KK 1200, 30. März 2005

Martin Schmidt: Görlitz kandidiert aussichtsreich als Kulturhauptstadt Europas 2010
Karin und Karlheinz Lau: Ostpreußen leuchtet traurig
Peter Mast: Über das Schicksal der Dobrudschadeutschen
Norbert Matern: „Flucht und Vertreibung“ im Bayerischen Landtag
Angelika Marsch: Noch einmal zur Reise Ottheinrichs

Bücher und Medien

Literatur und Kunst: Hans Lindemann
Aus der Geschichte des Theaters in Reichenberg
Retrospektive von Herbert Peters in Regensburg
Hans Gärtner: Waldkraiburg feiert Ferdinand Staeger
Ausstellung von Rudolf Riedel in Ratingen
Karl-Dedecius-Preis für Maria Przybylowska und Olaf Kühl

KK-Notizbuch

„Tafelsilber der deutschen Einheit“
Görlitz in Schlesien als aussichtsreiche Kandidatin für die Kür zur Kulturhauptstadt Europas 2010

Die siebenköpfige deutsche Jury hat entschieden: Auf der Kultusministerkonferenz am 10. März schlug sie dem Bundesrat zwei Finalisten für die Vorauswahl zur „Kulturhauptstadt Europas 2010“ vor: Essen und Görlitz. Das Länderparlament dürfte diesem Votum folgen und im Laufe des Sommers die beiden Sieger nach Brüssel melden, wo eine EU-Expertenkommission im kommenden Jahr die endgültige Entscheidung darüber fällt, welche deutsche Stadt – neben einer ungarischen – in fünf Jahren den begehrten Titel der Kulturhauptstadt führen darf. In Konkurrenz zu den Mitbewerbern Braunschweig, Bremen, Halle, Karlsruhe, Kassel, Lübeck, Potsdam und Regensburg wurde die im Freistaat Sachsen gelegene schlesische Grenzstadt Görlitz somit ihrer Favoritenstellung gerecht.
Fremdenführer Lothar Küken gerät sichtlich ins Schwärmen, wenn er über das architektonische Erbe von Görlitz erzählt. Selbst die in früheren Jahrhunderten so häufigen Brände erscheinen dann als kreative Impulse, ermöglichten sie doch einen Wiederaufbau der zerstörten Häuser und Gebäudeteile im jeweils modernen Stil. Dabei wurde das Alte, sofern noch brauchbar, niemals abgerissen, sondern mit der neuen Bauweise verbunden. Im Ergebnis entstand ein architektonisches Mosaik, das nicht nur Kenner fasziniert.
Zum Glück blieb die Stadt an der Neiße vom Bombenkrieg vor 60 Jahren verschont und nennt heute die größte geschlossene Altstadt der Bundesrepublik Deutschland ihr eigen. Ohne Zweifel zählt Görlitz zu den sehenswertesten Städten des Landes, und nicht wenige Besucher nennen sie die schönste zwischen Rhein und Oder. Alle Stile vom Hochmittelalter bis ins 20. Jahrhundert sind vertreten. Über 3600 Bauwerke stehen unter Denkmalschutz – mehr als in jeder anderen bundesdeutschen Kommune. Kenner wie Gottfried Kiesow, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und verdienter Ehrenbürger der Grenzstadt, jubeln: „Gotik, Renaissance, Barock und Gründerzeit, Görlitz ist ein Bilderbuch der Städtebaukunst.“
Ein Bummel durch die riesige Altstadt läßt den Besucher aus dem Staunen nicht herauskommen. Überwältigend ist der Eindruck der einst wohlhabenden Handelsstadt. Von den unzähligen Sehenswürdigkeiten seien nur einige wenige herausgegriffen: an erster Stelle der Schönhof, das älteste bürgerliche Renaissancehaus Deutschlands und Domizil des Schlesischen Museums, ferner das Biblische Haus mit seinem Straßenaltar, Obermarkt und Untermarkt, der Nikolaifriedhof mit dem Grab Jacob Böhmes, die Peterskirche mit der wunderschönen Sonnenorgel, die 35 Hallenhäuser von Kaufleuten, der Jugendstil der Straßburg-Passage und des Karstadt-Hauses usw. usf.
Ungefähr 65 Prozent der denkmalgeschützten Bauwerke sind inzwischen in vorbildlicher Weise und mit gewaltigem Finanzaufwand restauriert worden. Schon jetzt kann man sagen, daß die deutsche Wiedervereinigung für die zu DDR-Zeiten besonders vernachlässigte Görlitzer Altstadt gerade noch rechtzeitig gekommen ist, um das Architekturjuwel für nachgeborene Generationen erhalten zu können.
Dennoch drohen für dieses „Tafelsilber der deutschen Einheit“ neue Gefahren: Der nach der Wende begonnene Massenexodus gen Westdeutschland erfaßte auch Görlitz. Gut zwei Millionen Menschen verließen zwischen 1991 und 2003 das Gebiet der untergegangenen DDR; rechnet man die Zuzüge aus dem Westen ab, so ergibt sich ein Verlust von rund 850 000 Einwohnern. Den Statistiken zufolge konnte nur Brandenburg eine wachsende Bevölkerung verbuchen, was jedoch in erster Linie auf die Abwanderung aus dem Moloch Berlin ins Umland zurückzuführen ist. Am stärksten hat der Aderlaß an jungen, oft gut ausgebildeten Fachkräften Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen getroffen. Besonders schlimm ist die Tatsache, daß die Massenabwanderung bis heute nur stark verlangsamt, nicht jedoch gestoppt werden konnte. Aus Dresden verlautete hinsichtlich des Freistaates Sachsen, daß ein Rückgang der Einwohnerzahl von 4,8 Millionen 1989 auf nur noch etwa 3,6 Millionen im Jahr 2030 befürchtet werden muß.
Die Bevölkerung im bis heute abseits der großen Verkehrsströme gelegenen Görlitz schrumpfte seit der Wiedervereinigung von mehr als 90 000 auf knapp 60 000 Menschen. Zur Zeit stehen 10 000 Wohnungen leer, darunter nicht wenige in architektonisch wertvollen Häusern. Nennenswerte Gewerbeansiedlungen blieben aus, und von den einstigen Betrieben sind nur die Reste des traditionsreichen Waggonbaus bedeutsam. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 24 Prozent, tatsächlich dürften es 30-35 Prozent sein.
Auch Fachleute wie der Städteforscher Albrecht Göschel vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin bieten den abwanderungsgeplagten Grenzstädten an Oder und Neiße keine neuen Perspektiven. Eine Absage erteilte Göschel den insbesondere mit Blick auf die EU-Osterweiterung in Görlitz, Guben oder Frankfurt verstärkt aufkeimenden Hoffnungen, der gewaltige Leerstand an Wohnraum könnte sich durch den Zuzug polnischer Pendler oder Zuwanderer nennenswert verringern. Denn etwaige Immigranten aus der Republik Polen würden Orte weiter im Westen der Bundesrepublik Deutschland bevorzugen, meint der Städteforscher. Diese weisen bekanntlich eine wesentlich bessere Arbeitsmarktlage auf. Hinzu kommt, daß das Mietniveau westlich der Grenze für viele Polen noch immer zu hoch ist.
Darüber hinaus klagt beispielsweise der auf polnischer Seite gelegene Teil von Görlitz (Zgorzelec; ca. 40 000 Einwohner) mittlerweile nicht mehr über Wohnungsmangel. Im Gegenteil: Auch hier wandern Menschen ab, allerdings nur in geringer Zahl ans westliche Flußufer, wo im Jahr 2002 gerade mal 600 von 58 000 Bürgern Polen waren. Nur eine kleine Minderheit kann es sich nach Angaben von Gerd Kolley, seines Zeichens Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, „aus Prestigegründen“ leisten, nach Görlitz zu ziehen. Dort wird nach Meinung von Städteforscher Göschel in absehbarer Zeit nichts anderes übrigbleiben, als in großem Stil ungenutzten Wohnraum abzureißen – und zwar nicht nur die häßliche Plattenbauten aus der DDR-Ära.
Immerhin konnte 2003 die Abwanderung jüngerer Menschen erstmals durch den Zuzug von tausend Rentnern mit überwiegend schlesischer Herkunft zumindest quantitativ ausgeglichen werden. Diese suchen die räumliche Nähe zur alten Heimat jenseits von Oder und Neiße, ohne die gewohnten Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik hinter sich lassen zu müssen. Zuversicht stiften auch jene Görlitzer, die Zeichen gegen den Niedergang ihrer Heimatstadt und die um sich greifende Resignation setzen, indem sie den geschäftlichen Neuanfang wagen. Zwar ist die mit zahlreichen Gründerzeithäusern aufwartende Berliner Straße – die Hauptgeschäftsstraße der Stadt – an vielen Tagen gespenstisch leer, aber die über die gesamte Altstadt verteilte Vielzahl an geschmackvoll ausgestatteten Läden in teils herrlichen Räumlichkeiten ist beeindruckend. So manche Großstadt, die über ein Mehrfaches der Einwohnerzahl der Neißestadt verfügt, könnte neidisch werden angesichts der Fülle sehenswerter Antiquitätengeschäfte, Cafés oder Restaurants. Nicht wenige wurden erst in den letzten Jahren gegründet, etwa das anspruchsvolle „Ambiente – Studio für Raumgestaltung“ am Obermarkt, das erst im September 2004 eröffnete „Weihnachtshaus“ in der Fleischerstraße, das zu Weihnachten auf drei Etagen Erzgebirgisches offerierte, oder das Restaurant „Bürgerstübl“ in der Neißestraße.
Hoffnungsträger der nach 1945 geteilten niederschlesischen Grenzstadt ist der Tourismus. Trotz der Fülle von Attraktionen haben allerdings bislang nur wenige Touristen Görlitz „entdeckt“. Selbst viele Vertriebene, die ihre Herkunftsorte in Schlesien besuchen, machen nicht einmal einen Zwischenstopp – aus Unkenntnis. Immerhin weist die Kurve der Besucherzahlen nach oben.
Die Kür von Görlitz zum Wettbewerb „Kulturhauptstadt Europas 2010“ könnte, so die allgemeine Hoffnung, die Bekanntheit deutlich erhöhen. Die Erfolgsaussichten gegen die Ruhrgebietsmetropole Essen dürften gut sein. Angesichts des einzigartigen architektonischen Potentials und der Tatsache, daß man sich gemeinsam mit den östlich der Neiße gelegenen, seit dem 20. Oktober wieder über eine Fußgängerbrücke erreichbaren polnischen Stadtteilen bewirbt, erscheint eine Niederlage auf europäischer Ebene geradezu unvorstellbar.
Man kann es Görlitz und dessen Umland nur wünschen, daß sich die Schönheit der Stadt schnell herumspricht. Gleiches gilt für die Tatsache, daß man in der Grenzregion noch immer wunderbare Immobilien zu Spottpreisen bekommen kann. Wer ortsungebunden arbeitet und nicht nur schön, sondern auch bezahlbar wohnen will, für den ist Görlitz genau die richtige Adresse.
Außerdem hofft man an der Neiße natürlich darauf, daß der EU-Beitritt Polens und Tschechiens für die nunmehr verstärkt in die Mitte Europas gerückten östlichen Grenzregionen mittel- und langfristig eine spürbare wirtschaftliche Belebung bewirkt. Die Perspektive ist ein grenzüberschreitender schlesischer Wirtschafts- und Kulturraum, der sowohl den deutschen als auch den polnischen Bewohnern eine geschichtlich begründete neuartige Identität eröffnet und materiell für beide Seiten von Nutzen ist. Die kommenden Monate des „Deutsch-Polnischen Jahres 2005“ sind eine Nagelprobe, inwieweit es den Politikern mit dieser Vision ernst ist.
Martin Schmidt (KK)

 

Ruinöse Herrlichkeit
Ostpreußen, die heutige Kaliningrader Oblast und der Nordwesten Litauens, bewahrt ein Leuchten, das traurig macht
Wir haben keinen ostpreußischen „Familienhintergrund“, so war der Besuch des Memellandes, der russischen Exklave Königsberg/Kaliningrad sowie der Kurischen Nehrung für uns eine spannende Premiere. Acht Tage machten wir in Nidden, litauisch Nida, Station. Es ist ein rundum schöner Ort mit bunten Holzhäusern, gepflegten Gasthäusern und voller pulsierendem Leben, Treffpunkt vieler Menschen aus allen Teilen Europas, natürlich zahlreicher Deutscher, die zum Teil immer wiederkommen.
Nidden liegt am Kurischen Haff, zum kilometerlangen weißen Sandstrand der Ostsee an der anderen Seite der Nehrung führen zahlreiche Wege über Dünen und durch schattenspendende Kiefernwälder. Abseits des Trubels erlebten wir menschenleere Partien. Einladend sind die zahlreichen gut angelegten Radwege zwischen Haff und Ostsee. Der Radwanderer kann praktisch den gesamten litauischen Teil der Nehrung von der Höhe Memels bis zur Grenze der Kaliningrader Oblast, des russischen Bezirks Königsberg, befahren.
Wer Nidden erlebt, kann gut verstehen, daß Thomas Mann sich hier so wohlgefühlt hat, daß er ein Haus bauen ließ, in dem die Familie zwischen 1929 und 1932 wiederholt ihre Ferien verbrachte. Es liegt auf einer Anhöhe mit wunderbarem Blick auf das Haff. Heute beherbergt es eine Thomas-Mann-Forschungsstätte, getragen von Deutschen und Litauern, sowie ein kleines Museum. In der Saison finden zahlreiche Veranstaltungen statt, die einen guten Ruf haben.
Überhaupt kann festgestellt werden, daß in den früher von Deutschen bewohnten Teilen die Litauer keine Probleme mit der deutschen Vergangenheit haben. Wir beobachteten das in Nidden auf dem Friedhof, in der evangelischen Kirche mit einem deutschen Pfarrer oder im Heimatmuseum.
Auch in Memel und Heydekrug finden sich Spuren aus deutscher Zeit, die von den Litauern als Teil der eigenen Geschichte gepflegt werden. Wer kennt nicht das berühmte Standbild des Ännchens von Tharau oder das prächtige Backsteingebäude der Hauptpost in Memel, selbst an den Aufenthalt der Königin Luise erinnern Inschriften in den restaurierten alten Gassen. In Heydekrug steht das Denkmal von Hermann Sudermann, den hierzulande wohl kaum noch jemand kennt.
Tilsit ist Grenzstadt zwischen Litauen und der Oblast Kalinigrad. Die berühmte, jetzt restaurierte Luisenbrücke überquert den breiten Grenzfluß Memel, drüben betritt der Besucher eine durch und durch russische Stadt. Es fängt mit den Kontrollen kurz hinter der Brücke an, die lebhaft an die Zeiten des real existierenden Sozialismus erinnern. Zentrum der Stadt ist der „Platz des Sieges“ mit dem Standbild von „Opa“ Lenin, wie ihn die jungen Leute nennen. Von diesem Platz führt in Richtung Luisenbrücke die ehemalige Flaniermeile Hohe Straße, wo die Menschen auch heute noch bummeln. Zahlreiche Gebäude zeugen vom damaligen Wohlstand, wenngleich sie verwahrlost wirken mit ihren bröckelnden Fassaden. Neubauten aus sowjetischer Zeit sehen allerdings noch trostloser aus. Der gesamte Wohnungsbestand in der Oblast steht unter kommunaler Verwaltung, der das Geld fehlt, der Sozialismus aber hat den Menschen jegliche Eigeninitiative ausgetrieben. Es sind nicht nur alte Mütterchen, die stundenlang auf Parkbänken sitzen.
Daß Tilsit 1807 europäische Geschichte schrieb, als Napoleon, der Zar und Königin Luise in der Stadt weilten, ist nirgendwo vermerkt.
Genauso zeigen sich auch andere Städte: Ragnit, Gumbinnen, Insterburg, Tapiau, selbst samländische Seebäder wie Cranz. In Palmnicken findet sich die größte Bernsteinmine der Welt, abgeriegelt und streng bewacht. Der Abbau geschieht noch mit alten deutschen Maschinen. Dennoch fördern offenbar auch zahlreiche private „Bergleute“ nebenher, anders ließe sich der schwunghafte Schmuckhandel entlang der Küste nicht erklären.
Die verwahrloste Ruine des Deutschordensschlosses in Ragnit dokumentiert erschreckend, wie wenig die Bewohner auch in der zweiten und dritten Generation mit der deutschen Vergangenheit der neuen Heimat anfangen können. Lichtblicke wie Trakehnen oder die Salzburger Kirche in Gumbinnen sind Ausnahmen. Auch der Königsberger Dom ist eindrucksvoll restauriert, aber schon die Suche nach der ehemaligen Wohnung von Agnes Miegel in einem heruntergekommenen Gebäude in einer Seitenstraße gestaltet sich mühevoll. Immerhin erinnert eine Gedenktafel an die große Ostpreußin.
Ansonsten erlebten wir Königsberg – vielleicht nicht repräsentativ – als mitteleuropäische Großstadt mit starkem Autoverkehr, elegant gekleideten Frauen und zahlreichen Geschäften mit reichhaltigem Angebot. Im Straßenbild fällt auf, daß wenig Uniformen zu sehen sind.
Ostpreußen war eine Kornkammer des Deutschen Reiches. Höfe von Einzelbauern, die zwischen fünf und 100 Hektar bewirtschafteten, wechselten ab mit Großgrundbesitzern, die etwa ein Drittel der Nutzfläche besaßen. Zahlreiche Ruinen sind steinerne Zeugen dieser einst funktionierenden Struktur. Der ruinöse Zustand hat sich noch verschärft, nachdem 1992 die letzten Großraumwirtschaften (Kolchosen) aus sowjetischer Zeit zusammengebrochen sind.
Das Land entwickelt sich zurück zu einer Naturlandschaft. Wildnis breitet sich aus, dennoch wird der Besucher durch die Schönheit der Landschaft mit ihren sanft gewellten Konturen am Horizont entschädigt, Wald wechselt mit Grünland ab, und da ist auch weiterhin der glasklare Himmel. Man kann nachvollziehen, daß diese Eindrücke unzählige Male beschrieben und besungen wurden. Das ist auch heute nicht anders – wir lernten junge Russen kennen, die sich als Ostpreußen bezeichnen.
Lebhaft kann man den Schmerz ehemaliger Bewohner nachempfinden, die ihre Heimat heute sehen. Der Zerfall schreitet fort. Wie die heute dort lebende dritte Generation von Russen ihr Verhältnis zur Geschichte, zur bis 1945 deutschen Geschichte ihrer Heimat bestimmt, ist die Frage. Das kulturelle Erbe muß von deutscher Seite gemeinsam mit den heutigen Bewohnern bewahrt werden. Diese Erkenntnis haben wir mit nach Hause genommen – und wir werden auch aus diesem Grund bestimmt wiederkommen.
Karin und Karlheinz Lau (KK)

 

Personalien
Gotthard Speer, der emeritierte Professor für Musik und ihre Didaktik an der Universität Köln und langjährige Leiter des Instituts für deutsche Musik im Osten, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, ist am 27. Februar 90 geworden.
Dr. Friedrich-Carl Schultze-Rhonhof, Mitglied des Kuratoriums und des Stiftungsrates der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, hat am 18. März seinen 80. Geburtstag gefeiert. Der Pädagoge hat zahlreiche Ehrenämter in Bereichen der gesellschaftspolitischen Arbeit und der Erwachsenenbildung versehen und ist in mehreren Einrichtungen der ostdeutschen Kulturarbeit tätig.
(KK)

 

Umarmt von der Donau, gewürgt von der Geschichte
Ortfried Kotzian sprach im Münchner Haus des Deutschen Ostens über die Dobrudschadeutschen
Seit sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in Rußland die Bedingungen für die in Südrußland und Bessarabien lebenden Deutschen insbesondere infolge des Panslawismus laufend verschlechterten, wanderten manche nach der Dobrudscha ab, in jenes 23 262 Quadratkilometer große Gebiet, das vom Westen und vom Norden her von der Donau umfaßt wird, bevor sie sich ins Schwarze Meer ergießt. Sie tauschten damit die russische mit der türkischen und später der rumänischen Obrigkeit.
Das Schicksal der Dobrudschadeutschen war jüngst das Thema eines Vortrags von Ortfried Kotzian in dem von ihm geleiteten Haus des Deutschen Ostens in München. Kotzian ist der Autor des kürzlich erschienenen Werkes „Die Umsiedler. Die Deutschen aus West-Wolhynien, Galizien, der Bukowina, Bessarabien, der Dobrudscha und in der Karpatenukraine“, Band 11 der Studienbuchreihe „Vertreibungsgebiete und vertriebene Deutsche“ der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, die mit ihm abgeschlossen wurde.
Bei den Dobrudschadeutschen handelt es sich um eine kleine Minderheit. Im Jahre 1930 waren es etwa 13 000 Personen in der insgesamt 811 000 Einwohner zählenden Bevölkerung dieses Landstrichs, die sich außer den Deutschen aus Rumänen, Bulgaren, Türken, Tataren, Russen, Griechen und Armeniern zusammensetzte. Die Rumänen waren mit 330 000 Köpfen die stärkste Volksgruppe. Seit 1878, als der nördliche Teil der Dobrudscha vom Osmanischen Reich an Rumänien übergegangen war und der südliche, anders als 1930, zu Bulgarien gehörte, hatten sie zielstrebig auf die Erlangung einer Mehrheit hingearbeitet. Das geschah vor allem durch eine Bodenreform, die auf Kosten der Bulgaren, der Türken und der Tataren ging und zur Abwanderung eines Teils der letzteren führte. Bis zum Jahre 1909 hatten die Rumänen einen Bevölkerungsanteil von 54 Prozent erlangt. Als Ergebnis des Balkankrieges 1912/13 kam auch die südliche Dobrudscha mit der Hauptstadt Baltschik (mit 6921 Quadratkilometern Fläche) an Rumänien, was durch den Pariser Vorortfrieden von Neuilly von 1919 bestätigt wurde. Infolgedessen wanderten, befördert durch rumänischen Druck, bis 1922 etwa 40 000 Bulgaren ab, ein Bevölkerungsverlust, der durch die Ansiedlung etwa ebensovieler Rumänen aus Mazedonien ausgeglichen wurde. Zugleich wurden damals und später Muslime in die Türkei umgesiedelt. 1940 endlich mußte Rumänien die Süddobrudscha auf Betreiben des Deutschen Reiches an Bulgarien zurückgeben. Bei diesem Stand ist es bis heute geblieben.
Die Deutschen waren, wie Kotzian dartat, in vier Schüben in die Dobrudscha gekommen. Zunächst hatte zwischen 1841 und 1856 Landmangel zur Abwanderung aus Südrußland und Bessarabien ins Türkische Reich geführt. Den Siedlern kam dort ein Ansiedlungsreglement des Sultans zustatten, das zusätzlich zur Einbürgerung die Freiheit der Religionsausübung zusicherte und Steuerprivilegien einräumte. Die Privilegien, die die Siedler in Rußland genossen hatten, nahm der Zar in der Folgezeit zurück (womit auch die bisherige Freistellung vom Wehrdienst wegfiel), so daß es in den Jahren 1873 bis 1878 zu einem weiteren deutschen Siedlerstrom in die Dobrudscha kam.
Dieser dürfte die bisher sehr kleine deutsche Minderheit bewahrt haben vor ihrer Auslöschung, die ihr durch Raubzüge von Tscherkessen drohte, von denen der Sultan 20 000 ins Land geholt hatte. Zwischen 1878 und 1881 kamen abermals Deutsche in die Dobrudscha, die ihnen nun – mehr nach ihrem Übergang an Rumänien (und Bulgarien) mitteleuropäisch erscheinen mußte, und zum letzten Mal, als Auswirkung des verstärkten Panslawismus bzw. Nationalismus in Rußland, von 1890 bis 1893. Jetzt stießen zu der fast ausschließlich protestantischen Minderheit auch Katholiken.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts umfaßte die deutsche Minderheit in der Dobrudscha in rund 40 Gemeinden etwa 9000 Personen, Protestanten, darunter Adventisten und Baptisten, und Katholiken. Unter den Rumäniendeutschen der Zwischenkriegszeit rangierten die Dobrudschadeutschen als rein agrarische Volksgruppe ohne intellektuelle Führungsschicht an letzter Stelle. Da sie sich etwa zur Hälfte aus Landlosen zusammensetzten, waren nicht wenige von ihnen zum Wegzug geneigt. Dem kamen Hitler und der Nationalsozialismus entgegen, die die Splitter deutschen Volkstums in Ost- und Südosteuropa „heim ins Reich“ führen wollten. So wurden die Dobrudschadeutschen 1940, ohne daß sie damals von den Sowjets bedroht gewesen wären, zusammen mit den Deutschen aus Nordsiebenbürgen und der Bukowina ausgesiedelt. 1600 blieben.
Eine Odyssee folgte. Die Expatriierten wurden auf Donauschiffen und in Eisenbahnzügen über Serbien ins Reich transportiert, rassisch klassifiziert sowie zu einem Teil (mehr als 6000 Personen) in den neuen Ostgebieten (vor allem im Warthegau) und zu einem anderen (etwa 6000 Personen) im damaligen Protektorat Böhmen und Mähren angesetzt. Während jene 1945 vor den Sowjets flüchteten, wurden diese nach Kriegsende zu etwa 2000 bis 3000 Personen nach Rumänien zurückgetrieben, wo sie sich vollkommen mittellos in der Dobrudscha wiederfanden, sowie zu 1600 Personen nach Dresden abgeschoben. Etwa 15 000 Dobrudschadeutsche hatten die Heimat verlassen, 13 500 überlebten, 8500 im Westen Deutschlands, 2300 in der DDR, 700 in der Dobrudscha, 4000 im westlichen Europa und 1500 in Übersee. Siedlungsschwerpunkt in der Bundesrepublik wurde Nordwürttemberg um Heilbronn, der heutigen Patenstadt der Dobrudschadeutschen.
Peter Mast (KK)

 

Mit der Heimat verliert man einen Teil seiner selbst
Akademiegespräch über Flucht und Vertreibung im Bayerischen Landtag
„Flucht und Vertreibung – Erinnerung und Gegenwart“, zu diesem Thema hatte Landtagspräsident Alois Glück zum Akademiegespräch in den Bayerischen Landtag geladen. „Sensibel, intensiv und differenziert“, so Glück, sei mit den diesjährigen Gedenktagen umzugehen, zu denen die Jüngeren keinen direkten Zugang mehr haben. Vor allem die Rechten dürften daraus keinen Nutzen ziehen. Zu lange sei die Dramatik der Vertreibung verdrängt worden. Erheblich sei der Anteil der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen am Aufbau Bayerns im Nachkriegsdeutschland.
Akademiedirektor Heinrich Oberreuter zitierte einleitend den Bielefelder Historiker Ulrich Wehler. Die neue Debatte um die Vertreibung sei ein Gewinn, sie wirke befreiend, weil ein abgesunkenes Stück kollektiver Lebensgeschichte jetzt ruhig besprochen werden könne.
Groß war das Interesse am Thema und an der Referentin Helga Hirsch, freie Publizistin in Berlin und Mitarbeiterin von F.A.Z., Die Zeit, WDR, Deutschlandfunk und ARTE. Die durch ihre Bücher und Dokumentarfilme bekannt gewordene Autorin und mehrjährige Korrespondentin in Warschau bekannte sich eingangs als „Linke, die den Weg des Umdenkens hinter sich hat“.
Was für die Deutschen die Vertreibung, sei für die Polen die Aussiedlung, für die Tschechen der Transfer, die Wissenschaft die ethnische Entmischung. Roosevelt und Churchill hätten dies bereits 1943 so gewollt. Das Ergebnis: Jeder fünfte Deutsche mußte seine Heimat verlassen. Die Vertriebenen wurden von den Allierten gezielt auf das restdeutsche Territorium verteilt, „damit sie sich nicht zusammenschlössen“.
Helga Hirsch beschäftigte sich nicht so sehr mit den Ereignissen von 1944 bis 1948, sondern mehr mit den physischen und psychischen Folgen bei den meist unerwünschten Neuankömmlingen, die man vorerst nur allzuoft als „Zumutung“ und Fremdlinge empfand.
Jedes fünfte Flüchtlingskind war noch 1948 untergewichtig. Nur zwei Prozent von denen, die 1945 über sechzig Jahre alt waren, kamen „wieder ins normale Gleis“. Das über Flucht und Vertreibung in der DDR verhängte Tabu erschwerte die Trauerarbeit.
Bis in die Gegenwart dauern die psychischen Belastungen an. Eine Hamburger Studie von 1999 ergab, daß von den befragten vergewaltigten Frauen 62 Prozent unter posttraumatischen Störungen leiden. Überrepräsentiert sind Vertriebene in den Praxen von Schmerztherapeuten. Ein Berliner Psychoanalytiker hielt fest: „Wer die Heimat verliert, verliert einen Teil seiner selbst.“
Norbert Matern (KK)

 

Selbst Verflechtungen hatten eine andere Ebene
Noch einmal zur Reise Ottheinrichs und ihrem künstlerischen Ergebnis
„Eine kulturgeschichtliche Kriminalgeschichte“, so bezeichnete das Bayerische Fernsehen die Entdeckung der Reisebilder des Pfalzgrafen Ottheinrich auf seinem Ritt nach Krakau und Berlin im Winter 1536/37, unter denen sich die frühesten Ansichten von siebzehn schlesischen und acht böhmischen Städten befinden. Erst 1991, d. h. 454 Jahre nach der Reise Ottheinrichs, wurde bekannt, daß der Pfalzgraf einen Zeichner mit nach Krakau nahm, der die Aufgabe hatte, die einzelnen Städte im Bild festzuhalten. Mit der Entdeckung dieser Bilder kamen auch Dokumente ans Tageslicht, die nähere Erkenntnisse zu der Reise brachten. Darüber und über die entsprechende Ausstellung hat Dietmar Stutzer in der KK 1198 berichtet. Die Forschungshintergründe wurden leider ausgespart. Die unmittelbar beteiligte Kunsthistorikerin Angelika Marsch hat ergänzt:
Der Grund von Ottheinrichs Ritt: Er hatte 1531 den Schuldschein des nicht ausgezahlten Heiratsgutes seiner polnischen Großmutter Hedwig geerbt, die 1475 Georg den Reichen, Herzog von Bayern-Landshut, geheiratet hatte (Landshuter Hochzeit). Daß er das Geld auch bekam, beweisen die jetzt im Warschauer Archiv aufgefundenen Quittungen.Wie ist es aber nun zu der Entdeckung der Reisebilder gekommen, der 50 kolorierten Federzeichnungen in der Größe bis zu 80 cm Breite, die keinerlei Hinweise auf den Künstler oder ihre Entstehung geben? Wie konnten die Bilder in den historischen Kontext gestellt werden?
Durch Westermanns Bibliotheksführer der Universitätsbibliothek Würzburg war ich, spezialisiert auf historische Stadtansichten, auf den Bestand früher Ansichten in Würzburg aufmerksam geworden. Ich erkannte bei dem Besuch der Bibliothek dann auch sofort, daß wir hier die früheste Ansichtenfolge nach den Städtebildern in der Schedelschen Weltchronik von 1493 vorliegen haben, z. B. die ersten Ansichten von Berlin, Wittenberg, Leipzig, Liegnitz, Oppeln u.s.w. Wie konnten die Ansichten nun näher bestimmt werden?
Der erste Weg war die Übertragung der Ortsnamen auf eine Landkarte. Es ergab sich eine Rundreise, deren westlichsten Punkt Neuburg an der Donau, den östlichsten Krakau, den nördlichsten Berlin bildete. Nun erfolgte die Datierung der Reise anhand der wiedergegebenen Bauwerke und Ruinen – die Elisabethkirche in Breslau zeigt bereits die Renaissancehaube von 1535, der Dom erhielt aber erst 1541 einen zweiten Turm, der hier noch fehlt. Die Ansichten konnten schließlich zwischen 1536 und 1538 datiert werden. Ein Indiz führte dann zu dem Ausgangsort der Reise, Neuburg an der Donau, dem Sitz des Pfalzgrafen Ottheinrich. Er war also der Reisende.
Ich konnte fünf tschechische, zwei polnischen und drei deutsche Historiker und Kunsthistoriker für die Mitarbeit an der Untersuchung der Ansichten auf ihre Bedeutung für die jeweils gezeigte Stadt und für die Kulturgeschichte gewinnen. Gleichzeitig ging es um die Untersuchung des historischen Hintergrundes der Reise. 2001 erschienen in einem umfangreichen Kommentarband und Faksimileband die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit unter dem Titel „Die Reisebilder Pfalzgraf Ottheinrichs aus den Jahren 1536/37 ...“ (s.u.).
Einige der Ansichten werden nun auch in der Bayerischen Landesausstellung 2005 „Von Kaisers Gnaden. 500 Jahre Fürstentum Pfalz-Neuburg“ zu sehen sein. Besondere Aufmerksamkeit finden die Ansichten aber vor allem in Tschechien und Schlesien. Unter dem Titel „Reise durch Europas Mitte“ zeigte das Deutsche Kulturforum östliches Europa, Potsdam, im vergangenen Jahr in einer Wanderausstellung Reisebilder des Pfalzgrafen Ottheinrich (Faksimile) mit einem dreisprachigen Katalog und Infotafeln in Pilsen, Königgrätz und Prag. Zur Zeit ist die Ausstellung in Grünberg in Niederschlesien zu sehen und wird bis einschließlich 2006 in verschiedenen Städten Schlesiens gezeigt werden.
Die Ansichten sind aber nicht nur für die dargestellten Städte von großem Interesse, die Rundreise Ottheinrichs beweist auch, wie eng die damaligen deutschen Fürstentümer, das Königreich Böhmen, das Herzogtum Schlesien und das Königreich Polen, die heutigen Länder Deutschland, Tschechien und Polen, miteinander verbunden waren. Es waren Verflechtungen auf anderer Ebene als heute im Vereinten Europa, es waren die dynastischen Verbindungen der Königs- und Fürstenhäuser.
Literatur: Die Reisebilder Pfalzgraf Ottheinrichs aus den Jahren 1536/37 von seinem Ritt von Neuburg a. d. Donau über Prag nach Krakau und zurück über Breslau, Berlin, Wittenberg und Leipzig nach Neuburg. Hg. von Angelika Marsch mit Josef H. Biller und Frank-Dietrich Jacob. Anton H. Konrad-Verlag, Weißenhorn 2001. Faksimileband. 50 teilgefaltete Ansichten und 8 Seiten Text mit Reiseroutenkarte. Kommentarband. 504 Seiten mit XII Tafeln und 108 Abbildungen.
Angelika Marsch (KK)

 

Versöhnung über Kriegsgräbern
Nachruf für Hans Linke, den stets jugendlichen Beweger der Jugend
Am 16. Februar 2005 starb der gebürtige Ostpreuße Hans Linke, der sich mit all seiner Kraft für die Belange junger Menschen, für Frieden, Versöhnung und Völkerverständigung eingesetzt hat.
Seine außergewöhnlichen Leistungen, der Aufbau des NRW-Schülerwettbewerbs „Begegnung mit Osteuropa“, der bis heute besteht, und seine langjährige hervorragende Kriegsgräberarbeit mit der DJO-Jugendgruppe „Kant“ sowie später mit der Arbeitsgemeinschaft für die Kriegsgräberarbeit der ostpreußischen Jugend haben bleibende Spuren hinterlassen.
Hans Linke wurde am 20. November 1923 in Johannisburg/Ostpreußen geboren. Nach seiner Schulzeit begann er eine Ausbildung beim Katasteramt in seiner Heimatstadt, die er nach Kriegsschluß beim Katasteramt in Unna fortsetzte und 1950 mit der Staatsprüfung als Vermessungstechniker beendete. Er arbeitete beim Katasteramt des Landkreises Unna und übernahm 1965 das Amt für Zivile Verteidigung beim Landkreis Unna.
Geprägt durch eine schwere Verwundung und durch seine Kriegserfahrungen als junger Offizier begann er 1948, sich in der Jugendarbeit zu engagieren in der Überzeugung, daß der Schlüssel für eine Versöhnung der Völker bei der jungen Generation liegt.
Der Mensch Hans Linke war ein echter Ostpreuße mit vielen Ecken und Kanten, nicht immer einfach im Umgang, aber zuverlässig, gradlinig, ehrlich und unbeirrbar in der Verfolgung seiner Ziele.
Wer sich die Mühe machte, hinter das strenge Äußere zu schauen, konnte einen liebenswerten Menschen entdecken mit einem hintergründigen Humor, der gerne sang und lachte, Geschichten erzählte und diebische Freude daran hatte, seine Freunde „auf den Arm zu nehmen“.
Barbara Schoch (KK)

 

Bücher und Medien

Arroganz im Kulturtransfer bedeutet Ignoranz in der Kultur
Karol Sauerland (Hg.): Kulturtransfer Polen-Deutschland. Wechselbeziehungen in Sprache, Kultur und Gesellschaft, Bd. 3.
Historische Forschungen. Hg. von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen. Bonn 2004,
164 S., broschiert, 11 Euro.
Der Band ist zu beziehen über den Buchhandel oder direkt bei der
Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Kaiserstraße 113, 53113 Bonn, '
Telefon 02 28 / 9 15 12-0, Fax 02 28 / 95 12-29, E-Mail: kulturstiftung@t-online.de
Kulturtransfer vollzieht sich niemals auf Einbahnstraßen. Suggerierte einst der Begriff die einseitige Vermittlung zivilisatorischen Fortschritts, so zeigt sich bei differenzierterer Betrachtung, daß stets mit einem wechselseitigen Geben und Nehmen zu rechnen ist. Dies gilt nicht zuletzt für Sprache, Kultur und Gesellschaft im polnischen bzw. ostmitteleuropäischen Raum, die stets wechselseitig aufeinander einwirkten und dies bis heute tun. Den thematischen Schwerpunkt des vorliegenden dritten Bandes der Reihe – an dem wiederum Historiker, Sprach- und Literaturwissenschaftler aus Polen und Deutschland mitwirkten – bildet das Problem der Arroganz im Kulturtransfer.
Es zeigt sich, daß die moderne Form der Arroganz mit Humanismus und Aufklärung einsetzt: Nun werden äußere, anscheinend objektive Kriterien entwickelt, nach denen man andere als zivilisatorisch zurückgeblieben einstufen kann. Mit dem Fortschreiten nationalstaatlichen Denkens im 19. und 20. Jahrhundert bestimmt Arroganz nicht zuletzt das Verhältnis von Polen und Deutschen unheilvoll. Immerhin lassen sich auch Beispiele dafür aufzeigen, daß Arroganz im Kulturtransfer durch geduldiges Aufeinanderzugehen überwunden werden kann.
Schon die Titel der Aufsätze geben Aufschluß über das breite Themenregister. Hier die Themen: Karol Sauerland: Das Problem der Arroganz im Kulturtransfer; Stefan Kwiatkowski: Superbia in der moralischen Wertung und ihre Bedeutung für den Kulturtransfer; Rafal Siminski: In via errare – Die Arroganz der Kolonisten gegenüber dem Raum Livlands und Preußens im 13. und 14. Jahrhundert; Janusz Tandecki: Die Rezeption des Lübischen Rechts durch die preußischen Städte; Janusz Mallek: Innere Gründe für den Verfall der Reformation in Polen; Ernst Gierlich: Deutsche und „Undeutsche“ – Zur Wahrnehmung der ethnischen Gruppen in der Stadt Reval im 2. Viertel des 17. Jahrhunderts; Karol Sauerland: Fortschritt und Nutzen über alles? Der Diskurs der Aufklärer in Verbindung mit Forsters Aufenthalt in Wilna; Magdalena Niedzielska: Staatsräson und Arroganz – Die nationalen Minderheiten in Ost- und Westpreußen als Politikum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Maria Adamiak: Lauter Arroganz – Mittelalterliche Ostkolonisation als literarischer Stoff im wilhelminischen Deutschland; Ralph Schattkowski: Kulturelle Abgrenzungsprozesse in Westpreußen zwischen Reichsgründung und Erstem Weltkrieg; Marek Podlasiak: Der Streit um die Idee der Gründung einer Universität in Posen (1897-1914); Jaroslaw Klaczkow: Die deutsch-polnischen Beziehungen in der Zwischenkriegszeit und ihre Widerspiegelung in der polnischen evangelischen Presse; Waldemar Grzybowski: Arroganz und Widerstand – Zwei Denkschriften der deutschen Slawisten in der Zwischenkriegszeit; Marion Brandt: Arroganz und Sympathie – Zu den Reaktionen von Stefan Heym und Erich Loest auf den Polnischen Oktober 1956; Katinka Seemann: Was unterscheidet den chlop vom gbur? Kultursoziologische Beobachtungen an einer Synonymengruppe aus Urwörtern und Lehnwort.
(KK)

 

Keine Gelehrtenrepublik, aber viele Gelehrte
Marek Halub, Anna Manko-Matysiak (Hg.):
Slaska Republika uczonych – Schlesische Gelehrtenrepublik – Slezska vedecka obec.
Band 1, ATUT, Wroclaw 2004, 766 S., ISBN 83-89247-64-X
Strenggenommen kann es eine „Schlesische Gelehrtenrepublik“ niemals gegeben haben, denn die staatsrechtliche Entwicklung des Landes zwischen Oder und Sudetengebirge kennt kein Eigenleben wie Venedig. Doch der Begriff ist als Metapher für ein späthumanistisches Gelehrtenambiente zu verstehen.
Durch die „Etablierung einer neuartigen Gymnasialbildung, die von erweiterten Perspektiven bestimmte Fortentwicklung bestehender Disziplinen, die sich prinzipiell auf naturwissenschaftliche, philologische wie auch regionalgeschichtliche Belange ausrichteten, die Förderung eines Schrifttums in der Volkssprache und die daraus resultierende Herauskristallisierung einer neuen Bildungsschicht“, so die Herausgeber in ihrer Einleitung, profilierte sich Schlesien mit dem Zentrum Breslau als eine wissenschaftlich relevante Region. Aus Anlaß der Gründung der Breslauer Jesuitenhochschule 1702 und der darauf rekurrierenden Dreihundertjahrfeiern der heutigen Universität Breslau 2002 entstand ein Editionsvorhaben, das interdisziplinäre internationale Beiträge zu Wissenschaft und Schulwesen in Schlesien enthält. Betreut wird das Vorhaben vom Germanistischen Institut, das mit über 1200 Studierenden nicht nur eine der größten Breslauer Universitätseinrichtungen, sondern der Auslandsgermanistik überhaupt darstellt.
Neben der Philologie und der Literaturwissenschaft wird dort unter Leitung von Prof. Dr. Marek Halub der Kulturgeschichte besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei geht der Blick zurück auf schlesische Überlieferungen und das Wirken von Persönlichkeiten in Relation zur Landschaft, aber es wird auch die historische und politische Entwicklung in den Ländern deutscher Sprache betrachtet. In solch ein breites Lehr- und Forschungsspektrum paßt die gemeinsame Analyse von Forschungstraditionen in und über Schlesien. In jedem Wissenschaftszweig ist es gut, sich der eigenen Geschichte zu besinnen. Nicht nur die vielen Brüche des 20. Jahrhunderts, auch die weitgehend vergessenen bürgerschaftlichen Gründungen forschender und volksbildender Gesellschaften im 19. Jahrhundert, erst recht die überwiegend konfessionell getragenen Bildungseinrichtungen des 18. Jahrhunderts können so wieder ins Blickfeld gerückt werden. Tatsächlich hat Schlesien in dieser Hinsicht – einen notwendig weiten Regionalbegriff jenseits der heutigen administrativen Eingrenzungen und gedanklichen Einengungen vorausgesetzt – viel zu bieten.
Von der offenen Reihe liegt Band 1 vor; Band 2 ist für 2006 vorgesehen. Die rund drei Dutzend Beiträge stammen von deutschen und polnischen Autoren. Sie sind muttersprachlich verfaßt und bieten eine Druckseite Zusammenfassungen in der jeweils anderen sowie auch in tschechischer Sprache. Der Wunsch nach durchgängiger Mehrsprachigkeit ist verständlich, doch ein solches Beginnen scheitert an den hohen Kosten.
Das Spektrum des vorliegenden Bandes ist breit. Er gibt Überblicke zur Breslauer Universitätsgeschichte wie auch zum Studium schlesischer Studenten außer Landes. Natürlich werden viele Wissenschaftler aus fünf Jahrhunderten porträtiert, womit die Serie der „Schlesischen Lebensbilder“ eine andersgeartete Fortsetzung findet. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ist die Berücksichtigung von Persönlichkeiten wie Büsching, Hoffmann von Fallersleben oder Gustav Freytag fast selbstverständliche Pflicht. Weiterführend sind auch die Analysen zu den Inhalten einzelner Zeitschriften oder schlesischer Verlagsprogramme. Das offene Konzept der Herausgeber ist zu begrüßen und erweitert den Horizont in viele Richtungen. Die latente Gefahr, daß im Einzelfall allzu detaillierte Abhandlungen integriert werden, die in anderen Reihen wohl besser aufgehoben wären (so „Michael Willmanns Studien über Proportionen des menschlichen Körpers“), besteht immer. Prinzipiell ist eine chronologische Abfolge gewählt worden, die mit Abhandlungen zur Vita der Heiligen Hedwig beginnt und mit Kurzporträts polnischer Wissenschaftler der Nachkriegszeit endet.
Die neue Reihe bietet eine gute Gelegenheit zum Forschungstransfer, was das Kennenlernen inhaltlicher Zusammenhänge sowie forschender Persönlichkeiten einschließt. Wenigstens bei allen einschlägigen Bildungseinrichtungen und Hochschulbibliotheken wünscht man sich diesen Band, damit die für das heutige Breslau selbstverständliche Identität und Integrität als dem deutschen Kulturraum besonders verbundene Metropole durch inhaltliche Bezugsfelder auch Studierenden und weiteren Interessenten deutlich wird.
Stephan Kaiser (KK)

 

„Weißt du noch ...“ – Arbeit am laufenden Band der Erinnerungen
Dietmar Scholz: Poldi. Eine Erzählung.
amicus Mitteldeutscher Literaturverlag, 96520 Föritz 2004, 237 S.
Vor allem als Lyriker, aber auch mit Erzählungen und Aphorismen sowie als Maler und Karikaturist ist Dietmar Scholz, 1933 in Kunitz im Kreise Liegnitz geboren, heute in Reutlingen zu Hause, bekannt geworden. Jetzt liegt die umfangreiche Erzählung „Poldi“ auf dem Tisch.
In einem Gespräch zwischen zwei alten Schulfreunden, die inzwischen die runden Geburtstage, wohl den 70., bereits gefeiert haben, taucht plötzlich der Name Poldi auf. Es geht in der Erzählung um einen Kriminalfall der unmittelbaren Gegenwart, ein Schüler steht im Verdacht, Fahrräder und Mofas seiner Mitschüler absichtlich unbrauchbar und unauffindbar gemacht zu haben.
Dieser Fall, mit dem sich gerade die Justiz beschäftigt, ist der Auslöser der Erinnerungen an die eigene Schulzeit, als es vielleicht vergleichbare Schulereignisse gegeben hat. Darum die Nennung von Poldi im Gespräch zwischen Deet und Marc.
Es war die Nachkriegszeit, die späten 40er Jahre, als sie ein Schulinternat in der damaligen Sowjetzone besuchten. Der Heimleiter, ein sehr beliebter Lehrer, war plötzlich nicht mehr da, entweder von der Besatzungsmacht verhaftet oder gen Westen geflohen, das Letztere war es dann. Ein neuer Heimleiter, Dr. Leopold Wagner, allgemein nur Poldi genannt, darum auch der Titel des Buches, ein emeritierter Universitätsprofessor, im Buch einmal als „erimitiert“ vorgestellt, tritt an seine Stelle. Er wird mit sehr viel Mißtrauen empfangen, aber dann ist er ein wirklich kluger und weiser Pädagoge und Helfer, ein mit viel Feingefühl ausgestatteter Psychologe, der weiß, wie man mit Schülern der 9., 10. und 11. Klasse umgeht.
Diesen Poldi hätte man jetzt gebraucht, um den aktuellen Kriminalfall zu begreifen und zu verstehen. Eine Fülle von Schülerstreichen und Schulgeschichten werden ausführlich erzählt. Da wurde eine Glasscheibe im Gewächshaus zerschlagen, und Kartoffeln wurden den Bauern aus den Furchen geklaut, Maikäfergeschichten und Tanzstundenprobleme – Erzählungen aus der Schulzeit werden am laufenden Band in Erinnerung gerufen.
Der aktuelle Fall hat dramatisch begonnen, weil Dr. Marc, inzwischen ein angesehener Rechtsanwalt mit einer Sozietät, erst zur Übernahme der gegenwärtigen Geschichte überredet werden muß. Dies versucht und erreicht Deet, „heute Journalist und ein bekannter Schriftsteller“. Dann gibt es dazu nur noch knapp gehaltene Zwischentexte, bis zum Schluß, weil jetzt durch ein Video Verständnis für den angeklagten Schüler Jochen mit seinen verkorksten Kinder- und Jugendjahren aufkommt.
Poldi aus der eigenen Schülerzeit wird zitiert: „Nichts ist so wichtig, wie die Zukunft eines jungen Menschen“, und „weitreichende Wertungen, komplexe Wertfelder, die erwirbt man sich doch erst in einem Leben“.
Die Landschaft und die politischen Umstände, gerade diese mit einzubeziehen hätte ja nahegelegen, werden ausgespart. All die in den Schulgeschichten „mitspielenden Mitschüler“ sind längst im Westen heimisch geworden und können rühmenswerte Karrieren vorweisen: vermögender Häusermakler, Schriftführer einer großen deutschen Zeitung, Leiter eines Forschungslabors, Fabrikbesitzer, Richter, Zusatz: „Das alles überraschte nicht.“ Gesagt werden soll: Schlimmes in der Schule bestimmt nicht den Erfolg im Leben!
Die Erzählung von Dietmar Scholz wird mit Dialogen lebendig gehalten. Leider fehlt das Regionale und zeitbedingte Atmosphärische. Es erscheint nicht unbegründet, wenn im Vorspann gesagt wird: „Diese Geschichte ist ein Produkt der Fantasie. Personen, Geschehnisse sind erfunden, eventuelle Übereinstimmungen zufällig.“
Herbert Hupka (KK)

 

Hommage für Robert Reinick
Am 22. Februar 1805 wurde Robert Reinick in Danzig als Sohn eines angesehenen Handelsherrn geboren. Das elterliche Haus stand der alten Börse, dem sogenannten Artushof, gegenüber. Schon als fünfjähriger Knabe machte Robert erste Tuschzeichnungen und modellierte in Wachs, besonders Kinder- und Engelgestalten. Auf dem Danziger Gymnasium, das er bis 1825 besuchte, trat seine besondere Liebe zur Poesie sowie eine Neigung zur bildenden Kunst deutlich hervor. Er faßte deshalb den Entschluß, Maler zu werden, und begann 1825 mit den künstlerischen Studien in Berlin. Als er dort 1827 im Atelier von Karl Begas Aufnahme fand, widmete er sich über längere Zeit der Historienmalerei.
Ein großer Freundeskreis erschloß sich ihm im Berliner Verein für jüngere Künstler. Auch Danziger Schulgefährten, nun als Studierende in Berlin, sowie der Schlesier Joseph von Eichendorff zählten dazu. Während dieser Zeit verfaßte Robert Reinick zahlreiche Gedichte, die auch auf Fußwanderungen mit Freunden im sonnendurchschienenen Thüringen und dem Harz entstanden.
Gemeinsam mit seinem engsten Berliner Freund, dem in Stettin geborenen, hochgeschätzten Historiker Franz Theodor Kugler, gab Robert Reinick mehrere Liederbücher heraus; besondere Erwähnung verdient das 1833 veröffentlichte „Liederbuch für deutsche Künstler“, das dem Berliner Verein für jüngere Künstler gewidmet wurde. Darin sind u. a. die Vertonungen von zehn Gedichten Eichendorffs zu finden. Dem Schlesier galt Franz Theodor Kuglers und Robert Reinicks freundschaftliche Zuwendung in besonderem Maße.
1831 ging Robert Reinick mit einigen Freunden nach Düsseldorf, um dort die Studien fortzusetzen. Die Herausgabe des in Düsseldorf von ihm entwickelten und mit Künstlerfreunden gestalteten Buches „Liederbuch eines Malers mit Randzeichnungen seiner Freunde“, das 1838 bei seinem Erscheinen mit Jubel begrüßt wurde, brachte Robert Reinick als Malerpoeten über viele Generationen hohe Anerkennung und Wertschätzung. Es gilt bis heute als eine der edelsten Gaben Düsseldorfer Buchkunst.
In Dresden, der Stadt mit ihren berühmten Kunstschätzen und außergewöhnlichen Naturschönheiten, nahm Robert Reinick seinen endgültigen Wohnsitz. Dort galt seine besondere Hinwendung der Entwicklung und Veröffentlichung weiterer Kinder- und Jugendbücher, die im deutschsprachigen Raum schnell Verbreitung fanden und gängiges Lern- und Lesegut in den Schulen, Familien und Vereinen wurden.
Am 7. Februar 1852 verstarb Robert Reinick in Dresden und erhielt auf dem Trinitatisfriedhof ein Ehrengrab. Noch 1943 veröffentlichte der bekannte Buchverlag Velhagen & Klasing in Bielefeld und Leipzig „Märchen, Lieder und Geschichten“ von Robert Reinick, eine Schule in der Hauptstadt Berlin trägt seinen Namen.
Nun haben der renommierte Opern-, Konzert- und Liedsänger Engelbert Kutschera und der zur Weltelite zählende Liedbegleiter Graham Johnson im Rahmen der international anerkannten „Londoner Exklusivreihe“ mit Tonaufnahmen deutschsprachiger Liedkomponisten eine ganz auf Robert Reinick abgestimmte CD herausgebracht. Reinicks Poesie, leicht und humorig, phantasievoll, dabei doch tiefgründig, hat namhafte Komponisten zu zahlreichen Liedvertonungen angeregt, so Robert Schumann, Johannes Brahms, Carl Loewe, Hugo Wolf, Heinrich Marschner.
Dem Künstler-Duo Kutschera/Johnson war es bei der Programmauswahl auch zu dieser Tonaufnahme wichtig, erhaltenswerte Kultur des ehemals deutschen Ostens dokumentarisch aufzuzeichnen. Eine wichtige Ergänzung bietet das alle Fakten enthaltende CD-Beiheft.

Die CD, die auch die Phantasie von Kindern wundervoll beflügelnde Lieder enthält, kann bei
EWS, Sachsenweg 7, 33689 Bielefeld, Tel. 0 52 05 / 36 70, Fax 23 86 00, oder per Mail: info@ews-musik.de
zum Preis von 16,40 Euro zzgl. Versandkosten bezogen werden.

(KK)

 

Literatur und Kunst

Deutsch, dann tschechisch und jetzt tri-national
Die bewegte Geschichte von Brigitte Miras Debüt-Theater im böhmischen Reichenberg
Der plötzliche Tod der bedeutenden Schauspielerin Brigitte Mira am 8. März in Berlin, kurz vor Vollendung ihres 95. Lebensjahres, ist ein Anlaß, darauf zu verweisen, welch wichtige Rolle das Reichenberger Theater für nicht wenige Schauspieler, Sänger und Tänzer gespielt hat. So erfahren wir aus den Memoiren Brigitte Miras, daß ihre Tätigkeit am Reichenberger Theater von September 1932 bis April 1934 ihre wichtigsten Lehrjahre in der Provinz gewesen sind. Denn ihr wurde dort sehr viel abverlangt.
In dieser relativ kurzen Zeit stand sie in 34 Rollen auf der Bühne, da es in Reichenberg alle vierzehn Tage eine Premiere gab. Ihre lebenslang geübte Vielseitigkeit stellte sie schon damals unter Beweis. Sie sang in siebzehn Operetten, drei Opern und tanzte im gleichnamigen Ballett die Puppenfee, wirkte in musikalischen Lustspielen, Singspielen, einem Märchen sowie dem Schauspiel „Mädchen in Uniform“ mit und durfte auch in zwei großen Ausstattungsrevuen nicht fehlen. In Reichenberg stand sie mit dem berühmten Heldentenor Leo Slezak auf der Bühne, der die Angewohnheit hatte, jungen Damen in den Po zu kneifen, was sich Brigitte Mira verbat. Als das nichts half, revanchierte sie sich mit einer schallenden Ohrfeige und hatte fortan ihre Ruhe. Weit charmanter verhielt sich da ihr gegenüber der aus Reichenberg stammende Star des modernen Tanzes Harald Kreutzberg, der nicht nur in seiner Heimat, sondern in vielen Weltstädten sein großes künstlerisches Talent entfalten konnte. Für ihn wie für Brigitte Mira war Reichenberg eine wichtige Station ihrer Karrieren.
Das 1883 mit Schillers „Wilhelm Tell“ eröffnete Reichenberger Theater, eines der gelungensten, bis heute erhaltenen Theatergebäude der Wiener Architekten Ferdinand Fellner und Hermann Helmer, gehört zu den Perlen der Jugendstilbaukunst. Das Haus besitzt darüber hinaus eine ganz besondere Kostbarkeit. Es ist der Bühnenvorhang, der von Gustav Klimt, dem Hauptvertreter des Wiener Jugendstils, stammt.
Bis Anfang September 1944, also 61 Jahre, führte das Reichenberger Theaterensemble alle Stücke in deutscher Sprache auf. Von 1923 bis 1938 gastierte jedoch regelmäßig ein Ensemble aus Olmütz, um die tschechischen Bürger Reichenbergs in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Das Rückgrat des Reichenberger Opernrepertoires waren vor allem die Werke von Richard Wagner. Bevor das Haus im September 1944 geschlossen wurde und die Schauspieler in der Rüstungsindustrie arbeiten mußten, hatte es noch einmal eine glanzvolle Aufführung der „Meistersinger von Nürnberg“ gegeben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch die meisten Reichenberger Schauspieler über die Grenze nach Sachsen vertrieben. Seit dem Herbst 1945 wird auf der Bühne des Reichenberger Theaters nicht mehr deutsch, sondern tschechisch gesprochen. Brigitte Mira hatte 1934 in Bedrich Smetanas „Die verkaufte Braut“ gesungen, und die erste tschechische Spielzeit wurde mit ebendieser Oper eröffnet. 1954 gab es einen Smetana-Zyklus. Es war dies die erste Gesamtaufführung der Werke Smetanas in der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg. Drei Jahre danach erhielt das bislang namenlose Theater eine sehr schöne Bezeichnung. Es heißt seitdem nach dem Begründer der modernen tschechischen Literaturkritik Frantisek-Xaver-Salda-Theater. Voller Dankbarkeit denken deutsche Emigranten an Salda, der 1933 ein Hilfskomitee für deutsche Flüchtlinge gründete, das fortan nur „Salda-Komitee“ genannt wurde.
Bereits seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gehört das Reichenberger Opernensemble zu den führenden Ensembles des Landes, das auch zu Gastspielen in Deutschland, Österreich und der Schweiz weilte. Reichenberg besitzt auch ein eigenständiges Ballettcorps, das bei größeren Inszenierungen Solisten führender Bühnen des Landes verpflichtet. Die 1989 in Reichenberg gegründete „Experimentelle Tanzschule“ ist die einzige ihrer Art in Tschechien.
Nach der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei und dem Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union sind Gastspiele und Kooperationen mit Bühnen im Dreiländereck Deutschland-Tschechien-Polen einfacher geworden. Musikinstrumente und Requisiten werden nun nicht mehr an der Grenze bürokratisch in lange Formulare eingetragen. Doch trotz EU ist das Kooperationsabkommen zwischen dem Frantisek-Xaver-Salda-Theater und dem Görlitzer Musiktheater noch immer vierhundert Seiten lang! Beide Theater inszenieren in diesem Jahr die Oper „Boris Godunow“ gemeinsam. Allein wären weder die Reichenberger noch die Görlitzer in der Lage, eine so große Oper zu inszenieren.
Nicht selten unterstützt Reichenberg Görlitz bei Opernaufführungen, verstärkt den Theaterchor oder entsendet Solisten des Kinderchors. Fernziel bleibt, ein erstes tri-nationales Theaterensemble Europas zu gründen, das aus deutschen, tschechischen und polnischen Mitgliedern der Theater in Görlitz, Zittau, Reichenberg und dem niederschlesischen Hirschberg bestehen soll.
Sehr gut hat sich auch die Kooperation zwischen dem Orchester des Reichenberger Salda-Theaters und des Sorbischen National-Ensembles in Bautzen entwickelt. Das funktioniert auch aus sprachlichen Gründen hervorragend, da Tschechen und Sorben sich ausgezeichnet verständigen können. Für jede Spielzeit sind mindestens zwei gemeinsame Konzerte vereinbart worden, die jeweils in Bautzen und Reichenberg dargeboten werden. Die Chefdirigenten der beiden Orchester dirigieren am Abend abwechselnd Sinfonien und sind mit dem vergrößerten Orchester auch schon im polnischen Hirschberg aufgetreten. Man „leiht“ sich außerdem gegenseitig Musiker aus, wenn durch Krankheit Ausfälle zu beklagen sind.
Die Kooperation zwischen den Ensembles in Reichenberg, Görlitz und Bautzen ist für beide Seiten vorteilhaft, da seit der Erhöhung der Mehrwertsteuer in Tschechien auch dort das Geld für die Kulturarbeit knapper wurde. Noch verfügt das Reichenberger Theater über 270 Mitarbeiter, während es in Görlitz nur noch 182 sind. Aber wenn man die Chöre, Orchester und Solisten bei verschiedenen Aufführungen vereinigt, teilt man sich danach die Inszenierungskosten.
Sowohl in Reichenberg als auch in Görlitz und Bautzen weiß man aber: Ohne die Erweiterung der Europäischen Union wären die Vorhaben im Bereich der Kultur mit den Nachbarn nicht möglich.
Hans Lindemann (KK)

 

Demut und Beseelung
Retrospektive Herbert Peters in Regensburg
Der 1925 in Ragnit, Ostpreußen, geborene, mehrfach (u. a. 1999 mit dem Lovis-Corinth-Preis) ausgezeichnete Bildhauer Herbert Peters feiert Ende 2005 seinen 80. Geburtstag. Dieses Jubiläum nimmt das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg zum Anlaß einer Ausstellung, die retrospektiven Charakter hat (bis zum 24. April).
Mit siebzehn Steinskulpturen und Bronzeplastiken im Dialog mit siebenundzwanzig Bleistiftzeichnungen breitet der Bildhauer das klassische Thema der menschlichen Figur zwischen anthropomorphen und geometrisierenden Konzepten aus. Plastische Figuren, körperhafte Stelen und blockhafte Torsi sind auch das Thema seiner Zeichnungen, die mehr oder weniger improvisierend seine bildhauerischen Formideen auf Papier festlegen.
Eröffnet wurde die Ausstellung mit einem Festvortrag von Professorin Dr. Christa Lichtenstern vom Lehrstuhl des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Saarbrücken. Zur Ausstellung erscheinen ein Plakat und ein reich illustriertes Faltblatt mit einer Einführung zu Herbert Peters.
Zusätzlich werden zwei Ausstellungskataloge zum Verkauf angeboten: „Zeichnungen 1962-1986“, Staatliche Graphische Sammlung München, München 1987, für 9 Euro, und „Plastiken und Skulpturen. Werkverzeichnis“, herausgegeben vom Institut für moderne Kunst Nürnberg, Nürnberg 1996, für 12 Euro.
(KK)

 

Mit dem Werk Wurzeln geschlagen
Waldkraiburg feiert den 125. Geburtstag „seines“ Ferdinand Staeger
Ein Maler und Graphiker, der fast zwei Jahrzehnte – bis zu seinem Tod mit nahezu 100 Jahren – in einer Stadt lebte und noch als Greis unglaublich kreativ war, hat fraglos für einen reichen Fundus seines Spätwerks gesorgt. Daß er diesen aber größtenteils in „seiner“ Stadt zurückließ, ist keineswegs die Regel. Ferdinand Staeger ist mit einer hohen Anzahl seiner am Lebensabend entstandenen Bilder in Waldkraiburger Häusern zu finden. Glücklich, wer vor dreißig, vierzig Jahren einen „Staeger“ erstand. Der im März 2005 zum 125. Mal sich jährende Geburtstag des Künstlers ist der oberbayerischen Stadt im Grünen Anlaß zu einer großen Ausstellung im Haus der Kultur.
Die „neue“ Heimat fand der 1880 im mährischen Trebitsch geborene und in Brünn und Prag ausgebildete Ferdinand Staeger mit Hilfe mehrerer Waldkraiburger Persönlichkeiten. Das meiste, was die Jubiläums-Schau erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert, befindet sich in Waldkraiburger Privatbesitz: 60 Ölgemälde, viel Druckgraphik, ein reicher Bestand. Dazu gibt es Möbel aus dem Waldkraiburger Atelier und Erinnerungsstücke zu sehen. Einen Glanzpunkt stellen Staeger-Illustrationen aus der berühmten Zeitschrift „Jugend“ dar, entstanden ab 1908 in München, wo Staeger bis zum Jahre 1943 lebte.
Bis 1908 war Ferdinand Staeger, von seinem 21. Lebensjahr an, zuerst in Prag, dann in Wien freischaffend tätig gewesen. 1905 ehelichte er die Malerin Sidonie Springer. Von 1910 bis 1916 war er Mitglied der Münchner „Secession“, 1914/18 Kriegsmaler. 1923 heiratete er ein zweites Mal: Maria Hofmann. Schon Waldkraiburger Bürger (1957 bis 1976), wurde er 1964 Ehrenmitglied der Münchner Künstlergenossenschaft. 1970 bekam er das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse, ein Jahr darauf den Großen Sudetendeutschen Kulturpreis. Am 16. Oktober 1976 starb Ferdinand Staeger. Noch 1971 porträtierte ihn der Töginger Fotograf Wolfgang Bittner als entschlossenen, ungebrochen tätigen Künstler wohl vor einem seiner frühen Ölgemälde, „Lied an die Erde“, das noch aus der Prager Zeit stammt.
Viele der späteren Werke Ferdinand Staegers gingen bei Luftangriffen in München 1943 verloren oder wurden, im Penzberger Landatelier ausgelagert, ein Opfer der Flammen. Dennoch: Die Hinterlassenschaft des großen Sudetendeutschen, gesammelt von Waldkraiburger Bürgern, ist reich.
Hans Gärtner (KK)

 

Kunst, die aus der Kohle kommt
Der oberschlesische Linolschneider Rudolf Riedel hat sich von den „sozrealistischen“ Anfängen freigeschnitten, zeigt sich in Ratingen
Rudolf Riedel wurde 1941 in Kattowitz geboren. Obwohl der Künstler seit 1989 in Deutschland lebt, ist er seiner Heimat sehr verbunden, was sich auch in seinen Arbeiten niederschlägt. Das Oberschlesische Landesmuseum zeigt bis zum 17. April 35 Linolschnitte aus der Sammlung Stanislaw Gerard Trefon in Ruda Slaska, die 2003 im Schlesischen Museum in Kattowitz (Muzeum Slaskie w Katowicach) ausgestellt wurden.
Sein ganzes berufliches Leben war Riedel in der Montanindustrie tätig. So befassen sich die in dem Zeitraum von 1958 bis 1999 entstandenen Grafiken vornehmlich mit der Themenwelt des Bergbaus und vermitteln einen guten Einblick in das durch die Montanindustrie geprägte, ständigem Wandel unterworfene oberschlesische Industrierevier, seine Bevölkerung und seine Geschichte.
In einigen Arbeiten aus der sozialistischen Zeit wird der Bergbau im Spiegel sozialistischer Propaganda dargestellt. Riedel zeigt in diesen auch formal Stilelemente des sozialistischen Realismus aufgreifenden, teilweise mit politischen Slogans versehenen Grafiken Bergleute bei der Arbeit, spielende Kinder im Schatten der Schlote und Fördertürme, Arbeiterfeste, Chöre, Bergmannskapellen und andere Freizeitaktivitäten dieses Arbeiterstandes.
Großen Einfluß auf sein Werk hatte die Solidarnosc-Bewegung Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre. Riedel half bei der Gestaltung des Werbematerials. 1981 schuf er einen Zyklus von Linolschnitten, der thematisch mit der Solidarnosc-Bewegung und den Ereignissen im Bergwerk Wujek verbunden ist. Nach seiner Übersiedlung nach Deutschland und einer Orientierungsphase ist er jetzt zu den schlesischen Themen zurückgekehrt.
Zur Ausstellung liegt ein Katalog zum Preis von 6 Euro vor.
(KK)

 

Gemeinsam preisgekrönt: Canettis polnische und Gombrowicz' deutsche Stimme
Die Robert Bosch Stiftung verleiht den Karl-Dedecius-Preis an die Übersetzer Maria Przybylowska und Olaf Kühl
Der zum zweiten Mal verliehene Karl-Dedecius-Preis der Robert Bosch Stiftung für polnische und deutsche Übersetzer geht 2005 an Maria Przybylowska und Olaf Kühl. Beide werden für herausragende Übersetzungen ausgezeichnet und für ihre Vermittlungsarbeit zwischen den Nachbarländern geehrt. Die Preisträger waren von einer deutsch-polnischen Jury unter dem Ehrenvorsitz von Karl Dedecius vorgeschlagen worden. Der Preis ist mit je 10 000 Euro dotiert und wird abwechselnd in Deutschland und Polen verliehen. Die diesjährige Preisverleihung veranstaltet das Deutsche Polen-Institut in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kultur-Zentrum am 3. Juni 2005 in Krakau.
Olaf Kühl (geb. 1955) studierte slawische Sprach- und Literaturwissenschaft sowie Osteuropäische Geschichte. In den letzten zwanzig Jahren legte er ein ebenso umfassendes wie gewichtiges übersetzerisches Œuvre vor. Dazu gehören Klassiker des 20. Jahrhunderts, allen voran Witold Gombrowicz, wichtige Autoren des 19. Jahrhunderts: Boleslaw Prus, Henryk Sienkiewicz, Waclaw Berent u. a., sowie Vertreter der zeitgenössischen Literatur von Adam Zagajewski über Andrzej Stasiuk bis zu Dorota Maslowska.
Neben den übersetzerischen Leistungen steht seine Vermittlertätigkeit zwischen der polnischen und der deutschen Kultur, die sich in Aufsätzen zu einzelnen Autoren, in Nachworten und Kommentaren und in seiner Tätigkeit als Herausgeber zeigt. Olaf Kühl hat immer wieder neue polnische Autoren, die zu den interessantesten Stimmen ihrer Generation zählen, für den deutschen Leser erschlossen, allen voran Andrzej Stasiuk, dessen Bücher er zum ersten Mal ins Deutsche übertragen hat. Mit Dorota Maslowskas „Schneeweiß und Russenrot“ ist es ihm 2004 gelungen, einen in Polen ebenso erfolgreichen wie umstrittenen Text auf dem deutschen Buchmarkt bestens zu plazieren.
Maria Przybylowska (geb. 1946) studierte Germanistik in Warschau und Leipzig, arbeitete als Dolmetscherin und Fachübersetzerin in einer Presseagentur, im Rundfunk und an Forschungsinstituten. Mehrere Jahre war sie als Lektorin im Warschauer Verlag Czytelnik tätig. Seit mehr als 30 Jahren übersetzt sie aus dem Deutschen, hauptsächlich in den Bereichen Belletristik, Sachbuch und Kinderliteratur. Der polnische Leser verdankt ihren Übersetzungen die Kenntnis der Werke von Elias Canetti, Horst Bienek („Die erste Polka“), Siegfried Lenz („Heimatmuseum“), Robert Menasse u. a.
Eine besondere Rolle in ihrem Werk spielen Bücher von Elias Canetti. In ihrer Übersetzung erschienen bereits „Die gerettete Zunge“ (poln. Ausgabe 1981), „Die Fackel im Ohr“ (1988), „Das Augenspiel“ (1991), „Masse und Macht“ (1996), „Die Provinz des Menschen“ (1996), „Das Gewissen der Worte“ (1999). In Vorbereitung sind: „Das Geheimherz der Uhr“ und „Party im Blitz“.
Maria Przybylowska verfügt über eine bei Übersetzern nicht alltägliche Tugend: ein schöpferisches Verhältnis zur Muttersprache. Während sie von der eng verstandenen Sprachkorrektheit Abstand hält, sucht sie nach unkonventionellen Lösungen, wodurch sie mutig den Bestand der polnischen Sprache bereichert. Sie erfand für Canettis Stil ein eigenes Sprachidiom auf polnisch, das der Größe seines literarischen Schaffens gerecht wird.
(KK)

 

KK-Notizbuch

Einen ergänzenden Hinweis zu unserem Beitrag über Bibliotheksdatenbanken von Martin Hollender im letzten Heft verdanken wir Dietrich Handt vom Haus Brandenburg in Fürstenwalde: Auch die Bibliothek des Hauses Brandenburg ist dem „Verbundkatalog östliches Europa“ (http:/www.herne.de/voe) angeschlossen. Das Haus verfügt über eine sehr spezialisierte, auf dem Gebiet Ostbrandenburg aber leistungsfähige, allerdings wenig bekannte Bibliothek.

Baltische Seminare für lettische und estnische Studenten (angehende Deutschlehrer und Germanisten) im Baltikum bietet die Ostseegesellschaft e. V. Eine Veranstaltung zu deutschbaltischer Kunst im 19. und 20. Jahrhundert organisieren Babette Baronin von Sass und Prof. Dr. Silvija Pavidis vom 26. bis zum 28. April an der Universität Riga und vom 24. bis zum 26. Mai Maie Keek am Deutschen Kulturzentrum in Dorpat/Tartu.

Unter dem Titel „Nachdenken über ein Paradies“ finden zwischen dem 5. und dem 17. April in Eislingen die 6. Mühlberger-Tage unter Federführung des Kunstvereins Eislingen statt. Themenschwerpunkt der Vorträge und Lesungen ist die Frage nach Heimat und Heimatverlust. Josef Mühlberger hat seine zweite Lebenshälfte in Württemberg verbracht, diese Jahrzehnte sind bisher kaum aufgearbeitet worden. Vom 6. Mai bis zum 5. Juni ist eine Ausstellung über den Schriftsteller, ein Projekt des Museums des Riesengebirgsvorlandes und des Vereins der Freunde Josef Mühlbergers, in dessen Heimatstadt Trautenau/Trutnov zu sehen.

Wlodzimierz Borodziej ist in Frankfurt an der Oder mit dem Viadrina-Preis ausgezeichnet worden. Der 1956 in Wien geborene Professor für Zeitgeschichte am Historischen Institut der Universität Warschau hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, die sich mit der Vertreibung der Deutschen aus Polen sowie der polnischen Widerstandsbewegung befassen.

Das Kulturwerk Danzig e. V. lädt vom 15. bis zum 17. April zum XXVI. Forum Gedanum in das Haus Annaberg in Bonn-Bad Godesberg. Nähere Informationen hält Karl-Heinz Kluck unter Tel. 0 40 / 80 37 82 bereit.

Die Wanderausstellung „Steingewordener Glaube – Kirchliche Architektur im Banat im 18. Jahrhundert“ des Donauschwäbischen Zentralmuseums Ulm ist bis zum 21. April in der Filiale der Sparkasse in Langenau zu besichtigen und wird am 14. und 15. Mai in Fürth gezeigt.

Haus Schlesien in Königswinter zeigt vom 10. April bis zum 17. Juli Bunzlauer Keramik aus dem Germanischen Nationalmuseum.
(KK)