Aufbau Bernsteinland Ostpreußen e.V.
Hilfe für den Kaliningradskaja Oblast / Bezirk Königsberg

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Spendenkonto: Sparkasse Celle 63303689 BLZ 25720001 (steuerbegünstigt)
Kontaktadresse: Ottfried von Weiß,

Rundschreiben September 2000:
Sehr verehrte Damen und Herren!
Über die Neuigkeiten und Schwierigkeiten von Aufbau Bernsteinland möchte ich im heutigen Rundschreiben berichten. Als erstes ist der "Husarenritt" von Rudolf Hornbostel und Hermann Hoffmann aus Höfer (bei Celle) zu erwähnen. In einer Bravourleistung brachten die beiden Freunde innerhalb von 48 Stunden einen Kartoffelroder auf dem Landweg nach Königsberg. Im Schlepp eines Unimog durfte keine Autobahn benutzt werden. Es handelte sich um einen landwirtschaftlichen Transport von 10 Metern Länge. Höchstgeschwindigkeit 30 – 40 km/h. Und das über 1000 Kilometer! Von den Zollschwierigkeiten ganz zu schweigen. Es war wirklich ein Husarenritt.

Den modernen Kartoffelroder hatten wir bei dem Landwirt Lothar Koll aus Höfer sehr preiswert gekauft, für 5000 DM. Ein sehr gepflegtes, sieben Jahre altes Arbeitsmittel. Der Roder wurde bei dem Bauern Waldemar Bohle in Klein Weißensee / Malye Gorki stationiert und sofort eingesetzt. Während der Kartoffelernte werden auch Lohnarbeiten bei anderen Bauern übernommen.
Übrigens, die Kartoffelernte ist sehr gut. Alle loben die Qualität und den reichen Ertrag. Nur die Uggehner meldeten lediglich einen Ertrag von eins zu vier. Und da liegt der "Hase im Pfeffer"! Die fünf Landbesitzer haben sich nämlich heillos zerstritten. Und so wurde auch der Ertrag heruntergespielt, um nicht so viele Anteile abgeben zu müssen. Nun arbeitet jeder für sich alleine. Wir steuern jetzt den Einsatz der Maschinen und Geräte. Und dabei hilft unser Mann vor Ort, Waldemar Herbst.
Der jahrzehntelange Bolschewismus und die Kolchoswirtschaft hat die Köpfe der Menschen völlig kaputtgemacht. Keiner gönnt dem anderen etwas. Ich nenne das die "Bolschkol-Krankheit". Klingt doch sehr wissenschaftlich!
Beruhigend ist aber, daß die Chipsfabrikanten unter dem Zerwürfnis nicht leidet. Sie ist in einer Hand. So wurde eine neue, einfache Verpackungsmaschine beschafft und jetzt, nach der Kartoffelernte, kann die Produktion beginnen.
Zur Nachahmung empfohlen: Anläßlich seines 70. Geburtstages hat ein altes Gründungsmitglied und langjähriger Förderer zu einer Spendenaktion für Aufbau Bernsteinland aufgerufen. Es wurde ein großartiger Erfolg: 10500 DM kamen zusammen. Danke, lieber ostpreußischer Freund.

Die deutsche Gruppe in Gerdauen/Zeleznodoroznyj (ein Zungenbrecher) verfügt seit einiger Zeit über ein eigenes Kulturhaus. Für die dort vorgesehene Zahnarztpraxis hat uns Dr. med. dent. Hannes Cohnert aus Gifhorn zwei Behandlungsstühle mit fast komplettem Zubehör angeboten. Wir bemühen uns jetzt um den Transport, und Dr. Cohnert um die Bereitstellung der Einrichtung. Im Voraus schon ein herzliches Dankeschön!
Und noch eine erfreuliche Nachricht: Die vom sächsischen Wirtschaftsministerium getragene Arbeitsförderungsgesellschaft Dresden hat für Aufbau Bernsteinland einen Mähdrescher beschafft. Im Oktober soll der Selbstfahrer auf einem Tieflader nach Nordostpreußen gebracht werden. Auch für den Transport sorgen die Dresdener. – Diese Anschaffung ist ein weiterer Schritt zur Förderung der Landschwirtschaft. Es ist vorgesehen, den Mähdrescher in der Gegend von Tapiau zu stationieren, wo besonders viele von uns geförderte Betriebe angesiedelt sind. Während der Erntezeit soll der Mähdrescher dann rund um die Uhr eingesetzt werden.
Auch über die stille Arbeit unserer freiwilligen Helfer soll einmal etwas gesagt werden. Kostenlos und für Gotteslohn setzen sie sich ständig für die Menschen im Königsberger Land ein. Für Heinrich Kauck ist es eine heilige Sache, wie er es nennt. Unsern norddeutschen Helfer Hauke Hermann Eggert motiviert die Verbindungg zu seinen Vorfahren. Und für Hans Möller ist der menschliche Kontakt und die völkerverbindende Arbeit ausschlaggebend.
Unser Büro ist nur mit einer 630-Mark-Mitarbeiterin besetzt. Hier werden nicht nur die umfangreichen schriftlichen Arbeiten (täglicher Schriftverkehr, Buchhaltung, Mitgliederverwaltung, Registratur) erledigt. Hinzu kommt die Vorbereitung von Transporten. In Berlin müssen Durchfahrtsgenehmigungen für Rußland und Polen beschafft werden, Zollpapiere in mehrfacher Ausfertigung geschrieben und Kontakt mit den deutschen Zollbehörden an der Grenze aufgenommen werden.
Und zum Abschluß noch etwas über die anstehenden Gouverneurswahlen. Das ist für viele Menschen, besonders aber die beteiligten Politiker, eine ganz spannende Angelegenheit. Es gibt vier ernsthafte Bewerber. Neben dem bisherigen Gouverneur Gorbenko ist besonders die Bewerbung des Chefs der baltischen Flotte, Admiral Jegorow, interessant. Er wird nämlich von Präsident Putin favorisiert. Denn der russische Präsident braucht einen getreuen Gefolgsmann, um seine Politik der Neuordnung Rußlands durchzusetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird unter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, ob der Präsident die Gouverneure nicht mehr wählen läßt, sondern per Dekret ernennt.
Ihr Ottfried von Weiß

Aufbau Bernsteinland Ostpreußen e.V.
Hilfe für den Kaliningradskaja Oblast / Bezirk Königsberg

Blick in das Königsberger Land
Überrascht war ein Ausländer
aus einem EU-fernen Land, der die Reisegruppe von Aufbau Bernsteinland Ostpreußen auf dem Friedhof von Germau traf. In der gepflegten Gedenkstätte, die den Gefallenen im Kampf um Königsberg gewidmet ist, ruhen deutsche und russische Soldaten. Als ein Mitglied unserer Grruppe vom deutschen Teil des Gräberfeldes zum rrussischen Ehrenmal ging, sagte er, mehr für sich als für die Allgemeinheit bestimmt: "Jetzt gehe ich zu den russischen Kameraden und bete für sie." Das waren für den Fremden unbekannte Töne. Staunend, mit offenem Mund und kopfschüttelnd, quittierte er den nicht für ihn bestimmten Ausspruch. – Das war der Geist der deutschen Soldaten!
Die Zukunft Nordostpreußens sieht der bekannte russische Politiker Gawril Popow (einst Moskauer Bürgermeister) allein in einer massiven Förderung der Landwirtschaft. Das sei die einzige Überlebenschance der Exklave. Seine Begründung: Der Agrarsektor war einst die stärkste Säule der ostpreußischen Wirtschaft. So soll es wieder werden!
Die humanitäre Hilfe für Nordostpreußen wird immer weniger. Das ist allein auf die rigiden Zollvorschriften zurückzuführen. Riesige Schlangen an den Grenzübergängen, Schikane und tagelanges Warten sind der Hauptgrund. Die humanitären Hilfsorganisationen sind nicht mehr gewillt, dies hinzunehmen. So wuden die Hilfslieferungen immer weniger. Im ersten halben Jahr kamen nur noch Hilfsgüter im Wert von 124000 Dollar in die Region. Allein drei Viertel stammten aus Deutschland. – Außerdem wird die Zahl der Zollämter von sieben auf drei zurückgeführt. Damit ändern sich auch die Zuständigkeittetn der Grenzbehörden. Das Königsberger Zollamt ist in Zukunft nur noch eine Regionalabteilung mit dem Hauptsitz in St. Petersburg. Fachleute sagen weitere Erschwernisse voraus.
Den "leichten Mädchen" weht ein scharfer Wind entgegen. In Königsberg soll eine Sittenpolizei eingerichtet werden. Damit hofft man, der Straßenprostitution ein Ende zu setzen. Mit diesem neuen Angriff auf die Unmoral ist beabsichtigt, das Dirnenunwesen einzudämmen. So sollen die Strafen auf zwanzig Mindestlöhne festgesetzt werden. Damit will man die Hintermänner treffen, die die Dirnen auf die Straße schicken. Jede Nacht sind 120 bis 150 leichte Mädchen unterwegs.
Eldingen, im September 2000

Das Bauernfest in Sanditten
von Karin Khemlyani-Albrecht
Aufbau Bernsteinland hat gerufen und alle, alle kamen zum Bauernfest nach Sanditten. Unter den alten Eichen, mit Blick auf den Pregel, feierten wir das Erntefest mit "unseren Bauern". Am Rande des herrlichen Waldes waren hufeisenförmig schnell gezimmerte Tische und Bänke aufgestellt. Von dort hatten wir einen atemberaubenden Blick auf die sanft abfallenden Wiesen, Weiden und den silberschimmernden Pregelfluß. Einige am Ufer weidende scharzbunte Kühe vermittelten das Bild der klassischen ostpreußischen Landschaft. Es sah aus wie auf einem alten Gemälde.
Unsere Reisegruppe aus Deutschland wurde von erwartungsvoll blickenden Rußlanddeutschen, Russen und einer großen Kinderschar begrüßt. Die Tische bogen sich unter Salaten, Tomaten, Kuchen und Getränken. Aus großen Eisenkesseln wurde Hirschsuppe angeboten und das kasachische Gericht Ploff, ein in Öl, Zwiebeln und Karotten gegartes Reisgericht. Natürlich durfte der Wodka nicht fehlen! Es war ein köstlicher Schmaus.
Ottfried von Weiß nannte in seiner Begrüßung das Leitmotiv von Aufbau Bernsteinland Ostpreußen: "Gib dem Menschen eine Angel und er wird sich selbst ernähren. Gib ihm aber ein Stück Brot, so wird er immer wieder darum betteln müssen." Aufbau Bernsteinland Ostpreußen setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe. Jeder einzelne muß dazu beitragen!
Der russische Bezirksbürgermeister Tschaplew gab seiner Freude über die sichtbaren Erfolge von Aufbau Bernsteinland Ostpreußen Ausdruck und versprach die Hilfe der Administration. Dann kam die große Überraschung. Waldemar Wulfert sprach auch im Namen von Alexander Emilianow aus Nautzau: "Sie, Herr von Weiß, haben uns vor Jahren beim Aufbau unserer Bäckerei und des Sägewerkes entscheidend geholfen. Jetzt bedanken wir uns mit einem Geschenk." Zu Tage kam ein kunstvoll gefertigtes Schachspiel mit Figuren, alles aus purem Bernstein. Und auf der Rückseite prangte das Wappen der Familie von Weiß, ebenfalls in Bernstein gearbeitet, mit kunstvollen Einlegearbeiten.
Nach dem opulenten Mahl stimmten die Rußlanddeutschen, begleitet von einem Akkordeonspieler, deutsche Volkslieder an. Der Dank der deutschen Gruppe fiel etwas schwach aus. Beim Mitsingen der alten Volkslieder fehlte den meisten der Text. – Von Walzer, Rock bis russischer Foklore wurde rüchtig getanzt, gesungen und gefeiert, bis ein Wolkenbruch uns am Abend zum Aufbruch mahnte. Zum Abschied hieß es: Wir treffen uns wieder unter den Eichen in Sanditten.