Aus der Leitseite der Sudetendeutschen Landsmannschaft (Abteilung Geschichte)

Die ersten Opfer des Selbstbestimmungsrechts der Sudetendeutschen

Die Toten bei der Besetzung unserer Heimat im Jahre 1918

(Mitteilungsblatt der SL Nr. 2/1999, S. 72f.; mit geringfügigen Korrekturen entsprechend dem fortschreitenden Forschungsstand. Verfasser: Konrad Badenheuer)

Der Verlauf der Besetzung unserer Heimat durch tschechisches Militär um die Jahreswende 1918/19 ist ein kaum erforschtes Kapitel unserer Heimatgeschichte, fast ein weißer Fleck.
Vor längerer Zeit wurde im Mitteilungsblatt dazu aufgerufen, uns Informationen aller Art über das damalige Geschehen zu schicken. Die Resonanz war beachtlich, vor allem aber konnten viele Literaturquellen gefunden werden.
Deren Auswertung ist eine langwierige Arbeit, weil meistens in dicken Büchern und anderen umfangreichen Quellen nur kurze Angaben zu dem Thema enthalten sind. Diese Angaben zusammenzusetzen, Plausibles von Unplausiblem zu trennen, schlechte Quellen und Widersprüche auszuscheiden, gleicht einem Puzzle mit tausenden Teilen.

Soviel steht fest: Die Besetzung war keineswegs eine Art Handstreich, bei dem nur da und dort in die Luft geschossen worden wäre und der sich ansonsten ohne Widerstand vollzogen hätte.
Widerstand wurde an nicht wenigen Orten geleistet und es gab auf beiden Seiten Tote und Verletzte.
Die Besetzung war auch nicht in „drei Wochen“ vollzogen, wie teilweise zu lesen ist, sondern dauerte fast genau drei Monate, vom 1. November 1918 bis in die letzten Januartage 1919.

Als ein erstes Ergebnis der Literaturstudien und der Nachforschungen soll nachfolgend eine Namensliste der Toten veröffentlicht werden, die auf deutscher Seite während der Besetzung infolge von Kämpfen und Übergriffen zu beklagen waren.
Wie unser Sprecher Franz Neubauer in seiner Erklärung zum 80. Jahrestag des 4. März 1919 zu recht erklärte, sind diese – nahezu vergessenen – Toten die ersten Opfer des Kampfes um das Selbstbestimmungsrecht unserer Volksgruppe

Tag Name   Ort und Anlaß
14. 11. 1918 Ein namentlich nicht bekannter Angehöriger der sudetendeutschen Volkswehr Beschießung von sudetendeutschen Volkswehrleuten durch eine tschechische
Patrouille während eines Bahntransports von Bennisch nach Troppau; das Feuergefecht fand vermutlich bei Gilschwitz statt, eventuell auch im benachbarten Ottendorf
21. 11. 1918 Steuerinspektor Daniczek aus Mährisch Kromau am Bahnhof Mißlitz von tschechischen Soldaten erschossen
26. 11. 1918 Rudolf Pokorny, 19 Jahre, Schlossergehilfe und Soldat der Leitmeritzer Volkswehr Gastorf bei Leitmeritz;
erschossen im Kampf gegen eine eindringende tschechische Einheit
26. 11. 1918 Franz Worlitschek, 18 Jahre, Buchhalter und  Soldat der Leitmeitzer Volkswehr Gastorf bei Leitmeritz;
wurde von der Gruppe abgedrängt und aus dem Hinterhalt angeschossen. Er erlitt Bauch- und Wirbelsäulenverletzungen, wurde danach von Tschechen mißhandelt und bewegungsunfähig liegengelassen. Passanten bargen ihn etwas später; er starb am am 27. November 1918 im Leitmeritzer Truppenspital.
Bei diesem Kampf  gegen 22.30 Uhr beim Gasthof „Zur Mühle“, unweit des Bahnhofs gab es auch auf tschechischer Seite einen Toten, außerdem auf beiden Seiten je einen Verletzten.
28. 11. 1918 Emil Mathiasch, 24 Jahre, Kellner und Soldat der Brüxer Volkswehr Brüx
am frühen Morgen bei der Eroberung der Stadt von tschechischen Soldaten in der Kaserngasse erschossen
28. 11. 1918 Josef Trotz, 42 Jahre, Arbeiter Brüx
bei der Besetzung der Stadt
28. 11. 1918 Katharina Podschadka (Plutschatka?) 56 Jahre. Arbeiterin  Brüx
bei der Besetzung der Stadt
28. 11. 1918 Elsa Cihla, 22 Jahre, Arbeiterin Brüx
bei der Besetzung der Stadt
28. 11. 1918 namentlich nicht bekannte junge Kellnerin des Gasthauses „Zum Schwan“ (= Elsa Cihla?) Bei den Kämpfen um Brüx kurz nach Mittag auf der Bialabrücke von Tschechen in Kopf und Rücken tödlich getroffen.
    Nach einer eigentlich guten Quelle gab es bei den Kämpfen um Brüx auf deutscher Seite insgesamt dreizehn Tote. Neun namentlich unbekannte sollen ins tschechische Gebiet überführt und dort bestattet worden sein. Eine andere Quelle spricht (plausibler) von sechs Toten auf deutscher Seite. Eine Quelle berichtet, daß es auch auf tschechischer Seite einen Toten und mehrere Verwundete gegeben habe. Brüx wurde von 350 Mann des Schützenregiments 8 aus Prag besetzt, das am 27. November 1918 gegen 21 Uhr in die Stadt einrückte. Erste Zusammenstöße begannen noch in der Nacht, am 28. November 1918 verteidigte die Brüxer Volkswehr die Stadt in erbitterten Straßenkämpfen, die bis zum späten Nachmittag dauerten. Die tschechischen Angreifer erhielten am Nachmittag Verstärkung aus Prag, dagegen blieb die von der Brüxer Volkswehr aus Komotau, Saaz und Teplitz angeforderteVerstärkung aus. Am Nachmittag mußte der Kampf aufgegeben werden, erst am 29. November 1918 ergaben sich die letzten Deutschen, nachdem der Stadt Beschießung mit Artillerie angedroht worden war.
29. 11. 1918 Aloisia Schober, 51 Jahre, Fabrikarbeiterin,
Anna Prims, 54 Jahre, Tischlersgattin,
Hermine Fischer, 15 Jahre, Hilfsarbeiterin,
Alois Tauschinsky, 14 Jahre, Lehrling
Katharina Sekora, 53 Jahre, Taglöhnerin
Massaker auf dem Marktplatz von Mährisch-Trübau
Das Massaker wurde wahrscheinlich von Soldaten des Infantrie-Regiments 54 aus Olmütz verübt, die die Stadt wenige Tage vorher besetzt hatten. Es gab dabei auch zahlreiche Verletzte
29./30. 11.             1919 Josef Langer, 22 Jahre, Volkswehrgefreiter
Franz Wanek, 43 Jahre, Volkswehrfeldwebel
Wiesa-Oberleutensdorf; Besetzung durch tschechische Truppen.
Dieses Gefecht wird in verschiedenen Quellen unterschiedlich datiert (18. November 1918 oder 1. Dezember 1918; die Datierung auf die Nacht 29./30. November 1918 ist am plausibelsten, auch wegen der Qualität der Quelle.)  
  3. 12. 1918 Engelbert Steinecker, Volkswehrmann  (eine andere Quelle schreibt: „Engelbert Steinmüller“) In den frühen Morgenstunden am Bahnhof von Umlowitz niedergeschossen, als er dabei war, den Anmarsch tschechischer Truppen aus Budweis (Infantrie-Regiment 91) gegen Kaplitz zu melden.
  3. 12. 1918 Josef Neubauer, 32 Jahre, Feldwebel der Kaplitzer Volkswehr In den Morgenstunden beim Kampf um Kaplitz gefallen.
Bei diesem Kampf gab es auch Verluste auf tschechischer Seite in unbekannter Höhe. Die Beschießung der Stadt mit Artillerie am Morgen des 3. November 1918 (Feldartillerie-Regiment 24 aus Budweis) richtete nur Sachschaden an.
15. 12. 1918   Bedrohung der Stadt Mährisch Schönberg mit Beschießung durch Artillerie
16. 12. 1918   Bedrohung der Stadt Eger mit Beschießung durch Artillerie
    Beide Städte entgingen der Beschießung (vgl. 3. Dezember 1918, Kaplitz), indem sie der Besetzung keinen Widerstand mehr entgegenstellten.
20. 12. 1918 Johann Schmid, 26  Jahre, Schriftsetzer Znaim
von tschechischem Militär bei der gewaltsamen Auflösung einer deutschen Versammlung erstochen

Diese Liste folgt überwiegend der Namensliste, die in der „Zeitschrift des Hilfsvereins für Deutschböhmen und die Sudetenländer“, April 1922; Nr. 4 (?), 3. Jg., auf S. 3f. veröffentlicht wurde. Fast alle Namen auf der Liste sind durch Angaben aus anderen Quellen erhärtet; drei Tote sind nicht in dieser Liste enthalten, aber aus anderen Quellen sicher belegt. Die Kämpfe in Gastorf, Brüx und Kaplitz sind mittlerweile gut dokumentiert, ebenso das Massaker in Mährisch Trübau. Nichts näheres ist bekannt über den Kampf bei Wiesa am 29./30. November 1918 und über die Todesfälle in Mißlitz (2. Dezember 1918). Leider immer noch unbekannt ist der Name des bei Troppau getöteten Volkswehrmannes.

Einige Quellen melden für die Besetzung von Zlabings in Südmähren zwei Tote. Diese Angabe ist nahezu sicher falsch. Vor der Besetzung der Stadt am 18. November 1918 gegen 2.30 Uhr morgens gab es ein zweieinhalbstündiges, heftiges Feuergefecht, das nach den besten Quellen auf beiden Seiten Verletzte, aber zumindest auf deutscher Seite keine Toten forderte. Allerdings wurde der Kommandeur der deutschen Volkswehr, Oberleutnant Strommer, nach dem Ende des Kampfes von tschechischen Soldaten krankenhausreif geschlagen. Über Tote auf der Seite der tschechischen Angreifer (Infanterie-Regiment 81 aus Iglau) ist nichts bekannt. Einige Quellen datieren diese Besetzung falsch auf den 20. November 1918. Auch bei den verschiedenen anderen Kämpfen in Südmähren (zwischen 30. November und 11. Dezember 1918) gab es auf deutscher Seite offenbar keine Toten.

Tabelle und Hervorhebungen durch Markwart Lindenthal 2000-09-23

Bitte beachten:
In den gleichen Tagen (ab Anfang November 1918) meuterten die Matrosen in Kiel, erfolgte die militärische Kapitulation, wurde im Deutschen Reich die Republik ausgerufen, gab es jede Menge Aufregung und Tumulte. Durch die Schwäche des Reiches hatten die Tschechen leichtes Spiel mit der Eroberung des Sudetenlandes: Das Deutsche Vaterland war mit sich selbst beschäftigt und nach außen hin gelähmt, sein Heer war gar nicht in der Lage einzugreifen!

Siehe auch den anderen Beitrag zum gleichen Thema!

Siehe auch den Beitrag zum 4. März 1919!