Lager Hodolein, Mißhandlungen
Berichter: Dipl.-Ing. Kurt Domes Bericht vom 17. 1. 1951 (Olmütz)
Am 5. Mai 1945 fuhren meine Frau und ich nach Hombock bei Olmütz. Am 7.
Mai marschierten die Russen ohne Widerstand in den Ort ein. Das war das langerwartete
Signal für alle Tschechen, um zu plündern und zu rauben. Radio Prag verlautbarte Tag und
Nacht: "Znicte nemci na potkání, kde je naleznete!" Zu
deutsch: "Vernichtet die Deutschen bei jeder Begegnung, wo ihr sie
findet!" Diese Mordaufforderung tat der Staatspräsident Benesch persönlich
in seiner Anfang Mai gehaltenen Rede über den tschechischen Rundfunk.
Am 13. Mai um Viertel vor 12 Uhr Mittags wurde ich vom Polizeileutnant Blaha abgeholt. Auf
mein Zögern und den Hinweis, daß es Sonntag sei und daß ich mich morgen melden werde,
erwiderte er schroff: "Nein, das geht nicht, Sie müssen. sofort mitkommen, ich
befehle es!" Mit diesen Worten begann meine Leidenszeit. Auf der Polizeidirektion
wurde ich von Partisanen übernommen. Diese Jugendlichen waren am meisten gefürchtet und
so bekamen auch wir vorerst 25 Hiebe und Stöße mit Gummikeilriemen und
Maschinengewehrkolben. Aus Nase und Mund blutend mußte ich nun mit neun hinzugekommenen
Leidensgefährten in eine Militärschießstätte bei Olmütz marschieren. Unterwegs, bei
Kloster Hradisch, erwartete uns ein Spalier von ca. 30 Personen, meist Frauen mit
Knütteln bewaffnet und schlugen mit aller Kraft auf uns ein. Diesen Sadismus kann man nur
verstehen, wenn man erfährt, daß der tschechische Rundfunk die Morde an Deutschen
organisierte und völlige Straffreiheit verkündete. Die Amerikaner, die bis zur Linie
Pilsen-Prag vormarschiert waren, sahen überall tatenlos den bestialischen Verbrechen der
Tschechen zu. Auf der Schießstätte angekommen, mußten wir uns den Oberkörper
entblößen, bekamen Krampen und Schaufeln zugeteilt und unter dauernden Schlägen von
Bewachungspersonal und Zuschauern mußten wir die Leichen von 22 Männern und einer Frau
ausgraben. Es wurde uns mitgeteilt, daß auch wir erschossen und begraben werden, bis wir
die Leichen geborgen hätten. Es kamen immer mehr Tschechen hinzu, die an den allgemeinen
Prügeleien an uns teilnahmen. Plötzlich erschien ein Russe in Begleitung eines
Tschechen, holte einen Mann aus unseren Reihen, ging mit ihm hinter den Schießstand und
nach einigen Minuten hörten wir einen Schuß. Unseren Kameraden sahen wir nie mehr
wieder. Als die Toten ausgegraben waren, mußten wir die Leichen unter dauernden
Mißhandlungen abwaschen, in Särge legen und auf Lastwagen verladen, während ein
Tscheche die ganze Begebenheit filmte. Am Abend um 21 Uhr wurden wir trotz der
Todesdrohung in das Kriminal-Gefängnis von Olmütz eingeliefert, wo wir auf einem
schmalen Gang, mit dem Gesicht zur Wand Aufstellung nehmen mußten. Nun ging die Prügelei
wieder los. Hauptsächlich wurden Kopf und Gesäß traktiert, bis wir aus Mund und Nase
bluteten. Anschließend wurden wir in enge Zellen gestoßen und mußten einen Raum von 10
qm mit sechs Leidensgenossen teilen. Auf kaltem Betonboden und ohne Decke mußten wir
schlafen, mit den Schuhen als Kopfkissen. Ein offener Kübel diente den Bedürfnissen und
nur einmal in 24 Stunden wurde das Fenster 15 Minuten geöffnet. Die ersten zwei Tage
bekamen wir überhaupt nichts zum Essen. Am dritten Tag bekamen wir gänzlich fettlose
Wassersuppe, die unsere Hauptmahlzeit blieb.
Nach zwei Monaten, als ich mich nur noch an der Zellenwand aufrecht erhalten konnte, wurde
mir mitgeteilt, daß ich nachhause gehen könne, da gegen mich nichts vorliege. Ein
Gefängnisaufseher führte mich in die Kanzlei und dort schrieb man einen sogenannten
Entlassungsschein, der aber nicht mir, sondern einem anderen Polizisten übergeben wurde,
der mich aufforderte, ihm zu folgen. Auf meinen Hinweis, daß ich doch entlassen sei und
nachhause gehen könne, erwiderte er: "Sie kommen schon nachhause, aber über das
Konzentrationslager Hodolein." Nur wer das berüchtigte Todeslager
kannte, in dem nach vielseitigen Aussagen von Mai bis November 1945 über 3500 Deutsche zu
Tode geprügelt wurden, kann meinen furchtbaren Schrecken verstehen. Der Polizist führte
mich in das Lager Hodolein und übergab mich dem Lagerkommando. Ich wurde in Baracke 2
beordert und stand in der Aufnahmekanzlei einem alten Bekannten gegenüber. Er erklärte
mir, daß ich während der Dauer der Internierung unbedingt Titel und Rang verschweigen
solle, da man gegen die deutsche Intelligenz rücksichtslos vorgehe. Es war Forstrat Ing.
Cepe, ein Wiener im Alter von 60 Jahren, der mich auf die Leiden, die mir nun
bevorstanden, aufmerksam machte. Der Protektor des Lagers war Dr. Rehulka aus Olmütz,
Mitglied der tschechischen christlich-sozialen Partei, ein fanatischer Chauvinist. Ich
verbrachte in diesem Lager volle elf Monate.
Das Lager Hodolein war ein Barackenlager mit einer dauernden Belegschaft von ca. 3-4000
Internierten. Nach Todesfällen oder Entlassungen wurde die Belegschaft dauernd durch
Neuzugänge aufgefüllt, sodaß allein in diesem Lager innerhalb eines Jahres, von Mai
1945 bis Mai 1946, ca. 17.000 Deutsche inhaftiert waren. Die Aufseher, zum großen Teil
Jugendliche übelster Sorte, waren die geborenen Sadisten. Besonders unter dem Einfluß
von Alkohol wurden die Gefangenen viehisch mißhandelt. Ohrenbetäubender Lärm und
Brüllen ließen uns fast jede Nacht erzittern. Da wurde ein Kamerad aus unseren Reihen
gerissen und den langen Gang der Baracke hin und her gehetzt, mit Kupferkabeln, Keilriemen
und Stöcken solange traktiert, bis er liegen blieb. Blieb der Mißhandelte am Leben und
erstattete er am nächsten Tag eine Anzeige, so war es sicher, daß er die nächste Nacht
nicht mehr überlebte. Das Totprügeln geschah stets in der Zeit gegen Mitternacht, da
wurden dem Unglücklichen zuerst die Nieren losgeschlagen und er solange traktiert, bis er
leblos liegen blieb. Einer der übelsten Totschläger dieses Lagers war der mir bekannte
Eisendreher Smetana aus Olmütz-Neugasse.
Am 27. Oktober 1945 wurde ich aus dem Zimmer nach der Baracke 12 in das Wachzimmer
befohlen und von drei Jugendlichen unter Aufsicht des berüchtigten Smetana auf das
gemeinste traktiert, wobei sich alle drei im Schlagen abwechselten. Ein Zufall rettete
mich aus dieser furchtbaren Lage. Zwei Polizisten trafen mit einem Transport von ca. 30
Mann aus dem Sudetenland ein. Ich bekam einen Fußtritt, daß ich wie ein Blatt Papier
gegen die Tür flog, während der Totschläger mich anbrüllte: "Du wirst Dich morgen
um 12 Uhr Nachts hier melden, da werden wir dich fertigmachen, bis du krepierst!"
Zerschlagen und am ganzen Körper zitternd kam ich in meine Baracke zurück und konnte vor
Schmerzen, Verzweiflung und Schrecken nicht mehr schlafen. Morgens meldete ich mich sofort
zur Arbeit, um in der Mittagspause mit Erlaubnis des Aufsehers einen mir befreundeten
Professor zu besuchen. Der tschechische Professor ging sofort zur Polizeidirektion und
sagte dem Polizeidirektor, er dulde die Mißhandlungen nicht, wenn ich etwas getan hätte,
so sei das Volksgericht zur Bestrafung zuständig. Daraufhin brüllte ihn der
Polizeidirektor an, er werde ihn einsperren lassen, wenn er sich für Deutsche einsetze.
Der Professor erwiderte, er möge ihn ruhig einsperren, aber er dulde unter keinen
Umständen, daß ein anständiger Mensch, den er kenne und für den er garantiere, so
mißhandelt werde. Diese Unterredung hatte doch Erfolg, denn als ich am Abend aus der
Arbeit kam und den Arbeitsschein abgab, sagte mir ein Polizist, ich möge meine Sachen
nehmen und mit ihm kommen. Er führte mich in die Polizeibaracke 6 und sagte mir, daß
mich hier niemand belästigen dürfe. Doch in der Nacht um 12 Uhr öffnete ein anderer
Wachposten alle Zellentüren und fragte nach den Namen der Insassen. Ich nannte ihm einen
falschen Namen. Der Posten knallte die Tür zu und schrie, das Schwein sei nirgends zu
finden. Vor der Baracke hörte ich den Totschläger Smetana brüllen: "Diesen Hund
werden wir solange suchen, bis wir ihn finden und dann machen wir ihn fertig, diesmal
entweicht er uns nicht." Sicherlich hatte die Wache von meiner Intervention erfahren
und wollte sich rächen. Am nächsten Morgen ging ich wieder zur Arbeit und mittags zum
Professor. Der Professor veranlaßte nun, daß ich von einem Kloster als Diener
angefordert wurde. Ich wurde auch sofort abgeholt. So entrann ich dem sicheren Tode im
Lager Hodolein.
Daß mein Schicksal doch nicht zu den Schlimmsten zählte, erfuhr ich kurz darauf von
meinem Schwager Stephan Wallaschek, Schlossermeister, Olmütz, Blasiusplatz 23, der
gleichzeitig in diesem Lager inhaftiert war. In den ersten Wochen mußte er Blindgänger
ausgraben und nachts wurde er mit seinen Leidensgenossen gezwungen, in tiefer Hocke zu
schlafen. Hinlegen war strengstens verboten. Bei den täglichen Appellen wurde mit Riemen
und Stöcken traktiert. Nachts wurde er herausgeholt, über vier Stühle gebunden und
solange geschlagen, bis er regungslos war. Dann wurde er mit brennenden Zigaretten
versengt und wenn er darauf noch ein Lebenszeichen gab, bis zur völligen Bewußtlosigkeit
geschlagen. Diese Prozedur mußte er insgesamt viermal über sich ergehen lassen. Als sich
mein Schwager nur mehr mühsam mit den Händen an der Wand fortbewegen konnte, wurde er
vom Lagerrichter mit folgenden Worten entlassen: "Über Sie liegt hier nichts vor,
schauen Sie, daß Sie nachhause kommen!" Mit losgeschlagenen Nieren, mit
ausgeschlagenen Zähnen und auf einem Ohr taub kam er dann nachhause. Noch nach einem Jahr
konnte er nicht mühelos einen Fußweg von einigen hundert Metern bewältigen.
Im Nonnenkloster als Diener eingewiesen, wurde mir von der Oberin sofort gesagt, daß ich
das Kloster nicht verlassen dürfe, da ich sonst in größter Lebensgefahr sei. Der
tschechische Professor besuchte mich täglich, ebenso meine Frau, sodaß ich sie zum
ersten Male über meine Erlebnisse informieren konnte.
Infolge der Unterernährung erkrankte ich im Kloster und bekam ein Karbunkel von
Faustgröße am Gesäß, sodaß ich mich bald nicht mehr bewegen konnte. Auf Anordnung des
Arztes sollte ich operiert werden, jedoch nahm mich das Krankenhaus mit dem Bemerken nicht
auf, daß kein Deutscher behandelt werde. Ein tschechischer Arzt schrieb auf die
Rückseite des Krankenscheines: Deutsche nicht angenommen! Mein ehemaliger Hausarzt
behandelte mich dann völlig kostenlos und nach sechswöchiger Krankheit wurde ich von
einer Klosterschwester aus dem Kloster gewiesen. Nun wurde ich wieder in das Lager
Hodolein eingewiesen und wandte mich in meiner Angst an einen Pfarrer, der erreichte, daß
ich in den Städtischen Bauhof als Arbeiter eingewiesen wurde. Ich war zwar unter Aufsicht
und mußte bei jedem Wetter zur Arbeit ausrücken, wobei man mich als ehemaligen Stadtrat
mit Vorliebe vor dem Rathaus Straßenkehren ließ, aber wir wurden nicht mehr soviel
mißhandelt wie im Lager Hodolein.
Eines Tages wurde ich von einem Geheimpolizisten wieder verhaftet und in den Polizeibunker
gebracht und am vierten Tag der Ungewißheit in das Kriminalgefängnis zum zweiten Male
eingeliefert. Ein Verwandter verständigte meine Frau, die sich bei der Polizei
erkundigte, was gegen mich vorliege. Dort erklärte man ihr, es liege gegen mich nichts
von Bedeutung vor und ich werde sicherlich schon am nächsten Tag entlassen werden. Monate
der Gefängnishaft vergingen, auf Betreiben meiner Frau nahm sich ein mir bekannter
Rechtsanwalt des Falles an. Bei der Einsichtnahme in meine Akten bei Gericht ersah er,
daß tatsächlich gegen mich nichts vorlag und erreichte meine Entlassung, nach
sechsmonatiger Haft. Zu diesem Zeitpunkt war ich nun ohne jede konkrete Anschuldigung und
nur wegen meiner nationalen Zugehörigkeit zum Deutschtum über zwei Jahre inhaftiert,
eingekerkert oder interniert.
Die vorliegende Schilderung meiner Erlebnisse in meiner Heimat entsprechen der Wahrheit.
Ich habe mich bemüht, sachlich und objektiv zu sein und wenn manches übertrieben
dargestellt erscheint, so mögen meine Leidensgenossen die Richtigkeit bestätigen.
Aus: Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Überlebende kommen zu Wort.
Originalausgabe: Selbstverlag der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher
Interessen, 1951
Einleitung und Bearbeitung von Dr. Wilhelm Turnwald