Franz Chocholatý Gröger
Das Große Wappen Deutschösterreichs vom 8. März 1919
und das Gebiet der Böhmischen Krone.
Am 16. Oktober 1918 erklärte sich Kaisers Karl I. in seinem Manifest „An meine getreuen österreichischen Völker“ zur Annahme des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung bereit, die Monarchie sollte in einen Nationalitäten-Bundesstaat umgeformt werden. Doch am 18. Oktober 1918 bereits verkündete T. G. Masaryk, der Vorsitzende des Tschechoslowakischen Nationalrates im Exil, die tschechoslowakische Unabhängigkeit.
Die am 21. Oktober 1918 gebildete Provisorische Nationalversammlung
für Deutschösterreich erklärte andererseits: „ ... Der
Deutsch-österreichische Staat übernimmt die Gewalt über das deutsche
Siedlungsgebiet, insbesondere in den Sudetenländern.“
Am 28. Oktober 1918 wurde die Erste Tschechoslowakische Republik ausgerufen.
Angesichts der tschechisch-revolutionären Machtübernahme in Prag bildeten die
Sudetendeutschen für die deutschsprachigen Gebiete Nord- und Nordwestböhmen die
Deutschböhmische Regierung und für den deutschen Teil Ostböhmen, Schönhengstgau,
Nordmähren, Kuhländchen und die westlichen Teile österreichisch-Schlesiens die
Sudetenländische Regierung.
Am 12. November 1918 erklärte die Provisorische Nationalversammlung in Wien
einstimmig Deutschösterreich
zu einer demokratischen Republik und zum Bestandteil der „Deutschen
Republik“.
Durch das Staatsgesetzblatt Nr. 40 vom 22. November 1918 setzte die Regierung in
Wien „Umfang, Grenzen und Beziehungen des Staatsgebietes von Deutsch-Österreich“
fest. Es bezog neben den deutschen Gebieten Deutschböhmen, Sudetenland,
Böhmerwaldgau und Deutschsüdmähren auch die deutschen Sprachinseln Brünn, Iglau
und Olmütz, diese als sogenannte „Einschlußgebiete“ mit ein.
Deutschböhmen und Sudetenland wurden zu eigenen deutschösterreichischen
Provinzen erklärt, der deutsche Böhmerwaldgau wurde an die Provinz
Oberösterreich angeschlossen und Deutsch-Südmähren mit dem angrenzenden
böhmischen Anteil des deutschen Gebietes von Neubistritz und Teilen des Bezirkes
Neuhaus mit der Provinz Niederösterreich vereinigt.
Seit Mitte November 1918, also drei Woche vor dem Beginn der Pariser Friedenskonferenz, begann die tschechische Annexion all jener Gebiet, die nach E. Beneš für die Ausdehnung des künftige Staates und seine wirtschaftliche und militärische Stabilität unentbehrlich waren. Die Deutsch-Österreichische Regierung protestierte am 13. Dezember 1918 bei den Alliierten gegen die Absicht, die von mehr als drei Millionen Deutschen bewohnten Gebiete Böhmens, Mährens und Schlesiens der Tschechoslowakei einzuverleiben, und schlug – erfolglos – Volksabstimmungen vor.
Der Staatsrat legte am 31. Oktober 1918 für Deutschösterreich als
Staatsflagge die alten Babenberger Farben Rot-Weiß-Rot fest.
Als Staatswappen wurde beschlossen: ein auf einem Untergrund von schwarzen
Quadern aufgeführter Stadtturm, zwei gekreuzte Hämmer in Rot mit einem goldenen
Kranz aus Roggenähren mit der Umschrift „Deutschösterreich“.
Die Staatskanzlei ließ die Entscheidung über das neue Staatswappen in der
Schwebe, bis nach den Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung am 16.
Februar 1919 eine qualifizierte Volksvertretung entsprechende Schritte
unternehmen könnte. Nach längerer Diskussion, bei der auch der Heraldiker des
Innenministeriums, Heinrich Seydl, seine Vorstellungen darlegte, kam man
überein, von den Projekt des Hofrats Rudolf Penner und des Wappenmalers Ernst
Krahl ausgehend, die neuen Deutschösterreichen Staatswappen zu konzipieren. Nach
deren Fertigstellung gingen sie am 8. März 1919 mit einem ausführlichen
Motivbericht an die Staatskanzlei zur endgültigen Begutachtung und Auswahl.
Es war dabei an drei verschiede Wappen gedacht, von denen das erste als
alleiniges Staatswappen, das zweite und dritte zusammengehörig, das kleine für
alltägliche, das große für feierliche Zwecke Verwendung finden könnte.
Erstes Staatswappen:
Ein frei schwebender einköpfiger, golden gewaffneter und rot bezungter Adler,
dessen Brust mit einem roten, von einem silbernen Querbalken durchzogenen
Herzschild belegt ist. Der Adler trägt auf dem Haupte eine goldene Mauerkrone
mit drei sichtbaren Zinnen, im rechten Fange drei goldene Kornähren, im linken
aber einen goldenen Hammer.
Kleines Wappen:
Ein roter, von einem silbernen Querbalken durchzogener Schild, der mit einem zum
Pfahl gestellten schwarzen, von einem goldenen Ährenkranze umwundenen Hammer
belegt ist.
Großes Wappen:
I
II III
IV
Ein Hauptschild mit einem roten Herzschilde, welcher letzterer von einem
silbernen Querbalken durchzogen und mit einem zum Pfahl gestellten schwarzen,
von einem goldene Ährenkranze umwundenen Hammer belegt ist.
Der Hauptschild ist zweimal der Quere nach geteilt.
Die oberste Reihe zeigt nebeneinander:
I. Wappen von NIEDERÖSTERREICH,
II. Wappen von OBERÖSTERREICH,
III. Wappen von SALZBURG,
IV. Wappen von STEIERMARK.
Die mittel Reihe zeigt
rechts vom Herzschilde das Wappen von KÄRNTEN,
links vom Herzschilde das Wappen von TIROL, daneben endlich zur heraldischen
Bezeichnung von VORARLBERG.
Die unterste Reihe ist durch eine eingebogene aufsteigende Spitze in drei Plätze
geteilt:
Zur Rechten wird DEUTSCHBÖHMEN in folgender Weise versinnbildlicht: In Rot ein
silberner doppelgeschwänzter, golden gekrönter und ebenso gewaffneter Löwe, der
in den Vorderpranken einen Schild hält, das unter rotem Schildshaupte in Schwarz
einen goldenen befruchteten Eichenzweig zeigt.
Die linke Seite der untersten Reihe versinnbildlicht eine von Rot, Blau und Gold
gegabelte Feldung, welche oben mit dem golden gekrönten Haupte eines silbernen
Löwen, rechts mit dem golden gekrönten Haupte eines von Rot und Gold geschachten
Adlers, links mit golden gekrönten Haupte eines schwarzen Adlers bezeichnet ist,
das SUDETENLAND.
Die eingepfropfte Spitze endlich ist quer geteilt und halb gespalten, dieselbe
versinnbildlicht oben durch eine dreimal von Rot und Silber quergeteilte Feldung
das Einschlußgebiet von Brünn, unten rechts durch einen roten Igel in Silber das
Einschlußgebiet von IGLAU und unten links durch das golden gekrönte Haupt eines
von Rot und Silber geschachten Adlers in goldenem Felde das Einschlußgebiet von
Olmütz.
Die heraldische Vorlage für die Konzeption des großes Wappens bildet eindeutig das erst 1915 kreierte große Staatswappen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Es enthält die Wappen jener deutschen Siedlungsgebiete in der zisleithanischen Reichshälfte der Monarchie (Staatsgesetzblatt Nr. 40 vom 22. November 1918). Während man für Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg auf schon bestehende Wappen zurückgreifen konnte, mußten für die anderen Gebiete erst neue Wappen geschaffen werden.
Für DEUTSCHBÖHMEN bot sich der historische böhmische Löwe an, versehen „mit
einem das deutsche Volkstum versinnbildlichenden Bezeichner: Ein in seinen
Vorderpranken ruhendes Schildchen mit einem roten Schildshaupt. Im schwarzen
Schild einen goldenen befruchteten Eichenzweig.
Zur heraldischen Kennzeichnung von SUDETENLAND und DEUTSCHSÜDMÄHREN wurde ein
dreigliedriger Schild entworfen und, da diese Gebiete von den alten Kronländern
abgetrennt werden sollten, mit den abgerissenen gekrönten Köpfen der historische
Schildfiguren zu einem neuen Wappen geformt.
Die Staatskanzlei gab nach Begutachtung der drei Entwürfe schließlich dem einköpfigen schwarzen Adler den Vorzug. Ob Staatskanzler Karl Renner das große Wappen doch zu überladen bzw. zu anspruchsvoll erschienen war, kann den Akten nicht entnommen werden.
In der 13. Sitzung der Nationalversammlung vom 8. Mai 1919 wurde das Gesetz
nach zweiter und dritter Lesung und ohne Debatte beschlossen.
Der Artikel 1 desselben lautet:
Das Staatswappen der Republik Deutschösterreich besteht aus einem frei
schwebenden einköpfigen, schwarzen, golden gewaffneten und rot bezungten Adler,
dessen Brust mit einem roten, von einem silbernen Querbalken durchzogenen
Schildchen belegt ist. Der Adler trägt auf dem Haupte eine goldene Mauerkrone
mit drei sichtbaren Zinnen, im rechten Fange eine goldene Sichel mit einwärts
gekehrter Schneide, im linken aber einen goldenen Hammer.
Am 10. September 1919 wurde in Saint-Germain-en-Laye auch der Friedensvertrag zwischen den Ententestaaten und Deutschösterreich unterzeichnet. In diesem mußte Österreich die Abtretung aller Sudetendeutschen Gebiete an die Tschechoslowakei anerkennen, die Vereinigung mit der Deutschen Republik wurde verboten.
Quellen:
Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA),
Adelsakt-Generalen 35, Staatswappen, Zl . 174A / 1919 AVA,
Adelsakt-Generalen 35, Staatswappen, Zl196A /1919,
Original: Gall Franz, „Österreichische Wappenkunde“ Wien 1992, S. 115-120
Pardubitz, 10. April 2002
Franz Chocholatý Gröger
Liebe Freunde in Wien: Wer besorgt denn bitte mal
eine gute farbige Abbildung dieses Großen Staatswappens?
ML 2004-01-21