INTERNATIONALE STUDIENTAGUNG „100 JAHRE MÄHRISCHER AUSGLEICH“
des Internationalen Instituts für Nationalitätenrecht und Regionalismus
17. bis 21. Oktober 2005 in Brixen

ZUSAMMENFASSUNG DER TAGUNGSERGEBNISSE
(Dr. Ortfried Kotzian)

  1
Der Mährische Ausgleich ist als historisches Phänomen der Nationalitäten- oder Minderheitenpolitik in seinem historischen Kontext zu erforschen und zu bewerten.

  2
Sein historischer Wert besteht darin, daß er praktizierter Ausgangspunkt eines modernen europäischen Volksgruppen- und Minderheitenrechtes war.

  3
Der Wert des Mährischen Ausgleichs für die Gegenwart und Zukunft wird von seinen Grundideen bestimmt:
Dem politischen Willen zwischen ethnischer Mehrheit und Minderheit eine gerechte Beteiligung an den politischen Mitwirkungsmöglichkeiten sicherzustellen und diese für beide Seiten so zu gestalten, daß sie längerfristig gesichert wird.

  4
Dahinter steht die zentrale Aufgabe des Staates oder Teilstaates mit multi-ethnischer Bevölkerung, durch entsprechende Mechanismen das friedliche Zusammenleben der ethnischen Gruppen zu konstituieren oder wieder herzustellen.

  5
Die hierfür vom Mährischen Ausgleich und der Südtiroler Autonomieregelung bereitgestellten grundlegenden politischen Mechanismen sind
• die Territorialautonomie
• die Personal- oder Kulturautonomie und
• die Lokalautonomie

  6
Zentrales Bestreben des Selbstverwaltungssystems ist die Sicherung der Existenz einer Volksgruppe (ethnischen Gruppe) unabhängig von ihrer Zahl und ihrem kulturellen Aggregatzustand (sozial unterprivilegiert, teilassimiliert, von Sprachverlust bedroht oder wirtschaftlich dominant).

  7
Alle Regelungen zur Sicherung der Existenz einer oder mehrerer Volksgruppen sind jedoch nur möglich, wenn sich diese auf einem bestimmbaren Territorium befinden. Vertreibungs- und Deportätionsmaßnahmen entziehen daher allen Autonornieregelungen die Grundlage und sind als Mittel der nationalistischen Politik
nicht nur abzulehnen, sondern als das zu kennzeichnen, was sie sind: Verbrechen gegen das Völkerrecht und die Menschheit.

  8
Aus diesem Grunde sind Bevölkerungsverschiebungen als konfliktlösende Maßnahmen grundsätzlich abzulehnen.

  9
Die Regelungen des Mährischen Ausgleiches betrafen die Bereiche
• politische Repräsentanz (Regierung)
• politische Organisation (Parlament)
• Sprachengebrauch (Landes- und Amtssprache)
• Schule und Schulsystem

10
Eine Beteiligung ethnischer Gruppen an der Regierung ist grundsätzlich zu begrüßen, auch wenn sie auf freiwilliger Basis stattfindet und nicht durch politische Vorgaben (wie etwa in der Verfassung im Kosovo) erzwungen wird.

11
Die Möglichkeit der Differenzierung eines Parlamentes in Kammern oder Kurien sollte in der Gegenwart stärker in Verbindung mit Personalautonomie in das politische Konfliktlösungsprogramm internationaler Gemeinschaften einbezogen werden. Durch die erreichte vorübergehende Trennung der ethnischen Gruppen im Parlament würde die Angst vor Überstimmung (Majorisierung) entfallen (Nordirland, Kosovo).

12
Kuriensysteme müssen immer auf das Konkordanzprinzip ausgerichtet sein, d. h. die Übereinstimmung in Gesetzgebungsverfahren erzwingen.

13
Der Sprachengebrauch bei Behörden ist großzügig und im Sinne positiver Diskriminierung zu gestalten. Mehrsprachigkeit sollte als Bereicherung auch des politischen Lebens betrachtet werden. Sprache darf im öffentlichen Leben (Medien etc) nicht Kampfinstrument nationalistischer Ideologien sein, sondern muß als Kommunikationsmittel eine Rolle im politischen Leben spielen.

14
im Schulwesen sind alle pädagogisch sinnvollen Möglichkeiten zur Existenzsicherung einer Volksgruppe auszuloten und zu organisieren. Hierbei sind grundlegende pädagogische Erkenntnisse über den Spracherwerb des Kindes zu berücksichtigen. Entscheidend ist für den Erwerb der Zweitsprache eine gute Basis in der Muttersprache, welche in diesem Falle die Ausgangssprache darstellt.

Weitere Nachrichten zum Thema „Mährischer Ausgleich“.