Aus der Neuen Zürcher Zeitung 289 Seite 28: 1978-12-13

Vergessene Bessarabienschweizer

In einem Brief an die NZZ erinnert Herr Karl Risch an die in Schaba in Bessarabien ansässig gewesenen Schweizer. Dazu möchte ich erwähnen, daß ein großer Teil dieser Schweizer aus Schaba im Zusammenhang mit dem Rückzug der deutschen Truppen aus Rußland im Herbst 1943/Winter 1944 als Flüchtlinge in Bukarest eintraf. Hier wurde die ganze Gruppe im damaligen Schweizerhaus (exterritorial) einquartiert und, so gut es eben ging, in Massenquartieren untergebracht. Die Mitglieder der Schweizerkolonie sammelten Kleider, Wäsche und Schuhe, um die Leute neu einzukleiden. Mit Hilfe der Eidgenossenschaft wurden die Flüchtlinge verpflegt und erhielten ärztlichen Beistand. Eine Integration mit der Schweizerkolonie kam nicht zustande, da die Schaba-Schweizer mit ganz wenigen Ausnahmen nur Russisch sprachen, die älteren noch etwas Französisch.

In Gesprächen zwischen Vertretern der Flüchtlinge, der Schweizerkolonie und der Eidgenossenschaft zeigte es sich, daß eine Neuansiedlung der Bessarabienschweizer in Rumänien einer Rückkehr und vielleicht fraglichen Integration in der Schweiz vorgezogen wurde. Nach großen Bemühungen wurde dann im Laufe der Jahre 1944 und 1945 ein genügend großes Gut in der Gegend von Cernavoda gefunden, um die ganze Gruppe in einem zu schaffenden Mustergut unterzubringen. Mit Geldern des Bundes und großen Opfern einzelner Bukarester Schweizer wurde für jede der zahlreichen Familien ein Haus gebaut und auf dem Gut die notwendige Infrastruktur geschaffen, um den Schweizern aus Schaba den neuen Start so leicht als möglich zu machen.

Groß war deshalb die Überraschung und Enttäuschung, als die ganze Gruppe beschloß, nach Schaba zurückzukehren, obwohl Bessarabien von russischen Truppen besetzt war und wenig Aussicht bestand, daß es an Rumänien zurückfallen würde. So verließen diese Schaba-Schweizer das Haus in Bukarest, das sie als Flüchtlinge aufgenommen und versorgt hatte. Die Schweizerkolonie und der Bund standen nun da mit einem Gut in den Händen, für das es keine Verwendung mehr gab.

B. Nater (Wabern)

Wer weiß mehr zu diesem kleinen Ereignis?  ML 2001-05-27

Siehe auch einen deutschsprachigen*Beitrag im Weltnetz und *englischsprachige Tabellen