeit unter gleichzeitiger Anordnung neuer Wahlen aufgelöst werden.

Von den im § 3/IV genannten 20 Abgeordneten der allgemeinen Wählerklasse entfallen 14 Abgeordnete auf die böhmische Bevölkerung und 6 Abgeordnete auf die deutsche Bevölkerung.

§ 10a*
Die Abgeordneten bilden zum Zwecke der durch den Landtag vorzunehmenden Wahlen drei Kurien, und zwar:
1. Die Kurie der Abgeordneten aus dem großen Grundbesitze in zwei Wahlkörpern.

Dem I. Wahlkörper sind der Erzbischof von Olmütz und der Bischof von Brünn zuzuzählen.

2. Die Kurie der von den Städten und Industrialorten, den Handels- und Gewerbekammern, den Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse gewählten Abgeordneten böhmischer Nationalität und

3. die Kurie der von den Städten und Industrialorten, den Handels- und Gewerbekammern, den Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse gewählten Abgeordneten deutscher Nationalität.

Die Abgeordneten der Städte, der Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse gehören in die betreffende nationale Kurie und haben sich über Aufforderung des Landeshauptmannes bei ihrem Eintritte in den Landtag je nach der Nationalität des Wahlbezirkes, in welchem sie gewählt wurden, in ein Verzeichnis der beiden Nationalitäten als böhmische oder deutsche Abgeordnete einzutragen und gilt diese Eintragung für die ganze Dauer des Landtagsmandates. Die Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammern haben bei Beginn der Landtagsperiode ihren Beitritt zu einer der beiden nationalen Kurien zu erklären.

§ 10b*
Bei Beginn jeder Session, und zwar am ersten Tage des Zusammentrittes des Landtages, haben sich die drei Kurien in nachstehender Weise zu konstituieren, Der Landeshauptmann fordert in der Eröffnungssitzung des Landtages die Landtagsmitglieder auf, die Konstituierung der drei Kurien zu der von ihm zu bestimmenden Zeit und an dem von ihm angeordneten Orte für die laufende Session vorzunehmen. Die Konstituierung jeder Kurie muß innerhalb 48 Stunden von der Zeit der Eröffnung des Landtages an gerechnet erfolgen.

Die Mitglieder jeder Kurie haben in der konstituierenden Sitzung ohne Rücksicht auf die Zahl der Erschienenen einen Obmann und zwei Obmannstellvertreter zu wählen, womit die Konstituierung der Kurien vollzogen ist. In gleicher Weise erfolgt die Konstituierung der beiden Wahlkörper des großen Grundbesitzes.
Der Landeshauptmann bestimmt aus der Reihe der Landesbeamten für jede Kurie die Schriftführer.

Die erfolgte Konstituierung ist dem Landeshauptmanne anzuzeigen und von ihm in der nächsten Landtagssitzung zu verkünden. Die Unterlassung der Eintragung nach nationalen Kurien gilt auf die Dauer der Session als Verzicht des Mitgliedes auf die Ausübung der ihm nach der Landesordnung eingeräumten Rechte in der Kurie.

§ 10c*
Die Kurien haben das Recht, alle dem Landtage zustehen den Wahlen, die Wahl in den Landesausschuß, in die Landtagsausschüsse, in die Vertretungskörperschaft von Landesanstalten und sonstigen Körperschaften, in welchen dem Landtage eine Vertretung eingeräumt ist, in die vom Landtage eingesetzten Untersuchungs- und Überwachungskommissionen vorzunehmen, soweit dieses Gesetz nicht Ausnahmen hievon anordnet.
Wenn eine Kurie die rechtzeitige Vornahme der ihr zustehenden Wahlen unterläßt, so wird diese Wahl vom ganzen Landtage vorgenommen.

§ 11*
Der Landesausschuß als verwaltendes und ausführendes Organ der Landesvertretung besteht unter dem Vorsitze des Landeshauptmannes aus acht aus der Mitte der Landtagsabgeordneten gewählten Beisitzern. Der Landeshauptmann ernennt für Verhinderungsfälle zwei Stellvertreter zur Leitung des Landesausschusses aus dessen Mitte.

§ 12*
Die Wahlen in den Landesausschuß sind in folgender Weise vorzunehmen:
Die beiden Wahlkörper der Abgeordneten aus der Wahlklasse des großen Grundbesitzes wählen je einen Beisitzer und je einen Ersatzmann, die Kurie der Abgeordneten der Städte, Handelskammern, der Landgemeinden und der allgemeinen Wählerklasse böhmischer Nationalität wählt vier Beisitzer und vier Ersatzmänner.

Die Kurie dieser Abgeordneten deutscher Nationalität wählt zwei Beisitzer und zwei Ersatzmänner.

§ 13
Für jedes Ausschußmitglied wird nach dem Wahlmodus des vorigen Paragraphen ein Ersatzmann gewählt.

Wenn ein Ausschußmitglied während der Landtag nicht versammelt ist, mit Tod abgeht, austritt, oder auf längere Zeit an der Besorgung der Ausschußgeschäfte verhindert ist, tritt der Ersatzmann ein, welcher zur Stellvertretung jenes Ausschußmitgliedes gewählt worden ist.

Ist der Landtag versammelt, so wird für das bleibend abgängige Ausschußmitglied eine neue Wahl vorgenommen.

§ 14
Die Funktionsdauer der Mitglieder des Landesausschusses und der Ersatzmänner ist jener des Landtages, der sie gewählt hat, gleich. Sie währt jedoch nach dem Ablaufe der Landtagsperiode, sowie im Falle der Auflösung des Landtages noch so lange fort, bis aus dem neuen Landtage ein anderer Ausschuß bestellt worden ist.
Der Austritt aus dem Landtage hat das Austreten aus dem Landesausschusse zur Folge.

§ 15
Die Mitglieder des Landesausschusses sind verpflichtet, ihren Aufenthalt in Brünn zu nehmen.
Sie erhalten eine jährliche Entschädigung aus Landesmitteln, deren Höhe der Landtag bestimmt.

§ 15a*
Was die sonstigen vom Landtage vorzunehmenden Wahlen betrifft, so haben nachstehende Bestimmungen zu gelten:
a) in Fällen, in welchen dem Landtage die Entsendung nur eines Vertreters zusteht, ist die Wahl vom ganzen Landtage vorzunehmen;
b) handelt es sich um die Wahl von zwei Vertretern, so ist je einer derselben durch die zwei nationalen Kurien zu wählen;
c) handelt es sich um die Wahl von drei Vertretern, so ist je einer derselben durch die zwei nationalen Kurien und der dritte von den beiden Wahlkörpern des großen Grundbesitzes zu wählen;
d) bei vier Vertretern wählen die beiden Wahlkörper des großen Grundbesitzes zusammen und jede der nationalen Wahlkurien je einen, der ganze Landtag den vierten Vertreter.
Ist die Zahl der zu wählenden Vertreter oder Ausschußmitglieder größer als vier, so gilt für die Verteilung derselben auf die einzelnen Kurien die nachstehende Tabelle:

Gesamtzahl der Mitglieder

Großgrundbesitz

Böhmische Kurie Deutsche Kurie
I. Wahlkörper II. Wahlkörper
5 1 3 1
6 1 3 2
7 1 4 2
8 1 1 4 2

Bei allen Wahlen, bei denen die beiden Wahlkörper des großen Grundbesitzes zusammen nur einen Vertreter zu wählen haben, ist die Wahl in einer gemeinschaftlichen Sitzung, jedoch nur mit Zweidrittelmajorität der Anwesenden vorzunehmen. Sollte die Wahl auf diese Weise nicht zustande kommen, so ist sie über Anzeige des Obmannes der Kurie an den Landeshauptmann vom ganzen Landtag vorzunehmen.

§ 15b
  1. innerhalb jeder der Wahlkurien, beziehungsweise der Wahlkörper ist die Wahl der auf sie entfallenden Vertreter oder Ausschuß mitglieder, in Anwendung des Proportionalsystems nach folgenden Bestimmungen vorzunehmen, falls in der Kurie oder dem Wahlkörper über Vorschlag des Vorsitzenden und Zustimmung aller Mitglieder nicht die Wahl per Akklamation erfolgt.
  2. Nach Ankündigung der Wahl können dem Obmanne der betreffen den Kurie Kandidatenlisten übergeben werden.
  3. Diese Kandidatenlisten sind vom Obmanne mit nacheinanderfolgenden Ordnungszahlen zu versehen.
  4. Falls den Listen von den Vorschlagenden Parteiüberschriften gegeben wurden, so sind die letzteren beizubehalten.
  5. Diese Listen werden vervielfältigt und wird jedem Mitgliede der Kurie vor Beginn der Wahl ein Exemplar jeder dieser Listen übergeben. Sodann übergibt jeder Wähler die von ihm gewählte Liste als Stimmzettel den vom Obmann bestimmten Skrutatoren, welche die Zahl der übergebenen Stimmzettel mit der Anzahl der Stimmen den vergleichen und das Skrutinium vornehmen, indem sie durch Verlesen aller gültigen Stimmzettel und durch Eintragung in die Zählungsbogen feststellen, wie viele Stimmen auf jede Liste gefallen sind.
  6. Enthält ein Zettel mehr Stimmen als Ausschußmitglieder oder Vertreter von der Kurie oder dem betreffenden Wahlkörper zu wählen sind, so werden die am Schlusse überschießenden Stimmen nicht gezählt. Darauf wird die Stimmenzahl für jede Liste ermittellt.
  7. Wenn wählbare Personen, die auf keiner Liste stehen, Stimmen erhalten haben, so wird jeder dieser Namen als besondeire Liste behandelt.
  8. Wenn eine oder mehrere Listen vorliegen, so werden die zu wählenden Vertreter auf die einzelnen Listen im Verhältnisse der Stiimmenzahlen verteilt, die jede Liste erhalten hat. Dabei wird in follgender Weise verfahren:
  9. Die Gesamtzahl der gültigen Stimmen wird durch die um eins vermehrte Zahl der zu Wählenden geteilt.
10. Die nächsthöhere Zahl, welche auf den so erhaltenen Quotienten folgt, heißt Wahlzahl,
11. Jede Liste erhält bei der Verteilung sovielmal ein Ausschußrrnitglied zugeteilt, als die Wahlzahl in ihrer Stimmenzahl enthalten ist.
12. Wenn durch diese Verteilung nicht so viele Ausschußmitglieder herauskommen, als zu wählen sind, so wird die Stimmenzahl jeder Liste durch die um eins vermehrte Zahl der ihr schon zugewiegsenen Ausschußmitglieder geteilt und der erste noch zu vergebende Sitz jener Liste gegeben, welche den größten Quotienten aufweist.
13. Das gleiche Verfahren wird wiederholt, solange noch weitere freigebliebene Sitze zu vergeben sind.
14. Haben zwei oder mehrere Listen auf die letzten zu vergebenden Sitze gleiches Anrecht (Gleichheit des Quotienten), so entscheidet das Los, welches sofort durch den Obmann der Kurie beziehungsweise des Wahlkörpers zu ziehen ist.
15. Von jeder Liste sind, entsprechend der vorgenommenen Verteeilung, jene Kandidaten gewählt, welche die meisten Stimmen erhhalten haben.
16. Bei Stimmengleichheit sind jene Kandidaten gewählt, deren Namen auf der betreffenden Liste der Reihe nach zuerst stehen.
17. Sollten eine oder mehrere Listen mehr Kandidaten zugeteillt bekommen als sie Namen enthalten, so sind vorerst alle ihre Kandidaten gewählt. Die überzähligen Sitze werden unter die übrigen Listen durch Fortsetzung des oben vorgeschriebenen Verfahhrens verteilt.
18. Ist nur ein Vertreter oder ein Ausschußmitglied zu wählen, so entscheidet das Majoritätsprinzip.

§ 15c*
Wenn ein Vertreter aus einem vorbereitenden Ausschuß oder aus einer Landesanstalt ausscheidet, so haben die Abgeordneten jener Kurie, beziehungsweise Wahlkörpers, welche den Ausgetretenen Vertreter entsendet hat, die Neuwahl vorzunehmen.
Scheidet einer der vom Landesausschusse gewählten Vertreter bei einer Landesanstalt aus, so hat der Landesausschuß die Ersatzwahl aus derselben Kurie beziehungsweise Wahlkörper vorzunehmen, welcher der Ausgeschiedene angehört hat.

§ 15d
Die Aufforderung zur Vornahme von Wahlen durch die Kurie erfolgt seitens des Landeshauptmannes in der Landtagssitzung unter Festsetzung der Frist, innerhalb welcher die Wahl vorzunehmen ist.
Außer in Fällen der Dringlichkeit soll diese Frist nie weniger als 24 Stunden betragen. Für die Vornahme von Wahlen ist die Kurie ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder beschlußfähig.
Die Einberufung und Leitung der Kurien erfolgt durch den Obmann, beziehungsweise im Falle dessen Verhinderung durch seinen Stellvertreter. Die Mitglieder der Kurie sind zu den Kurialsitzungen schriftlich unter Angabe des Verhandlungsgegenstandes einzuladen und ist die Einladung auch in den Landtagsräumen ersichtlich zu machen, oder durch den Landeshauptmann in der Landtagssitzung zu verkünden.

§ 15e*
Die Sitzungen der Kurien sind nicht öffentlich und ist über jede Sitzung vom Schriftführer ein Protokoll zu führen, welches die Namen der Anwesenden und das Ergebnis der Wahlen zu enthalten hat. Auch ist die Art der Vornahme und die Zahl der Stimmen anzugeben.
Das Protokoll ist in der Sitzung der Kurie sofort zu verifizieren.
Für den Fall der Verhinderung des Obmannes und seiner Stellvertreter übergeht deren Funktion auf das älteste anwesende Mitglied.

§ 15f*
Der Landtag hat sofort nach Konstituierung der Kurien zwei Ordner, vier Verifikatoren und ferner die einzelnen Ausschüsse zu wählen, und zwar:
einen Finanzausschuß, einen Ausschuß für Gemeindeangelegenheiten, einen Schulausschuß, einen Kommunikationsausschuß, einen landwirtschaftlichen Ausschuß, einen Gewerbeausschuß, einen Verifikationsausschuß, und zwar jeden dieser Ausschüsse mit mindestens 16 Mitgliedern.

 

Zweites Hauptstück
Wirkungskreis der Landesvertretung

I. Wirkungskreis des Landtages.

§ 16
Der Landtag ist berufen, bei der Ausübung der gesetzgeben den Gewalt nach Maßgabe der Bestimmungen des kaiserlichen Diploms vom 20. Oktober 1860, RGBl. Nr. 226, mitzuwirken.

§ 17
Gesetzesvorschläge in Landesangelegenheiten gelangen als Regierungsvorlagen an den Landtag.
Auch dem Landtage steht das Recht zu, in Landesangelegenheiten Gesetze vorzuschlagen.
Zu jedem Landesgesetze ist die Zustimmung des Landtages und die Sanktion des Kaisers erforderlich.
Anträge auf Erlassung von Gesetzen, welche durch den Kaiser oder durch den Landtag abgelehnt worden sind, können in derselben Session nicht wieder vorgebracht werden .

§ 18
Als Landesangelegenheiten werden erklärt:
I. Alle Anordnungen in Betreff
1. der Landeskultur;
2. der öffentlichen Bauten, welche aus Landesmitteln bestritten werden;
3. der aus Landesmitteln dotierten Wohltätigkeitsanstalten;
4. des Voranschlages und der Rechnungslegung des Landes, sowohl
a) hinsichtlich der Landeseinnahmen aus der Verwaltung des dem Lande gehörigen Vermögens, der Besteuerung für Landeszwecke und der Benützung des Landeskredits, als
b) rücksichtlich der ordentlichen und außerordentlichen Landesausgaben.
II. Die näheren Anordnungen inner den Grenzen der allgemeinen Gesetze in Betreff
1. der Gemeindeangelegenheiten;
2. der Kirchen- und Schulangelegenheiten;
3. der Vorspannleistung, dann der Verpflegung und Einquartierung des Heeres; endlich
III. die Anordnung über sonstige, die Wohlfahrt oder die Bedürfnisse des Landes betreffende Gegenstände, weiche durch besondere Verfügungen der Landesvertretung zugewiesen werden.

§ 19
Der Landtag ist berufen:
1. zu beraten und Anträge zu stellen:
a) über kundgemachte allgemeine Gesetze und Einrichtungen bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des Landes, und
b) auf Erlassung allgemeiner Gesetze und Einrichtungen, weiche die Bedürfnisse und die Wohlfahrt des Landes erheischen;
2. Vorschläge abzugeben über alle Gegenstände, worüber er von der Regierung zu Rate gezogen wird.

§ 20
Der Landtag sorgt für die Erhaltung des landständischen (Domestikal-)Vermögens und des sonstigen nach seiner Entstehung oder Widmung ein Eigentum des Erzherzogtumes Österreich unter der Enns bildenden Landesvermögens, dann der aus ständischen oder Landesmitteln errichteten oder erhaltenen Fonde und Anstalten.
Landtagsbeschlüsse, welche eine Veräußerung, bleibende Belastung oder eine Verpfändung des Stammvermögens mit sich bringen, bedürfen der kaiserlichen Genehmigung.

§ 21
Der Landtag verwaltet das Domestikalvermögen und das Kredit- und Schuldenwesen des Landes und sorgt für die Erfüllung der diesfalls dem Lande obliegenden Verpflichtungen.
Er verwaltet und verwendet den Landesfond und den Grundent lastungsfond des Erzherzogtumes Österreich unter der Enns mit ge nauer Beachtung der gesetzlichen Zwecke und Widmungen dieser Fonde.

§ 22
Der Landtag beratet und beschließt über die Aufbringung der zur Erfüllung seiner Wirksamkeit für Landeszwecke, für das Vermögen, die Fonde und Anstalten des Landes erforderlichen Mittel, insofern die Einkünfte des bestehenden Stammvermögens nicht zureichen.
Er ist berechtigt, zu diesem Zwecke Zuschläge zu den direkten landesfürstlichen Steuern bis auf zehn Prozent derselben umzulegen und einzuheben. Höhere Zuschläge zu einer direkten Steuer oder sonstige Landesumlagen bedürfen der kaiserlichen Genehmigung.

§ 23
Die Wirksamkeit des Landtages in Gemeindeangelegenheiten wird durch das Gemeindegesetz oder die besonderen Gemeindestatute geregelt.

§ 24
Die mitwirkende und überwachende Einflußnahme des Landtages in Steuersachen, namentlich in Betreff der Umlegung, Einhebung und Abfuhr der landesfürstlichen direkten Steuern wird durch besondere Vorschriften bestimmt.

§ 25
Der Landtag beschließt über die Systemisierung des Personales und Besoldungsstandes der dem Landesausschusse beizugebenden oder für einzelne Verwaltungsobjekte zu bestellenden Beamten und Diener; er bestimmt die Art ihrer Ernennung und Disziplinarbehandlung, ihre Ruhe- und Versorgungsgenüsse und die Grundzüge der für ihre Dienstleistung zu erteilenden Instruktionen.

 

II. Wirkungskreis des Landesausschusses.

§ 26
[Der Landesausschuß besorgt die gewöhnlichen Verwaltungsgeschäfte des Landesvermögens, der Landesfonde und Anstalten und leitet und überwacht die Dienstleistung der ihm untergebenen Beamten und Diener.
Er hat hierüber, sowie über die Ausführung der vollziehbaren Landtagsbeschlüsse, dem Landtage Rechenschaft zu geben und Anträge in Landesangelegenheiten für den Landtag über Auftrag desselben oder aus eigenem Antriebe vorzuberaten.]

§ 27
Die dem Lande oder den vormaligen Ständen des Landeszustehenden Patronats- und Präsentationsrechte, das Vorschlags- oder Ernennungsrecht für Stiftplätze oder Stipendien, das Recht der Aufnahme in ständische Anstalten und Stiftungen wird vom Landesausschusse geübt.

§ 28
Der Landesausschuß repräsentiert die Landesvertretung in allen Rechtsangelegenheiten.
Die im Namen der Landesvertretung auszustellenden Urkunden sind von dem Landmarschalle und zwei Mitgliedern des Landesausschusses zu fertigen und mit dem Landessiegel zu versehen.

§ 29
Der Landesausschuß hat überdies auch alle übrigen Geschäfte des bisherigen ständischen Verordnetenkollegiums oder des ständischen Ausschusses zu besorgen, soweit dieselben nicht an andere Organe übergehen, oder infolge der geänderten Verhältnisse aufhören.

§ 30
Der Landesausschuß hat die nötigen Vorbereitungen für die Abhaltung der Landtagssitzungen und die Ausmittlung, Instandhaltung und Einrichtung der für die Landesvertretung und die ihr unmittelbar unterstehenden Ämter und Organe bestimmten Räumlichkeiten zu besorgen.

§ 31
Der Landesausschuß hat die Wahlausweise der neu eintretenden Landtagsabgeordneten zu prüfen und darüber an den Landtag zu berichten, dem die Entscheidung über die Zulassung der Gewählten zusteht.

§ 32
Die näheren Weisungen über die dem Landesausschusse zu kommenden Geschäfte und über die Art ihrer Besorgung bleiben der vom Landtage zu erteilenden Instruktion, und in Betreff der Einflußnahme auf Gemeindesachen und auf Angelegenheiten der landesfürstlichen Steuern den besonderen Gemeinde- und Steuergesetzen vorbehalten.

§ 32a*
Bei Verteilung der Referate sind die Referate über das Schulwesen, dann über Landesanstalten, weiche einer Nationalität gewidmet sind, unter die Landesausschußbeisitzer nach ihrer Nationalität zu verteilen. Auf dieselbe Art sind die übrigen Referate im Landesausschusse nach Möglichkeit zuzuweisen.
Bei Besetzung von Lehrer-, Beamten- und Dienerstellen an Landesanstalten, weiche ausschließlich einer Nationalität gewidmet sind, ist der Landesausschuß an den Ternavorschlag gebunden, weicher ihm durch die aus der betreffenden nationalen Kurie gewählten Landesausschußbeisitzer erstattet wird. Bei Neubesetzung von sonstigen Beamten- und Dienerstellen ist der Landesausschuß verpflichtet, auf beide Nationalitäten nach der Zahl der Bevölkerung im Lande Rücksicht zu nehmen.

 

Drittes Hauptstück.
Von der Geschäftsbehandlung.

§ 33
[Der über ordnungsmäßige Einberufung versammelte Landtag hat die zu seinem Wirkungskreise gehörigen Angelegenheiten in Sitzungen zu verhandeln und zu erledigen.
Die Sitzungen werden von dem Landeshauptmanne angeordnet, eröffnet und geschlossen.]

§ 34
Die Landtagssitzungen sind öffentlich.
Ausnahmsweise kann eine vertrauliche Sitzung gehalten werden, wenn entweder der Vorsitzende oder wenigstens fünf Mitglieder es verlangen und nach Entfernung der Zuhörer der Landtag sich dafür entscheidet.

§ 35
Die einzelnen Beratungsgegenstände gelangen vor den Landtag,
a) entweder als Regierungsvorlagen durch den Landeshauptmann
b) oder als Vorlagen des Landesausschusses oder eines speziellen durch Wahl aus dem Landtage und während desselben gebildeten Ausschusses
c) oder durch Anträge einzelner Mitglieder.
Selbständige, sich nicht auf eine Vorlage der Regierung oder eines Ausschusses beziehende Anträge einzelner Mitglieder müssen früher dem Landeshauptmanne schriftlich angezeigt und vorläufig der Ausschußberatung unterzogen werden.

Anträge über Gegenstände, welche außerhalb des Geschäftskreises des Landtages liegen, sind durch den Landeshauptmann von der Beratung auszuschließen,

§ 36
Der Landeshauptmann bestimmt die Reihenfolge der zu verhandelnden Gegenstände.
Die an den Landtag gelangenden Regierungsvorlagen sind vor allen anderen Beratungsgegenständen in Verhandlung zu nehmen und zu erledigen.

§ 37
Der Statthalter der Markgrafschaft Mähren oder die von ihm abgeordneten Kommissäre haben das Recht, im Landtage zu erscheinen und jederzeit das Wort zu nehmen; an den Abstimmungen nehmen sie nur teil, wenn sie Mitglieder des Landtages sind. Wenn die Absendung von Mitgliedern der Regierungsbehörden wegen Erteilung von Auskünften und Aufklärungen bei einzelnen Verhandlungen notwendig oder wünschenswert erscheint, hat sich der Landeshauptmann an die Vorstände der betreffenden Behörden zu wenden.

§ 38*
Zur Beschlußfassung in dem Landtage ist die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Gesamtzahl aller Mitglieder und zur Gültigkeit eines Beschlusses die absolute Stimmenmehrheit der Anwesenden erforderlich.

Bei Stimmengleichheit ist der in Beratung gezogene Antrag als verworfen anzusehen.

Zur Beschlußfassung über nachstehende Gegenstände ist die Zweidrittelmehrheit von mindestens 121 anwesenden Abgeordneten erforderlich:
a) bezüglich Änderung der Landesordnung und Landtagswahlordnung;
b) bezüglich Änderung des seinerzeit zu erlassenden Gesetzes über die nationale Trennung der Schulbehörden;
c) bezüglich Änderung des Gesetzes vom 19. Mai 1897, LGBl. Nr. 40, über den Landeskulturrat;
d) bezüglich Änderung des seinerzeit zu erlassenden Gesetzes, womit der Gebrauch der Landessprachen bei den autonomen Behörden geregelt wird;
bezüglich der Beschlüsse, womit bestehende Landesunterrichtsanstalten aufgelassen oder eingeengt oder die Unterrichtssprache geändert werden sollen;
ebenso bezüglich der Beschlüsse, womit die vor der Gültigkeit dieses Gesetzes bewilligten Beiträge oder Erhaltungskosten für staatliche, Landes- oder Privatunterrichtsanstalten entzogen oder herabgemindert werden sollen;
f) bezüglich der Beschlüsse, womit die Vereinigung oder Trennung von Gemeinden gegen den Willen der gesetzlichen Vertretung wenigstens einer der beteiligten Gemeinden herbeigeführt werden soll.

Zu einem gültigen Beschlusse, betreffend eine Änderung der bestehen den Gemeindewahlordnung für die Markgrafschaft Mähren sowie der Wahlordnungen der autonomen Städte Brünn, Ung.-Hradisch, Iglau, Kremsier, Olmütz und Znaim ist erforderlich, daß für die in Verhandlung stehende Änderung 93 Abgeordnete stimmen, ohne Rücksicht auf die Zahl der Anwesenden.

§ 39
Die Stimmgebung ist in der Regel mündlich; nach dem Ermessen des Vorsitzenden kann solche auch durch Aufstehen und Sitzenbleiben stattfinden.
Wahlen oder Besetzungen werden durch Stimmzettel vorgenommen.

§ 40
Die vom Landtage gepflogenen Verhandlungen sind unter Zulegung der Sitzungsprotokolle im Wege des Statthalters zur allerhöchsten Kenntnis zu bringen.

Die Art der Veröffentlichung der gepflogenen Verhandlungen bestimmt der Landtag.

§ 41
Der Landtag darf mit keiner Landesvertretung eines anderen Kronlandes in Verkehr treten; auch darf derselbe keine Kundmachungen erlassen.

Deputationen dürfen in die Versammlung des Landtages nicht zugelassen und Bittschriften vom Landtage nur dann angenommen werden, wenn sie ihm durch ein Mitglied überreicht werden.

Die Absendung von Landtagsdeputationen an das allerhöchste Hoflager darf nur über vorläufig erwirkte kaiserliche Genehmigung stattfinden.

§ 42*
Der Landesausschuß hat die ihm überwiesenen Geschäfte in Kollegialberatungen zu verhandeln und zu erledigen.

Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist die Anwesenheit von wenigstens sechs Ausschußbeisitzern erforderlich.

Der Landeshauptmann ist, wenn er einen Beschluß des Landesausschusses als dem öffentlichen Wohle und den bestehenden Gesetzen zuwiderlaufend ansieht, berechtigt und verpflichtet, die Ausführung zu sistieren und die Angelegenheit unverzüglich der ah. Schlußfassung im Wege des Statthalters zu unterziehen.

§ 43
Der Landesausschuß darf nur mit dem Landtage, aus dem er hervorgegangen, in Verkehr treten und nur in den ihm übertragenen Verwaltungsangelegenheiten Kundmachungen erlassen.
Deputationen dürfen vom Landesausschusse nicht angenommen werden.

§ 44*
Die beiden Landessprachen sind in der Geschäftsbehandlung des Landtages gleichberechtigt.

Artikel II
Durch dieses Gesetz werden die bezüglichen Bestimmungen der Statuten der Hypotheken- und Landeskulturbank, betreffend die Vornahme der Wahlen der vom Landtage gewählten Direktoren und Ersatzmänner aufgehoben und es haben hiefür die Bestimmungen dieses Gesetzes sinngemäße Anwendung zu finden.

Artikel III
Die Bestimmungen betreffend die Geschäftsordnung des Landtages, welche mit den Bestimmungen dieses Gesetzes im Widerspruche stehen, werden aufgehoben.

Artikel IV
Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Gesetze vom 27. November 1905, LGBl. Nr. 2 ex 1906 (192), mit welchem eine neue Landtagswahlordnung erlassen wird, in Wirksamkeit.

Artikel V
Mit dem Vollzuge wird Mein Minister des Innern beauftragt.