Der Vertreibungsholocaust
Rezension von Primarius Dr. Otto Scrinzi

Zur rechten Zeit haben sich Rolf-Josef Eibicht und Anne Hipp (als Herausgeber) und ihre Mitautoren einem Thema gestellt, das geeignet wäre, der frechen Verlogenheit der unter dem Titel von Rechtsansprüchen – 55 Jahre Verjährung hin oder her – auftretender Erpressung entgegenzutreten, die in Wahrheit bloßem materiellen Vorteilsdenken – kauft keine Waren in Deutschland, treibt keinen Handel mit Österreich – und schierer Feigheit entspringt. Die ungefragten Zahler sind im Grunde jene Generationen, die rund ein halbes Jahrhundert von den „entschädigungspflichtigen Ereignissen“ getrennt sind – schuldig Geborene!

Für die Kriegsverlierer gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit natürlich nicht; die verweigerten Friedensverträge ermöglichen Wiedergutmachungsforderungen im zeitlich und mengenmäßig unbegrenzten Umfang. Die, soweit sie amtlich ist, zum Teil unveröffentlichte Bestandsaufnahme des an den besiegten Deutschen begangenen „Holocaust“ – die bedingungslose Kapitulation schloß jede Parteistellung der Opfer der anderen Seite aus – wird gründlich aufbereitet und über die historische Dokumentation hinaus in politische Forderung umgesetzt. Roß und Reiter werden beim Namen genannt, die Gegenrechnung aufgemacht. Sich zu ihrer moralischen und völkerrechtlichen Legitimation zu bekennen, ist ein mutiges Verdienst dieses Buches.

Gerade die Heimatvertriebenen haben in den vergangenen Jahrzehnten ihre Bereitschaft zu Ausgleich und Versöhnung betont. Die Gegenseite war nicht einmal bereit, dazu durch die Aufhebung der berüchtigten Benesch-Dekrete oder der Jajce-Beschlüsse einen symbolischen Beitrag zu leisten. Nach dem deutsch-tschechischen Versöhnungsvertrag, der über die Köpfe der betroffenen sudetendeutschen Opfer und zu ihren einseitigen Lasten abgeschlossen wurde, entlockte dem tschechischen Ministerpräsidenten nur die Bemerkung, daß das Wort „Versöhnung“ in seinem Sprachschatz nicht vorkomme.

Im Rahmen einer kurzen Besprechung ist es leider nicht möglich, auch nur einen Bruchteil des gesammelten und bearbeiteten Materials zu dieser wohl größten Tragödie der jüngeren Geschichte auszubreiten. Sie wird mit erschütternden Tatzeugenberichten angereichert, die alle menschliche Vorstellungskraft überschreiten. Dieser Krieg auf Leben und Tod hat auf allen Seiten das Unterste zu oberst gekehrt. Den Autoren geht es nicht bloß um ein „Aufbewahren für alle Zeiten“, sondern um Bewußtseinsbildung und die Erstellung eines Forderungskataloges, um in der oft beschworenen Völkergemeinschaft wenigstens eine Teil-Wiedergutmachung in Gang zu bringen. Gerade die anlaufende Osterweiterung gäbe Gelegenheit, einen Schritt in Richtung einer echten Versöhnung zu tun, vor allem das mit Füßen getretene Heimatrecht der Vertriebenen und ihrer Nachfahren wieder in Kraft zu setzen und die moralischen Grundlagen eines neuen Miteinanders herzustellen und nicht bloß die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wohlstandes zu verbessern.

Die ausführlichen Schriftumshinweise erleichtern einen Überblick über Einzelfragen. Dem selbstgestellten "zweite(n) Auftrag", zu einer Politik der "Beendigung (Wiedergutmachung) eines Jahrtausendverbrechens" beizutragen, wird das Buch vollauf gerecht.

Beachtenswert ist der Wiederabdruck eines vom ehemaligen Justizminister Dr. H. Ofner abgedruckten Forderungskataloges (von der FPÖ ausdrücklich autorisiert), in welchem neben dem Schuldeingeständnis Tschechiens "materielle Wiedergutmachung ... vor allen an Grund und Boden" durch Rückgabe und die Forderung, daß diese Vertreibungsverbrechen "Eingang in die Geschichts- und Schulbücher" Österreichs finden müßten. Die Partei, in deren Namen dies verlangt wurde, sitzt seit einem halben Jahr in der Regierung. Die Zeit des Offenbarungseides dürfte nicht länger aufgeschoben werden!
                  Primarius Dr. Otto Scrinzi

Scrinzi, Otto, Dr.
Aus alter Südtiroler Familie stammend, seit 1918 in Österreich lebend, ist nach Abschluß seiner Universitätsstudien in Innsbruck, Riga, Königsberg und Prag als Nervenarzt in Klagenfurt niedergelassen. Am dortigen Krankenhaus von 1955 bis 1983 Chefarzt. Lehrbeauftragter an der Universität Graz. Von 1941-1945 Truppenarzt an der Eismeerfront im Mittelabschnitt und zuletzt auf dem Balkan. Seit 1949 VDU-Mitglied (Vorgänger der FPÖ), seit dem gleichen Jahr Abgeordneter zum Kärtner Landtag; 1950 Landesparteiobmann. Von 1966-1983 Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat, Delegierter in der Beratenden Versammlung des Europarates und in der UNO. Von 1966 bis 1975 stellvertretender Parteiobmann der FPÖ. Nationaler Publizist und Mitarbeiter mehrerer Zeitungen und Zeitschriften; Verfasser dreier Bücher: zur Südtirol- und Kärntenfrage, zum Thema Ideologie und Wissenschaft, Herausgeber von: "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein"; Chronik Südtirol 1959-1969 (Stocker-Verlag, Graz 1996). Träger des Großen goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik; trotzdem beliebte Zielscheibe der europäischen Antifaschisten.             XXXXXXXXXXXXX

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ML 2001-09-13