KK 1119 vom 20. September 2000/ 11
Kampf um das Recht auf Rechtsprechung
Landesordnungen in Preußen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert
Der Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert ist in der preußischen Gesetzgebung gekennzeichnet durch den Erlaß von Landesordnungen. Daneben galten im wesentlichen das Kulmer Recht: ein allgemeines Gesetzbuch, welches die Bereiche Staats-, Prozeß-, Sachen-, Vertrags- und Erbrecht umfaßte; und lokale Stadtrechte. Die Regelungsinhalte der Landesordnungen betrafen insbesondere das Wirtschaftsleben und die Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Herzogtum Preußen, im Königlichen Preußen und im Ermland. Daneben enthielten sie auch prozeßrechtliche Bestimmungen sowie Grundstücks- und Erbrecht.

Der Beginn der Landesordnungsgesetzgebung nach dem Ende des Deutschordensstaates ist in den Jahren 1526 bis 1529 von seiten des Herzogtums Preußen und des Ermlandes von dem Versuch einer gesamtpreußischen Kodifikation geprägt. Treibende Kräfte waren dabei Herzog Albrecht von Bandenburg-Ansbach auf herzoglich-preußischer und Bischof Mauritius Ferber auf ermländischer Seite. Die erfolgreiche Umsetzung dieses Projekts wurde jedoch durch die Stände des Königlichen Preußen letztlich erfolgreich verhindert. Die gesamtpreußische Landesordnung trat unter gewissen Vorbehalten zwar für die drei preußischen Territorien in Kraft, fand aber nur im Herzogtum Preußen und im Ermland auch Anwendung.

Im Königlichen Preußen galten ab 1526 die sogenannten Constitutiones Sigismundi, die vom polnischen König Sigismund dem Älteren im Anschluß an die mit der Verbreitung der Reformation auftretenden Unruhen in Danzig erlassen worden waren. Diese Constitutiones tragen einen mehr verfassungs- und prozeßrechtlich geprägten Charakter. Die königlich-preußischen Städte bekämpften in der Folgezeit die Constitutiones, da sie darin einen Eingriff in ihre Hoheitsrechte sahen, während der Adel die Kodifikation befürwortete. Die Auseinandersetzungen führten 1538 zu einer revidierten Fassung, welche die Interessen der Städte etwas mehr berücksichtigte. Die in der Folgezeit immer stärker voranschreitende Integration des Königlichen Preußen in das polnische Staatswesen und Spannungen zwischen dem Adel und den Städten verhinderten eine weitere Zusammenarbeit im Bereich der Landesordnungsgesetzgebung mit dem Herzogtum Preußen und dem Ermland.

Dort ging die Entwicklung recht kontinuierlich weiter, woran auch in der Folgezeit Herzog Albrecht und Bischof Ferber und seine Nachfolger maßgeblichen Anteil hatten. Inhaltlich sind die weiteren Kodifikationen von einer immer stärker werdenden Einschränkung der Rechte der Bauern und der Bindung von Gesinde an die Scholle geprägt, worin sich der zunehmende Einfluß des Adels widerspiegelt, der Arbeitskräfte auf dem Lande halten und einer Abwanderung in die Städte entgegenwirken wollte. Nach dem Tode Albrechts ist im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts ein deutlicher Rückgang der gesetzgeberischen Aktivitäten wie auch der Zusammenarbeit mit dem Ermland festzustellen. Immer stärker werdende innenpolitische Spannungen zwischen Adel und Städten sowie die Integration des Herzogtums in den brandenburgisch-preußischen Staat führten letztlich zu einem Ende der Landesordnungsgesetzgebung; das preußische Landrecht trat an die Stelle der lokalen Kodifikationen.

Im Ermland trat eine letzte Landesordnung im Jahre 1766 in Kraft. Das beruhte auf dem Fehlen anderweitiger Kodifikationen, die ältere Landesordnungen und das mittlerweile ebenfalls veraltete Kulmer Recht hätten ersetzen können. Mit der Eingliederung des Ermlandes in den brandenburgisch-preußischen Staat verlor auch diese letzte preußische Landesordnung ihre Bedeutung, wenn sich auch Spuren ihrer Geltung noch bis ins 19. Jahrhundert verfolgen lassen.

Arndt Wöhler (KK)
Quelle: KK1119 Seite 11. 2000-09-20