Gedanken zum 4. März 1919
                        von Kurt Klaus (1999, SL)

Was damals geschah, vor 80 Jahren,
daran zu denken, wozu ist das gut?
Was sind schon vierundfünfzig Tote
nach von Millionen vergossenem Blut?

Wir müssen uns die Frage stellen –
gerade in dieser geschichtslosen Zeit –
in der die Erinnerung an solche Daten
verzerrt und verfälscht wird zur Unkenntlichkeit. –
Wir müssen bemüht sein, sachlich und klar,
Geschehen – Geschichte richtig zu deuten
und nicht überlassen, was damit geschieht,
ideologisch festgefahrenen Leuten.

Die Frage, die über allem steht,
wenn es um das damals Geschehene geht:
Was hat die Menschen wohl bewogen –
warum sind sie in Städte, auf Plätze gezogen?

Nach Tagen voll Ungewißheit und Bangen
war an alle ein Aufruf ergangen
von Seliger und auch von Lodgman von Auen
und anderen, – im vollen Vertrauen
in das, wäs Präsident Wilson geschrieben,
was bisher jedoch leeres Versprechen geblieben.
Sie wollten die Heimat nicht verlieren, –
darum zogen sie aus, um zu demonstrieren,
ruhig und friedlich und ohne Waffen
wollten sie darüber Klarheit schaffen,
daß „Selbstbestimmung“ nicht nur ein Wort,
daß sie überall gilt, an jedem Ort.
Selbstbestimmung auch für das Sudetenland!
Was jeder von ihnen gerecht empfand.
An dem Tag, als in Wien, im deutschöst‘reichschen Staat,
die Nationalversammlung zusammentrat, 
von der sie gewaltsam ferngehalten –
wollten sie ihre Zukunft mitgestalten,
wollten die Dinge beim Namen nennen
und sich offen zum deutschen Volk bekennen.
Zu dem Volk, aus dem vor siebenhundert Jahren
ihre Ahnen gerufen worden waren.

Ihre Ahnen, die nach Böhmen gekommen,
haben niemandem etwas genommen.
Sie haben, in ihrer aller Leben,
wenig bekommen – und viel gegeben.
Sie haben das Land, mit dem sie bedacht, –
eine menschenleere Wildnis – urbar gemacht.
Auch für sie galt deutscher Siedler Gebot:
Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not,
dem Dritten erst Brot. – So ist es gewesen.
Kann man darüber auch wenig lesen:
In Jahrhunderten ist, trotz Verwüstungen, Morden,
aus der Wildnis ein blühendes Land geworden;
auch ein reiches Land. Nach Schweiß kam der Preis.
Und nun sollte, auf der Sieger Geheiß,
dieses Land unter fremde Herrschaft kommen.
Den Menschen war dadurch die Freiheit genommen,
über die Zukunft selbst zu entscheiden.
Um dieses Unrecht zu vermeiden
war an sie der Aufruf ergangen. –
Und sie kamen – gläubig und unbefangen.

Was dann geschah, ist uns bekannt:
Salven krachten im ganzen Land ... –
ihre gute Absicht belohnte man schlecht:
Ihr Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht.

Was damals geschah, vor 80 Jahren,
daran zu denken, wozu ist das gut?
Was sind schon vierundfünfzig Tote
nach von Millionen vergossenem Blut?

Es war ein Geschehen besonderer Art,
darum haben wir stets die Erinn‘rung bewahrt.

Heute wissen wir, daß von diesem Tag an
die Tragödie unserer Heimat begann. ...

 

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