Runderlaß des Ministeriums des Innern vom 24. August 1945
über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft
nach dem Dekret vom 2. August 1945

Übersetzt aus:
Vestnik ministerstva vnitra Ceskoslovenky Republiky (Verordnungsblatt des Ministeriums des Innern der Tschechoslowakischen Republik) Jg. XXVII (1945), Nr. 3 vom 15. August 1945. S. 21 bis 26.
Hier wiedergegeben nach der Dokumentation „Die Vertriebung der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei“ ISBN 3-89350-560-1

An die Landes- und Bezirksnationalausschüsse (Bezirksverwaltungskommissionen), die Expositur des mährisch-schlesischen Landesnationalausschusses in Mährisch Ostrau, die Nationalausschüsse der Statutarstädte.

Zur Durchführung des Verfassungsdekretes des Präsidenten der Republik vom 2. August 1945, Slg. Nr. 33, über die Regelung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Personen deutscher und madjarischer Nationalität (weiterhin „Dekret“ genannt) werden folgende Weisungen erlassen:

(1) Obwohl dies nach dem Zweck und dem Wortlaut des Dekrets selbstverständlich ist, ist es dennoch erforderlich, im vorhinein zu unterstreichen, daß durch das Dekret die Staatsangehörigkeit der bisherigen tschechoslowakischen Staatsbürger geregelt wird, d. h. Der Personen, die unstreitig die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besitzen würden, wenn die Besetzung eines Teiles der Tschechoslowakischen Republik durch die Deutschen und Madjaren in den Jahren 1938 und 1939 nicht stattgefunden hätte. Unberücksichtigt bleibt die vorübergehende Besetzung durch Polen, da das von den Polen besetzte Gebiet während des Krieges dann wieder von den Deutschen besetzt wurde. Wo also im Dekret von deutscher oder madjarischer Staatsangehörigkeit gesprochen wird, ist darunter die Zugehörigkeit zu verstehen, die auf Grund der Vorschriften erworben wurde, die infolge der Besetzung tschechoslowakischen Gebietes erlassen wurden. Nicht hierher gehören also die Staatsangehörigen des Deutschen Reiches (des sogenannten „Altreiches“) und Ungarns, die dies auch ohne Besetzung waren und als deutsche oder madjarische Staatsangehörige auf dem Gebiet der Tschechoslowakischen Republik wohnten oder während der Besetzung hierher zuzogen. Als tschechoslowakische Staatsbürger können auch nicht die Personen angesehen werden, welche die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft auf eine Art verloren haben, auf die sie sie auch dann verloren hätten, wenn eine Besetzung nicht erfolgt wäre, z. B. durch Einbürgerung in einen ausländischen Staat, auch in Deutschland oder Ungarn, durch Legitimation durch einen Ausländer, durch Verheiratung mit einem Ausländer. Besonders häufig werden in dieser Hinsicht die Fälle sein, in denen eine ehemalige tschechoslowakische Staatsbürgerin (auch wenn sie nach den Vorschriften der Okkupanten deutsche oder ungarische Staatsangehörige geworden ist) deutschen Staatsangehörigen aus dem Altreich oder einen ungarischen Staatsangehörigen aus Ungarn, insbesondere einen solchen Soldaten oder Beamten geheiratet hat; in einem solchen Falle ist auf die Frau das Dekret nicht anzuwenden – auch wenn es sich um eine Frau tschechischer Nationalität handelt, und diese Frau bleibt der Tschechoslowakischen Republik gegenüber Ausländerin, ebenso wie die aus dieser Ehe hervorgegangenen oder durch sie legitimierten Kinder. Solche Personen können die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft im Wege der gewöhnlichen Einbürgerung wieder erwerben. Nach dem Dekret wird jedoch die Staatsbürgerschaft der Frauen beurteilt, die während der Besetzung einen Mann geheiratet haben, der tschechoslowakischer Staatsbürger war und infolge der Besetzung deutscher oder ungarischer Staatsangehöriger geworden ist.

(2) Zum Überblick werden die Vorschriften der (deutschen und ungarischen) Okkupanten angeführt, durch die auf dem Gebiete der Tschechoslowakischen Republik die Staatsangehörigkeit der tschechoslowakischen Staatsbürger geregelt wurden. Es sind dies:

a)    Der Vertrag zwischen der Tschechoslowakischen Republik und dem Deutschen Reich über Staatsangehörigkeits. und Optionsfragen vorn 20. November 1938, Slg. D. Ges. u. Vo. Nr. 300 von 1938. Die dazu durch Runderlaß des Ministeriums des Inneren vom 12. Dezember 1938, Nr. 97 326-1938-7, Verordnungsblatt des Ministeriums des Inneren Nr. 12, Jg. 1938, und vom 20. Januar 1939, Nr. 99 303-1938-7, Verordnungsblatt des Ministeriums des Inneren Nr. 2, Jg. 1939, erlassenen Richtlinien.

b)    Der Erlaß vom 16. März 1939 über die Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren, Art. 2, und die Verordnung vom 20. April 1939. RGBl. 1 S. 815, über den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch frühere tschechoslowakische Staatsangehörige deutscher Volkszugehörigkeit (Amtsblatt des Reichsprotektorates Nr. 8 des Jahres 1939); die Durchführungsbestimmungen im Runderlaß des Ministeriums des Inneren vom 16. Mai 1940, Nr. A-4600-15/5-40-7, Verordnungsblatt des Ministeriums des Inneren Nr. 6/1940, und vom 6. Januar 1942, Nr. A-4600-17/10-41-7, Verordnungsblatt des Ministeriums des Innern Nr. 2/1942.

c)    die Verordnung zur Regelung von Staatsangehörigkeitsfragen gegenüber dem Protektorat Böhmen und Mähren vom 6. Juni 1941, RGBl. 1 S. 308 (siehe den unter 1 angeführten Runderlaß).

d)    die Verordnung vom 4. März 1941, RGBl. 1 S. 118 über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten (gilt für das Teschener Gebiet).

e)    die Verordnung über die Aberkennung der Staatsangehörigkeit des Protektorats Böhmen und Mähren vom 3. Oktober 1939, RGBl. 1 S. 1997.

f)    Der Vertrag zwischen der Tschechoslowakischen Republik und dem Königreich Ungarn über die Regelung der Fragen der Staatsbürgerschaft und Option vom 18. Februar 1939, Slg. D. Ges. u V., Nr. 43/1939; die Erläuterungen dazu im Runderlaß des Ministeriums des Innern vom 11. März 1939, Nr. 13 588-1939-7, Verordnungsblatt des Ministeriums des Innern Nr. 3/1939.

g)    Ges. Art. VI/1939 über den Anschluß der Karpatenukraine an das Gebiet Ungarns vom 23. Juni 1939.

(3) Nach den Bestimmungen des § 1 des Dekretes verlieren die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft grundsätzlich alle tschechoslowakischen Staatsbürger deutscher oder madjarischer Nationalität, soweit sie nicht unter die Bestimmungen des § 1 Abs. 3 und 4 fallen oder soweit sie diese Staatsbürgerschaft nicht gemäß § 2 behalten. Die Mehrheit dieser Personen hat die deutsche oder ungarische Staatsangehörigkeit auf Grund der Regelung der Okkupanten selbst erworben. Diese Verfügung wäre zwar vom Standpunkt der tschechoslowakischen Rechtsordnung nichtig, das Verfassungsdekret hat diesen Akt einer ausländischen Staatsgewalt jedoch ausdrücklich anerkannt und dadurch ex lege alle diese Personen aus dem tschechoslowakischen Staatsverband ausgeschlossen. Der Verlust der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft tritt bei solchen Personen mit dem Tage des Erwerbs der Staatsangehörigkeit der ausländischen Okkupationsmacht ein. Dieser Tag ist bei den Personen deutscher Nationalität aus den Grenzgebieten Böhmens und Mährens der 10. Oktober 1938, bei den Personen deutscher Nationalität des restlichen Gebietes Böhmens und Mährens der 16. März 1939, bei Personen aus dem Teschener Gebiet der 26. Oktober 1939, bei Personen madjarischer Nationalität aus den Grenzgebieten der Slowakei und der Karpatenukraine der 2. November 1938, bei Personen aus der restlichen Karpatenukraine der 16. März 1939. Tschechoslowakische Staatsbürger deutscher und madjarischer Nationalität, die nach den Vorschriften einer auslänchschen Okkupationsmacht nicht deren Staatsangehörigkeit erworben haben (hauptsächlich die Deutschen und Madjaren in der Slowakei), verlieren die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit an dem Tage, an dem das Dekret in Kraft getreten ist, d. h. am 10. August 1945 (§ 1 Abs. 2).

(4) Alle Personen, die tschechoslowakische Staatsbürger waren und weder deutscher oder madjarischer Nationalität sind, noch gemäß § 1 Abs. 4 und § 5 diesen Personen gleichgestellt werden, sind auch weiterhin tschechoslowakische Staatsbürger geblieben ohne Rücksicht darauf, ob sie nach den Vorschriften der Okkupanten deutsche oder ungarische Staatsangehörige geworden sind oder nicht. Unmaßgeblich ist insbesondere der Umstand, ob Tschechen, die nach dem oben angeführten Vertrag vom 20. November 1938 deutsche Staatsangehörige geworden sind, für die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft optiert haben oder nicht, da der Begriff der Nationalität und der Begriff der Staatsangehörigkeit in keiner Weise verwechselt werden dürfen.

(5) Im Dekret wird der Begriff der deutschen und madjarischen Nationalität ebensowenig bestimmt wie der Begriff der tschechischen, slowakischen und sonstigen Nationalität. Der Begriff der Nationalität deckt sich nicht mit dem Begriff der nationalen Zugehörigkeit („Volkszugehörigkeit“), wie ihn sich die Okkupanten für ihre Zwecke zurechtkonstruiert haben, um alle Personen, die möglicherweise nach entfernten Vorfahren deutschblütig waren, zu Deutschen erklären zu können. Es ist hier notwendig, bei der Bestimmung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität die herkömmlichen Gesichtspunkte zu beachten, durch welche die nationale Zugehörigkeit bestimmt wird. In Betracht kommt hier die subjektive Erklärung der betreffenden Person, die durch objektive Kennzeichen, wie das frühere amtliche Bekenntnis zu einer bestimmten Nationalität bei der Volkszählung des Jahres 1930 und bei der im Grenzgebiet Böhmens, Mährens und Schlesiens im Jahre 1939 durchgeführten Volkszählung, polizeiliche Meldungen, Schulanmeldungen, die Meldungen für Zwecke der Lebensmittelkarten (Haushaltslisten), die Abstammung von Eltern einer bestimmten Nationalität, die Schulbildung, der Sprachgebrauch im Privatleben, die Beteiligung am öffentlichen Leben, insbesondere die Mitgliedschaft in politischen Parteien, in Vereinen, Formationen, Organisationen, in denen Personen einer bestimmten Nationalität vereinigt sind, die Mitgliedschaft in nationalen Kirchengemeinschaften und ähnlichen. Dabei müssen die einzelnen derartigen Tatsadäen im Verhältnis zueinander bewertet werden, und man darf sich nicht mit einem einzigen derartigen Merkmal begnügen, besonders, wenn es sich um Umstände handelt, die sich im Laufe der Zeit leicht ändern lassen. Das Dekret selbst erklärt in § 1 Abs. 3, daß Deutsche und Madjaren, die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik in einer amtlichen Meldung als Tschechen oder Slowaken bekannt haben, nicht als Deutsche oder Madjareü anzusehen sind, die die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verlieren müßten. Auf die Vorteile des § 1 Abs. 3 des Dekrets können sich nur diejenigen Deutschen und Madjaren berufen, die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik (das ist in der Zeit vom 21. Mai 1938 an), also auch während der Okkupation des Binnenlandes der Republik und während des Krieges, ständig als Tschechen oder Slowaken bekannt haben. Es genügt also nicht, daß ein Deutscher oder Madjare auf Grund dessen, daß er sich kurz vor München oder kurz nachher oder vollends erst nach der Mairevolution von 1945 bei irgendeinem öffentlichen Amt als Tscheche oder Slowake gemeldet hat, als tschechoslowakischer Staatsbürger betrachtet wurde. Da es sich dabei um eine grundsätzliche Abweichung vom gesamten Geist des Dekrets handelt, behält es sich das Ministerium des Innern vor, daß in jedem Falle, in dem es sich um die Ausstellung einer Bescheinigung über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft für die in § 1 Abs. 3 des Dekretes angeführten Personen handelt, die Urkunde dem Ministerium des Inneren vorgelegt wird, das die Zustimmung zur Ausfolgung der Bescheinigung erteilt. Andererseits werden Tschechen, Slowaken und Angehörige anderer slawischer Nationalitäten, die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik als Deutsche oder Madjaren (gemeint ist hier zur deutschen oder madjarischen Nationalität) bekannt haben oder sich um die Verleihung der deutschen oder madjarischen Staatsangehörigkeit, sei es auch erfolglos (§ 5 des Dekrets) beworben haben, als Deutsche oder Madjaren angesehen und verlieren gemäß § 1 Abs. 1 oder 2 und § 5 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft mit Ausnahme der Personen, die sich, durch Zwang oder besonders berücksichtigungswürchge Umstände genötigt, als Deutsche oder Madjaren bekannt oder um die deutsche oder madjarische Staatsangehörigkeit beworben haben. Die zum Bekenntnis der deutschen oder der madjarischen Nationalität gezwungenen Personen behalten die tsdsechoslowakische Staatsbürgerschaft jedoch nur dann, wenn das Ministerium des Innern die Bescheinigung der nationalen Zuverlässigkeit (Muster A) genehmigt; diese Bescheinigung stellt der Bezirksnationalausschuß (die Bezirksverwaltungskommission) aus, der nach dem Wohnsitz des Antragstellers, falls kein Wohnsitz im Inland vorhanden ist, nach seiner Heimatzuständigkeit, gegebenenfalls nach den weiteren in den allgemeinen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren (§ 7 RegVO. Slg. Nr. 8/1928) angeführten Umständen zuständig ist. Vor der Ausstellung der Bescheinigung über die nationale Zuverlässigkeit müssen die angeführten Umstände sorgfältig geprüft werden, vor allem auf Grund eines mit Gründen versehenen Gutachtens der Ortsnationalausschüsse (der Verwaltungskommissionen). Das gilt entsprechend auch für die in § 5 des Dekrets angeführten Personen. Die ausgestellten Bescheinigungen über die nationale Zuverlässigkeit sind dem Ministerium des Innern unmittelbar zur Genehmigung vorzulegen. Um Zeit zu sparen und das Verfahren zu erleichtern, empfiehlt es sich, dort, wo es in einzelnen Gemeinden mehrere solche Fälle gibt, die betreffenden Bescheinigungen hier gemeindeweise gesammelt vorzulegen, und zwar mit einem Verzeichnis der Bescheinigungen in zweifacher Ausfertigung. Die Vordrucke gemäß Muster A erhält der Bezirksnationalausschuß (die Bezirksverwaltungskommission) bei der Druckerei des Innenministeriums; über sie ist genau abzurechnen.

(6)   Den Personen, die nach den oben angeführten Vorschriften des Dekrets die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft nicht verlieren oder sie behalten, stellt der Bezirksnationalausschuß eine „Bescheinigung über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft“ aus (siehe unter Nr. 15). Diese Personen müssen also nicht um irgendeine Neuerteilung oder Wiederverleihung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft ansuchen, wie dies vielleicht in der Annahme geschieht, daß sie durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit der Okkupanten ihre tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren haben.

(7)   Der Verlust der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft gemäß § 1 Abs. 1 und 2 des Dekrets tritt automatisch bereits auf Grund des Dekrets selbst ein, den deklaratorischen Ausspruch darüber, daß dieser Verlust eingetreten ist, erläßt aus konkretem Anlaß ebenfalls die in Absatz 16 angeführte Behörde, oder sie regelt diese Frage im Zusammenhang mit einem anderen Verfahren als präjudizielle Frage.

(8)   Gemäß § 2 des Dekrets behalten die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft die Personen, die wegen ihrer deutschen oder madjarischen Nationalität gemäß § 1 Abs. 1 und 2 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verlieren müßten, jedoch nachweisen, daß sie der Tschechoslowakischen Republik treu geblieben sind, sich niemals gegen das tschechische und slowakische Volk vergangen und sich entweder aktiv am Kampf um seine Befreiung beteiligt oder unter dem nazistischen oder faschistischen Terror, sei es aus politischen Gründen (oder wegen ihrer Nationalität) oder aus rassischen Gründen gelitten haben. Um die Feststellung, daß die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft beibehalten wurde, ist innerhalb von sechs Monaten vom Inkrafttreten des Dekretes anzusuchen. Dieses Gesuch ist beim örtlich zuständigen Bezirksnationalausschuß (bei der Bezirksverwaltungskommission) einzureichen oder, wenn der Gesuchsteller im Auslande lebt, bei der tschechoslowakischen Vertretungsbehörde. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Wohnsitz des Gesuchstellers. Dabei ist folgendes Verfahren einzuhalten: Der Bezirksnationalausschuß (die Verwaltungskommission) überprüft die Berechtigung des Ansuchens, er stellt insbesondere auf Grund der vorgelegten Unterlagen und der erforderlichen Erhebungen fest, ob die den Anspruch begründenden Umstände vorliegen. Ist dies der Fall, so stellt er dem Gesuchsteller eine Bescheinigung nach dem beigefügten Muster B aus und übersendet das Gesuch dem übergeordneten Landesnationalausschuß, bei Gesuchstellern aus der Slowakei dem Bevollsnichtigten des Slowakischen Nationalrates für innere Angelegenheiten, die das Gesuch dann zusammen mit dem eigenen Vorschlag dem Ministerium des Inneren zur Entscheidung vorlegen. Das entsprechende Verfahren befolgt auch die tschechoslowakische Vertretungsbehörde im Ausland, die das Gesuch nach vorhergehender Bearbeitung dem Landesnationalausschuß (dem Beauftragten des Slowakischen Nationalrates), in dessen Zuständigkeitsbereich die Heimatgemeinde des Gesuchstellers liegt, falls der Gesuchsteller keine bestimmte Heimatgemeinde besitzt, dem Innenministerium unmittelbar vorlegt. Diese Vorschriften und Anweisungen beziehen sich nicht auf die Angehörigen der tschechoslowakischen Militäreinheiten, die der deutschen oder madjarischen Nationalität angehören, da über die Beibehaltung ihrer tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft gemäß Absatz 3 von Amts wegen entschieden wird.

Die Bescheinigung nach Muster B erfolgt auf blauen Formularen, die der Landesnationalausschuß in der Druckerei des Innenministeriums, Prag IV, ehemalige Kadettenanstalt, erhält und den einzelnen Bezirkenationalausschüssen (Bezirksverwaltungekommissionen) auf Verlangen in der erforderlichen Menge zuteilt. Über diese Bescheinigungen muß genau abgerechnet werden, es werden davon 200 000 mit den Nummern 1 bis 200 000 versehene Stücke ausgegeben. Die Kontrolle über die Verteilung führt der Landesnationalausschuß, die Kontrolle über die Ausgabe an die einzelnen GesuchsteIler der Bezirksnationalausschuß (die Bezirksverwaltungskommission). Der Bezirksnationalausschuß (die Bezirksverwaltungskommission) wählt aus seiner Mitte eine in der Regel aus drei Mitgliedern bestehende Beglaubigungskommission, die unverzüglich die Ermittlungen einleitet und darüber entscheidet, ob eine Bescheinigung ausgestellt werden soll. Vor dieser Entscheidung wird ein Gutachten eines drei- bis fünfgliedrigen antifaschistischen Ausschusses eingeholt, der aus erprobten und staatlich zuverlässigen Personen deutscher Nationalität besteht. Über die Verhandlungen dieses antifaschistischen Ausschusses wird ein ordnungsmäßiges Protokoll aufgenommen und von allen Mitgliedern unterschrieben. Wird die Ausstellung der Bescheinigung abgelehnt, so wird darüber ein Bescheid erteilt mit dem Recht, innerhalb von 15 Tagen nach der Zustellung Berufung einzulegen, über die der Landesnationalauescläuß endgültig entscheidet. Der Bezirksnationalausschuß (die Beglaubigungskommission) ist verpflichtet, in streitigen Fällen eine Weisung des übergeordneten Landesnationalaueschusses einzuholen, die für ihn bindend ist. Das Ministerium des Inneren weist in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hin, daß im Sinne des Regierungsprogrammes vom 5. April 1945, nach den Richtlinien des Innenministeriums vom 16. Mai 1945 und nach den Weisungen des Innenministeriums, den allgemeinen gegen die Deutschen gerichteten Maßnahmen vom 8. Juni 1945 Punkt 1 und 2 sowie den allgemeinen Maßnahmen im Sinne des angeführten Verfassungsdekrets des Präsidenten der Republik nicht unterliegt, sondern als antinazistisch oder antifaschistisch anzuerkennen und durch die zuständigen Behörden zu legitimieren ist:

1.    Wer aus politischen oder rassischen Gründen im Konzentrationslager, im Zuchthaus, im Gefängnis oder in Untersuchungshaft war und nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis seiner Überzeugung treu geblieben ist, oder wer wegen seiner Treue der Republik und wegen seiner Loyalität dem tschechischen oder slowakischen Volke gegenüber in anderer Weise von den nazistischen Behörden verfolgt wurde.

2.    Wer vor und in der Zeit der Okkupation einen aktiven Kampf gegen den Nazismus und für die Tschechoslowakische Republik geführt hat.

3.    Wer in der Zeit der Okkupation Angehöriger der tschechoslowakischen oder einer verbündeten Armee oder einer Partisanenabteilung war oder in ihren Diensten arbeitete.

4.    Wer niemals Mitglied der SS, SA, SdP, NSDAP, NSKK oder anderer nazistischer Gliederungen war, er sei denn dazu gezwungen worden. Als Antifaschist kann also nicht angesehen werden, wer in diesen oder anderen Gliederungen der nazistischen Partei organisiert war, mit Ausnahme derjenigen, die nachweisbar zum Zwecke zersetzender Tätigkeit von einer antifaschistischen Organisation in diese Gliederungen beordert wurden.

5.    die Familienangehörigen derjenigen Deutschen und Madjaren aus der Republik, die

a)    im Kampf für die Befreiung der Republik gefallen oder Invaliden geworden sind,

b)    die in Konzentrationslagern aus politischen oder rassischen Gründen gefangen gehalten wurden und dort gestorben sind,

c)    die wegen ihrer antifaschistischen Tätigkeit ermordet wurden.

Das bezieht sich freilich nur auf diejenigen Familienmitglieder von Antifaschisten, die sich selbst dem Befreiungskampf des tschechischen und des slowakischen Volkes gegenüber loyal verhalten haben. Auf Personen, die von einigen gegen die Deutschen gerichteten Maßnahmen im Interesse der Aufrechterhaltung des Betriebes wichtiger Werksanlagen oder Wirtschaftsunternehmungen befreit sind, beziehen sich diese Richtlinien nicht.

Bei der Ausstellung der antinazistischen Bescheinigungen nach Muster B müssen der ausstellenden Behörde augenblicklich alle Bestätigungen über die Befreiung von den gegen die Deutschen und die Kollaboranten gerichteten Maßnahmen zurückgegeben werden, gleichgültig von welcher Behörde sie ausgestellt wurden. Die Ehefrauen und die Kinder der Personen, denen eine Bescheinigung nach Muster B ausgestellt wird, werden selbständig beurteilt, und über ihre Zuverlässigkeit wird eine besondere Untersuchung durchgeführt; für Ehefrauen und Kinder über 14 Jahren wird eine besondere Bescheinigung ausgestellt, Kinder bis zu 14 Jahren werden in die Bescheinigung des Vaters (der der Mutter) aufgenommen.

(9) Personen, welche die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft gemäß § 1 verloren haben, können um ihre Wiederverleihung ansuchen (§ 3). Das Ansuchen ist im Laufe von sechs Monaten, gerechnet von dem Tage, der durch eine in der Sammlung der Gesetze und Verordnungen abgedruckte Bekanntmachung des Innenministers bestimmt wird, einzureichen. Das Ansuchen ist bei dem für den Wohnsitz zuständigen Bezirksnationalausschuß (Bezirksverwaltungskommission) einzureichen; dieser Ausschuß führt über das Ansuchen eine besondere Untersuchung durch, deren Ergebnis in den Ermittlungsbogen gemäß Anlage E eingetragen wird, und legt das Ansuchen mit seinem Gutachten dann dem übergeordneten Landesnationalausschuß, in der Slowakei dem Amt des Beauftragten des Slowakischen Nationalrates für innere Angelegenheiten, vor; von da aus wird das Ansuchen mit einem Vorschlag dem Ministerium des Innern zur Entscheidung übersandt. Die im Ausland wohnenden Personen reichen die Gesuche bei der tschechoslowakischen Vertretungsbehörde ein, welche sie nach einer entsprechenden vorhergehenden Behandlung dem für die Heimatgemeinde zuständigen Landesnationalausschuß, gegebenenfalls dem Amt des Beauftragten des Slowakischen Nationalrates für innere Angelegenheiten, übersendet. Das Ansuchen wird so beurteilt wie das Gesuch um Verleihung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft, und bis zu seiner Erledigung wird der Gesuchsteller nicht als tschechoslowakischer Staatsbürger betrachtet. Ansuchen, die vor der angegebenen Frist eingereicht wurden, sind den Antragstellern zurückzureichen. Besonderheiten, die für Ehefrauen und Kinder tschechoslowakischer Staatsangehöriger gelten, sind in Absatz 12 angeführt.

(10) die Pflichten eines tschechoslowakischen Staatsbürgers haben insbesondere diejenigen verletzt, die

a) Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaft eines feindlichen Staates waren,

b) als Richter oder angestellte Beamte eines feindlichen Staates oder als Delegierte oder Beauftragte eines anderen Gerichts oder einer anderen öffentlichen Behörde durch ein Organ eines feindlichen Staates eingesetzt wurden oder

c) als angestellte Beamte oder als ernannte oder gewählte Funktionäre oder Mitglieder einer Körperschaft, eines Organs oder einer Gliederung der Verwaltung oder der Selbstverwaltung eines feindlichen Staates oder als Delegierte oder Beauftragte bei einer anderen Gliederung der Verwaltung oder der Selbstverwaltung von einem feindlichen Staat, der genannten Körperschaft, dem genannten Organ oder der genannten Gliederung bestellt wurden oder

d) in der Zeit nach dem 29. September 1938 an deutschen oder madjarischen Schulen oder an anderen Schulen unterrichtet haben oder in diesem Zeitraum als Angestellte des höheren Dienstes an ihnen tätig waren, wenn sie dazu von einem feindlichen Staat, einer feindlichen Korporation, Institution, einer feindlichen Anstalt, Schule oder von einer der unten in Punkt h) angeführten Organisation bestellt waren,

e) Offiziere oder Unteroffiziere einer feindlichen bewaffneten Macht waren,

f) Angehörige einer feindlichen bewaffneten Macht waren oder gegen die Tschechoslowakische Republik oder ihre Verbündeten in diesem Kriege gekämpft haben, wenn sie nicht nachweisen, daß sie sich dem widersetzten oder aktiven Widerstand dagegen geleistet haben, oder

g) Angehörige eines feindlichen Sicherheitschenstes oder einer feindlichen bewaffneten oder auf militärische Art organisierten oder aber einer von einem feindlichen Staat zwar unabhängigen, aber gegen die Ausübung der staatlichen Souveränität und Staatsgewalt gerichteten Formation waren oder

h) auf tschechoslowakischem Staatsgebiet oder anderswo Mitglieder einer Partei, einer Bewegung, einer politischen Gruppe, eines Verbandes, eines Vereins oder einer Formation waren, von denen feststeht, daß sie vom Feind organisiert wurden oder daß sie gegen die staatliche Souveränität der Tschechoslowakischen Republik oder gegen die Wiederaufnahme ihrer Ausübung, gegen die Sicherheit, Selbständigkeit, territoriale Integrität, verfassungsmäßige Einheit oder die demokratisch-republikanische Staatsform gearbeitet haben, oder die Mitglieder einer Formation waren, die eine solche staatsfeindliche Tätigkeit unterstützte, oder die Handlungen und Aktionen, welche derartige Ziele verfolgten, ausgeführt oder daran teilgenommen oder sie unterstützt haben oder

ch) Mitglieder der leitenden Beamtenschaft oder satzungsgemäße Organe einer feindlichen Anstalt oder eines feindlichen Unternehmens waren oder von einem feindlichen Staate, einer feindlichen Anstalt oder einem feindlichen Unternehmen oder irgendeiner der in vorhergehendem Punkt h) beschriebenen Organisationen zu Beauftragten bei einer anderen Anstalt oder einem anderen Unternehmen bestellt worden waren oder

i) leitende Personen oder satzungsgemäße Organe eines Wirtschaftsunternehmens waren, das in erheblichem Umfange die feindlichen Kriegsanstrengungen unterstützt hat, oder zu den Personen gehörten, welche die Aufsicht über die Geschäftsführung oder die Arbeitnehmerschaft führten, oder

j) Vertrauensleute waren, die mit einer Mission in feindlichen Diensten betraut waren, oder

k) Inhaber eines Ehrenranges oder einer Auszeichnung waren, die ihnen von einem feinlichen Staat, einer feindlichen Institution oder Organisation verliehen wurde; als eine solche Ehrenauszeichnung wird auch die Verleihung der Urkunde über die Reichsbürgerschaft nach dem deutschen Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935 angesehen, oder

l) erwiesenermaßen Verfasser öffentlicher Erklärungen mit einer der Tschechoslowakischen Republik gegenüber feindlichen Haltung sind, einschließlich von Erklärungen in Eingaben an Behörden, oder

m) wegen einer Straftat nach dem Gesetz über die Bestrafung der nazistischen Verbrechen verurteilt wurden oder

n) sich vor dem 29. September 1938 auf deutsches oder madjarisches Gebiet begeben haben, um dort bei den feindlichen Behörden Schuts zu suchen, oder sich in das Ausland begeben haben, um sich einer Verfolgung wegen Straftaten zu entziehen, die sie gegen die Tschechoslowakische Republik begangen haben, oder

o) Angehörige des sogenannten Sudetendeutschen Freikorps oder einer anderen älmlichen Formation waren, welche eine kriegerische umstürzlerische Tätigkeit gegen die Tscheckoslowakische Republik zum Ziele hatte, oder

p) sich nach Inkrafttreten des Waffenstillstandes mit dem Feinde ohne Wissen der zuständigen Behörden aus dem Staatsgebiet entfernten oder, wenn sie sich früher entfernt haben, auf behördliche Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht zurückkehren oder

r) in irgendeiner Weise mit dem Feinde aktiv zusammenarbeiteten oder

t) aus den durch die Besetzung des tschechoslowakischen Gebietes durch eine feindliche Macht entstandenen Verhältnissen für sich oder für die ihnen nahe stehenden Personen einen wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteil gezogen haben oder zu ziehen suchten.

(11) Gemäß § 4 Abs. 1 werden verheiratete Frauen und minderjährige Kinder für die Zwecke des Dekrets selbständig beurteilt. Diese Bestimmung bedeutet, daß die Staatsbürgerschaft eines jeden Familienmitgliedes selbständig festgestellt wird, d. h., die Ehefrau folgt in der Staatsbürgerschaft nicht dem Ehemann und die minderjährigen Kinder nicht ihrem Vater (ihrer unehelichen Mutter). Es kann also der Fall eintreten, daß der Ehemann wegen seiner deutschen oder madjarischen Nationalität gemäß § 1 Abs. 1 oder 2 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verliert, die Ehefrau jedoch, falls sie nicht deutscher oder madjarischer Nationalität ist, die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft behält; umgekehrt aber, daß der Ehemann die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft behält, die Ehefrau jedoch, falls sie deutscher oder madjarischer Nationalität ist, die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verliert. Analog tritt bei Kindern, die deutscher oder madjarischer Nationalität sind, der Verlust der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft ein, auch wenn bei den Eltern oder einem Elternteil der Verlust nicht eintritt oder umgekehrt.

(12) Wenn der Ehemann die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft gemäß § 1 Abs. 1 oder 2 des Dekrets nicht verloren hat, weil er nicht Deutscher oder Madjare ist, kann seine Ehefrau, die als Person deutscher oder madjarischer Nationalität die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft verloren hat, um die Wiederverleihung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 unter erleichterten Bechngungen ansuchen. Das Gesuch wird dann wohlwollend beurteilt, und bis zur Entscheidung darüber wird die Gesuchstellerin als tschechoslowakische Staatsbürgerin angesehen. Der Bezirksnationalausschuß stellt darüber bei der Einreichung des ordnungsgemäß belegten Gesuche eine Bescheinigung nach Muster C aus. Dasselbe gilt für die minderjährigen Kinder, deren Eltern oder jedenfalls ein Elternteil die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft nicht verloren haben. Die Gesuche für diese Kinder reicht ihr gesetzlicher Vertreter ein, also der Vater, wenn der Vater nicht vorhanden ist oder seine Zustimmung grundlos verweigert, kann die Mutter oder eine andere Person, bei der sich die Kinder in Pflege befinden, das Gesuch mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts (der Vormundschaftsbehörde) einreichen. Ausdrücklich sei bemerkt, daß die Vorschrift über die wohlwollende Beurteilung der Gesuche der Ehefrau und der Kinder tschechoslowakischer Staatsbürger um die Wiederverleihung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft unbedingt so auszulegen ist, daß sich dieses Wohlwollen nur auf das in § 3 des Dekretes erwähnte freie Ermessen beziehen kann, daß aber dadurch durchaus keine zwingende Vorschrift dieses Paragraphen berührt wird, nach der dem Gesuchsteller nicht Gehör gegeben werden darf, wenn er die Pflichten eines tschechoslowakischen Staatsbürgers verletzt hat. Es wird darauf hingewiesen, daß eine Bekanntmachung des Innenministers, deren Erlassung gleichzeitig angeordnet wird, bestimmen wird, daß die Frist zur Einreichung eines Gesuches um Wiederverleihuug der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft der Ehefrauen und Kinder tschechoslowakisdser Staatsbürger auf 6 Monate vom Tage des Inkrafttreten des Dekrets, d. h. vom 10. August 1945 an, festgesetzt wird; für andere Gesuchsteller gilt diese Frist jedoch nicht.

(13) Tschechen, Slowaken und Angehörige anderer slawischer Nationen, die sich in der Zeit der erhöhten Bedrohung der Republik um die Verleihung der deutschen oder der ungarischen Staatsangehörigkeit beworben haben, ohne dazu durch Zwang oder durch besondere Umstände genötigt zu sein, verlieren die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft ebenso wie die Personen deutscher oder madjarischer Nationalität. Dies betrifft nicht nur die Verleihung der Staatsbürgerschaft der Okkupanten im eigentlichen Sinne, sondern jeden freiwilligen Antrag auf Erwerb der deutschen oder der ungarischen Staatsangehörigkeit, also auch auf Anerkennung oder Zuerkennung der Staatsangehörigkeit, auf Eintragung in die Nationalitätenliste u ähnl. Es ist auch nicht entscheidend, ob die fremde Staatsangehörigkeit verliehen (anerkannt, zuerkannt) wurde oder nicht. Der Verlust tritt mit dem Tage des Inkrafttretens des Dekrets ein. Im übrigen gilt für den Verlust der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft das in den Absätzen 3 bis 6 Gesagte.

(14) Bei der Anwendung der Bestimmungen des Dekrets ergeben sich in der Frage, ob eine bestimmte Person sich als Deutscher oder Madjare, also zur deutschen oder madjarischen Nationalität bekannt hat (§ 1 Abs. 4) oder ob sie sich um den Erwerb der deutschen oder der ungarischen Staatsangehörigkeit beworben hat (§ 5) und dazu durch Zwang oder besondere berücksichtigungswürdige Umstände genötigt war, oft sehr erhebliche Zweifel. Da ist es am Platze, sich die bekannten Methoden und Anschauungen der Okkupanten (insbesondere der deutschen) zu vergegenwärtigen, nach denen die deutsche oder ungarische Staatsangehörigkeit eine bedeutende Menge von Personen erhalten hat, über deren tschechische oder slowakische Nationalität keine begründeten Zweifel bestehen. Es handelt sich dabei vor allem um die Ehefrauen von Personen deutscher Nationalität, um Kinder, deren einer Elternteil Deutscher war, aber auch um andere Personen. Für einen Deutschen wurde nach seiner Abstammung aus deutschem Blut auch derjenige gehalten, bei dem ein Großelternteil Deutscher war oder ist; manchmal genügte die bloße Herkunft aus einer Gemeinde, die als eine deutsche angesehen wurde, schließlich genügte auch der bloße deutsche Name. Bei Kindern wurde besonders ihre Erfassung für die deutsche Sache durch verschiedene Praktiken gefordert, wie durch die Androhung, sie den Eltern und anderen gesetzlichen Vertretern auch gegen ihren Willen wegzunehmen, durch die Androhung der Bestrafung wegen der Entfremdung der Kinder vom deutschen Volk. Auch Personen, die ihrer Abstammung nach Tschechen waren, sollten nicht allgemein von der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossen werden, weil dadurch angeblich die Eindeutschung rassisch wertvoller fremder Angehöriger erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht worden wäre, auf die vom deutschen Standpunkt angeblich nicht verzichtet werden durfte. Von solchen Voraussetzungen ging man bei der planmäßigen Eindeutschung der tschechischen Bevölkerung aus, und es bleibt nun nichts anderes übrig, als die auf diese Weise mit teils größerer, teils geringerer Gewalt dem tschechischen Volk entfremdeten Personen wieder den Reihen der tschechischen (slowakischen) Bürger auf eine Art zuzuführen, die die Gewähr bietet, daß aus ihnen in der Zukunft ordentliche tschechoslowakische Staatsbürger werden; dies wird umso leichter sein, weil es nach den Erfahrungen, welche alle einheimischen Bewohner während der Okkupation gemacht haben, nur wenige geben wird, die sich darnach sehnen dürften, daß die von den Okkupanten eingeführten Verhältnisse wiederkehren.

(15) Den Personen, welche nach dem Dekret tschechoslowakische Staatsbürger geblieben sind oder es wieder werden, wird als Ausweis über ihre Staatsbürgerschaft eine „Bescheinigung über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft“ (Muster D) ausgestellt. Diese Bescheinigungen werden auf Ansuchen der Parteien ausgestellt; von diesen sind Angaben und Belege für den Nachweis über das Vorliegen der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft allerdings nur in dem Umfang zu verlangen, der für die Beurteilung der Sache notwendig ist; Belege, welche die Parteien überhaupt nicht oder aber nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten besorgen können, sind nicht zu verlangen. Fehlende notwendige Belege sind durch behördliche Erhebungen zu ersetzen, welche auch hier – wie im gesamten, vom Grundsatz der Offizialmaxime beherrschten Verwaltungsverfahren – volle Rechtswirkung besitzen. Vor allem darf das Hauptgewicht nicht auf die unumgängliche Beschaffung der Heimatscheine gelegt werden. Falls die Heimatzuständigkeit nicht festgestellt oder ermittelt ist, ist in dem Ausweis an Stelle der Heimatgemeinde die Bemerkung aufzunehmen: „bisher nicht ermittelt“. Ergeben sich bei der Ermittlung der Staatsbürgerschaft irgendwelche Zweifel, so ist eine Äußerung des Innenministeriums einzuholen, wobei anzugeben ist, welche Zweifel bestehen. Im Hinblick auf den Grundsatz, daß auch die verheirateten Frauen und die minderjährigen Kinder bei der Feststellung der Staatsbürgerschaft selbständig beurteilt werden, kann der Bezirksnationalausschuß dort, wo dies ausdrücklich verlangt wird, eine besondere Bescheinigung über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft ausstellen. Wird dies nicht ausdrücklich verlangt, so werden die Ehefrau und die minderjährigen Kinder in die Bescheinigung des Ehemannes bzw. des Vaters (der unehelichen Mutter) aufgenommen. Sucht eine verheiratete Frau um eine Bescheinigung über die Staatsbürgerschaft des Ehemannes an, so kann ihr eine solche Bescheinigung ohne die Zustimmung des Ehemannes nicht ausgestellt werden; benötigt sie jedoch eine solche Bescheinigung, so ist in der ihr ausgestellten Bescheinigung über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft neben der allgemeinen Angabe, daß sie verheiratet ist, der Zusatz hinzuzufügen: „Der Ehemann ... geboren am ...‚ zuständig in der Gemeinde ...‚ ist ebenfalls tschechoslowakischer Staatsbürger“. Die vorläufigen Bescheinigungen über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, die nach dem 5. Mai 1945 ausgestellt wurden, werden ohne Rücksicht darauf, von wem und auf welcher Grundlage dies erfolgt ist, für ungültig erklärt (das bezieht sich nicht auf die Bescheinigungen, welche den Auslandstschechen und Auslandsslowaken ausgestellt wurden, die als Repatrianten zurückkehren und sich nun um die Erlangung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft bewerben). Die um Austeilung einer vorläufigen Bescheinigung über die Staatsbürgerschaft eingereichten Gesuche sind weiterhin als Gesuche um Ausstellung ordnungsmäßiger Bescheinigungen über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft anzusehen und zu behandeln. Den Personen, die eine Bescheinigung über die Staatsbürgerschaft beantragen, muß in jedem Falle ein Bescheid erteilt werden, und zwar entweder in der Weise, daß eine Bescheinigung über die Staatsbürgerschaft ausgestellt oder ein ordnungsmäßig begründeter Bescheid darüber erteilt wird, daß die Ausstellung der Bescheinigung abgelehnt wird; dieser Bescheid unterliegt dem ordentlichen Instanzenzug.

16) Soweit es sich um die sachliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Staatsbürgerschaft nach dem Dekret handelt, ist diese in den einzelnen Fällen oben angegeben. Die Ausstellung der Bescheinigungen über die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft und die Entscheidung darüber, wer tschechoslowakischer Staatsbürger ist, steht – soweit im Dekret nichts anderes bestimmt wird – dem Bezirksnationalausschuß (der Bezirkserwaltungskommission) zu, in Statutarstädten mit politischer Verwaltung den Ortsnationalausschüssen. Die Verleihung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft ist den Landesnationalausschüssen vorbehalten.

(17) die örtliche Zuständigkeit der Behörden richtet sich gemäß § 7 der Regierungsverordnung über das Verwaltungsverfahren Slg. Nr. 8/1928 in erster Linie nach dem Wohnsitz der Partei, falls die Partei im Inland keinen Wohnsitz hat, nach ihrem Aufenthalt, falls es auch an einem solchen fehlt, nach der Heimatgemeinde, gegebenenfalls nach den weiteren dort angeführten Umständen. Dabei wird daran erinnert, daß die Bekanntmachung des Ministers des Inneren vom 15. Dezember 1926, Slg. D. Ges. u. Vo. Nr. 225, eine bloße behördliche Anweisung ist, und daß die Zuständigkeitsvorschriften der Regierungsverordnung vom 11. Januar 1940, Slg. D. Ges. ü. Vo. Nr. 19, ebenso wie diese ganze Verordnung ihre Gültigkeit verloren haben, so daß die oben angeführten allgemeinen Hilfsnormen über die Zuständigkeitsbegründung heranzuziehen sind.

(18) Da die Staatsbürgerschaftsfrage für alle Zweige der öffentlichen Verwaltung und für die Beurteilung der privaten Interessen von großer Wichtigkeit ist, ist es unbedingt erforderlich, daß die Behandlung der Staatsbürgerschaftsangelegenheiten mit jeder nur möglichen Beschleunigung erfolgt. Bei jedem Ausschuß ist ein juristischer Beamter mit der Führung dieses Aufgabenbereiche zu betrauen, der für die ordnungsgemäße Führung persönlich, und zwar strafrechtlich und disziplinar, verantwortlich ist; ihm sind so viele Hilfskräfte zuzuteilen, daß die Bearbeitung nicht in Rückstand kommt. In Zweifelsfällen ist eine Äußerung oder eine Weisung der übergeordneten Behörde einzuholen. Bei der Vorlage der Gesuche an das Ministerium des Innern ist immer beim „Gegenstand“ neben dem Namen des Gesuchsstellers anzuführen, um welche Art von Gesuch es sich handelt, z. B. „Genehmigung der Bescheinigung über die nationale Zuverlässigkeit (§ 1 und 4 des Dekrets)“ oder „Beibehaltung der Staatsbürgerschaft (§ 2 dem Dekrets)“ – „Wiederverleihung der Staatsbürgerschaft (§ 3 des Dekrets)“ usw.

(19)   Durch diesen Runderlaß bzw. durch dieses Dekret werden die Staatsbürgerschaftsverhältnisse nur soweit geregelt, als sie mit der Wiederherstellung der Tschechoslowakischen Republik bzw. mit der Regelung der Staatsbürgerschaft von Personen deutscher und madjarischer Nationalität zusammenhängen. Die Vorschriften über den Erwerb und Verlust der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft bleiben einstweilen, bis sie durch eine besondere gesetzliche Vorschrift geregelt werden, in Kraft.

(20)   die Vordrucke nach den Mustern C, D, E sind ebenfalls in der Druckerei des Ministeriums dem Innern zu bestellen.

(21)   die Landes- und Bezirksnationalausschüsse haben den Empfang dieses Runderlasses unverzüglich zu bestätigen und bei dieser Gelegenheit berichten, daß alles zu seiner Durchführung Erforderliche veranlaßt wurde.