Gebhard Heinrich   
Sudetendeutsche Heimatkunde   

© 2002    Alle Rechte vorbehalten   
Verfasser und Herausgeber: Gebhard Heinrich,
76199 Karlsruhe   
Reinhold-Schneider-Straße 124

 

Inhaltsverzeichnis
Das Sudetenland: Raum und Menschen
Die Landschaften
Böhmerwald und Südböhmen
Egerland
Erzgebirge und Egergraben
Elbetal und Böhmisches Mittelgebirge
Lausitzer- und Jeschkengebirge mit dem Reichenberger Becken
Iser-, Riesen- und Adlergebirge
Nordmähren und Schlesien
Südmähren
Die Iglauer Sprachinsel
Landkarte von Böhmen, Mähren und Schlesien
Die Geschichte des Sudetenraumes
Karte der deutschen Siedlungsgebiete im 14. und 20. Jh.
Die sudetendeutsche Wirtschaft
Das Sudetenland in Zahlen
Bedeutende Gestalten aus dem Sudetenraum
Zeittafel zur Geschichte und Inhaltsverzeichnis
Das Wappen der Sudetendeutschen

DAS SUDETENLAND   
Raum und Menschen

Sudetenland, das war das Siedlungsgebiet von 3,5 Millionen deutschen Menschen in den Ländern Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien. Hier bewohnten die Sudetendeutschen bis 1945 auf rund 27000 qkm zum größten Teile die Randlandschaften von Böhmen und Mähren und deren Vorland, sowie ganz Westschlesien und einige Sprachinseln innerhalb des tschechischen Raumes. Das war ein Drittel der Gesamtfläche dieser Länder, die heute die Tschechische Republik bilden.

Der Name „Sudetendeutsche“ ist jüngsten Datums. Erstmals gebrauchte diese Bezeichnung der deutsch-böhmische Senator Franz Jesser zu Beginn dieses Jahrhunderts als Sammelbegriff für alle Deutschen Böhmens, Mährens und Sudetenschlesiens. Als 1918 die Tschechoslowakische Republik gegründet wurde und 1919 durch die Pariser Friedensverträge in ihren Grenzen festgelegt und international anerkannt wurde, setzte sich der Name „Sudetendeutsche“ rasch und allgemein durch, zumal die tschechischen Behörden die früher üblichen Bezeichnungen „Deutschböhmen“ und „Deutschmährer“ nicht duldeten. Deutsche Tschechoslowaken wollten sie nicht sein und waren sie auch niemals.

Von dem Sudetengebirgszug trägt der Raum den Namen; er gab ihn auch den Menschen, die diesen Raum bewohnten. So nannten sich die deutschen Stammeszweige, die der C.S.R. einverleibt wurden, als nationale Gemeinschaft von nun ab Sudetendeutsche. Aus landsmannschaftlichen, landschaftlichen und durch verschiedene Nachbarschaften unterschiedlich geprägten Böhmerwäldern, Egerländern, Nordböhmen, Schlesiern und Südmährern wurden die durch ein gemeinsames Schicksal geformten Sudetendeutschen.

Viele deutsche Stämme hatten im Mittelalter ihre Söhne als Pioniere der Kolonisation nach Böhmen und Mähren entsandt. Schon aus dem Klang der Mundaxt konnte man schließen, aus welchem Stammesraum die Vorfahren der hier Wohnenden einst gekommen waren. Die Bayern, die Franken, die Sachsen, die Thüringer und die Schlesier, sie alle konnten jenseits der Gebirge des Sudetenlandes vertraute Laute ihrer eigenen Mundart wiederfinden.

Betrachtet man die europäische Landkarte, so stellt man fest, daß Böhmen ein Herzland des Kontinents ist und eine geschlossene geographische Einheit darstellt. Die Randgebirge des böhmischen Kessels erscheinen wie die Mauern einer Festung. So wahr Böhmen in gewissem Sinne wirklich eine Festung Mitteleuropas ist, so wenig ist es jemals ein abgeschlossenes Land gewesen. Seine große Bedeutung liegt vielmehr darin, daß es seit je ein Durchgangsland war, da sich in Böhmen und Mähren die großen europäischen Nord-Süd- und West-Ost-Straßen überschneiden.

Die geopolitische Mittelpunktlage wird durch die zentrale Lage der Hauptstadt Prag besonders betont. Zeichnet man von Prag aus konzentrische Kreise auf einer Europakarte ein, so kann man feststellen, daß die Entfernung nach Berlin, Wien, München, Preßburg und Posen etwa gleich ist. Dem Abstand von Prag nach Hamburg entspricht im Osten die Entfernung nach Warschau, im Westen die nach Köln, im Süden nach Triest und im Südosten nach Budapest.

Wenn man nach den genauen Grenzen des Sudetenlandes fragt, wird es etwas schwieriger. Denn wo zwei Völker aneinander grenzen, ergeben sich hinüber und herüber so viele Verbindungen, daß man keine Trennungslinie ziehen kann. Auch die Ränder geschlossener Sprachgebiete sind dort, wo sie an andere stoßen, mehr oder weniger stark verzahnt. Trotzdem gibt es eine Faustregel. Fährt man aus Innerböhmen zur Landesgrenze – egal in welche Richtung – kommt man früher oder später an einen Punkt, wo das Land allmählich zum Gebirge hin ansteigt. Hier stößt man auf die ersten deutschen Dörfer. Man erkennt sie heute noch.

Das Sudetenland wird vorwiegend von den Randgebirgen der Böhmischen Masse erfüllt. Nach ihrem Aufbau (Granit, Gneis, Glimmerschiefer) gehört sie zu den ältesten Gebirgsstöcken Europas. Die Hauptkämme der Böhmischen Masse sind Böhmerwald, Erzgebirge, Sudeten und der Böhmisch-Mährische Höhenzug. Diese Gebirgszüge umranden das Böhmische Becken, das Mährische aber nur im Westen und Norden.

Böhmen wird durch die Elbe, die auf dem Hohen Rade im Riesengebirge entspringt und „Alle Wasser Böhmens“ zusammenfaßt, zur Nordsee entwässert. Iser und Eger sind neben der Moldau ihre wichtigsten Nebenflüsse. In Mähren vereinigt die March die Abflüsse vom Ostrand der Böhmisch-Mährischen Höhe und führt sie nach Süden der Donau zu. Sie durchfließt Mähren in seiner ganzen Länge und hat dem Lande auch seinen Namen gegeben. Ihr wichtigster Nebenfluß ist die Thaya, die durch Südmähren fließt.    

Das Sudetenland hat weitgehend ein kontinental bestimmtes Klima. Die jährliche Durchschnittstemperatur beträgt 8 Grad. Die gebirgigen Landschaften sind naturgemäß kühler als die Ebenen. Für die absolute Temperatur ist wie überall die Seehöhe maßgebend; so haben z. B.

Höhe mittlere Januar-Temperatur    mittlere Juli-Temperatur
Eger    450 m  -2,9 °C 17,8 °C
Keilberg 1244 m  -5,4 °C 11,4 °C
Schneekoppe 1603 m  -7,7 °C   8,9 °C

Die wärmsten Gegenden sind im Westen die Elbelandschaften am Fuße des Böhmischen Mittelgebirges und im Osten das südliche Mähren; es sind zugleich die einzigen Weinbaugebiete des Landes. Ebenso bedeutend sind auch die Unterschiede in den Niederschlagsmengen zwischen den recht feuchten Randgebirgen und den auffallend trockenen Beckenlandschaften. Während auf der Schneekoppe jährlich 135 cm, in Hohenelbe 92 cm Niederschläge gemessen werden, sind es in Südmähren weniger als 50 cm.

Die mitteleuropäische Pflanzenwelt ist über das ganze Sudetenland verbreitet. Durch die Ausbreitung des Ackerlandes wurde aber der Waldbestand überall zurückgedrängt und der ursprünglich vorherrschende Laubwald zugunsten des Nadelwaldes dezimiert. Die Randgebirge waren geschlossene Waldgebiete. Durch starke Luftverschmutzung sind große Teile der Gebirgswälder zerstört worden.

Die ursprüngliche Tierwelt des Sudetenlandes wurde längst stark zurückgedrängt, teilweise sogar ausgerottet. Die gut durchforsteten Wälder bieten dem Raubwild keinen Schutz mehr vor den Nachstellungen des Menschen. Jagdbares Wild gibt es aber noch überall.

Der ehemalige große Fischreichtum der Flüsse ist durch die Ausbreitung der Industrie stark verringert worden. In der Hirschberger Teichlandschaft ist er noch recht bedeutend. Diese Gegend ist überdies zur Frühlings- und Herbstzeit der große Sammelplatz der durchziehenden Sumpf- und Wasservögel.

In Böhmen, Mähren und Schlesien lebten Deutsche seit 800 Jahren. Sie waren im Vertrauen auf die Versprechungen böhmischer Fürsten, Herzöge und Könige in das Land gekommen. Sie hatten als Bauern die Urwälder gerodet und verstanden es, den schweren, steinigen Boden in mühevoller Arbeit zu bebauen. Sie waren als Bergleute gekommen, die den Erzreichtum der böhmischen Berge zutage förderten und ihre Siedlungen noch in 1000 m Höhe bauten. Und sie hatten als Handwerker und Kaufleute Städte gegründet in einem Land, in dem es vorher kaum Dörfer gab. Das ist ihre historische Leistung.

Die Siedler brachten aus ihrer alten Heimat nebst Gebräuchen und Sitten, Gerätschaften und Werkzeugen, auch ihre Mundart mit und verrieten auf diese Weise ihre Herkunft. So sprach man im ganzen Süden und Südwesten des Sudetendeutschen Gebietes die bairisch-österreichische Mundart, vom Neumarkter Sattel bis gegen Klösterle oberpfälzisch, von hier bis etwa zum Jeschken obersächsisch und von da ostwärts schlesisch.

Infolge dieser verschiedenen Stammeszugehörigkeit zeigen die Sudetendeutschen in ihren Volksbräuchen, Sitten und Trachten eine reizvolle Buntheit. Allen gemeinsam aber sind die geistige Regsamkeit, ihre Sparsamkeit und ihr Arbeitseifer. Sie sind tüchtig im Geschäftsleben und hatten sich eine blühende Industrie geschaffen. So mancher Zweig wurde nach der Vertreibung in Deutschland wieder aufgebaut und genießt heute Weltruhm. Sie haben aber auch dem gesamtdeutschen Volk eine große Reihe namhafter Dichter, Gelehrter und Künstler geschenkt.

 

DIE LANDSCHAFTEN

Böhmerwald und Südböhmen
Der Böhmerwald ist ein mit prächtigen Hochwäldern bestandenes Gebirge. Er beginnt im Süden Böhmens am Kerschbaumer Sattel und reicht bis zur Senke von Waldsassen in der Nähe von Eger. Über wuchtig geformte, waldbedeckte Rücken ragen massige, kahle Felsgipfel empor. Der Plöckenstein (1378 m) mit dem Denkmal des Dichters Adalbert Stifter liegt gerade an der österreichischen Grenze. Etwas niedriger ist der Dreisesselberg (1330 m) und der durch den Paß von Kuschwarda von ihm getrennte Lusen (1370 m). Weitere wichtige Berge sind Rachel (1452 m) und Osser (1293 m), sowie der durch das obere Moldautal vom Hauptkamm getrennte Kubani, auf welchem bis heute ein kleines Stück Urwald als Naturschutzgebiet erhalten blieb.

Eine besondere Zierde des Böhmerwaldes bilden die stillen, kleinen Waldseen. Aus diesen Bergseen, Hochmooren und sumpfigen Gebirgswiesen sammeln Moldau und Angel ihre Gewässer. Eingebettet in die Bergwelt des hohen Böhmerwaldes liegen der Teufelssee, der Schwarze See und der Plöckensteiner See.

Einödsiedlungen, Weiler und Taldörfer, aus Holz und Stein gebaut, kennzeichnen den Böhmerwälder als Gebirgsbauern, der nach Sprache und Sitte bayrisch ist. Von den am Gebirgssaum liegenden Städten hat Budweis, die Hauptstadt Südböhmens und Bischofsstadt, die größte Bedeutung. Budweis ist eine Gründung König Ottokars II., ist Handelszentrum und Industriestadt. Das Bistum, das 1885 errichtet wurde, umfaßt Südböhmen und den Böhmerwald. Als Brauereistadt hat Budweis einen guten Namen. Weitere wichtige Orte sind das an der Moldaukrümmung gelegene Krummau mit dem Schloß der Fürsten Schwarzenberg, das mittelalterliche Prachatitz, der alte Goldbergort Bergreichenstein, sowie Neuern, Wallern und Winterberg.

Während sich die Schönheit dem hohen Böhmerwaldes in der Dramatik seiner Landschaft erweist, zeigt sich die Anmut des wohlhabenderen Südböhmen vor allem in seiner Kunstlandschaft der Gotik. Es ist der zisterziensische Baustil, der die Stiftskirche von Hohenfurt mit seinen einmaligen gotischen Tafelbildern prägte und der das Kloster Goldenkron mit seinem eindrucksvollen Kreuzgang und Kapitelsaal ausstattete.

Die gewaltige Jakobskirche zu Prachatitz, St. Veit in Krummau, die Wittingauer Augustinerkirche, die Stadtkirche in Rosenberg, die Magdalenenkirche zu Kalsching, St. Ägid in Unterhaid und St. Peter und Paul zu Kaplitz können stellvertretend für die vor allem von der Rosenberger Bauhütte getragene gotische Kirchenarchitektur dieses Raumes genannt werden. Aus diesem Haus sind Hans und Peter von Prachatitz hervorgegangen, denen Wien sein Wahrzeichen, den Stephansdom verdankt.

Die weiten dunklen Wälder des Böhmerwaldes galten bis in das vorige Jahrhundert als wild, gefährlich und unwirtlich. In ihnen glaubten Friedrich Schiller die ideale Gegend für die „Räuber“ und Carl Maria von Weber für den „Freischütz“ gefunden zu haben. Erst der in Oberplan geborene Dichter des sanften Gesetzes, Adalbert Stifter, hat die herbe Schönheit der Landschaft in seiner Novelle „Hochwald“ und in seinem historischen Roman „Witikoll“ gepriesen und damit den Böhmerwald gebührend unter die reizvollsten Landschaften Mitteleuropas eingeführt. Der Böhmerwald und Südböhmen sind im 12. und 13. Jahrhundert vom niederbayerischen und oberösterreichischen Gebiet aus gerodet und besiedelt worden.

Niederer Böhmerwald wird der nördliche Teil des Böhmerwaldes jenseits des Neumarkter Passes genannt. Er steigt nur in der Schwarzkoppe bei Taus über 1000 m an. Die Täler der Mies und Radbusa führen in das Pilsener Becken. Die nördlichste, bedeutendste Erhebung ist der Tillenberg mit einer Höhe von 939 m. Vieh- und Landwirtschaft ernähren hier die Bewohner, der Ackerbau gibt nur geringen Ertrag. Tachau an der oberen Mies ist mit Glas-, Holz- und Tabakindustrie die wichtigste Siedlung. An der oberen Radbusa ist Bischofteinitz der größte Ort.

Egerland
Kommt man auf das Egerland zu sprechen, glauben viele Binnendeutsche schlechthin, es in den engen Rahmen des Bäderdreiecks Karlsbad–Marienbad–Franzensbad einzwängen zu müssen, ohne zu wissen, daß es im weitesten Sinne jenen Teil Westböhmens ausmacht, dessen letzte reichische Einheit der Regierungsbezirk Eger-Karlsbad gewesen ist, der eine Gebietsfläche von rund 7466 qkm hatte und über 800000 deutschen Bewohnern Boden, Behausung und Arbeit gewährte.

Es umfaßt das Gebiet der ehemaligen „Freien Reichsstadt Eger“ und im weiteren Sinn den Oberpfälzer Wald, die Randgebiete des westlichen Erzgebirges, den Kaiserwald mit dem südlich gelegenen Tepler Hochland, das Falkenauer Becken und das Duppauer Gebirge. Typisch für das Egerland sind die stattlichen Vierseithöfe, deren Fachwerk und mächtige Speicherbauten. Aus den fränkischen Siedlern hat sich ein selbstbewußtes Bauerntum entwickelt.

Die alte Stauferstadt Eger, die in vielem Ähnlichkeit mit Nürnberg hat, wird von der Kaiserpfalz Barbarossas überragt. Ausgestattet mit dem Freiheitsbrief König Wenzels und überschüttet mit reichen Privilegien deutscher Kaiser und Könige, entwickelte sich die seit 1279 freie Reichsstadt zur Metropole Westböhmens.

Das Egerland ist nicht nur bäuerliches Kernland. Im Ascher Zipfel ist die Textilindustrie zu hause, im Falkenauer Becken der Braunkohlenbergbau und in Alt- und Neurohlau, Neusattl, Chodau und Fischern die Porzellanindustrie. Neben dem Bauern und Bergmann leisteten aber auch die Handwerker Vorzügliches. Die Egerländer Maurer, Schneider, Schuhmacher und Schmiede waren in Bayern und Sachsen, wohin sie sich in den Sommermonaten als Saisonarbeiter verdingten, sehr angesehen.

Im Süden des Falkenauer Beckens liegt der Kaiserwald. Tiefe Täler, wie das Tepltal, haben sich schluchtartig eingeschnitten. Kurz vor dem Austritt der Tepl in das Egertal liegt das nach Karl IV. benannte Karlsbad. An der Westabdachung des Kaiserwaldes liegt der waldumsäumte, weltbekannte Kurort Marienbad. Die nordwestliche Spitze des Bäder-Dreiecks ist Franzensbad. Von den Städten dem Tepler Hochlandes sind Tepl mit seinem berühmten Prämonstratenser Kloster, die Musikstadt Petschau mit ihrem alten, trutzigen Fürstenschloß, Buchau und Luditz und die im Vorland gelegene Silberbergbaustadt Mies zu nennen. Das Duppauer Gebirge hat seinen eigenen Reiz. Die steil abfallenden Tafelberge mit engen Mulden sind dünn besiedelt. Kaaden, Klösterle, Gießhübl und Krondorf sind durch den Versand von Tafelwasser bekannt.

Wer als Romantiker durchs Land zieht, kann sich an den bizarren Gebilden der Hans-Keiling-Felsen im Egertal, an der bezaubernden Burg Elbogen, an den entzückenden Schlössern Chiesch und Rabenstein an der Schnella, oder an den robusten Ruinen Engelhaua und Pfraumberg erfreuen. Wer als Kunstkenner ins Land kommt, wird sich verlieben in die ehrwürdige Doppelkapelle der Egerer Kaiserburg, in die barocke Maria-Magdalena-Kirche von Karlsbad, in die wuchtigen, stilvollen Klosteranlagen von Kladrau, Tepl, Chiesch und nicht zuletzt in die mit aufwendigen Malereien versehene Renaissancefassade des Rathauses von Mies.

Meister ihres Metiers waren auch die Musikinstrumentenmacher, die – bevor Streich- und Blasinstrumente industriell hergestellt wurden – ihre Geigen, Bässe, Cellis, Bratschen, Hörner, Trompeten, Posaunen, Gitarren und Mandolinen in Heimarbeit oder in kleinsten Manufakturen in so vorzüglicher Qualität fertigten, daß sie auf der ganzen Welt geschätzt und von Graelitz und Schönbach aus in alle Kontinente abgesetzt wurden.

Erzgebirge und Egergraben
Das böhmische Becken wird im Nordwesten vom Erzgebirge abgegrenzt. Es ist nach Norden zu flach abgedacht, nach Süden aber fällt es steil gegen das Eger- und Bielatal ab. Das von Süden her wie eine Mauer wirkende Gebirge ist durch zahlreiche Schluchten und Täler gegliedert, denen Straßen und Eisenbahnen folgen. Auf den Kammflächen breiten sich langgestreckte Bergbaustädte und Dörfer aus.

Es war einmal im Mittelalter, bis hinein in die frühe Neuzeit, eine der reichsten Gegenden Böhmens, denn dort wurde Silber, Blei und Kupfer gefunden. Zahlreiche blühende Städte entstanden damals, wie z. B. St. Joachimsthal, Schmiedeberg, Zinnwald, Kupferberg, Gottesgab und viele andere. Der Silberbergbau hat St. Joachimsthal zur berühmten Stadt gemacht. Die Münzprägung schuf 1520 den „Joachimsthaler“, dessen gekürzte Wortform „Taler“ noch heute im Sprachschatz der Welt zu finden und auch der Stammvater den „Dollars“ ist. Heute hat die Gewinnung von Uranerz und Radium St. Joachimsthal zum Kurort gemacht.

Nachdem die Erzvorkommen erschöpft waren, haben sich die Menschen fränkischer und obersächsischer Herkunft der Heimarbeit zugewandt. Im Bezirk Katharinaberg blühte die Spielzeugherstellung, bei Abertham die Handschuhmacherei, die Weiperter Posamenten und Stickereien besaßen Weltruf. In Schmiedeberg wurden Knöpfe und Strümpfe hergestellt, Neudek wurde durch seine Kammgarnspinnerei und Wollkämmerei bekannt und Sonneberg durch seine Spitzenklöppelei und Samtweberei.

Mit 1244 m Höhe ist der Keilberg die höchste Erhebung des Erzgebirges. In einer Mulde zwischen Keil- und Fichtelberg duckt sich die höchstgelegene Stadt Mitteleuropas, Gottesgab (1028 m), der Heimatort des bekannten Erzgebirgsdichtern Anton Günther, genannt „Tolerhanstonl“. In den Tälern am Südabfall den Gebirges ziehen sich lange Waldhufendörfer hin.

Bis in Höhe von Klösterle fließt die Eger am Südosthang des Erzgebirges vorbei. Dann biegt sie nach Südosten und bei Poetelberg nach Osten ab, um bei Leitmeritz in die Elbe zu münden. An ihr liegen so bedeutsame Städte wie Kaaden und Saaz, das wegen seines Hopfens in der ganzen Welt berühmt war. Nordwestlich von Saaz liegt Komotau mit seinem einstmals berühmten Alaunsee, das aber wegen seiner bedeutenden Industrie und als Verkehrsknotenpunkt bekannt ist. Von hier verlaufen Eisenbahnlinien in die Erzgebirgsstädte Weipert, Preßnitz und Görkau. Hier beginnen aber auch schon die Schächte und weitflächigen Tagebauanlagen für Braunkohle, die in den Städten Brüx, das dem Bergbau weichen mußte, und Dux ihr Zentrum haben, die sich aber bis zu den Hängen des Erzgebirges nach Oberleutensdorf hinziehen.

Nahe der Stadt Dux mit seinem Waldsteinschloß, liegt das Zisterzienserkloster Ossegg, das im Mittelalter das Zentrum für die Besiedlung des Erzgebirges war und das auch die alten Bergbaustädte Klostergrab und Graupen gründete. Teplitz-Schönau verdankt seine Entstehung als weltberühmter Kurort seinen radioaktiven Quellen. Es gehörte während des 19. Jahrhunderts zu den exklusivsten Bädern der Welt, wo sich gekrönte Häupter ebenso trafen wie die Größen der Künste und der Wissenschaften.

Elbetal und Böhmisches Mittelgebirge
Beiderseits des engen Durchbruchtals der Elbe, die im Riesengebirge entspringt, liegt das Böhmische Mittelgebirge aus jungvulkanischem Gestein. Es besteht aus einer Vielzahl von kleinen und großen Kegel- und Kuppenbergen – oft von Burgruinen gekrönt – die vom Oberlauf der Biela angefangen nach Osten bis an den Oberlauf des Polzenflusses reichen.

Das Böhmische Mittelgebirge riegelt wie eine breite Barriere den innerböhmischen Kessel ab und stellt sich dem Flußlauf der Elbe entgegen, die sich hier vorzeiten in malerischen Windungen ihren Weg nach Norden gebahnt hat („Porta Bohemica“). Die basaltischen Verwitterungsböden sind von großer Fruchtbarkeit und begünstigen einen ausgedehnten Obstbau. Selbst die Äcker sind hier noch mit Obstbäumen durchsetzt und eingesäumt.

Die Elbe tritt bei der alten Bischofsstadt Leitmeritz und der Industriestadt Lobositz ins Böhmische Mittelgebirge ein nimmt ihren Weg durch ein an Naturschönheiten reiches Tal. Zahlreiche Fremdenverkehrsorte, die hangaufwärts im Frühjahr ein Blütenmeer sind, umsäumen den Fluß. Eine Dampferfahrt zur Zeit der Baumblüte bleibt ein unvergeßliches Erlebnis. Stellenweise, wie bei Tschernosek, engt das Gebirge den Fluß derartig ein, daß für Straße und Eisenbahn kaum mehr Platz ist.

Die höchsten Berge sind westlich der Elbe der Donnersberg oder Milleschauer im Kreis Lobositz (835 m) und der Radelstein (750 m) im Kreis Bilin. Das tausendjährige Bilin mit seinem prächtigen Schloß des Fürsten Lobkowitz, ist als Kurort durch seinen Sauerbrunnen bekannt geworden. Der wildromantische und zerklüftete Borschen (538 m) mit seiner alpinen Flora, ist der höchste Klingsteinfelsen Mitteleuropawund das Wahrzeichen von Bilin. Östlich der Elbe sind Geltsch und Roll die höchsten Erhebungen.

Das milde Klima hat das Elbetal zum Wein- und Obstgarten des Sudetenlandes gemacht. In den Talniederungen von Leitmeritz und Lobositz wird sehr viel Gemüse angebaut, an der unteren Eger und im Elbetal gedeihen Zuckerrüben und Hopfen. Der Hauptort des Elbetales ist Aussig, das seine Entwicklung der Nachbarschaft der Kohlenlager, sowie seiner Lage am schiffbaren Elbestrom verdankt. Die Stadt ist Standort vieler bedeutender Industriebetriebe und zum Wirtschaftszentrum des nordwestböhmischen Großraumes geworden.

Aussig gegenüber liegt die sagenumwobene Burgruine Schreckenstein, wo Richard Wagner das Manuskript für seinen „Tannhäuser“ schuf. Durch die großen Maler der romantischen Schule, Caspar David Friedrich und Adrian Ludwig Richter, wurden das Böhmische Mittelgebirge und das Elbetal in jenes unvergängliche Bild der deutschen Landschaft aufgenommen, das die Romantik geprägt hat. Caspar David Friedrich sagte: „Ich habe viele schöne Landschaften unseres Vaterlandes gesehen, aber die Art, wie die Berge des Böhmischen Mittelgebirges aus dem Boden wachsen, als wären sie eben erst aufgeschossen, ist wunderbar.“

Die Elbe fließt an Tetschen-Bodenbach vorbei, durch die phantastischen Felsformen des Elbesandsteingebirges und verläßt bei Herrnskretschen das Land. Der Felsen des Thunschen Schlosses auf der Tetschener und die Schäferwand auf der Bodenbacher Seite sind aber bereits Sandstein und gehören nicht mehr zum Mittelgebirge. Im Grenzgebiet des Böhmischen Mittelgebirges sind Haida und Steinschönau Orte der berühmten sudetendeutschen Glasveredelungsindustrie, sowie die Gegend von Leipa am Polzen als Lieferant landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu erwähnen.

Das Elbesandsteingebirge beginnt am Nollendorfer Paß im Westen und reicht bis zu den Lausitzer Bergen im Osten. Der Sandstein ist gegen die Wirkung des Wassers nicht sehr widerstandsfähig, so daß die Elbe und ihre kleinen Nebenflüsse tiefe, schluchtartige Täler mit steilen Felswänden hineingesägt und einzelne, besonders merkwürdige Felsformationen geschaffen haben. Die Interessantesten Teile dieser sogenannten „Böhmischen Schweiz“ sind die Edmundsklamm, das Engtal des bei Herrnskretschen in die Elbe mündeten Kamnitzbaches, das Prebischtor und die Tyseaer Wände. Die höchste Erhebung ist mit 721 m der Hohe Schneeberg bei Bodenbach.

Die Daubaer Schweiz ist ein dem Elbesandsteingebirge verwandtes Sandsteinplateau, das auch von zahlreichen Wasserläufen zersägt wurde. Die landschaftlichen Reize werden hier durch vulkanische Kegelberge, die auf das Plateau aufgesetzt sind, noch erhöht. Der höchste dieser Berge ist der Bösig über der herrlichen Teichniederung von Hirschberg, den eine Schloß- und Kirchenruine krönt. Das Daubaer Land, dessen Mittelpunkt das Städtchen Dauba ist, baut viel Hopfen, Obst und Getreide an.

Lausitzer- und Jeschkengebirge mit dem Reichenberger Becken
„Böhmisches Niederland“ nennt man den Zipfel Nordböhmens, der nach Sachsen hineinragt. Es war das Gebiet mit dem geringsten landwirtschaftlichen Bevölkerungsanteil im Sudetenland. (7,4%) Der gewerbliche Anteil hingegen betrug 61,5%. In den drei Kreisen Warnsdorf, Rumburg und Schluckenau befanden sich 1939 insgesamt 7425 industrielle Betriebe meist kleinerer und mittlerer Größe.

Daran hatte die Textilindustrie mit 1382 Betrieben und 20522 Beschäftigten den größten Anteil, gefolgt von der Maschinen- und Metallindustrie (5955 Beschäftigte) und der Bekleidungsindustrie. (5430 Beschäftigte) Der Oberlausitzer Menschenschlag besiedelte das Niederland in oft kilometerlangen ineinander übergehenden Waldhufendörfern. Die Bewohner waren durch den wenig ertragreichen Boden zur Heimarbeit gezwungen. Aus der Heimweberei entwickelte sich die Leinenindustrie.

Der Sudetengebirgszug beginnt mit dem Lausitzer Gebirge, dem lieblichsten und sanftesten von allen Gebirgen im böhmischen Randwall, das aus dem Niederland allmählich aufsteigt und in der 791 m hohen Lausche gipfelt. Seine Fortsetzung gegen Südosten ist das Jeschkengebirge, dessen Koppe bereits 1010 m Höhe erreicht und eine weite Rundsicht bietet. Der Jeschken blickt auf die nach Prag volkreichste Stadt Böhmens hinab, auf Reichenberg, der Hauptstadt des Sudetenlandes.

Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war Reichenberg eine der ersten Manufakturstädte Österreich-Ungarns. Ihren Aufschwung verdankt die Stadt vor allem der Tuchmacherei. Reichenberg, das „Böhmische Manchester“, blieb auch nach 1918 Mittelpunkt der nordböhmischen Textilindustrie. Seit 1920 gab es die Reichenberger Mustermesse, die erste Textilmesse in der Republik. Reichenberg entwickelte sich für die Sudetendeutschen zum Mittelpunkt des kulturellen und politischen Lebens. Das Gewerbemuseum mit Gemäldegalerie und wertvollen Sammlungen, die Bücherei der Deutschen, volksbildnerische Zentralen, sowie ein hervorragend geleitetes Theater waren hier beheimatet.

Ganz in der Nähe von Reichenberg liegt das bekannte Industriegebiet von Gablonz, wo für die ganze Welt Schmucksachen aus Glas und Email hergestellt werden. Die Gablonzer Schmuckwarenindustrie, überwiegend exportorientiert, war einer der größten Devisenbringer des Landes. In ihrer Hochblüte nach dem ersten Weltkrieg bestanden in und um Gablonz 500 Exporthäuser.

Iser-, Riesen- und Adlergebirge
Jenseits des Reichenberger Beckens steigt das Isergebirge an, das mit seiner Fortsetzung dem Riesengebirge, den mächtigsten Grenzwall Böhmens im Norden bildet. Das parallel zum Lausitzer Gebirge verlaufende Isergebirge wird vorwiegend aus Granit, Gneis und Glimmerschiefer gebildet und besteht aus mehreren gleichlaufenden Kämmen, deren höchster der Hohe Iserkamm mit der Tafelfichte (1122 m) ist.

In langgestreckten Dörfern sind Glasmalerei und Hausweberei heimisch. An der steilen Nordwestabflachung liegt die Stadt Friedland mit Wallensteins Schloß, westlich der Tafelfichte der Badeort Liebwerda und an der Südostabdachung das Industriestädtchen Tannwald. Im Sattel von Neuwelt, den eine Eisenbahnlinie überschreitet, senkt sich das Gebirge, um östlich zum Riesengebirge aufzusteigen.

Das Riesengebirge ist der mächtigste und höchste Teil der Sudeten. Der Grenzkamm trägt die höchsten Erhebungen des Gebirges. Die 1603 m hohe Schneekoppe und das 1506 m Hohe Rad (Elbursprung) ragen über die Waldgrenze hinaus. Das Riesengebirge mit seiner rauhen Witterung verschloß sich wie kein anderes Grenzgebirge des Landes der menschlichen Besiedlung. In den Tälern finden wir nur Dörfer, weiter oben nur noch einzelne Bauden, die einst als Heuscheuern entstanden, heute den Touristen als Unterkunft dienen.

Der Wintersport, der hier schon früh einsetzte, hat dem rauhen Gebirge seine legendären Schrecken genommen. Zu den bedeutendsten Fremdenverkehrs- und Wintersportplätzen zählen Spindlermühle, Karrachsdorf, Petzer und Johannisbad. Petzer war die Heimat des sudetendeutschen Skiläufers Gustl Berauer, der im Jahre 1939 in seiner Riesengebirgsheimat Skiweltmeister wurde.

In den Städten des Vorlandes, vor allem in Trautenau, und in den zahlreichen Industriedörfern der Umgebung entwickelte sich aus einer altangesessenen Hausweberei und einem ausgedehnten Flachsbau eine beachtliche Industrie der Flachsgarnerzeugung und Leinenweberei. Arnau war durch seine Papiererzeugung bekannt, Neuwelt und Karrachsdorf durch seine hochwertigen Glaserzeugnisse.

Eine Landschaft von besonderem Reiz ist das anmutige Braunauer Ländchen mit seinen langgezogenen Waldhufendörfern. Von der Wunderwelt der Adelsbacher und Weckelsdorfer Felsen wird es gegen das Riesengebirge abgeriegelt. Dieses wilde, pittoreske Felsenlabyrinth wurde erst im vorigen Jahrhundert allmählich erschlossen. Kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt des vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Ländchens war Braunau mit seinem altehrwürdigen Benediktiner Kloster und seiner beachtlichen Textilindustrie.

Bei Schatzlar werden Steinkohlen abgebaut. Im Süden des Braunauer Ländchens stößt im Raum Nachod das tschechische Siedlungsgebiet bis an die Landesgrenze und unterbricht hier auf kurzer Strecke den geschlossenen deutschen Siedlungsraum, der sich im südlich angrenzenden Adlergebirge fortsetzt. Hier waren es überwiegend die höher gelegenen, kärglicheren Gegenden, die von Deutschen bewohnt wurden. Wie fast überall in den rauhen Gebirgsgegenden war einst auch im Adlergebirge die Handweberei daheim, die den Menschen das karge Brot gab. Die Bodenerträge waren gering.

Trotz vieler landschaftlicher Schönheiten in den herrlichen Waldtälern gab es nur unbedeutenden Fremdenverkehr. Eine Ausnahme bildete Grulich, die östlichste Stadt Böhmens, mit seiner weitberühmten Gnadenstätte auf dem Muttergottesberg, einer prächtigen barocken Wallfahrtsanlage, die von zahlreichen Pilgern besucht wurde. Die Deschnaer Koppe (1114 m) und die Hohe Mense (1083 m) sind die höchsten Erhebungen des Adlergebirges.

Nordmähren und Schlesien
Das Altvatergebirge und das Gesenke erfüllen Schlesien und Nordmähren. Der 1490 m hohe Altvater überragt die weiten bewaldeten Hochflächen. Zahlreiche einst blühende Silber- und Geldbergbaustädte und Standorte der Textilindustrie wie Freudenthal, Römerstadt und Mährisch-Altstadt liegen hier, am Südwestfuß des Gebirges die Städte Mährisch-Schönberg und Sternberg.

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts setzte ein mehr als hundert Jahre währender deutscher Siedlerstrom von Schlesien und über Schlesien her aus Hessen, Franken und Thüringen in das bewaldete und unbewohnte Altvaterland ein. Freudenthal auf schlesischer und Mährisch Neustadt auf mährischer Seite sind die ersten Bergorte in den Sudetenländern, denen – 1213 und etwa 1221 – deutsches Stadtrecht verliehen worden ist.

Die Bewohner Schlesiens und Nordmährens erzeugten Leinenwaren, Baumwollgewebe und andere Textilien. Zwittau, Mährisch-Trübau, Mährisch-Schönberg, Sternberg, Bautsch, Bärn, Römerstadt, Freudenthal, Würbenthal und Mährisch-Altstadt hatten Leinen- und Baumwollwebereien. Das Tuch aus Jägerndorf war von so hoher Qualität, daß es als „Englisches Tuch“ nach Skandinavien und Amerika verkauft wurde.

Das Altvatergebirge war ein großartiges Wander-, Ski- und Erholungsgebiet. In den Wäldern und aus den Bergwiesen sprudelten unzählige Quellen. Auf der Grundlage des frischen Quellwassers begründeten Vinzenz Prießnitz und Johann Schroth das Kaltwasserheilverfahren und machten Gräfenberg und Niederlindewiese zu bekannten Kurorten.

Die am Südosthang zum Odertal gelegenen Städte Wagstadt und Fulnek gehören zum Kuhländchen. Wuchtige Vierkanthöfe zeigen, daß hier ein wohlhabendes Bauerntum saß. Hauptort des Kuhländchens ist die alte Tuchmacherstadt Neutitschein, bekannt auch als Hutmacherstadt.

Nördlich des Kuhländchens liegt Troppau, die Hauptstadt des ehemals, bei Österreich verbliebenen Teiles von Schlesien, Zentrum des Tuchhandels und kultureller Mittelpunkt des Ostsudetenlandes. Troppau wurde schon im 11. Jahrhundert vom Deutschen Ritterorden gegründet. Hier bestand bereits seit 1750 ein ständiges Theater. In Troppau tagte 1820 ein Nachfolgekongreß des Wiener Kongresses. Hier wurden 1780 die ersten Gesamtausgaben der Klassiker Klopstock und Wieland gedruckt. Troppau hat bedeutende Museen.

Der Schönhengstgau, nach dem Sandsteinkamm Schönhengst genannt, ist altes Rodungsbauernland. Hier wurde eine schlesische Mundart mit ostfränkischem Einschlag gesprochen. Neben Wald- und Weidewirtschaft wurden auf besten Böden Zuckerrüben und Getreide angebaut. Wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt des Schönhengstgaues ist Mährisch Trübau. Hier ist Textil- und Metallwarenindustrie heimisch, ebenso in den gewerbefleißigen Städten Zwittau und Landskron.

Südmähren
Südmähren liegt wie ein schmales Band, fast in gleicher Länge wie der Thayafluß, entlang der mährisch-österreichischen Grenze. Im Westen, wo es mit dem Neubistritzer Ländchen nach Böhmen reicht, wird es vom böhmisch-mährischen Höhenzug, im Osten von der March begrenzt. Die breiten, weiten Täler, von Thaya und March durchzogen, zählen zu den fruchtbarsten Landschaften des Sudetenlandes. Das ausgeglichene warme Klima machte das Gebiet um Znaim und Nikolsburg zu einem richtigen Gartenland für Wein, Obst und Gemüse von besonderer Qualität.

Neben allen Getreidearten wachsen Mais und Mohn und gedeihen Hülsenfrüchte. Der bedeutende Zuckerrübenanbau führte schon zu Beginn des vorigen Jahrhunderts zur Gründung vieler leistungsfähiger Zuckerfabriken. Als ausgesprochen landwirtschaftliches Gebiet verfügt Südmähren fast nur über Industriezweige, die der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte dienen, also vor allem Konservenfabriken, Großmühlen, Gerbereien und Weinkellereien.

Viele Burgen, seit langem meistens nur mehr Ruinen, kennzeichnen dieses Grenzland. Von Bedeutung sind auch die Lichtenstein-Schlösser von Eisgrub und Feldsberg, sowie das von Fischer von Erlach auf den Resten einer romanischen Grenzburg erbaute Schloß Frain. Im Schloß Dietrichstein in Nikolsburg wurde 1866 der Vorfriede zwischen Österreich und Preußen geschlossen.

Nach der Volkszählung des Jahres 1930 hatte Südmähren 220000 Einwohner, davon waren 87% Deutsche. Die deutschen Südmährer gehören dem niederösterreichischen Sprachstamm an, und sie haben seit der Besiedlung durch die Babenberger über die Jahrhunderte hin die Mundart ihres Stammlandes bewahrt.

Die Iglauer Sprachinsel
Auf der Nordwestabdachung der Böhmisch-Mährischen Höhe war mit 70 Orten auf einer 390 km² großen Fläche das Land um die mittelalterliche Bergstadt Iglau eine deutsche Sprachinsel inmitten tschechischen Gebietes. Am Schnittpunkt der alten Verkehrswege nach Prag und Budweis entstand der Ort aus einer 799 errichteten befestigten Anlage. Reiche Silberfunde brachten Wohlstand in die Stadt. An die Glanzzeit erinnert der „Berghäuerzug“.

Das Iglau 1249 von Wenzel I. verliehene Bergrecht wurde Vorbild für die süd- und mitteldeutschen Städte. Schon 1360 hatten die Iglauer Satzungen für ihre Tuchmacherzunft erhalten. Mit 350 m Länge und 110 m Breite ist der Marktplatz der größte Österreich-Ungarns gewesen, und die Sankt-Jakobs-Kirche die erste gotische Hallenkirche Mährens, deren Turm als Wehrbau entwickelt worden war. Die einzige Meistersingerschule der Sudetenländer entstand hier schon 1571.

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