Inge Habermann (geboren 1913)
Nach dem Manuskript zum Vortrag beim Freundeskreis Sudetendeutscher Wandervögel, Alexandersbad September 2003.

Die Oberlausitz – eine Brücke nach Böhmen.

Die Landschaft der Lausitz wird begrenzt im Westen durch die Schwarze Elster, die in die Elbe mündet., im Norden vom Höhenzug des Fläming und den Spreewald, im Osten von Bober und Queis in Schlesien, und im Süden durch das Lausitzer Gebirge in Böhmen.

Der Name Lausitz leitet sich ab vom slawischen Wort Luzica, Sumpfland, und bezeichnete ursprünglich nur die Niederlausitz, wurde aber später für das gesamte umrissene Gebiet gebräuchlich.

Nieder- und Oberlausitz haben ganz verschiedene geologische Geschichte. Die Oberfläche der Niederlausitz wurde wie die des ganzen Norddeutschen Tieflandes durch die Eiszeit geformt, und zwar diurch die Eiszeit des Diluviums in der Neuzeit der Erde. Es gab vier diluviale Eiszeiten mit drei Zwischeneiszeiten.
Das Eis ließ nach der Schmelze fruchtbare grundm,oränen zurück und hügelige Endmoränen, große Sandflächen und viele Seen. Flüsse flossen von Osten nach Westen und gruben die Urstromtäler, in denen sich später die großen Sumpfgebiete ausbreiteten.

Zur Niederlausitz gehören Sperrewald und Fläming (Endmoräne der dritten Vereisung).
In der Oberlausitz liegen das Lausitzer Bergland und das Zittauer Gebirge, beide gehören zu den deutschen Mittelgebirgen. Diese entstanden aus dem großen Variskischen Gebirge aus dem Erdaltertum, das sich im großen Bogen vom französischen Zentralplateau bis zur Mährischen Pforte (bei Mährisch Ostrau) erstreckte. Als in der Tertiärzeit (Beginn vor 60 Millionen Jahren) die Alpen aufgefaltet wurden, zerbrach dieses schon stark abgetragene Variskische Gebirge in einzelne Schollen, abgeschliffene, gerundete Formen.

Die Menschengeschichte ist ganz jung. Spätestens seit der Bronzezeit (1800 bis 800 vor Christus) ist die Lausitz besiedelt. In vorchristlicher Zeit war ganz Norddeutschland germanisch besiedelt (Langobarden an der Elbe, Goten an der Weichsel, Silinger in Schlesien, Markomannen in Böhmen, Quaden inMähren). Während der Völkerwanderung zogen Germanen ab, ab dem Ende des 6. Jahrhunderts wanderten slawische Stämme von Osten in die freigewordenen Räume: in die Niederlausitz die Lusizi, in die Oberlausitz die Milzener. Deren Nachkommen nennen sich jetzt Sorben.

Die rückgewinnung des germanischen Volksbodens begann unter dem ersten deutschen König, dem Niedersachsen Heinrich I., den man den „Finkler“ nennt (in Norddeutschland eher als „Heinrich der Vogler“ bekannt). Er regierte von Quedlinburg aus von 919 bis 936. Er machte sich die slawischen Stämme von der Elbe bis zur Oder und Lausitzer Neiße (Sammelname: Wenden) untertan. Sein Sohn Otto der Große (936 bis 973) richtete 965 die Sächsische Ostmark unter den Wettinern ein. 968 wurde Meißen Bistum und Missionszentrum.

Im 12., 13. und 14. Jahrhundert war die Hohe Zeit der Ostkolonisation. In der Oberlausitz entstanden im 13. Jahrhundert die wichtigen Städte (von West nach Ost): Kamenz, Bautzen, Löbau, Görlitz, Zittau und Lauban (letztere im heutigen Polen, Zittau Grenzstadt, Görlitz heute geteilt).
Diese 6 Städte bildeten 1346 zum Schutze ihres Handels den Oberlausitzer Sechs-Städte-Bund.

Mit wenigen Unterbrechungen gehörte die Lausitz über insgesamt 460 Jahre zu den Ländern der Böhmischen Krone. Przemysl Ottokar II. umritt Zittau und legte damit den Verlauf der zu errichtenden Mauern fest. Kaiser und König Karl VI. (1346 bis 1378) erwarb Schlesien, die Lausitz und die Mark Brandenburg zur Stärkung der Hausmacht der Luxemburger. Nach der Schlacht bei Mohacz 1526 und dem Tode des Jagellonen Ludwig II. erbten die Habsburger das Jagellonenreich: Ungarn, Böhmen mit allen Nebenländern einschließlich der Lausitz.
Nach der Schlacht am Weißen Berge 1620 verpfändeten die Habsburger die Lausitz an den Kurfürsten von Sachsen, waren aber nicht in der Lage, das Pfand wieder auszulösen, wodurch die gesamte Lausitz im Prager Frieden von 1635 endgültig an Sachsen kam.
Durch den Wiener Kongreß 1815 verlor Sachsen, der als letzter treuester bundesgenosse Napoleons eine besondere Strafe erfahren sollte, die Niederlaiusitz und die nördliche Oberlausitz an Preußen.
Am Ende des 2. Weltkrieges fanden an Oder und Neiße heftige Abwehrkämpfe statt. Nach der bedingungslosen Kapitulation (9. Mai 1945) wurden die Länder östlich der Oder und der Lausitzer Neiße durch Beschluß der Siegerkonferenz von Potsdam (im August 1945) unter die Verwaltung der Polen gestellt. Die Bevölkerung war bereits vorher vertrieben bzw. an der Rückkehr in ihre Heimat gehindert worden. Was sich noch in den ostdeutschen Heimatländern befand, wiurde planmäßig in Sammellager geholt, entrechtet, enteignet und vertrieben.
Die Westgrenze Polens ist durch keinen Friedensvertrag festgelegt, aber in verschiedenen Verzichtsverträgen von den Regierungen der deutschen Teilstaaten bzw. der vereinigten Bundesrepublik Deutschland anerkannt. Polen war vom Alliierten Kontrollrat bereits 1945 aufgelöst worden, die Lausitz wurde zwischen den Ländern Brandenburg (Niederlausitz) und Sachsen (Oberlausitz) aufgeteilt.

Für die Sudetendeutschen ist die Lausitzer Landschaft besonders anheimelnd: das hügelige Lausitzer Bergland mit den drei Spreequellen und das Zittauer Gebirge mit der 792 m hohen Lausche. Von dort reicht der Blick weit nach Böhmen: Warnsdorf beherbergte einst die größte Strumpffabrik Europas (Kuhnert, jetzt Immenstad). Überall langgestreckte Straßendörfer mit Umgebindehäusern, wie im früheren Sudetenland auch in der Oberlausitz überall Hausweberei, dann Textilindustrie. Heute stehen viele Fabriken leer – wie im Sudetenland. Eingebrochen ist auch der Braunkohlentagebau in der Niederlausitz mitsamt ihren Folgeindustrien und der Galsindustrie in Weißwasser.

Man sucht ein neues Standbein im Fremdenverkehr: Im Spreewald nördlich von Cottbus mit dem Hauptort Lübben. Das Land um Cottbus zeigt als „Fürst-Pückler-Land“ herrliche Schlösser und Gärten aus dem 19. Jahrhundert. Viele Wander- und Radwege wurden hergerichtet, die Wasserwege sowieso. Braunkohletagebaue werden geflutet und ihre Ufer rekultiviert. So wurde das frühere industrialisierte Land zum Fremdenverkehrsland ausgestaltet. Zwischen Hoyerswerde und Bautzen entstand das riesige Naturschutzgebiet „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“. Bei Bautzen wirde der aus DDR-Zeiten stammende Saurierpark gehörig vergrößert und modernisiert. Viele städte wurden sorgfältig restauriert mit barocken Kirchen und Rathäusern: Kamenz (dort wurde 1729 Lessing geboren), in der Nähe das Kloster Sankt Marienstern – in böhmischem Barock restauriert. Das vieltürmige Bautzen auf dem Granit-Felsmassiv hoch über der Spree ist die „Hauptstadt der Sorben“, deren Minderheitenrechte in den Verfassungen der neuen Länder Brandenburg und Freistaat Sachsen verankert wurden.
In Bautzen sitzt die „Domowina“, der Dachverband der sorbischen Verbände der ganzen Lausitz, die die etwa 50 bis 60000 Sorben kulturell betreuen. Zweisprachige Ortstafeln gehören ebenso dazu wie die Pflege von Trachten und Volksbräuchen.

Geografischer Mittelpunkt der Lausitz ist Löbau. Die Förster-Klaviere kommen von dort. Auf dem Löbauer Berg steht ein hoher gußeiserner Aussichtsturm.
Kurorte in der Oberlausitz sind Oybin und Jonsdorf südlich von Zittau. Von dort führt eine Schmalspurbahn weit durch hügelige Land. Auf dem großen Kalksteinmassiv von Oybin steht eine alte klosteranlage und die Ruine einer Burg, die unter Kaiser Karl IV. prächtig ausgestattet gewesen war.

Zittau ist „Die Reiche“ unter den Oberlausitzer Städten. Tuchindustrie wie in Görlitz – und ein schöner Stadtkern.

Nordöstlich davon das Zisterzienserinnenkloster Ostritz-Sankt-Mariental.

Görlitz, die nun geteilte Grenzstadt an der Neiße, hat eine sehr schön resaturierte Altstadt. Sie ist Treffpunkt der Schlesier, weil die Stadt gescgichtlich im schlesischen Gebiet liegt. Der kleine schlesische Zipfel westlich der Neiße findet sich ja leider weder inm Landesnamen noch in Kreisbezeichnungen wieder.

Zwischen Zittau und Löbau liegt ein Dorf „Herrenhut“. 1722 gründeten die aus Böhmen im Zuge der Gegenreformation vertriebenen „Böhmischen Brüder“ auf den Ländereien des Grafen von Zinzendorf mitten im Walde diese Siedlung unter der „Hut des Herrn“. Seit 1732 ziehen sie als Missionare in alle Welt. Die Herrenhuter zählen zu den evangelischen Glaubensgemeinschaften. Sie sind sehr fromm, verweigern jeden staatlichen Eid, jeden Kriegsdient, anerkennen die 7 (katholischen) Sakramente, ihre Priester leben ehelos. Bedeutendster Böhmischer Bruder und Bischof war Jan Amos Comenius, ein wichtiger Pädagoge (1592 bis 1670). Lange hatte er in Fulnek gelebt und gewirkt.

So hat die Oberlausitz viele Verbindungen zu Böhmen  – und sie ist ein anziehend schönes Reiseland.