Die EU kann die Benesch-Dekrete nicht tolerieren

Zum Artikel "Verurteilung von DDR-Funktionären rechtmäßig" (F.A.Z. vom 23. März 2001):
Völkerrechtlich wirkt das Krenz-Urteil der 17 europäischen Richter weit über die juristische Aufarbeitung und Wertung der DDR-Vergangenheit hinaus. Immerhin hat das oberste Gericht des Europarates, zu dessen Mitgliedern mittlerweile auch alle Länder des früheren "Ostblocks" zählen, mit diesem Urteil festgestellt, daß Vergehen gegen grundlegende Menschenrechte auch dann strafbar seien, wenn sie nicht gegen nationale Gesetze verstoßen oder durch diese gedeckt werden soll(t)en.
Diesen Grundsatz übernehmend, sind die von der offiziellen tschechischen Politik und Justiz noch immer als Rechtfertigung für straffreien Völkermord und Vertreibung herangezogenen Benesch-Dekrete eindeutig völkerrechtswidrig. Somit sind die damit einhergegangenen Verbrechen an den Sudetendeutschen, Ungarn und Ukrainern – in letzter Instanz auch vom Europäischen Gerichtshof – aburteilbar und zu verfolgen. Interessant dürfte nach diesem Urteil sein, wie sich die rot-grüne Bundesregierung nunmehr zur Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union verhält, zumal bereits vor diesem Urteil das Europäische Parlament vor einem Beitritt der Tschechischen Republik die Aufhebung der Benesch-Dekrete verlangte.

Jedenfalls ist nach diesem Urteil nicht mehr länger tolerabel, daß ein (zukünftiges) EU-Mitglied und dessen Politiker und Richter weiterhin – mit Verweis auf nationale Gesetze – ethnische Säuberungen und andere Verbrechen mit nationaler Rechtsidentität rechtfertigen und völkerrechtswidrige Dekrete über internationales Völkerrecht stellen dürfen. Denn eine Gemeinschaft kann nur auf der Basis gemeinsamer Werte und gleicher rechtlicher Maßstäbe und deren einheitlicher Anwendung harmonieren.

Klaus Uhlmann, München, FAZ 79 Seite 59. Dienstag, 2001-04-03