Schwere Mißhandlungen im Gerichtsgefängnis
Berichter: Otto Langer, Tierarzt. Bericht vom 30. 9. 1946 (Jägerndorf)
Obwohl ich niemals bei einer politischen Partei oder Organisation gewesen bin, wurde ich
am 7. Juni des Jahres 1945 in Braunsdorf verhaftet und in das Jägerndorfer
Gerichtsgefängnis eingeliefert. Dort wurde ich ohne jeden Grund durch einige Tage
hindurch wiederholt schwer mißhandelt. Da ich Tierarzt bin, erschien ich den Tschechen
zur Behandlung der deutschen Mitgefangenen geeignet, die sie nur als Tiere bezeichneten,
auch in den Zellenaufschriften. Dabei bekam ich die entsetzlichen Folgen der schweren
Mißhandlungen zu sehen und war auch wiederholt Augenzeuge solcher Mißhandlungen. Die
Mißhandlungen wurden mit Gummischläuchen, Stahlkabeln, Peitschen, Stuhlbeinen,
Gummiknüppeln usw. vorgenommen. Jeder bekam bei einer Mißhandlung 80-160 Hiebe von
mehreren Leuten. Oft wurden tschechische Zivilisten von der Straße zur Vornahme solcher
Mißhandlungen hereingerufen. Ich sah selbst, wie zwei Leute so zerschlagen waren, daß
sie in zwei Tagen starben. Einer davon war der Gärtner Schmalz aus Olbersdorf.
Einen behandelte ich mit einem Schlüsselbein- und Oberarmbruch, der durch Schläge
verursacht war. Ich beantragte Überführung in das Krankenhaus, die mit den Worten:
"Für Deutsche gibt es kein Krankenhaus", abgelehnt wurde.
Als ich eine deutsche Frau mit einer eitrigen Fußverletzung verbinden wollte, wurde ich
von einem Aufseher daran gehindert: Deutsche sind nur Tiere, es ist schade um den
Verbandstoff.
Ich habe nach den Mißhandlungen viele Körper gesehen, die buchstäblich keinen weißen
Fleck mehr aufwiesen. Drei Häftlinge haben sich in der Verzweiflung wegen der
ausgestandenen Mißhandlungen erhängt, darunter eine junge Frau, deren Leichnam man drei
Tage trotz der großen Junihitze in der Zelle liegen ließ. Als ein Transport von 160 Mann
nach Wittkowitz abging, wurden zahlreiche Häftlinge buchstäblich halb nackt
mitgeschickt, da man ihnen bessere Kleidungsstücke und Schuhe abgenommen hatte. Die
Verpflegung bestand nur aus Wassersuppen, die erste Woche erhielten wir pro Mann und Woche
100 g Brot, später dieselbe Menge zweimal wöchentlich. Infolge der Unterernährung
traten schwere Durchfälle auf, es mangelte an Medikamenten und sanitären Einrichtungen.
In Zellen mit 14,3 qm Bodenfläche waren meistens 17, einigemale 32 Häftlinge
untergebracht. Die Zellentüren wurden ständig geschlossen gehalten, der Kübel zur
Verrichtung der Notdurft reichte bei weitem nicht aus. An Trink- und Waschwasser erhielten
wir pro Tag und Zelle nur einen Dreiliterkrug. Am 7.August 1945 wurde ich entlassen und
durch die Bezirkskommission in Olbersdorf als Tierarzt angestellt. Meine
Frau war unterdessen zur landwirtschaftlichen Arbeit verschickt worden, von der sie
schwere gesundheitliche Schäden davontrug. Wegen dieser wurde sie dann im März zu mir
entlassen. Von unseren Sachen haben wir nie mehr etwas gesehen. Unser Aussiedlungsgepäck
besteht vorwiegend aus Geschenken.
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald