Auszug Jaksch 1930-02-22 deutsch

Ein Beitrag zur historischen Wahrheitsfindung über das Zusammenleben der deutschen und tschechischen Bürger in der Tschechoslowakischen „Ersten Republik“. Der Beitrag ist authentisch der stenografischen Auzeichnung entnommen und kann auf den Homepage des Prager Parlaments in vollem Umfang in tschechischer und deutscher Sprache nachgelesen werden.  Hier ein Auszug:
(Der amtliche Text verzichtete auf Umlaute und hatte etliche andere Tippfehler, die zur Erleichterung des Lesens hier berichtigt wurden. Die in deutschem Text eigentümliche Schreibweise „cechisch“ wurde beibehalten, um nicht unnötige Aversionen zu wecken.) 

Auszug aus der Ansprache des Abgeordneten Wenzel Jaksch vor dem Parlament in Prag  am 22. Februar 1930

Ich muß noch ein Kapitel besprechen, das leider ein großes Hindernis der Verständigung der Völker dieses Staates auf dem Gebiete des Schulwesens ist, das Minderheitsschulwesen. Die Konstatierung ist eigentlich überflüssig, daß wir als internationale Sozialdemokraten nicht grundsätzlich gegen die Errichtung von Minderheitsschulen eingestellt sind, im Gegenteil, wir gönnen jedem cechischen Kind, daß es in seiner Muttersprache unterrichtet wird. Aber wir fordern auch für unsere Kinder in den Minderheitengebieten selbstverständlich die Errichtung von Minderheitsschulen. Wogegen wir uns jedoch mit aller Kraft wehren und wehren müssen, das ist die Errichtung von ausgesprochenen Entnationalisierungsschulen.

Wir haben die Überzeugung, daß auf diesem Gebiete das Maß des Zulässigen bereits überschritten ist. Wenn über das Kapitel Minderheitsschulwesen gesprochen wird, so führt man dabei nationale Momente ins Treffen. Man stellt das so dar, als ob hier berechtigte nationale Wünsche auf der einen Seite und nationaler Chauvinismus auf der anderen Seite bestünden. Ich will einige Fakten anführen, wie aus dem Minderheitsschulwesen nicht eine nationale Angelegenheit gemacht wird, sondern vielfach ein ganz gewöhnlicher Geschäftsbetrieb.

Es finden sich auch Deutsche, die ihre Hand dazu bieten, an der Errichtung von cechischen Minderheitsschulen mitzuwirken, weil sie dadurch materielle Erfolge herausschlagen. Typisch ist ein Fall aus unserem oberen Böhmerwaldgebiet. In der Gegend des Ronsperger Waldbezirkes war ein kleiner Geschäftsmann darüber erbost, weil sich die Lehrer an der Gründung einer Konsumvereinsfiliale beteiligt haben. Der Mann hat geschworen, er werde den Lehrern, die an der Gründung der Konsumfiliale mitwirkten, schon zeigen, er werde sie von ihren Arbeitsstellen wegbringen, und der Mann, obwohl er ein Deutscher ist, hat sich mit aller Kraft auf die Gründung von Minderheitsschulen geworfen. Er hat sich verbunden mit dem Staatsanwalt Mika aus Hostau – der Zusammenhang ist gegeben, weil der betreffende Herr bereits vorbestraft ist (Veselost.) – und so bekamen wir eine ganze Reihe von Minderheitsschulen in Orten, wo keine cechischen Kinder vorhanden sind. Die Fälle sind schon erwähnt worden, ich möchte hier den materiellen Teil der Seite beleuchten.

In Althütten Gründung einer cechischen Minderheitsschule, ohne daß cechische Kinder vorhanden sind. Aber die Gründung wurde ermöglicht, weil man einen fur dortige Verhältnisse außerordentlich hohen Mietzins fur die Räumlichkeiten geboten hat. Es wurde für eine gewöhnliche Stube ein Mietzins von 5000 Kc, fur die Bedienung 2000 Kc jährlich bezahlt, dabei der Mietzins auf 3 Jahre voraus bezahlt. Dieselbe Räumlichkeit hat die deutsche Schule, als sie im Umbau begriffen war, mitsamt der Bedienung um 700 Kc jährlich gehabt. Wir sehen also eine Verzehnfachung des Aufwandes. In Unterhütten ein cechisches Kind; fur diese Minderheitsschule wurde eine Stube für einen Mietzins von 6000 Kc jährlich genommen, der deutsche Lehrer bezahlt fur dieselbe Stube 600 Kc jährlich. In Ploß kein einziges cechisches Kind. Man kauft dort eine Holzhütte um 30.000 Kc, die nach dortigen Verhältnissen vielleicht 15.000 Kc wert ist, man adaptiert sie mit demselben Aufwand und nur zu dem Zwecke, damit dort der betreffende Propagator der Minderheitsschule auf den Posten eines Schuldieners avancieren kann.

Wenn wir derlei Fälle feststellen, müssen Sie uns zubilligen, daß uns dabei nicht nationalistische Momente leiten. Es ist aber einfach nicht erträglich, daß daneben in Bischofteinitz eine Mädchenvolksschule mit 60 Kindern besteht und keine Parallelklasse zu erreichen ist. Es ist Erziehung zur Charakterlosigkeit, wenn man einfach lizitiert: Wenn Du in diese Schule gehst, bekommst du einen Anzug und ein paar Schuhe mehr, wenn man den Unverstand der Eltern benutzt; sie haben einen Streit mit dem deutschen Lehrer gehabt, weil er ein schlechtes Zeugnis gegeben hat, weil er darauf besteht, daß das Kind nicht unentschuldigt dem Unterricht fernbleibe –  und aus Rache geben die Eltern das Kind in eine andere Schule. Was uns dabei am meisten ans Herz greift, ist, daß es sich da um die Kinder der Ärmsten, des Dorfproletariats handelt. Sie kommen in die Welt hinaus, sie werden ihr Leben als Taglöhner verbringen müssen. Es ist vor dem sozialen und padagogischen Gewissen nicht zu verantworten, daß man Menschen mit einer so ungenügenden Rüstung in den Existenzkampf schickt. Ich möchte noch einen Fall aus der Umgebung von Pilsen erwähnen, ich erlasse es mir aus begreiflichen Gründen, den Namen zu nennen. Der Bursche, minder begabt, ist aus einer Schule in die andere mit Hilfe eines derartigen Lizitationsverfahrens geschubst worden, heute dient er beim Militär und kann seinen Eltern keinen Brief nach Hause schreiben. Das minderbegabte Kind muß bei diesem System zu Schaden kommen. Deshalb glauben wir, daß hier ein Wandel unbedingt notwendig ist, daß man zu den Notwendigkeiten zuruckkehren soll, die durch die Bedürfnisse der dortigen Eltern und Kinder gegeben sind.

Es ist doch eigentlich ein Anachronismus, daß sich Deutsche und Cechen in diesem Lande wegen der Gründung von Schulen gegenseitig auseinandersetzen müssen. Im Gegenteil, wetteifern sollten wir in der Gründung notwendiger Schulen, da sollte ein edler Wetteifer zwischen uns bestehen. (Tak jest!) Aber durch solche Vorgänge, wie die geschilderten, wird das Verhältnis allerdings vergiftet. Es gibt nur einen Ausweg, die Gewahrung der Schulautonomie. Möge jedes Volk nach seinen besten Kraften sein eigenes Schulwesen ausbauen. Die Einführung der Schulautonomie kann in diesem Lande auf keine unüberwindlichen Hindernisse stoßen, weil schon ein Aufbau in den Orts-, Bezirks- und Landesschulräten im Gerippe gegeben ist. Man braucht diesen Körperschaften nur demokratische Funktionen zu geben, sie demokratisch zusammenzusetzen, sie krönen durch den Überbau eines Reichsschulrates. Daneben konnte auch das Ministerium seine Oberaufsicht führen, denn wir begreifen es, daß es eine Stelle im Staate geben muß, die einen Überblick über die ganze padagogische Arbeit hat. Man sage uns nicht, daß die Gewährung der Schulautonomie den Beginn der Atomisierung des Staates bedeuten würde. Schauen Sie sich doch in der Geschichte um, welch elementaren Drang die Völker nach kulturellem Selbstschaffen haben. Schauen Sie sich unsere Industriegebiete an, das Erzgebirge, Nordböhmen, die einen Kampf auf den Weltmärkten führen müssen. Begreifen Sie, daß wir das Bedürfnis haben, unseren Kindern, die in den schwersten Existenzkampf ziehen, ein Höchstmaß von Bildung zu geben, daß wir selbst Hand anlegen wollen, um unser Schulwesen auszubauen, daß wir das leidenschaftliche Bedürfnis haben, mitzusorgen, wie unser Schulwesen gestaltet wird. Ich glaube sagen zu können, daß die Frage der Schulautonomie der Prüfstein fur den guten Willen der jetzigen Mehrheitsparteien sein wird, (Sehr richtig!) ob diese Mehrheit Willen und Fähigkeit hat auf dem Gebiete der nationalen Verständigung einen ernsten Schritt zu tun. Wenn wir uns nicht auf dem Gebiete des Schulwesens verständigen können, nicht über das Maß der Fürsorge für unseren Nachwuchs, dann ist die Aussicht für die Zukunft sehr trostlos.

Unmittelbar danach spricht der Abgeordnete Hodina:

2. Rec posl. Hodiny (viz str. 23 tesnopisecke zpravy):

Hohes Haus! Der Klagen sind genug erhoben worden, so daß sich jedermann auf deutscher und cechischer Seite ein Bild machen kann über den Zustand des deutschen Schulwesens aller Grade und die darob eingetretene Befriedigung der deutschen Wünsche. Auch Pläne zur Behebung der Mißstände sind genügend aufgezeigt worden.

Noch ein Wort – zum Abschluß – zur Lage unserer Theater. Wir haben nichts dagegen einzuwenden, daß im heurigen Staatsvoranschlag sich das cechische Nationatheater einer höheren Dotierung erfreut. Aber ich verweise darauf, daß sich unsere Provinztheater in gleichschwerer Bedrängnis befinden. Sie werden nicht nur getroffen durch die allgemeine Theaterkrise, sondern auch durch die ungünstigen geographischen Verhältnisse, mit denen sie zu rechnen haben. Wir haben große Industriegebiete wie z. b. das industrielle Westböhmen, wo im Karlsbader Gebiet während des ganzen Winters keine Theatervorstellung stattfinden kann; im Sommer wird fur die Kurgäste gespielt. Wir haben das Verlangen, auch unseren Arbeitern ein Stück Kunst und Erbauung zu bieten. Deshalb verlangen wir, daß auch eine erhöhte Fürsorge unseren Provinztheatern zuteil werde, daß man uns helfe, das kulturelle Niveau der Bevölkerung und des Landes zu heben.

Hier folgen die tschechischen Texte, so wie sie von unserer Böhmen-Korrespondentin an ME übermittelt wurden:

 

Auszug Abgeordneter Jaksch: 

Musím ješte mluviti o kapitole, která je bohužel velkou prekážkou dohody národu tohoto státu v oboru školství, to jest o školství menšinovém. Je vlastne zbytecno konstatovati, že my jako mezinárodní sociální demokrati nestavíme se zásadne proti zrizování menšinových škol, naopak my prejeme každému ceskému díteti, aby bylo vyucováno ve své reci materské. Avšak samozrejme požadujeme i pro své deti v menšinovém území menšinové školy. Proti cemu se však bráníme a musíme brániti s veškerou silou, to jest zrizování škol vyslovene odnárodnovacích. Jsme presvedceni, že v tomto smeru je již prekrocena prípustná míra. Mluví-li se o kapitole menšinového školství, bojuje se pri tom s momenty národnostními. Lící se to tak, jako by zde byly oprávnené národnostní požadavky na jedné strane a národnostní šovinismus na strane druhé. Chci uvésti nekolik fakt, jak se z menšinového školství nedelá otázka národnostní, nýbrž spíše obycejný obchod

Ve Starém Hamru založena ceská škola menšinová, ac tam nejsou ceské deti. Ale založení bylo umožneno tím, že byla za tamní místnosti nabídnuta cinže mimorádne vysoká pro tamní pomery. Za obycejnou svetnici bylo placeno rocne 5.000 Kc nájemného, za posluhu 2.000 Kc, pritom bylo nájemné zaplaceno na tri roky predem. Tutéž místnost mela nemecká škola, když byla prestavována, i s posluhou za 700 Kc rocne. Vidíme tedy, že náklad byl zdesateronásobnen. V Dolní Huti je jedno ceské díte; pro tuto menšinovou školu byla najata svetnice za rocní nájemné 6.000 Kc, nemecký ucitel platí za tutéž svetnici rocne 600 Kc. V Pleši není žádné ceské díte. Tam se koupí drevená chata za 30.000 Kc, která má podle tamejších pomeru ceny snad 15.000 Kc, je adaptována týmže nákladem, a to jenom proto, aby tam príslušný propagátor menšinové školy mohl postoupiti na místo školníka.

Zjištujeme-li takové prípady, musíte nám priznati, že nejsme pri tom vedeni momenty národnostními. Je však proste nesnesitelné, aby vedle toho v Horšovském Týne existovala obecná dívcí škola se 60 detmi, kde nemuže býti dosaženo paralelky. Je to výchova k bezcharakternosti, když se proste licituje: Pujdeš-li do této školy, dostaneš oblek a o pár bot více, když se využívá nerozumu rodicu; ti meli spor s nemeckým ucitelem, ponevadž dal špatné vysvedcení, ponevadž trvá na tom, aby díte bez omluvy nevynechávalo vyucování, a z pomsty dají rodice díte do školy druhé. Co nás pri tom nejvíce bolí, je to, že tu jde o deti nejchudších, o deti vesnického proletariátu, ty prijdou do sveta a budou musiti prožíti život jako nádeníci.

Nelze zodpovedeti pred sociálním a pedagogickým svedomím, aby byli do existencního boje posíláni lidé tak nedostatecne vyzbrojení. Mohl bych ješte uvésti prípad z okolí Plzne, pochopitelne nebudu uvádeti jména. Hoch méne nadaný byl preveden z jedné školy do druhé pomocí takového licitacního rízení; dnes slouží u vojska a nedovede napsati svým rodicum domu ani dopisu. Pri takovém systému musí méne nadané díte utrpeti škodu. Proto myslíme, že tu musí nastati obrat, že nutno se vrátiti k nutnosti, která jest dána potrebami tamních rodicu a detí.

Je vlastne anachronismus, že se Nemci a Ceši v této zemi musí k vuli zakládání škol navzájem sváriti. Naopak, meli bychom závoditi pri zakládání nutných škol, tu by mely býti mezi námi ušlechtilé závody. (Tak jest!) Ale takovým postupem, jak jsem vylícil, se ovšem pomery otravují. Je ješte jedno východisko, poskytnutí školské autonomie. At každý národ vybuduje své vlastní školství podle nejlepších svých sil. Zavedení školské autonomie nemuže v této zemi naraziti na žádné neprekonatelné prekážky, ponevadž kostra k tomu jest již dána místními, okresními a zemskými školními radami. Stací jen dáti temto korporacím demokratické funkce, sestaviti je demokraticky, korunovati je vytvorením ríšské školní rady. Vedle toho mohlo by míti vrchní dozor i ministerstvo, nebot chápeme, že musí býti úrad ve státe, který má prehled o celé pedagogické práci. At se nám neríká, že školská autonomie by byla pocátkem atomisace státu. Ohlédnete se po dejinách, jak elementární snahu mají národové po vlastní kulturní práci. Podívejte se na naše prumyslové území, do Krušných Hor, severních Cech, které musí bojovati na svetových trzích. Pochopte, že cítíme potrebu dáti svým detem, které se vydávají do težkého existencního boje, nejvyšší míru vzdelání, že chceme sami priložiti ruku k dílu, abychom své školství vybudovali, že máme vášnivou potrebu pecovati o to, jak se naše školství utvárí. Myslím, že mohu ríci, že otázka školské autonomie bude zkušebním kamenem pro dobrou vuli stran nynejší vetšiny (Souhlas.), zda tato vetšina má vuli a schopnost udelati ve smeru národnostního dorozumení vážný krok. Nedovedeme-li se dorozumeti v oboru školství, o rozsahu péce o svuj dorost, jsou vyhlídky pro budoucnost velmi smutné.

 

Auszug Abgeordneter Hodina:

Nakonec ješte slovo o situaci našeho divadla. Nemáme námitek proti tomu, že se dostává v letošním státním rozpoctu vyšší dotace ceskému Národnímu divadlu. Avšak poukazuji na to, že naše venkovská divadla jsou ve stejne težké tísni. Jsou postižena nejen všeobecnou divadelní krisí, nýbrž i nepríznivými zemepisnými pomery, s nimiž musí pocítati. Máme velká prumyslová území, jako na pr. prumyslové západní Cechy, kde se v území Karlových Varu nemuže po celou zimu konati divadelní predstavení; v léte se hraje pro hosty lázenské. Žádáme, aby trochu umení a osvežení bylo poskytnuto i našim delníkum. Proto žádáme, aby se dostalo zvýšené péce i našim venkovským divadlum, aby nám tak bylo pomoženo povznésti kulturní úroven obyvatelstva a zeme.

Shrnuji: Nemectí sociální demokrati šli do vlády s poctivou vulí pracovati, zejména v oboru školství, v oboru kulturním. Dejte nám možnost tuto vuli uskutecniti. Neházejte nám do cesty malicherné prekážky. Podarí-li se nám uvolniti zde jednou cestu pro prátelskou spolupráci národu, podarí-li se nám uciniti dobrý pocátek v oboru školství a kulturní politiky, jsem presvedcen, že cinnost této vládní vetšiny neprejde v dejinách tohoto státu beze stopy. Ve smeru formálním prohlašuji, že budeme hlasovati pro tuto rozpoctovou kapitolu. (Potlesk.)

ML 2004-04-05